TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/17 97/18/0239

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.1997
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs3;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. März 1997, Zl. SD 129/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. März 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei vom Jugendgerichtshof Wien am 12. Dezember 1995 wegen Verbrechens des Raubes sowie des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch zu einer bedingten Freihheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Aus dem Gerichtsurteil ergebe sich, daß der Beschwerdeführer mit zwei anderen Jugendlichen - einer davon sei sein jüngerer Bruder P gewesen - am 25. August 1995 beschlossen habe, gemeinsam eine ältere Frau zu überfallen, um zu Geld zu kommen. Während der Beschwerdeführer im Fluchtauto verblieben sei, hätten die beiden anderen eine 66-jährige Frau verfolgt und ihr gewaltsam die Handtasche entrissen. Am 27. August 1995 habe der Beschwerdeführer mit den beiden anderen eine Frau überfallen, wobei sie diese von hinten zu Boden gestoßen und ihr die Handtasche entrissen hätten. Außerdem habe der Beschwerdeführer in der Nacht zum 3. August 1995 Einbruchsdiebstähle in zwei Gartenhäuser in einer Kleingarteneinlage verübt. Aufgrund des Vorliegens der zuvor genannten Verurteilung sei "die Voraussetzung des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG gegeben". Das der gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung rechtfertige auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Der Beschwerdeführer verweise diesbezüglich auf seine von der Erstbehörde festgestellten starken Bindungen zu in Österreich lebenden Angehörigen und darauf, daß er in Österreich geboren worden sei und den Großteil seines Lebens in Österreich verbracht hätte. Seine Angaben hinsichtlich des überwiegenden Aufenthaltes im Bundesgebiet würden aber "laut vorgelegtem Verwaltungsakt" dadurch relativiert, daß der Beschwerdeführer im Zeitraum von 1981 bis 1991 in Österreich immer nur kurzfristig gemeldet gewesen sei und sich jeweils im Anschluß daran nach Jugoslawien abgemeldet hätte; vom 22. April 1981 bis zum 26. August 1987 hätte er sich überdies offenbar ausschließlich in Jugoslawien aufgehalten. Erst seit 1991 halte sich der Beschwerdeführer durchlaufend in Österreich auf.

Dem Beschwerdeführer sei ohne Zweifel zuzustimmen, daß durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein gewichtiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben bewirkt werde. Die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten ließen jedoch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes insbesondere zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer (zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele) für dringend geboten und daher im Grunde des § 19 FrG für zulässig erscheinen. Das Verhalten des Beschwerdeführers habe mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß er nicht gewillt sei, die zum Schutz fremden Eigentums und zum Schutz der körperlichen Integrität erlassenen Normen zu befolgen. Daran vermöchten weder die Tatsachen, daß der Beschwerdeführer einen Befreiungsschein, gültig vom 1. Juli 1996 bis zum 30. Juni 2001, erhalten habe, noch daß seine im Bundesbiet lebende Mutter und zwei seiner Brüder mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten hätten, etwas zu ändern.

Angesichts des gegebenen Sachverhaltes habe daher auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausschlagen müssen. Wenngleich dabei aufgrund der zu berücksichtigenden privaten und familiären Gesichtspunkte, die gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprächen, die auf diese Umstände zurückzuführenden negativen Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen als beträchtlich zu werten gewesen seien, habe diesen privaten Interessen das sehr große Gewicht der maßgeblichen, für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen gegenübergestellt werden müssen. Vor allem angesichts des Umstandes, daß sich der Beschwerdeführer nach Begehung von Einbruchsdiebstählen "dahingehend steigerte", daß er sich ältere Personen als Opfer für Raubüberfälle ausgesucht habe und es nicht bei einem Überfall geblieben sei, sei die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß die besagten Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Da "sohin die Voraussetzungen der §§ 19 und 20 FrG nicht gegeben" seien, sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden.

Daß der Jugendgerichtshof Wien die einjährige Freiheitsstrafe des Beschwerdeführers zur Gänze bedingt nachgesehen habe, sei für die hier getroffene Entscheidung ohne Relevanz. Abgesehen davon, daß damit ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers nicht garantiert werden könne, habe die Behörde die Frage der Erforderlichkeit des Aufenthaltsverbotes eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen gehabt, somit ohne an die Erwägungen gebunden zu sein, die für das Gericht bei der Strafbemessung maßgebend gewesen seien.

Zum Antrag auf Herabsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer die Straftat noch als Jugendlicher gesetzt hätte, werde festgehalten, daß zum einen der Beschwerdeführer offensichtlich übersehen habe, daß er zum Zeitpunkt der von ihm gesetzten Straftat immerhin schon 21 Jahre alt gewesen und die Angelegenheit ausschließlich deshalb vor dem Jugendgerichtshof verhandelt worden sei, weil seine beiden Mittäter noch Jugendliche gewesen seien; zum anderen erscheine der Behörde "die lange Frist notwendig", um den Beschwerdeführer dahin zu bringen, daß er die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - auf unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen fußende - Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend des Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung keine Bedenken.

2. Die Beschwerde bekämpft indes die Auffassung der belangten Behörde, daß im Fall des Beschwerdeführers die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.

Die Beschwerde stützt sich hiebei im wesentlichen auf die gleichen Argumente wie in der beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 97/18/0346 anhängig gewesenen Beschwerde. Dieses Vorbringen ist aus den Erwägungen, derentwegen die zu dieser Zahl protokollierte Beschwerde mit Erkenntnis vom heutigen Tag abgewiesen wurde, nicht zielführend. Auf die zitierte Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

3.1. Der Beschwerdeführer bekämpft - gemeinsam mit seinem Vorbringen zu § 18 Abs. 1 FrG - gleichzeitig auch die von der Behörde im Grunde der §§ 19 und 20 FrG vorgenommene Beurteilung.

Die Beschwerde weist in diesem Zusammenhang auf die im angefochtenen Bescheid genannten familiären Bindungen sowie auf den Umstand hin, daß der Beschwerdeführer im Besitz eines vom 1. Juli 1996 bis 30. Juni 2001 befristeten Befreiungsscheines sei. Aufgrund dieses Befreiungsscheines habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit, in Österreich einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen und "sich in die österreichische Gesellschaft und Rechtsordnung zu integrieren". Die belangte Behörde habe weiters vollkommen unberücksichtigt gelassen, daß der Beschwerdeführer zu seinem Vater jeden Kontakt verloren habe. Außerdem sei die Tatsache "ungewürdigt geblieben", daß der Beschwerdeführer "vor Begehung der vom Jugendgerichtshof abgeurteilten Straftaten unbescholten" gewesen sei. Schließlich macht der Beschwerdeführer mit seiner - im Zusammenhang mit seinem Privat- und Familienleben stehenden - Rüge, die Behörde hätte sich hinsichtlich der Frage, ob er sich im Zeitraum zwischen 22. April 1981 und 25. August 1987 "offenbar ausschließlich in Jugoslawien" aufgehalten habe, nicht bloß auf den "vorgelegten Verwaltungsakt" berufen dürfen, sondern ihn ergänzend zu vernehmen gehabt - der Beschwerdeführer hätte dann vorbringen können, daß er "weitaus größere Zeit, als die belangte Behörde angenommen" habe, in Österreich verbracht habe -, eine Verletzung des Rechtes auf Gehör (§ 45 Abs. 3 AVG) geltenden.

Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.2. Mit dem Beschwerdehinweis, der Beschwerdeführer sei vor seiner Verurteilung unbescholten gewesen, wird kein Umstand dargetan, der im Rahmen der nach §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung eine Stärkung der persönlichen Interessen oder eine Schwächung des öffentlichen Interesses bedeuten würde (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1997, Zl. 97/18/0043). Dies gilt auch für das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe den Kontakt mit dem (in seinem Heimatland lebenden) Vater verloren.

Die in der Beschwerde vorgebrachten familiären und beruflichen Verhältnisse des Beschwerdeführers erweisen die von der Behörde vorgenommene Interessenabwägung ebenfalls nicht als rechtswidrig. Wenn die Behörde zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie jedenfalls nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, ist ihr - auf der Grundlage der diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Bescheid - nicht entgegenzutreten.

An diesem Ergebnis kann auch die Frage, ob sich der Beschwerdeführer - wie die Behörde angenommen hat - zwischen dem 22. April 1981 und dem 26. August 1987 ausschließlich "in Jugoslawien" aufgehalten habe, nichts ändern, hat sich doch der Beschwerdeführer, der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides das 23. Lebensjahr eben vollendet hatte, durchgehend lediglich von 1974 bis 1981 und seit 1991 (somit bis zu seinem siebten und ab seinem siebzehnten Lebensjahr) in Österreich aufgehalten, während er in den dazwischen liegenden - an seinem Lebensalter gemessen - langen (insbesondere auch für seine schulische Ausbildung maßgeblichen) Zeitraum von zehn Jahren nicht durchgehend in Österreich gelebt hat. Weiters ist in diesem Zusammenhang anzumerken, daß für den Beschwerdeführer - unbestritten nach Ausweis des Verwaltungsaktes - für den Zeitraum zwischen 12. April 1981 und 26. August 1987 keine Meldung nach dem Meldegesetz aufscheint, was - unter Zugrundelegung rechtmäßigen Verhaltens nach dem Meldegesetz 1972 - zur Folge hat, daß jeweils nur sehr kurze Aufenthalte des Beschwerdeführers in Österreich anzunehmen sind.

4. Da dem angefochtenen Bescheid somit Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180239.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten