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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der V, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. September 1996, Zl. SD 1000/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. September 1996 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei in der Zeit von 1989 bis 1995 viermal rechtskräftig verurteilt worden, und zwar vom Jugendgerichtshof Wien am 24. Februar 1989 wegen schweren Betruges (durch Verwendung eines falschen Namens bzw. eines Beweismittels) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, unter bedingter Strafnachsicht, vom Strafbezirksgericht Wien am 28. Februar 1992 wegen Entwendung zu einer Geldstrafe, vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 15. November 1993 wegen Diebstahls, schweren und gewerbsmäßigen Betruges (§§ 127, 146, 147 Abs. 2, 148 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr, unter bedingter Strafnachsicht, und vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 18. Juli 1995 wegen schweren und gewerbsmäßigen Betruges (durch falsches Beweismittel; §§ 146, 147 Abs. 1 erster Fall und Abs. 2, 148 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr, davon acht Monate unter bedingter Strafnachsicht.
Es könne kein Zweifel bestehen, daß im vorliegenden Fall gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG bestimmte Tatsachen in mehrfacher Hinsicht vorlägen, die auch die Annahme rechtfertigten, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Sicherheit gefährde (§ 18 Abs. 1 leg. cit.), darüber hinaus aber auch, daß ein mit einem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben i.S. des § 19 leg. cit. zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig und daher dringend geboten sei.
Was den Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin und damit die Auswirkungen auf ihre Lebenssituation und die ihrer Familie i.S. des § 20 Abs. 1 FrG anlange, so habe die belangte Behörde folgendes festgestellt und erwogen: Die jetzt 24-jährige Beschwerdeführerin, die von Jugend auf bei ihren Eltern in Österreich gelebt habe, habe schon seit ihrem 12. Lebensjahr erhebliche Schwierigkeiten in der Schule verursacht, die zu massiven Interventionen der Schulbehörden bei der Fremdenpolizei geführt hätten. In der Folge seien die Eltern wiederholt niederschriftlich ermahnt und ihnen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (gegen die Beschwerdeführerin) angedroht worden. Um dies abzuwenden, sei die Beschwerdeführerin im Jahr 1986 zu Angehörigen nach Jugoslawien gebracht worden. Im Jahr 1987 sei sie allerdings schon wieder nach Österreich gekommen und habe in der Folge Sichtvermerke bis 7. Februar 1992 erhalten. Anschließend sei sie illegal im Bundesgebiet geblieben und am 8. August 1992 wegen unerlaubten Aufenthaltes rechtskräftig bestraft worden. Sie sei auch wegen Nichtbezahlung von Pflegegeldgebühren für einen Spitalsaufenthalt von den Gerichten und vom Magistrat der Stadt Wien gesucht worden. Im Jahr 1994 hätten ein Haftbefehl und zwei Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung bestanden. Am 14. Juni 1995 sei sie in einer Bar anläßlich einer Kontrolle wegen illegaler Prostitution aufgegriffen worden. Nach der Haftentlassung sei das gegenständliche Aufenthaltsverbotsverfahren eingeleitet worden. Die Beschwerdeführerin habe zwei Kinder, eines davon (1987 geboren) werde von ihren Eltern betreut, das andere (1989 geboren) befinde sich bei Pflegeeltern; sie habe zu ihm keinen Kontakt. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie seien zwar trotz ihrer mangelnden sozialen Integration sehr beträchtlich, doch wögen sie im Hinblick auf die mehrfachen Verurteilungen wegen der auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen nicht so schwer wie die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme. Auch der Umstand, daß vom Gericht aufgrund von Milderungsgründen eine teilbedingte Strafe ausgesprochen worden sei, und daß sich die Beschwerdeführerin seit 1994 wohlverhalten habe, vermögen daran nichts Entscheidendes zu ändern.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleiben die in bezug auf § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG maßgebliche Sachverhaltsfeststellung (die oben I.1. angeführten vier rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen) wie auch die Feststellung, daß die Gültigkeitsdauer des letzten der Beschwerdeführerin erteilten Sichtvermerkes mit 7. Februar 1992 abgelaufen sei, unbestritten. Der aus den gerichtlichen Verurteilungen von der belangten Behörde gezogene Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG und auch das aus dem Gesamtfehlverhalten abgeleitete Gerechtfertigtsein der im § 18 Abs. 1 leg.cit. umschriebenen Annahme wird in der Beschwerde nicht bekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde vertritt die Meinung, die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin würden die öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes "bei weitem überwiegen". Sie macht damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Grunde des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG geltend und begründet dies damit, daß die Beschwerdeführerin seit 24 Jahren in Österreich lebe, zwei ebenfalls hier aufhältige Kinder und einen Lebensgefährten habe, und daß auch ihre Eltern (seit 30 Jahren) in Österreich lebten. Daraus ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin den Mittelpunkt ihres Privat- und Familienlebens in Österreich habe und hier (in Wien) voll integriert sei. Auf der anderen Seite sei das Aufenthaltsverbot zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, Ruhe und Ordnung nicht dringend geboten. Es dürfe nicht übersehen werden, daß das Landesgericht für Strafsachen Wien anläßlich der Verurteilung im Jahr 1995 eine teilbedingte Freiheitsstrafe verhängt habe, da davon auszugehen wäre, daß von der Beschwerdeführerin in Hinkunft keine derartigen strafbaren Handlungen mehr begangen würden. Es sei auch tatsächlich ein positiver Gesinnungswandel eingetreten; die Beschwerdeführerin habe sich seit der letzten Tathandlung im Jahr 1994 wohlverhalten und sei bemüht, ein ordentliches Leben zu führen.
2.2.1. Die belangte Behörde hat, unter der zutreffenden Annahme eines mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffes in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG, die Ansicht vertreten, daß diese Maßnahme dennoch zulässig, weil zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten sei. Mit der belangten Behörde ist der Gerichtshof der Ansicht, daß die wiederholte Begehung eines schweren Betruges, davon zweimal in der das Delikt als Verbrechen qualifizierenden Begehungsform der Gewerbsmäßigkeit, d.h. mit der Absicht, sich durch wiederkehrenden Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine nachhaltige Gefährdung des öffentlichen Interesses (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) darstellt, die es im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK - unter Hintanstellen der gegenläufigen persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin - notwendig macht, gegen sie ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Dringend-geboten-sein dieser Maßnahme ist umso mehr zu bejahen, als sich die Beschwerdeführerin - von der Beschwerde gänzlich außer acht gelassen - bereits seit etwa viereinhalb Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhält, ein Umstand, der das nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0171, mwN) in gravierender Weise beeinträchtigt.
2.2.2. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist auch das Ergebnis der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Abwägung unbedenklich. Das Gewicht der nach dieser Gesetzesstelle primär zu berücksichtigenden Kriterien der Dauer des Aufenthaltes und des Ausmaßes der Integration des Fremden hat im Fall der Beschwerdeführerin eine nicht unerhebliche Schmälerung erfahren. Dies zum einen deshalb, weil unter "Dauer des Aufenthaltes" nur der rechtmäßige zu verstehen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435), zum anderen aufgrund dessen, daß die für die Integration essentielle soziale Komponente durch die Zahl und Schwere der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Straftaten, aber auch durch den von der belangten Behörde festgestellten unsteten Lebenswandel der Beschwerdeführerin (vgl. oben I.1.) in beachtlichem Maß beeinträchtigt wurde. Die Tatsache, daß sich die zwei Kinder der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet aufhalten, führt im Hinblick darauf zu keiner Stärkung ihrer familiären Interessenlage, daß nach den unwidersprochenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zu einem der beiden Kinder kein Kontakt besteht und das andere sich in der Obhut der Eltern der Beschwerdeführerin befindet. Ferner schlägt auch der Umstand der bedingten Nachsicht eines Teiles der zuletzt über die Beschwerdeführerin verhängten Freiheitsstrafe im Rahmen der Abwägung nicht zu ihren Gunsten aus, weil die belangte Behörde die nach § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung ohne Bindung an die vom Gericht für seine Entscheidung herangezogenen Erwägungen eigenständig und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu treffen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0753). Schließlich hat die belangte Behörde auch richtig erkannt, daß das Wohlverhalten der Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1994 nur von untergeordneter Bedeutung ist, läßt doch dieser Umstand aufgrund der Kürze der seither verstrichenen Zeit keinen Schluß dahin zu, daß die durch das in mehrfacher Hinsicht gravierende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin herbeigeführte Gefährdung des maßgeblichen öffentlichen Interesses weggefallen oder mehr als unwesentlich gemindert worden sei.
Da somit die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin - auch wenn auf das in der Beschwerde behauptete Vorliegen einer Lebensgemeinschaft Bedacht zu nehmen wäre - an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht schwerer wiegen als das gegenläufige Interesse bzw. die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, steht der bekämpfte Bescheid auch insoweit mit dem Gesetz in Einklang, als er die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes aus dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 FrG bejaht hat.
3. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180333.X00Im RIS seit
20.11.2000