Entscheidungsdatum
23.05.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §34 Abs3Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl in der Beschwerdesache des A. B., C.-gasse, D., gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 1.8.2018, Zl. MBA ..., betreffend eine Übertretung des Rundfunkgebührengesetzes den
BESCHLUSS
I. Gemäß § 34 Abs. 3 AVG iVm §§ 17, 31 Abs. 1 VwGVG wird über den Beschwerdeführer eine Ordnungsstrafe iHv EUR 200,– verhängt, da er sich in seinem E-Mail vom 12.5.2019 (hg. einlangend am 13.5.2019) einer beleidigenden Schreibweise bedient hat.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
Der Beschwerdeführer brachte mit E-Mail vom 12.5.2019 ein an den gefertigten Richter gerichtetes Schreiben mit nachfolgendem Wortlaut beim Verwaltungsgericht Wien ein:
„Sehr geehrte Hr. Böhm-Gratzl !
Ich dachte diese Farce ist endlich beendet nun schon wieder Rechnungen und Schreiben von Ihnen bezüglich eines Mangels ????? bei allen nötigen Respekt ich habe Ihnen schon mal geschrieben das ich krank war, das war der einzige Mangel.
Bei allem nötigen Respekt aber ihr JuristenDeutsch muss ich nicht kennen, aber Sie werden wohl mein Deutsch nicht verlernt haben, das des brav arbeitenden Bürgers ????
Ich habe nichts falsch gemacht ich war Krank hallo gehts noch ? Krank krank krank und wenn Ihnen das nicht reicht machen wir es anders. Ich habe monatelang unter ärztlicher Aufsicht Morphium bekommen. Und vom Gesetz her bin ich so nicht geschäftsfähig. D.h ich hätte gar nicht dürfen mich bei der GIS anmelden.
Wenn Sie ärztliche Bestätigung brauchen kein Problem, jederzeit möglich.
Ansonsten hoffe ich ist diese Farce nun beendet denn dafür zahle ich sicher keinen Cent.
Wenn ich verstorben wäre, würden Sie dann meine Angehörigen mit dieser Farce schikanieren ????
Bei solchen muss es so nennen Adimethoden wär es wahrscheinlich so.
Ich hoffe das ganze hat nun ein Ende das darf ja wohl nicht wahr sein.
Entschuldigen Sie haben sie das Geld im Haushalt so nötig das sogar Menschen die nichts getan haben, genötigt werden zu zahlen.
Toll, weit haben wir es gebracht in unserem Land...als würde der Herr vor 70 Jahren noch leben.
Für mich ist die Sache erledigt, ausser sie hätten noch gerne eine ärztliche Bestätigung.
Bitte um Kenntnisnahme
B. A.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Diese Feststellung gründet sich auf dem Inhalt des gegenständlichen Gerichtsaktes, welchem obzitiertes Schreiben als ON 10 inneliegt.
Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichtes durch Beschluss, sofern nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 34 Abs. 3 AVG, welcher nach § 17 VwGVG auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Anwendung findet, können gegen Personen, die sich in schriftlichen Eingaben an die Verwaltungsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht einer beleidigenden Schreibweise bedienen, von der Behörde bzw. vom Gericht Ordnungsstrafen verhängt werden, wobei es sich bei solchen Ordnungsstrafen nicht um Strafen über Verwaltungsübertretungen, sondern vielmehr um Strafen besonderer Art, welche den Charakter von Disziplinarmitteln haben, handelt (so zB VwGH 18.9.1973, 1899/72).
Eine beleidigende Schreibweise im Sinne des § 34 Abs. 3 AVG liegt dann vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde bzw. dem Gericht darstellt (vgl. etwa VwGH 17.4.2012, 2010/04/0133; 20.3.2014, 2012/08/0014). Eine Ordnungsstrafe nach § 34 Abs. 3 AVG ist dazu bestimmt, Verletzungen des gebotenen Anstandes im Verkehr mit den Behörden bzw. Gerichten zu ahnden. Sie wendet sich folglich nicht gegen den Inhalt des Vorbringens, sondern gegen die Form, in welcher dieses erfolgt (vgl. hiezu zB VwGH 28.9.1995, 94/17/0427).
Die vom Gesetz geforderte Achtung vor der Behörde bzw. dem Gericht setzt voraus, dass sich die Kritik an ihr bzw. ihm auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (vgl. hiezu etwa VwGH 11.12.1985, 84/03/0155; 16.2.1999, 98/02/0271). Die hier zu ziehende Grenze wird jedenfalls dann überschritten, wenn eine Behörde bzw. ein Gericht im Allgemeinen oder einzelne Organwalter bzw. Richter im Besonderen in einem Schriftsatz beleidigt oder diffamiert werden (vgl. hiezu etwa VwGH 16.11.1993, 91/07/0084).
Ein diese Grundsätze außer Acht lassendes Vorgehen bei der Formulierung der Kritik an der Behörde bzw. dem Gericht kann auch nicht durch ein vermeintlich oder tatsächlich rechtswidriges Verhalten jener Behörde bzw. jenes Gerichtes gerechtfertigt werden, an der Kritik geübt wird (vgl. hiezu zB VwGH 8.11.1996, 96/02/0463), wobei auch die Überzeugung eines Einschreiters, seine Kritik sei berechtigt, eine beleidigende Schreibweise nicht zu entschuldigen vermag.
Einen „animus iniuriandi“, d.h. eine Absicht zu beleidigen, fordert das Tatbild des § 34 Abs. 3 AVG nicht; vielmehr genügt bereits, dass die Schreibweise nach objektiven Gesichtspunkten und nach dem Gesamtinhalt der Eingabe beleidigend ist und die Anstandspflicht gegenüber der Behörde bzw. dem Gericht verletzt (vgl. hiezu etwa VwGH 16.11.1993, 91/07/0084; 27.10.1997, 97/17/0187).
Ausgehend von diesen Prämissen ist für den vorliegenden Fall festzustellen:
Die – oben wörtlich wiedergegebene – Ausdrucksweise des Beschwerdeführers – insbesondere die Begriffe „Farce“ und „Adimethoden“ sowie die Sätze „Bei allem nötigen Respekt aber ihr JuristenDeutsch muss ich nicht kennen, aber Sie werden wohl mein Deutsch nicht verlernt haben, das des brav arbeitenden Bürgers ????“, „Wenn ich verstorben wäre, würden Sie dann meine Angehörigen mit dieser Farce schikanieren ????“, „Entschuldigen Sie haben sie das Geld im Haushalt so nötig das sogar Menschen die nichts getan haben, genötigt werden zu zahlen.“ sowie „Toll, weit haben wir es gebracht in unserem Land...als würde der Herr vor 70 Jahren noch leben.“ – erscheint im Hinblick auf das Empfinden eines Durchschnittsmenschen – selbst unter wohlwollender Beachtung der Freiheit der Meinungsäußerung (vgl. Art. 13 StGG, Art. 10 EMRK) – als beleidigend. Kritische Bemerkungen dieser Art gehen weit über das Ausmaß einer zulässigen, nämlich sachlichen Kritik hinaus und verletzen den notwendigen Anstand im Verkehr mit den Behörden bzw. Gerichten.
Zur Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise ist jene Behörde bzw. jenes Gericht zuständig, welche bzw. welches die Angelegenheit, in der die Eingabe eingebracht worden ist, zu erledigen oder sonst in Verhandlung zu nehmen hat (vgl. zB VwSlg. 12.429 A/1987). Dies ist in Ansehung einer – wie hier – Eingabe im Beschwerdeverfahren das die Beschwerde behandelnde Verwaltungsgericht.
Sohin war die im Spruch genannte Ordnungsstrafe vom Verwaltungsgericht Wien zu verhängen.
Zwar findet auf die Bemessung einer Ordnungsstrafe die Bestimmung des § 19 VStG keine unmittelbare Anwendung, da es sich – wie schon erwähnt – bei der Ordnungsstrafe nicht um eine Strafe für eine Verwaltungsübertretung handelt, doch entspricht die Orientierung an den Strafbemessungskriterien des § 19 VStG dem Gesetz (vgl. zB VwGH 29.4.1987, 87/01/0048).
Sohin wurden im konkreten Fall diese Kriterien wie folgt herangezogen:
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das vorliegende Ausmaß einer Beleidigung im Schreiben vom 12.5.2019 massiv war und die inkriminierten Äußerungen in dieser Form – wie nicht zuletzt aus anderen Eingaben des Beschwerdeführers im Verfahrensverlauf zu erschließen ist (vgl. die Beschwerde vom 19.8.2018 sowie das Schreiben vom 16.9.2018; beide im Gerichtsakt) – durchaus bewusst getätigt wurden.
Selbst bei Berücksichtigung der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und unter Annahme ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse desselben erscheint die verhängte Strafe in Anbetracht des bis zu EUR 726,– reichenden Strafsatzes (vgl. § 34 Abs. 2 AVG) angemessen und nicht überhöht. Sie ist zudem erforderlich, um den Beschwerdeführer von weiteren ähnlich gelagerten Ordnungswidrigkeiten abzuhalten.
Die Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Sinne des § 16 VStG kommt hier nicht in Betracht (vgl. VwGH 30.5.1994, 92/10/0469; 17.2.1997, 95/10/0221).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Da es nicht erforderlich ist, dem Beschwerdeführer vor Lösung der Rechtsfrage, ob eine Schreibweise als beleidigend zu werten ist, Parteiengehör einzuräumen (vgl. etwa VwSlg. 1737 A/1950; VwGH 11.5.1998, 96/10/0033), konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien Abstand genommen werden.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die ordentliche Revision ist jeweils unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).
Schlagworte
Ordnungsstrafe; beleidigende SchreibweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.001.016.11113.2018Zuletzt aktualisiert am
30.12.2020