TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/10 95/20/0656

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Veröffentlicht am 10.07.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1 idF 1974/796;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Sentspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des K in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. September 1995, Zl. 4.333.252/14-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 16. Februar 1992 in das Bundesgebiet ein und wurde noch am selben Tag von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl zu seinem Asylantrag einvernommen.

Dabei gab er im wesentlichen an, als Kurde in seiner Heimatprovinz Tunceli "faktisch keine Überlebenschancen" gehabt zu haben; sehr oft seien Terroristen in sein Heimatdorf gekommen, hätten die Leute aus ihren Häusern getrieben und sich genommen, was sie brauchen konnten. Die Familie des Beschwerdeführers sei 1987 von Nachbarn angezeigt worden, worauf Regierungssoldaten gekommen seien, die Familie des Beschwerdeführers verhört und ihn selbst zur Bezirksdienststelle mitgenommen und dort für 48 Stunden festgehalten hätten; er sei verhört und geschlagen worden, er habe sich beispielsweise nackt in den Schnee legen müssen, dann sei er geschlagen worden. Der Beschwerdeführer habe 1987 bis 1989 seine Militärdienstzeit absolviert, seine Familie sei 1988 nach Istanbul gezogen; eine Verbesserung hätte sie sich aber damit nicht schaffen können. Angehörige der kurdischen Volksgruppe könnten beispielsweise nicht einmal eine Beschäftigung in einer Fabrik erhalten, sie könnten nur niedere Arbeiten annehmen, würden überall benachteiligt und als Menschen zweiter Klasse behandelt. Sein Vater sei behindert und erwerbsunfähig, der Beschwerdeführer selbst könne wegen seiner schlechten Entlohnung "absolut die Familie nicht erhalten bzw. versorgen". Ständig müsse er sich vor den Soldaten verbergen, er glaube, daß man ihn auch in Istanbul noch suche; er habe aus Angst seine Heimat verlassen.

Am 19. Mai 1992 wurde der Beschwerdeführer von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg neuerlich niederschriftlich einvernommen und gab zu seinen Fluchtgründen nebst Ausführungen zur allgemeinen Lage der Kurden in der Türkei, wonach "wir" von der türkischen Polizei und vom Militär "immer geprügelt, gefoltert und mißbraucht" wurden, einen Vorfall an, als er im Alter von 15 Jahren (also ca. 1982) wegen des Verdachtes, Terroristen zu unterstützen, 45 Tage inhaftiert sowie mißhandelt worden sei; es habe damals kein Gerichtsverfahren gegeben, doch glaube er, Unterlagen über diese Inhaftierung besorgen zu können.

In einem "Bericht" vom selben Tage hielt der Verhandlungsleiter fest, der Beschwerdeführer mache einen "unsicheren, nervösen Eindruck". "Mit Nervosität begründet er (der Beschwerdeführer) auch seine in manchen Bereichen nicht ganz übereinstimmenden Aussagen zur Erstvernehmung bei der BH Neusiedl."

Mit Bescheid vom 25. Juni 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling und daher nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Sie zog ausschließlich die Angaben des Beschwerdeführers vom 19. Mai 1992 heran und wertete diese dahin, daß "die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe noch keinen Grund" bilde, die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention "anzuwenden", daß von einer den Beschwerdeführer "unmittelbar betreffenden konsequenten Verfolgung" nicht gesprochen werden könne, zumal die "angebliche Inhaftierung" zehn Jahre zurückliege und nicht zu weiteren Bedrohungen des Beschwerdeführers geführt habe.

In seiner fristgerecht erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer zunächst auf seine Angabe, wonach "wir von der Polizei immer geprügelt, gefoltert und mißhandelt werden", wobei er mit "wir" auch sich selbst mitumfaßt erachtet habe. Weiters verwies er in Ansehung der geltend gemachten Mißhandlungen auf seine Ausführungen bei der Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 16. Februar 1992. Als er bei dem "Interview in Traiskirchen" gesagt habe, daß er Unterlagen über seine seinerzeitige Verhaftung aus der Türkei besorgen könne, habe der Dolmetscher abgewunken und erklärt, das brauche man nicht; er habe auch erzählen wollen, was alles passiert sei, aber der Dolmetscher habe gesagt, man brauche keine Details, der Beschwerdeführer solle nur die Fragen beantworten. Man habe ihn die Vorfälle seiner Verfolgung nicht schildern lassen. Zu diesen führte er aus, im Jahr 1985 sei ihm von Seiten der Polizei die Absolvierung einer Ausbildung für die PKK unterstellt worden, er sei verhaftet und eine Woche lang verhört und geschlagen, danach jedoch wieder freigelassen worden. 1986 hätten zwei befreundete Männer versucht, den Beschwerdeführer für die PKK zu gewinnen, was er jedoch aus Angst vor der Polizei verweigert habe, worauf ihm angedroht worden sei, seiner Familie werde "etwas geschehen". Aus Angst vor der PKK sei er dann nach Istanbul gezogen, wo ihm abermals von Seiten der Polizei unterstellt worden sei, zur PKK zu gehören und nach Istanbul gekommen zu sein, "um hier eine Organisation aufzubauen". Da ihm nichts habe bewiesen werden können, sei er 1988 bis 1990 zum Militär eingezogen worden; weil der Beschwerdeführer Alevite sei, habe ihn sein Kommandant beim Militär täglich vortreten und vor allen Soldaten verprügeln lassen. Dies habe 15 Monate gedauert, seit dieser Zeit höre er der Schläge wegen auf dem rechten Ohr schlecht. Nach der Militärzeit habe er zuerst Gelegenheitsarbeiten am Bau verrichtet und sei dann in einer Molkerei beschäftigt gewesen. Nach der Teilnahme an einem Streik wegen der schlechten Bezahlung sei auch er verhaftet worden und eine Woche in Arrest gewesen, wo man die Streikenden mißhandelt habe, danach seien sie alle arbeitslos gewesen. In der Folge sei er wieder verhaftet worden, und man habe ihm vorgeworfen, an einer Demonstration teilgenommen zu haben und für die PKK zu arbeiten; nach einem Tag habe man ihn freigelassen, und er habe sich zur Flucht ins Ausland entschlossen.

Am 27. August 1992 wurde der Beschwerdeführer von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich ein weiteres Mal einvernommen, wobei es um den Wohnsitz des Beschwerdeführers und die entsprechende Meldung ging.

Der diese Berufung abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 1993 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 94/20/0144, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (irrtümliche Anwendung des AsylG 1991) aufgehoben.

Schon zuvor hatte der Beschwerdeführer nach Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten am 13. Juli 1993 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, in dem er vorbrachte, am 8. Juli 1993 durch seine in der Türkei verbliebenen Verwandten erfahren zu haben, daß die Oberstaatsanwaltschaft Istanbul des Staatssicherheitsgerichtes am 1. November 1992 eine Anklage gegen ihn erhoben habe und ihn beschuldige, Angehöriger und Mitglied einer illegalen Terrororganisation, die zum Zwecke der Aufteilung der Türkei agitiere, zu sein und gemeinsam mit Mitangeklagten bis zum und am 8. Oktober 1992 in verschiedenen Städten Propaganda für Kurden geführt zu haben, einer illegalen Organisation anzugehören, das Volk zur Rebellion aufgerufen zu haben, illegale Demonstrationen veranstaltet sowie gegen Bankfilialen Molotowcocktails geworfen und illegale Flugblätter verteilt zu haben; aus den dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Gründen beantrage die Oberstaatsanwaltschaft die Verhängung der Todesstrafe. Weiters legte der Beschwerdeführer ein in türkischer Sprache verfaßtes Schriftstück samt beglaubigter Übersetzung vor und gab dazu an, seine Familie habe dieses Schriftstück der Oberstaatsanwaltschaft Istanbul des Staatssicherheitsgerichtes erlangen können; aus dieser Anklageschrift sei ersichtlich, daß der türkische Staat individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungsschritte unternehme. Der Beschwerdeführer beantragte unter anderem die "Überprüfung der Authentizität der Klage der Oberstaatsanwaltschaft Istanbul".

Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren über die Echtheit der vorgelegten Urkunde durch und gelangte aufgrund der vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul gepflogenen Erhebungen zum Ergebnis, daß es sich bei der "Klageschrift" um eine Fälschung handle. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 5. Jänner 1995 wies sie den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens ab.

In dem aufgrund des oben angeführten hg. Erkenntnisses wieder bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Berufungsverfahren erließ diese den nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid, mit dem sie die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abwies und aussprach, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968). Nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens hinsichtlich der Einvernahme vom 19. Mai 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg, der Entscheidung dieser Behörde und der dagegen erhobenen Berufung sowie nach Ausführungen zur Rechtslage begründete die belangte Behörde ihren Bescheid im einzelnen damit, die vom Beschwerdeführer anläßlich seiner "Erstbefragung" relevierte Festnahme in dessen Alter von 15 Jahren stehe in keinem zeitlichen Konnex zu seiner Ausreise und stelle ein singuläres Ereignis dar, aus dem ihm keine weiteren Nachteile erwachsen seien; die vom Beschwerdeführer "ausgeführten Allgemeinheiten betreffend die kurdische Bevölkerung" seien nicht geeignet, seine Flüchtlingseigenschaft zu begründen, da nur KONKRETE, AUSSCHLIEßLICH (Hervorhebung im Original) gegen seine Person gerichtete Verfolgungshandlungen von Relevanz seien. Auch sei den Ausführungen des Beschwerdeführers "mangels Substanz die Glaubwürdigkeit zu versagen", denn es sei ihm anläßlich seiner Ersteinvernahme "nicht gelungen", seine Behauptungen näher mit Fakten zu untermauern. Dem Berufungsvorbringen, "die erstinstanzliche Einvernahme betreffend", sei zu entgegnen, daß der Beschwerdeführer die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift "am Ende mit (seiner) Signatur" bestätigt habe, "widrigenfalls" er ja die Unterschrift hätte verweigern können; er müsse nun "den § 15 AVG 1991 gegen sich gelten lassen". "Als glaubwürdig können Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder gar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen und wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die erkennende Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Asylverfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluß aufdrängen, daß sie bloß der Asylerlangung dienen sollen, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Ihrem darüber hinausgehenden Vorbringen in der Berufung ist somit gleichfalls die Glaubwürdigkeit zu versagen."

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Eine dem Neuerungsverbot des § 20 AsylG 1991 vergleichbare Regelung besteht im Anwendungsbereich des - nunmehr von der belangten Behörde zutreffend herangezogenen - AsylG (1968) nicht; doch hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, daß eine Beweiswürdigung, die im Laufe des Verfahrens später vorgebrachte, abweichende Angaben als unglaubwürdig qualifiziert, nicht von vornherein als unschlüssig zu werten ist. Gegen die darauf abzielenden, oben vollständig wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde wendet sich die Beschwerde und rügt, diese formelhaften Worte ließen nicht erkennen, welche konkreten Tatsachen unterschiedlich, widersprüchlich oder mit der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unglaubwürdig seien. Diese Rüge ist im Ergebnis nicht berechtigt:

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann dem bekämpften Bescheid (gerade noch) ausreichend eine dem Gesetz entsprechende, einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugängliche Begründung entnommen werden. Der entscheidungswesentlichen Beurteilung im Bescheid, wonach dem "darüber (gemeint: über die anläßlich der Einvernahme am 19. Mai 1992 gemachten Angaben des Beschwerdeführers) hinausgehenden Vorbringen in der Berufung" sei die Glaubwürdigkeit zu versagen, läßt sich entnehmen, daß die belangte Behörde die von dieser Einvernahme abweichenden Teile der Berufungsausführungen als unglaubwürdig erachtete, insbesondere weil diese erst sehr spät im Verfahren vorgebracht wurden und deshalb "den Schluß aufdrängen, daß sie bloß der Asylerlangung dienen sollen, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen". Die Beschwerde bemängelt zwar zu Recht, daß eine detailliertere und die unterschiedlichen Angaben im einzelnen aufzeigende Begründung wünschenswert gewesen wäre, jedoch ergeben sich die in der Berufung von den Angaben des Beschwerdeführers vor der Asylbehörde erster Instanz abweichenden Behauptungen aus deren Wiedergabe im bekämpften Bescheid. Der Beschwerdeführer zeigt in der Beschwerde nicht auf, warum er in seiner Berufung erstmals die entscheidenden asylrelevanten Umstände erwähnte, daß ihm nämlich von den Behörden anläßlich seiner Übersiedlung nach Istanbul der Aufbau einer (Teil-)Organisation für die PKK unterstellt, er während seines Militärdienstes "als Alevite aus P" schwer mißhandelt und danach wieder in Instanbul wegen der Teilnahme an Demonstrationen, insbesondere auch unter neuerlichem Verdacht der Zugehörigkeit zur PKK verhaftet worden sei. Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich in der Berufung geltend machte, bei "dem Interview in Traiskirchen" habe ihm der Dolmetscher erklärt, die von ihm angebotenen Urkunden über seine seinerzeitige Verhaftung benötige man nicht, der Dolmetscher habe überdies verhindert, daß er alle (in der Berufung nachgeholte) Vorfälle erzähle, bezog er sich damit offensichtlich auf seine Einvernahme vor der BH Neusiedl/See am 16. Februar 1992, jedenfalls nicht auf die erst einige Zeit nach seiner Entlassung aus der Betreuungsstelle in Traiskirchen erfolgte "Ersteinvernahme" durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg als Asylbehörde erster Instanz. Demgemäß hätte der Beschwerdeführer aber bei seiner Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg Gelegenheit gehabt, sämtliche bei der Einvernahme vor der BH Neusiedl/See nach seinen Behauptungen vom Dolmetscher als nicht wesentlich zurückgewiesenen Angaben neuerlich und vollständig darzutun. Der Beschwerdeführer hat weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde das Protokoll über die Niederschrift anläßlich seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg am 19. Mai 1992 als unrichtig oder mangelhaft gerügt. In der Beschwerde wird zwar geltend gemacht, die Asylbehörde erster Instanz habe ihre Anleitungspflicht verletzt, jedoch wird nicht konkret ausgeführt, weshalb dies der Fall gewesen sei, insbesondere nicht dargetan, aufgrund welcher Anhaltspunkte die Asylbehörde in erster Instanz die erst in der Berufung vorgebrachten Umstände zu erfragen gehabt hätte. Daß die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg den Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde behauptet - nicht nach seinen Fluchtgründen gefragt hätte, steht mit dem Inhalt der aufgenommenen Niederschrift in Widerspruch. Die Darstellungen des Beschwerdeführers sowohl bei der BH Neusiedl/See als auch anläßlich seiner Einvernahme vor der Asylbehörde erster Instanz wiesen lediglich darauf hin, daß der Beschwerdeführer als Kurde und Alevite in der Türkei stark benachteiligt gewesen sei, daß er schwere Mißhandlungen während seines Aufenthaltes in seiner Heimatprovinz, also vor seiner Übersiedlung nach Istanbul sowohl von Seiten der Militärbehörden als auch von Seiten der "PKK-Terroristen" zu erleiden gehabt habe. Damit standen seine Angaben unmittelbar mit den in diesen Regionen stattfindenden Kämpfen zwischen dem türkischen Militär und der PKK in Verbindung, drängten jedoch nicht die Schlußfolgerung auf, daß dem Beschwerdeführer eine individuelle Verfolgung aus Konventionsgründen nach Verlassen seiner Heimatprovinz drohe. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß zwar die Asylbehörde erster Instanz die Aussage des Beschwerdeführers bei der BH Neusiedl/See berücksichtigte, nicht jedoch aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, daß die belangte Behörde darauf Bedacht genommen hat. Da aber dieser Begründungsmangel in der Beschwerde nicht aufgegriffen, insbesondere seine Wesentlichkeit nicht dargetan wird, somit dessen Relevanz nicht ersichtlich ist, braucht darauf nicht weiter eingegangen zu werden. Die Bescheidausführungen, wonach es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, seine Behauptungen bei der Ersteinvernahme "näher mit Fakten zu untermauern", ist im Zusammenhang mit dem nachfolgenden wesentlichen Begründungsteil zu sehen, wonach eben die erst in der Berufung enthaltenen asylrelevanten Behauptungen nur mehr deshalb erstattet worden seien, weil der Beschwerdeführer damit nach der Abweisung seines Asylantrages gehofft habe, mit diesem, nicht mehr als glaubwürdig anzusehenden Vorbringen den Verfahrenserfolg doch noch zu erreichen. Da nach den obigen Ausführungen offen bleibt, warum der Beschwerdeführer dieses Vorbringen erst in der Berufung dargelegt hat, kann die dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit versagende Beweiswürdigung der Behörde im Ergebnis nicht als unschlüssig angesehen werden. Ob die belangte Behörde mit ihrer Begründung, der Beschwerdeführer habe im Verlaufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben gemacht, auch den aus dem Akt hervorgehenden rechtskräftig festgestellten Umstand der Vorlage einer gefälschten Anklageschrift ansprechen wollte, kann dahingestellt bleiben.

Die aus dem Vorbringen des Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme vom 19. Mai 1992 gezogene rechtliche Schlußfolgerung, damit werde kein aktuelles, mit der Flucht des Beschwerdeführers im unmittelbaren Zusammenhang stehendes asylrechtlich relevantes Ereignis dargetan, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Es kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie aus den Angaben des Beschwerdeführers, daß er in seiner Heimatprovinz sowohl von den türkischen Militärbehörden als auch von den "kurdischen PKK-Terroristen" unterdrückt und mißhandelt worden sei, keine individuelle, gegen seine Person gerichtete drohende Verfolgungshandlung AUS KONVENTIONSGRÜNDEN nach Übersiedlung nach Istanbul gesehen hat. Da sich somit auch die rechtlichen Erwägungen im Ergebnis nicht als rechtswidrig erweisen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

freie BeweiswürdigungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200656.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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