TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/14 W176 2232550-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.08.2020

Norm

AVG §57 Abs3
AVG §62 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2232550-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Burgenland vom 04.05.2020, Zl. PAD/18/02440098/002/AA, betreffend Dolmetschergebühr, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Dem Beschwerdeführer sind EUR 77,10 kostenfrei nachzuzahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 20.08.2018 leistete der nunmehrige Beschwerdeführer an der Polizeiinspektion Graz- XXXX Dolmetschertätigkeiten für das Landeskriminalamt Burgenland.

2. Mit – rechtskräftig gewordenem – (Mandats)Bescheid der Landespolizeidirektion Burgenland (im Folgenden: belangte Behörde) vom 16.10.2018 wurde die dem Beschwerdeführer dafür zustehende Dolmetschergebühr mit EUR 266,40 (inkl. USt.) bestimmt.

3. Mit als „Berichtigungsbescheid“ bezeichnetem (Mandats)Bescheid vom 28.12.2018 sprach die belangte Behörde aus, dass die dem Beschwerdeführer für seine unter Punkt 1. dargestellte Tätigkeit als Dolmetscher zustehende Gebühr irrtümlich mit EUR 266,40 bestimmt worden sei und daher gemäß § 62 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), auf EUR 189,30 korrigiert werde.

Begründend wurde Folgendes ausgeführt: Der Beschwerdeführer habe bei seinem Ansuchen auf Aufnahme in die Dolmetscherliste der Landespolizeidirektion Kärnten als Wohnort eine Adresse in der XXXX in Graz angegeben. Der Beschwerdeführer sei aufgrund der Nähe seines Wohnorts zum Ort der Vernehmung herangezogen worden; die Distanz entspreche einem Fußweg von vier Minuten. Gebühren für die Anreise aus Wien seien daher nicht zu berücksichtigen gewesen.

4. Dagegen erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Vorstellung. Darin führt er unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass gegenständlich kein in § 64 Abs. 2 AVG angeführter Sachverhalt vorliege; vielmehr handle es sich offensichtlich um den Versuch einer nachträglichen Änderung des Spruchinhalts. Wie der als Beilage übermittelten Rechnung zu entnehmen sei, habe die Sachbearbeiterin der belangten Behörde vor Erlassung des unter Punkt 2. dargestellten (Mandats)Bescheides jedes Merkmal der Rechnung gewissenhaft geprüft und explizit mit grünem Kugelschreiben abgehakt.

5. Mit Schreiben vom 31.07.2019, dem Beschwerdeführer zugestellt am 15.08.2019, teilte die belangte Behörde diesem im Rahmen des Parteiengehörs mit, dass sie beabsichtige, seine Vorstellung „zurückzuweisen“. Im Wesentlichen wurde dabei ausgeführt, dass die Vorstellung fristgerecht eingebracht worden sei, und im Übrigen die Begründung des „Berichtigungsbescheides“ wiederholt, wobei angeführt wird, dass die Adresse des Beschwerdeführers in Graz in der Dolmetschliste des Bundesministeriums für Inneres eingetragen sei. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

6. Mit Schriftsatz vom 16.08.2019 hielt der Beschwerdeführer fest, dass ein Versehen iSv § 62 Abs. 4 AVG wie in der Vorstellung ausgeführt nicht vorliege, er zum Zeitpunkt der Vernehmung bereits über ein Jahr in Wien behördlich gemeldet gewesen sei und ihm eine Dolmetschliste des Bundesministeriums für Inneres nicht bekannt sei.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Gebühr mit EUR 186,50 bestimmt werde und der Differenzbetrag von EUR 2,80 (zu der mit dem „Berichtigungsbescheid“ zugesprochenen Gebühr) der belangten Behörde binnen zwei Wochen rückzuüberweisen sei.

Im Mandatsbescheid vom 16.10.2018 seien die anteilige Entschädigung für Zeitversäumnis sowie die Reisekosten auf Basis der in der Gebührennote angegebenen Adresse des Beschwerdeführers in Wien berechnet worden, obwohl der Behörde eine Adresse in der XXXX in Graz bekannt gegeben worden sei. Zwischen der Ausstellung des Bescheides und der Anweisung der Gebühr sei dieses Versehen erkannt und in der Folge im Mandatsverfahren ein Berichtigungsbescheid erlassen worden. Darüberhinaus werde nun im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Ersatz der Verpflegungskosten dahingehend abgeändert, dass kein Anspruch auf die Vergütung der Kosten für das Mittagessen bestehe. Das „Versehen bei der Berechnung im Berichtigungsbescheid“ werde mit Verweis auf § 62 Abs. 4 AVG von Amts wegen berichtigt.

Unter Zugrundelegung des Berichtigungsbescheides seien bereits EUR 189,30 zur Anweisung gebracht worden; der sich aufgrund der Korrektur im Zuge des Ermittlungsverfahrens ergebende Differenzbetrag von EUR 2,80 sei der belangten Behörde daher rückzuüberweisen.

8. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wobei er im Wesentlichen sein Vorbringen in der Vorstellung sowie in seiner Stellungnahme wiederholte.

9. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der rechtlichen Beurteilung wird der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

3.2. Zur Zulässigkeit:

Die Beschwerde wurde fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. In der Sache:

3.3.1.1. Gemäß § 57 Abs. 3 AVG hat die Behörde binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides zu bestätigen.

Aus der Judikatur und Literatur zu dieser Bestimmung ergibt sich, dass bei Unterlassen von Ermittlungsschritten der Mandatsbescheid ipso iure außer Kraft tritt (VwGH 25.04.1991, 91/06/0010; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 38). Unter Ermittlungsverfahren ist ein Verfahren zur Feststellung des für die Anordnung maßgebenden Sachverhalts oder zur Gewährung von Parteiengehör zu verstehen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 39 mwN).

3.3.1.2. Da die belangte Behörde bis zu dem unter Punkt I.5. dargestellten Parteiengehör keinen Ermittlungsschritt gesetzt hat, ist der „Berichtigungsbescheid“ ex lege außer Kraft getreten. Obwohl dies im angefochtenen Bescheid nicht explizit zum Ausdruck gebracht wird, hat die belangte Behörde diesem Umstand insofern Rechnung getragen, als sie nicht über die Vorstellung gegen den „Berichtigungsbescheid“ entschieden hat, sondern die Dolmetschergebühr (abermals) bestimmt hat.

3.3.2.1. Gemäß § 62 Abs. 4 AVG kann das Bundesverwaltungsgericht Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Entscheidungen jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Die Bestimmung des § 62 Abs. 4 AVG ist dem § 419 ZPO nachgebildet und soll der Prozessökonomie dadurch dienen, dass besonders offenkundige Fehler auch außerhalb eines Rechtsmittelverfahrens korrigiert werden können.

Offenbar auf einem Versehen beruht eine Unrichtigkeit dann, wenn sie für die Partei, bei Mehrparteienverfahren für alle Parteien, klar erkennbar ist und von der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei der Bescheiderlassung hätte vermieden werden können (VwGH 19.11.2002, Zl. 2002/12/0140). Ein Versehen ist klar erkennbar, wenn zu dessen Erkennung kein längeres Nachdenken und keine Nachschau in Gesetzeswerken notwendig ist, wobei vom Maßstab eines mit der zu behandelnden Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters auszugehen ist (VwGH 13.09.1991, Zl. 90/18/0248).

Ein Rechenfehler liegt nur dann vor, wenn eine (offen gelegte) rechnerische Operation unrichtig vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 19.11.2002, 2002/12/0140). Eine solche Unrichtigkeit liegt etwa vor, wenn der Partei im Bescheidspruch „die mit 654 Euro bestimmten Kosten (41 Euro Vorlageaufwand, 203 Euro Schriftsatzaufwand und 254 Euro Verhandlungsaufwand)“ auferlegt werden (VfGH 30.11.2004, B 804/04). Davon sind jene Fälle zu unterscheiden, in denen das falsche Ergebnis nicht auf der unrichtigen Vornahme der Rechenoperation, sondern diese auf falschen Grundannahmen beruht (VwGH 19.11.2002, 2002/12/0140).

3.3.2.1. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich eindeutig, dass die Herabsetzung der der dem Beschwerdeführer zustehenden Dolmetschergebühr nicht auf der Korrektur einer ursprünglich unrichtig durchgeführten Rechenoperation beruht. Vielmehr stellt der der Bestimmung der Dolmetschergebühr mit dem unter Punkt I.2. dargestellten (Mandats)Bescheid zugrundeliegende Ansatz, die Gebühr sei auf Basis des (nunmehrigen) Wohnsitz des Beschwerdeführers in Wien und nicht aufgrund seiner (früheren) Adresse in Graz zu bemessen, eine Grundannahme dar, an Hand derer die Rechenoperation vorgenommen wurde.

Das Beschwerdevorbringen, dass gegenständlich kein Fehler vorliegt, der gemäß § 62 Abs. 4 AVG berichtigt werden kann, ist daher zutreffend.

Dem Beschwerdeführer ist folglich der Differenzbetrag zwischen der ihm mit dem unter Punkt I.2. zugesprochenen Gebühr von EUR 266,40 und dem ihm bereits angewiesenen Betrag von EUR 189,30, somit EUR 77,10 kostenfrei nachzuzahlen.

3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Berichtigung Berichtigungsbescheid Dolmetschgebühren Ermittlungsverfahren ex lege - Außerkrafttreten Irrtum Mandatsbescheid Nachzahlungsanspruch Nachzahlungsverpflichtung Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W176.2232550.1.00

Im RIS seit

29.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten