Entscheidungsdatum
13.08.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W213 2223495-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas STROBL und Ass. Prof. Mag. Dr. Bernhard Martin SCHERL als Beisitzer über die Beschwerde des 1) XXXX und 2) XXXX , beide vertreten durch STÖGERER PREISINGER Rechtsanwälte OG, 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23, gegen den Bescheid der Personalvertretungsaufsichtsbehörde vom 30.07.2019, GZ. A 24-PVAB/19-7, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde des XXXX , wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 PVG i.V.m. § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
II. Die Beschwerde des XXXX wird gemäß § 41 Abs. 1 PVG i.V.m. § 28 Abs. 1 und 2 GVG zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Mit Schreiben vom 03.05.2019 stellte die Landespolizeidirektion Wien an den XXXX (im Folgenden: DA) im Hinblick auf dienstrechtliche Verfehlungen des Zweitbeschwerdeführers den Antrag eine Zustimmungserklärung gemäß § 28 Abs. 2 PVG zu erteilen.
I.2. Der erstbeschwerdeführende DA hat in seiner Sitzung vom 14.05.2019 unter Tagesordnungspunkt 7) einstimmig beschlossen, gemäß § 28 Abs. 1 PVG keine Zustimmung zur disziplinären Verfolgung des Zweitbeschwerdeführers zu erteilen, da die im vorgeworfenen Handlungen in seiner Eigenschaft als Personalvertreter erfolgt seien.
I.3. Mit Schriftsatz vom 29.05.2019 stellte der Leiter der LPD Wien an die belangte Behörde den Antrag, die Personalvertretungsaufsichtsbehörde möge gemäß § 41 Abs 1 und 2 PVG feststellen, dass der Beschluss des Dienststellen- sowie Fachausschusses mit dem die Zustimmung zur disziplinären Verfolgung des XXXX nicht erteilt worden sei, gesetzwidrig sei.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zweitbeschwerdeführer in mehreren Aussendungen an die Bediensteten des LKA/AD dienstrechtliche Verfehlungen, Amtsmissbrauch und Nötigung ua. durch den Landespolizeipräsidenten, Führungskräfte der LPD Wien und durch die Chefärzte der LPD Wien in den Raum gestellt habe. Der Zweitbeschwerdeführer stehe daher im Verdacht, ohne sorgfältige Prüfung des Sachverhalts und ohne Vorhandensein von ausreichenden Verdachtsmomenten Äußerungen getätigt zu haben, die Organwalter der LPD Wien gegenüber einem großen Personenkreis dem Verdacht von strafrechtlichen/dienstrechtlichen Verfehlungen ausgesetzt hätten und dadurch gegen seine Dienstpflichten gem. § 43 BDG 1979 und § 43a BDG 1979, verstoßen zu haben.
I.4. Die belangte Behörde forderte im Rahmen des Parteiengehörs den erstbeschwerdeführenden DA zur Abgabe einer Stellungnahme zu diesem Antrag auf. Dieser brachte mit Schreiben vom 12.07.2019 vor, dass sein Beschluss zu Tagesordnungspunkt 7) vom 14.05.2019 nicht gesetzwidrig sei, da die verfahrensgegenständlichen Aussendungen des Zweitbeschwerdeführers im Zuge seiner Tätigkeit als Personalvertreter erfolgt seien.
I.5. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr bekämpften Bescheid, dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hatte:
„Dem Antrag wird stattgegeben und der Beschluss des DA zu TOP 7 seiner Sitzung vom 14. Mai 2019, mit dem die Zustimmung zur dienstrechtlichen Verfolgung des stellvertretenden DA-Vorsitzenden XXXX verweigert wurde, gemäß S 28 Abs. 2 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG) wegen Gesetzwidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.“
Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges unter Hinweis auf § 41 PVG im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zweitbeschwerdeführer in mehreren Aussendungen an die Bediensteten des Landeskriminalamtes — Assistenzdienst (LKA/AD) dienstrechtliche Verfehlungen, Amtsmissbrauch und Nötigung, u.a. durch den Leiter der LPD, sonstige Führungskräfte der LPD und durch die Chefärzte der LPD in den Raum gestellt habe.
In diesen Aussendungen, für die von XXXX das Briefpapier „FSG/Klub der Exekutive" verwendet worden sei und die von ihm als „FSG-Vorsitzender LKA/AD" oder als Personalvertreter" gezeichnet worden seien, seien von ihm insbesondere folgende Behauptungen aufgestellt worden:
? Häufung von Beschwerden über das Verhalten der Chefärzte, deren Verhalten sei besonders schikanös und werde teilweise schon als Amtsmissbrauch empfunden.
? Spitzenkräfte der LPD halten sich für unantastbar und sehen über ihre eigenen Fehler großzügig hinweg.
? Kommission bei Besetzungsverfahren sei manipuliert worden.
? Chefarzt schikaniert bestimmte Mitarbeiter.
? Krankendaten von Mitarbeiter/innen wurden nachweislich einem größeren Personenkreis bekannt gemacht.
? Für jene EB (= Exekutivbeamten), die im „Elfenbeinturm" sitzen oder gute Kontakte dorthin haben, gibt es keinerlei Auswirkungen bei Verfehlungen.
? Ungenügende Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht eines Spitzenbeamten.
? Filz", „Nepotismus" und untragbarer Umgang von Führungskräften mit Mitarbeitern.
? Kollegen werden schikaniert und ihren Rechten verletzt.
? Kein fairer und gerechter Umgang des Dienstgebers mit Mitarbeitern.
? Spitzenführungskräfte nicht mehr kollegial, fair und rechtskonform gegenüber Mitarbeitern.
? Rechte von Kollegen werden missachtet.
? Einschüchterung und Nötigung eines PV-Mandatars durch DL der LPD.
? Rechtswidrige Anordnungen des DL der LPD an XXXX und Ausführung der Anordnung.
? Ermessensmissbrauch und Willkür.
? Die „Leiter" seien schlicht hoch bezahlte und mit grandiosen Amtstiteln versehene Durchwinker".
Nach ständiger Rechtsprechung der Personalvertretungsaufsicht müsse ein Bedürfnis nach laufender und ausreichender Information der Bediensteten über die Tätigkeit des DA nicht nur durch einzelne Personalvertreter/innen, sondern auch durch den DA selbst anerkannt werden. Allerdings dürften Informationsschreiben der PV nicht über die Erfüllung des Zweckes hinausgehen, dem Dienststellenversammlungen (DV) dienten. Auch bei Rundschreiben der PV könne es sich demnach nur um Berichte der PV handeln, die den Zweck verfolgten, den notwendigen Kontakt zwischen PV und den Bediensteten herzustellen und aufrechtzuerhalten.
Als Teil der öffentlichen Verwaltung habe die PV ihren Rundschreiben uneingeschränkte Sachlichkeit zugrunde zu legen, weil jedes andere Verhalten § 2 Abs. 2 PVG widerspräche. Äußerungen, die als polemisch (unsachlich, aggressiv und überspitzt) oder abfällig empfunden werden müssten, seien mit der Erfüllung gesetzlicher Aufgaben unvereinbar.
Die in den zur Diskussion stehenden Aussendungen von XXXX gewählten Formulierungen stünden mit diesem Gebot absoluter Sachlichkeit nicht im Einklang. Sie unterstellten dem DL der LPD bzw. Führungskräften der LPD in polemischer Weise Amtsmissbrauch, schikanöses Vorgehen, Manipulationen, Filz, Nepotismus, untragbaren Umgang mit Mitarbeitern, Rechtsverletzungen, ungenügende Fach- und Dienstaufsicht, ja sogar Einschüchterung und Nötigung, Ermessensmissbrauch und Willkür - um nur die wichtigsten Beispiele unsachlicher und abfälliger Wortwahl anzuführen.
Mit den in seinen in Diskussion stehenden Aussendungen gewählten Formulierungen habe XXXX — ganz im Gegenteil - das für ihn zwingend geltende Sachlichkeitsgebot entgegen den Vorgaben des § 2 Abs. 2 PVG verletzt und sich in polemischer Weise gegen den DL und andere Führungskräfte der LPD geäußert. Ungehörige und herabsetzende Äußerungen seien geeignet, das Betriebsklima und den Betriebsfrieden nachhaltig zu verschlechtern und die Stimmung gegen den DL zu schüren.
Polemische und herabsetzende Aussagen gegen den DL und Führungskräfte der LPD seien objektiv nicht dazu geeignet, die beruflichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Interessen der Bediensteten zu wahren und zu fördern und könnten daher niemals Personalvertretungstätigkeit, auch nicht im weitesten Sinn, sein. Sie stünden daher auch nicht in untrennbarem Zusammenhang mit der Personalvertretungstätigkeit, sondern seien zu trennen und gesondert rechtlich zu beurteilen (Schrage/, PVG, Rz8, rnwN; PVAB vom 7. Mai 2019, A13-PVAB/19, mwN).
I.6. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer durch ihre anwaltlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass der erstbeschwerdeführende DA Bescheidadressat und daher jedenfalls zur Beschwerde legitimiert sei. Der Zweitbeschwerdeführer sei vom Beschluss des Dienststellenausschusses direkt betroffen und damit auch von der Entscheidung der belangten Behörde. Im Ergebnis werde im angefochtenen Bescheid der Dienststellenausschuss aufgefordert, die Zustimmung zur dienstrechtlichen Verfolgung des Zweitbeschwerdeführers zu erteilen. Da die Immunität des Zweitbeschwerdeführers damit außer Kraft gesetzt würde, sei durch den angefochtenen Bescheid der Zweitbeschwerdeführer in seinen Rechten verletzt. Er sei daher legitimiert, gegen den Bescheid der Personalvertretungsaufsichtskommission Beschwerde zu erheben (VfGH B 32/13 Rz 1.5.).
Die belangte Behörde übersehe, dass ein Personalvertreter, soweit er seine Funktion ausübe, vom Dienstgeber überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen werden dürfe. Es handle sich hierbei um eine echte berufliche Immunität, die über die der Mitglieder des Nationalrates zum Teil hinausgehe. Die Personalvertreter könnten für Äußerungen und Handlungen in der Ausübung ihrer Funktion von niemandem bestraft oder auch nur gerügt werden (ausgenommen sei lediglich die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht). Mit der Immunitätsbestimmung des § 28 PVG stelle das Gesetz das öffentliche Interesse an einer vom Dienstgeber möglichst unabhängigen Personalvertretung höher als das Interesse des Dienstgebers, dass der Personalvertreter seine Funktion im Rahmen angemessener Grenze ausübt; was der Wahrung der Interessen der Bediensteten diene, habe allein der Personalvertreter zu beurteilen; auch wenn er sich dabei irre - und selbst dann wenn er vorsätzlich unrichtig handle verbleibe er immer noch in der Ausübung seiner Funktion. Das Gesetz kenne keine Beschränkung der Immunität als Folge einer bestimmten Schwere der Tat; eine Beschränkung liege nur darin, dass der Personalvertreter nur dienstrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden dürfe (Schragl, Handkommentar zum Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG), Randziffer 9 zu §28 PVG).
Daraus ergebe sich aber nichts anderes, als dass der Zweitbeschwerdeführer hinsichtlich des Inhalts seiner Aussendungen dienstrechtlich nicht verfolgt werden dürfe. Der erstbeschwerdeführende DA habe daher zurecht der dienstrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers nicht zugestimmt.
Es komme daher, entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde nicht darauf an, welchen Inhalt die Aussendungen des Zweitbeschwerdeführers hatten, solange sie in seiner Funktion als Personalvertreter erfolgt seien. Dann sei der Zweitbeschwerdeführer nämlich gegen dienstrechtliche Verfolgungen absolut immun.
Der Dienststellenausschuss habe nach Überprüfung der in den Aussendungen erhobenen Kritiken die Zustimmung zur Auslieferung des Zweitbeschwerdeführers nicht erteilt. Gegenüber dem Dienststellenausschuss sei der Zweitbeschwerdeführer von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden und habe daher dort darlegen müssen, wie sich die von ihm ausgeführten Kritikpunkte darstellten. Der Dienststellenausschuss habe in weiterer Folge festgestellt, dass die Aussendungen nicht nur von der Personalvertretungsarbeit umfasst seien, sondern auch die Kritik nachweisbar, nachvollziehbar und gerechtfertigt sei.
Aber selbst dann, wenn die Kritik überschießend gewesen wäre, müsste sie sanktionslos bleiben. Es läge nämlich im Wesen der im § 28 PVG den Personalvertretern eingeräumten echten beruflichen Immunität, dass auch gewisse Pflichtverletzungen sanktionslos zu bleiben hätten, wenn sie in Ausübung der Funktion als Personalvertreter erfolgt seien. (Schragl aaO, RZ 8 zu § 28 PVG).
Es werde daher beantragt,
? eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde anzuberaumen,
? in der Folge der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Zweitbeschwerdeführer ist stellvertretender Vorsitzender des erstbeschwerdeführenden DA. Er hat nachstehend angeführte schriftliche Aussendungen an die Bediensteten des LKA Wien Assistenzdienst gerichtet und darin Kritik an Führungskräften und Chefärztin der LPD Wien geübt:
Aussendung vom 15.01.2019:
? Häufung von Beschwerden über das Verhalten der Chefärzte, deren Verhalten sei besonders schikanös und werde teilweise schon als Amtsmissbrauch empfunden
Aussendung vom 04.03.2019:
? Spitzenkräfte der LPD-Wien halten sich für unantastbar und sehen über ihre eigenen Fehler großzügig hinweg
? Kommission bei Besetzungsverfahren sei manipuliert worden
? Chefarzt schikaniert bestimmte Mitarbeiter
? Krankendaten von Mitarbeitern wurden nachweislich einem größeren Personenkreis bekannt gemacht
? Für jene EB, die im „Elfenbeinturm" der LPD-Wien sitzen oder gute Kontakte dorthin haben, gibt es keinerlei Auswirkungen bei Verfehlungen.
? Ungenügende Ausübung der Dienst- u. Fachaufsicht eines Spitzenbeamten
? „Filz", „Nepotismus" und untragbarer Umgang von Führungskräften mit Mitarbeitern
? Kollegen werden schikaniert und in ihren Rechten verletzt
? Kein fairer und gerechter Umgang des Dienstgebers mit Mitarbeitern
? Spitzenführungskräfte nicht mehr kollegial, fair und rechtskonform gegenüber Mitarbeitern
? Rechte von Kollegen werden missachtet
Aussendung vom 05.04.2019:
? Einschüchterung und Nötigung eines PV-Mandatars durch HLPP?
? Rechtswidrige Anordnungen durch HLPP an XXXX und Ausführung der Anordnung
? Ermessensmissbrauch und Willkür
Aussendung vom 10.04.2019:
? Die „Leiter" seien schlicht hoch bezahlte und mit grandiosen Amtstiteln versehene „Durchwinker“
Die Aussendungen vom 15.01.2019, 04.03.2019 und 10.04.2019 weisen die Fertigungsklausel „ XXXX , e.h., PV“ auf. Die Aussendung vom 05.04.2019 weist die Fertigungsklausel „ XXXX , e.h., FSG- Vorsitzender LKA/AD“ auf. Im ersten Satz dieses Schreibens bezeichnet sich der Zweitbeschwerdeführer als „Mandatar der Personalvertretung“.
Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt konnte auf Basis der Aktenlage festgestellt werden, wobei hervorzuheben ist, dass sich die oben festgestellten Tatsachen aus den im Akt erliegenden Aussendungen des Zweitbeschwerdeführers ergeben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389 entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Wird gegen einen Bescheid der Personalvertretungsaufsichtsbehörde Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben, so hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 41d Abs. 1 PVG durch einen Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A I.)
§§ 2, 28 und 41 PVG haben (auszugsweise) nachstehenden Wortlaut:
„§ 2. (1) Die Personalvertretung ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes berufen, die beruflichen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Interessen der Bediensteten zu wahren und zu fördern. Sie hat in Erfüllung dieser Aufgaben dafür einzutreten, dass die zugunsten der Bediensteten geltenden Gesetze, Verordnungen, Verträge, Dienstordnungen, Erlässe und Verfügungen eingehalten und durchgeführt werden.
(2) Die Personalvertretung hat sich bei ihrer Tätigkeit von dem Grundsatze leiten zu lassen, den Bediensteten unter Bedachtnahme auf das öffentliche Wohl zu dienen. Sie hat dabei auf die Erfordernisse eines geordneten, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Dienstbetriebes Rücksicht zu nehmen.
…
§ 28. (1) Die Personalvertreterinnen oder Personalvertreter und die Mitglieder der Wahlausschüsse dürfen wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. § 27 Abs. 3 ist anzuwenden.
(2) Kommt der Ausschuss zu dem Ergebnis, dass die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung der Funktion erfolgt sind, so hat er die Zustimmung zu erteilen.
(3) Nach dem Ausscheiden aus der Funktion obliegt die Erteilung der Zustimmung dem ehemaligen Ausschuss und falls dieser nicht mehr besteht, dem Zentralausschuss.
§ 41. (1) Der Aufsichtsbehörde obliegt die Aufsicht über die Personalvertretungsorgane, welche insbesondere die Sorge um die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Organe der Personalvertretung umfasst. Die Aufsicht erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag einer Person oder eines Organs der Personalvertretung, die oder das die Verletzung ihrer oder seiner Rechte durch rechtswidrige Geschäftsführung behauptet. Bescheide und Verordnungen der Organe der Personalvertretung unterliegen nicht der Aufsicht.
(2) Die Aufsichtsbehörde ist bei Handhabung ihres Aufsichtsrechts insbesondere berechtigt, erforderliche Auskünfte von den betroffenen Personalvertretungsorganen einzuholen, rechtswidrige Beschlüsse der Personalvertretungsorgane aufzuheben und ein Personalvertretungsorgan aufzulösen, wenn es seine Pflichten dauernd verletzt. Die Aufhebung von Beschlüssen und die Auflösung eines Personalvertretungsorgans erfolgt durch Bescheid.
….
(4) Ein Organ der Personalvertretung (§ 3 Abs. 1) kann sich bei der Aufsichtsbehörde wegen behaupteter Verletzung dieses Bundesgesetzes innerhalb des letzten Jahres durch ein Organ des Dienstgebers beschweren. Jede solche Beschwerde ist von der Aufsichtsbehörde zu prüfen.
(5) Beschwerden nach Abs. 4 sind im Wege des Zentralausschusses einzubringen. Gelangt der Zentralausschuss zu der Ansicht, dass die Beschwerde unbegründet ist, so hat er sich mit dem Dienststellen(Fach)ausschuss zu beraten. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so hat der Zentralausschuss die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde weiterzuleiten.
…“
Nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 28 Abs. 2 PVG 1967 hat das Personalvertretungsorgan ausschließlich und lediglich zur prüfen, ob das dem Personalvertreter vorgeworfene Verhalten, die Wahrheit dieses Vorwurfes vorausgesetzt, in Ausübung seiner Funktion gesetzt worden wäre; die anderen Umstände zu beurteilen ist allein Aufgabe des Dienstvorgesetzten bzw. der Disziplinarbehörde (VwGH, 10.09.2015, GZ. Ra 2015/09/0063).
Der Dienststellenausschuss muss die Zustimmung zur dienstrechtlichen Verfolgung verweigern, wenn das dem betroffenen Personalvertreter vorgeworfene Verhalten in Ausübung seiner Personalvertreter-Funktion erfolgte. Dabei hat der Dienststellenausschuss nicht zu prüfen, ob die dem Personalvertreter vorgeworfenen Äußerungen und Handlungen einen dienstrechtlich zu ahndenden Tatbestand darstellen oder ob er diese tatsächlich gemacht hat (PVAK, 04.03.2001, GZ. A20-PVAK/00).
Im Verfahren auf Zustimmung zur dienstrechtlichen Verfolgung eines Personalvertreters hat das Personalvertretungsorgan lediglich zu prüfen, ob das vom Dienstgeber mitgeteilte Verhalten, das geahndet werden soll, in der Eigenschaft als Personalvertreter oder nicht in dieser Eigenschaft gesetzt wurde. Handelte der Personalvertreter nicht in dieser Eigenschaft, muss das Personalvertretungsorgan die Zustimmung erteilen. Das Personalvertretungsorgan hat nicht zu prüfen, ob die dem Personalvertreter vorgeworfenen Äußerungen und Handlungen einen dienstrechtlich zu ahndenden Tatbestand darstellen oder ob der Personalvertreter diese überhaupt tatsächlich gemacht hat (PVAK, 03.12.2001, GZ. A40-PVAK/01).
Wird dem Dienststellenausschuss vom Dienstgeber ein gegen einen Personalvertreter disziplinär zu ahndender Sachverhalt mitgeteilt, so hat er nur zu prüfen, ob das zu ahndende Verhalten in der Eigenschaft als Personalvertreter gesetzt wurde. Er hat nicht zu prüfen, ob die dem Personalvertreter vorgeworfenen Äußerungen und Handlungen überhaupt einen disziplinär zu ahndenden Tatbestand darstellen oder ob die zur Last gelegten Äußerungen und Handlungen tatsächlich gemacht wurden. Wurde das zu ahndende Verhalten in Ausübung der Funktion als Personalvertreter gesetzt, darf der Dienststellenausschuss die Zustimmung zur disziplinären Verfolgung nicht erteilen, handelte der Personalvertreter nicht in dieser Funktion, hat er die Zustimmung zu erteilen. Zur Funktionsausübung als Personalvertretung gehört jedenfalls all das, was nach dem Gesetzeswortlaut Personalvertretungstätigkeit ist. Solche Tätigkeiten sind insbesondere die Teilnahme an Sitzungen des Personalvertretungsorgans, dem der Personalvertreter angehört, an Verhandlungen und Beratungen mit dem Dienstgeber, an der Dienststellenversammlung, an formlosen vom Dienstgeber gehaltenen Besprechungen und die Geschäftsführungshandlungen (z.B. Vorsitzender, Vorsitzenderstellvertreter, Schriftführer) für das Personalvertretungsorgan, dem er angehört. Personalvertreter haben die zur Beschlussfassung erforderlichen Informationen einzuholen, insbesondere auch Kontakte zu anderen Personalvertretern und Dienstgebervertretern, vor allem aber auch zu den zu vertretenden Bediensteten herzustellen und ihnen ihre Standpunkte und Auffassungen darzulegen. Weiters haben sie Organbeschlüsse zu vollziehen, Anfragen, Wünsche, Beschwerden, Anzeigen und Anregungen der zu vertretenden Bediensteten entgegenzunehmen und zu beantworten bzw. dem Ausschuss, dem sie angehören, weiterzugeben. (PVAK, 26.09.2005, GZ. A17-PVAK/05).
Es ist aber auch selbstverständlich, dass die demokratisch gewählten Personalvertreter, die sich gegebenenfalls einer Wiederwahl stellen, jedenfalls aber ihre Aufgaben pflichtgemäß erfüllen und die Wahlberechtigten davon überzeugen wollen, berechtigt sind, auch von sich aus die Kontakte zu den Bediensteten herzustellen und ihnen ihre Standpunkte und Auffassungen darzulegen (PVAK, 20.02.2007, GZA11-PVAK/06).
Im gegenständlichen Fall ist es - angesichts der im Akt liegenden verfahrensgegenständlichen Aussendungen - evident, dass der Zweitbeschwerdeführer die verfahrensgegenständlichen Aussendungen in seiner Eigenschaft als Personalvertreter getätigt hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Zweitbeschwerdeführer dabei einer unsachlichen bzw. polemischen Ausdrucksweise bedient hat. Wie der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und der Personalvertretungsaufsichtskommission zu entnehmen ist, hat der Dienststellenausschuss lediglich zu prüfen ob das im Personalvertreter vorgeworfene Verhalten von diesem in seiner Eigenschaft als Personalvertreter gesetzt wurde oder nicht. Er hat nicht zu prüfen ob die dem Personalvertreter vorgeworfenen Äußerungen und Handlungen einen dienstrechtlich zu ahndenden Tatbestand darstellen oder ob der Personalvertreter diese überhaupt tatsächlich gemacht hat. Damit ist ihm aber auch verwehrt zu prüfen, ob die vom Zweitbeschwerdeführer erhobenen Vorwürfe polemischer oder sachlicher Natur sind. Bemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass sich die § 28 PVG statuierte Immunität eines Personalvertreters nur auf dienstrechtliche bzw. disziplinäre Verfolgung beziehen. Die straf-bzw. zivilrechtlichen des Personalvertreters wird dadurch nicht berührt.
Der erstbeschwerdeführende DA hat daher - vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. der PVAK - zu Recht die Zustimmung zur disziplinären Verfolgung des Zweitbeschwerdeführers nicht erteilt.
Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß §§ 28 Abs. 2 und 41 Abs. 1 und 4 PVG i.V.m. § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben.
Zu A II.)
Gemäß § 41 Abs. 1 PVG können Personen oder Organe der Personalvertretung, die die Verletzung ihrer Rechte durch rechtswidrige Geschäftsführung behaupten das Tätigwerden der Personalvertretungsaufsichtsbehörde beantragen. Im vorliegenden Fall wird aber nicht einmal vom Zweitbeschwerdeführer behauptet, dass die Geschäftsführung des erstbeschwerdeführenden Dienststellenausschusses rechtswidrig gewesen sei. Er ist daher im vorliegenden Fall nicht Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens. Soweit er eine Verletzung subjektiver Rechte behauptet, geht dieses Vorbringen ins Leere, da der Bescheid lediglich kassatorische Natur war. Eine Verletzung dieser Rechte des Beschwerdeführers war daher schon begrifflich ausgeschlossen.
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 41 Abs. 1 PVG i.V.m. § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung der bis 31.12.2013 zuständigen Personalvertretungs-Aufsichtskommission ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist deren vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Mit 01.01.2014 ist das Bundesverwaltungsgericht an die Stelle der Personalvertretungs- Aufsichtskommission getreten. Deren Entscheidungen konnten nicht vor den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden. Ihre Rechtsprechung ist daher weiterhin als relevant zu betrachten.
Schlagworte
Beschwerdelegimitation dienstrechtliche Verfolgung disziplinäre Verfehlungen ersatzlose Behebung Funktionsausübung Immunität Informationsschreiben Parteistellung Personalvertreter Personalvertretungsaufsichtsbehörde Personalvertretungsaufsichtskommission Personalvertretungsorgan Personalvertretungstätigkeit Pflichtverletzung Polizei Rechtsschutzinteresse Unabhängigkeit Unsachlichkeit Zurückweisung Zustimmung-PersonalvertretungsorganEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W213.2223495.1.00Im RIS seit
29.12.2020Zuletzt aktualisiert am
29.12.2020