TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/23 LVwG-AV-723/001-2014

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Veröffentlicht am 23.11.2020
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Entscheidungsdatum

23.11.2020

Norm

WRG 1959 §38
WRG 1959 §138

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter
Hofrat Mag. Wallner über die Beschwerde von A und B, beide vertreten durch Rechtsanwältin C, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 26.06.2014, ***, betreffend Erlassung eines gewässerpolizeilichen Auftrages nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Absatz 1 und Absatz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) insoferne stattgegeben, als der angefochtene Bescheid vom 26.06.2014 hinsichtlich der aufgetragenen Maßnahmen ersatzlos aufgehoben wird.

Der Ausspruch über die Verpflichtung zur Bezahlung der Kommissionsgebühren in Höhe von € 165,60 bleibt jedoch aufrecht.

2.   Eine Revision nach Artikel 133 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt verpflichtete die Beschwerdeführer mit Bescheid vom 26.06.2014 gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959, konsenslose Anschüttungen im Ausmaß von ca. 420 m³ linksseitig des *** auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, welche sich im Hochwasserabflussbereich des *** befinden, bis spätestens 30.08.2014 zu entfernen und den ursprünglichen Geländeverlauf wiederherzustellen. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer verpflichtet, Kommissionsgebühren in der Höhe von € 165,60 zu bezahlen (Anteil für die Verhandlung am 12.6.2014). Begründend führte die Behörde aus, dass die Anschüttungen wasserrechtlich bewilligungspflichtig seien, jedoch wegen entgegenstehender öffentlicher Interessen eine Bewilligung nicht erteilt werden könne. Die Beseitigung der Anschüttungen wäre daher aufzutragen gewesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer, rechtsanwaltlich vertreten, fristgerecht Beschwerde und brachten vor, dass ein rechtskräftiger behördlicher Auftrag für diese Anschüttungen durch die Gemeinde *** bestünde und enthalte der für gegenständliche Liegenschaft maßgebliche Gefahrenzonenplan vom 04.09.2013 weder die Darstellung von 30-jährlichen noch von 100-jährlichen Hochwasserereignissen. Es wäre dem angefochtenen Bescheid auch nicht zu entnehmen, wegen welchen konkreten Tatbestandes eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht für die Aufschüttung abgeleitet werde. Es hätte auch für die Behörde die Möglichkeit gegeben, gemäß § 138 Abs. 2 WRG vorzugehen. Auch würde sich aus den behördlichen Feststellungen nicht ergeben, dass die Aufschüttungen der Beschwerdeführer zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Hochwasserabflusses führen würden. Es bestünde daher kein öffentliches Interesse für eine Vorgangsweise nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich holte zum Beschwerdevorbringen das Gutachten eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 25.08.2015 ein und schließlich, aufgrund seitens der Gemeinde *** vorgelegter Unterlagen hinsichtlich eines Hochwasserschutzprojektes dieser Gemeinde und dessen Auswirkungen auf das gegenständliche Grundstück Nr. ***, das weitere Gutachten dieses Amtssachverständigen vom 29.06.2016. Danach gab der wasserbautechnische Amtssachverständige das weiters eingeholte Gutachten vom 12.07.2016 ab.

Da die Gemeinden *** und *** für den *** ein Ansuchen um Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen gestellt hatten, durch deren Umsetzung die gegenständliche Parzelle nicht mehr im HQ30 zu liegen kommen werde, wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen ruhend gestellt. Als nächster Schritt wäre die Beauftragung eines Privatsachverständigen notwendig geworden, um die exakte Lage des Grundstückes *** bestimmen zu können, da die wasserbautechnischen Amtssachverständigen für eine derart erforderliche umfangreiche Erhebung nicht zur Verfügung stehen.

Zunächst erfolgte am 19.07.2016 die telefonische Zusage der Gemeinde ***, das Hochwasserschutzprojekt „***“ bis Ende März 2017 umzusetzen.

Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer gab eine Stellungnahme vom 22.08.2016 zu den im Rahmen des Parteiengehörs nachweislich zugesandten Gutachten vom 25.08.2015, 29.06.2016 und 12.07.2016 ab.

Am 24.11.2016 teilte der Bürgermeister der Gemeinde *** telefonisch mit, dass die Zustimmungserklärung des Beschwerdeführers zum Hochwasserschutzprojekt „***“ vorerst nicht erteilt werden würde. Eine Besprechung des Hochwasserschutzprojektes mit dem Beschwerdeführer wurde vom Bürgermeister in Aussicht gestellt, um die Zustimmung für das Projekt zu erhalten. Sollte keine Zustimmung erfolgen, würde die Gemeinde Unterlagen zum Projekt an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich senden, damit dieses den wasserbautechnischen Amtssachverständigen mit der fachlichen Prüfung dahingehend beauftragen könne, ob das Grundstück *** tatsächlich bei Umsetzung nicht mehr im HQ30 zu liegen komme.

Mit E-Mail vom 18.07.2017 teilte die Gemeinde *** mit, dass die wasserrechtliche Bewilligungsverhandlung für das Hochwasserschutzprojekt „***“ verschoben werden musste.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fragte mit Schreiben vom 11.10.2017 bei der Gemeinde an, ob mit der Umsetzung des Hochwasserschutzprojektes bereits begonnen worden ist und bis wann die Fertigstellung zu erwarten wäre. Mit Bescheid vom 20.11.2017 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt schließlich der Gemeinde *** die wasserrechtliche Bewilligung für das genannte Hochwasserschutzprojekt (Errichtung eines Drosseldurchlasses, einer Flutmulde, einer neuen Brücke, eines Rechteckdurchlasses beim *** sowie Errichtung eines Rückhaltebeckens, einer linksufrigen Uferanhebung und eines Durchlasses und Wildholzrechens beim ***). Als Bauvollendungsfrist wurde der 31.12.2019 festgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ersuchte dann mit gerichtlichem Schreiben vom 04.12.2017 die belangte Behörde, im Zuge des Kollaudierungsverfahrens vom beigezogenen wasserbautechnischen Amtssachverständigen im Amts- und Rechtshilfeweg die Frage fachlich beantworten zu lassen, ob das gegenständliche Projekt entsprechend der Bewilligung vom 20.11.2017 auch dahingehend ausgeführt worden wäre, dass damit das Grundstück *** mit den Anschüttungen kein Hochwasserabflusshindernis bei einem 30-jährlichen Hochwasser darstelle. Die Behörde teilte mit Schreiben vom 08.01.2018 mit, dass nach Rücksprache beim zuständigen Amtssachverständigen beim Gebietsbauamt ***, ***, feststehe, dass nach planmäßiger Realisierung der Hochwasserschutzmaßnahmen das Grundstück *** mit den Anschüttungen kein Hochwasserabflusshindernis bei einem 30-jährlichen Hochwasser mehr darstellen werde.

Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt erließ schließlich den Bescheid vom 30.09.2020 gemäß § 121 WRG 1959, mit dem festgestellt wurde, dass das Hochwasserschutzprojekt im Wesentlichen der Bewilligung entsprechend ausgeführt wurde. Geringfügige Abweichungen wurden nachträglich gleichzeitig genehmigt. Da dem vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen der belangten Behörde abgegebenen Gutachten vom 28.09.2020 keine Aussage darüber entnommen werden konnte, ob das gegenständliche Grundstück nunmehr nach Umsetzung des Hochwasserschutzprojektes trotz geringfügiger Abweichungen nicht mehr im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich gelegen ist, stellte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit gerichtlichem Schreiben vom 22.10.2020 an den entsprechenden wasserbautechnischen Amtssachverständigen der belangten Behörde das Beweisthema, ob das Projekt auch dahingehend ausgeführt worden wäre, dass damit das Grundstück *** mit den darauf durchgeführten Anschüttungen kein Hochwasserabflusshindernis bei einem 30-jährlichen Hochwasser darstelle.

Der wasserbautechnische Amtssachverständige gab dazu das Gutachten vom 11.11.2020 ab. Darin führte er aus, dass der Zweck des Projektes auch der Schutz des Grundstückes ***, KG ***, wäre. Es würde der Ausbaugrad des Hochwasserschutzes sich auf ein 100-jährliches belaufen und wäre dies im technischen Bericht des Einreichprojektes festgehalten. Das genannte Grundstück liege durch die Hochwasserschutzmaßnahmen am *** und *** vor Hochwässern bis zum 100-jährlichen aus dem *** und dem *** geschützt und damit auch vor einem 30-jährlichen Hochwasserereignis geschützt.

Folgender Sachverhalt wird anhand der klaren Aktenlage als erwiesen festgestellt:

Auf dem Grundstück ***, KG ***, erfolgten durch die Beschwerdeführer Anschüttungen von Erdmaterial. Dieses Grundstück lag ohne diese Anschüttungen im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich eines Gewässers. Aufgrund Umsetzung eines Hochwasserschutzprojektes „***“ ist dieses Grundstück nun nicht mehr im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich des *** gelegen.

Diese Feststellungen basieren auf der unbedenklichen Aktenlage, insbesondere dem Gutachten vom 11.11.2020.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.  der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.  die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht

selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Die für gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen des WRG 1959 lauten auszugsweise:

„Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes.
§ 138.

(1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a)

eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

b)

        ...

Besondere bauliche Herstellungen.
§ 38.

(1) Zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer oder in Gebieten, für die ein gemäß § 42a Abs. 2 Z 2 zum Zweck der Verringerung hochwasserbedingter nachteiliger Folgen erlassenes wasserwirtschaftliches Regionalprogramm (§ 55g Abs. 1 Z 1) eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht vorsieht, sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, ist nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden.

(2) ...

(3) Als Hochwasserabflußgebiet (Abs. 1) gilt das bei 30jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet. Die Grenzen der Hochwasserabflußgebiete sind im Wasserbuch in geeigneter Weise ersichtlich zu machen.“

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides befand sich das Grundstück ***, KG ***, offenbar im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich des ***. Durch die Umsetzung des Hochwasserschutzprojektes „***“ der Gemeinde *** ist nun eine Änderung in der Sachlage derart eingetreten, dass das genannte Grundstück nunmehr nicht in diesem Bereich zu liegen kommt. Es besteht daher aufgrund geänderten Sachverhaltes keine Notwendigkeit mehr, einen gewässerpolizeilichen Auftrag zur Entfernung der auf dem genannten Grundstück durchgeführten Anschüttungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten.

Da sich der Sachverhalt in gegenständlicher Rechtssache geändert hat, war der angefochtene Bescheid vom 26.06.2014 ersatzlos aufzuheben.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da der Bescheid aufzuheben war.

Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 26.06.2014 das gegenständliche Grundstück sich im 30-jährlichen Hochwasserabflussbereich des *** befunden hat, waren die Beschwerdeführer für die Durchführung der kommissionellen Verhandlung am 12.06.2014 im ausgesprochenen Ausmaß ursächlich. Aus diesem Grund war die Verpflichtung zur Bezahlung der Kommissionsgebühren im Ausmaß von € 165,60 aufrechtzuerhalten.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Eine Revision nach Artikel 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die Entscheidung weicht weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche oder liegt eine nicht einheitliche Rechtsprechung vor.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; gewässerpolizeilicher Auftrag; Sachverhalt; Änderung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.723.001.2014

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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