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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. Dezember 1995, Zl. SD 808/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. Dezember 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine israelische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Unbestritten sei die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Dezember 1994, rechtskräftig seit 9. Dezember 1994, gemäß "§§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels), § 37 Abs. 1 lit. a, § 38 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei), § 44 Abs. 1 lit. c des Finanzstrafgesetzes (Finanzvergehen des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols) und § 46 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (Finanzvergehen der Monopolhehlerei) rechtskräftig verurteilt" worden sei.
Da die Beschwerdeführerin wegen mehrerer vorsätzlich begangener Finanzvergehen, bei denen es sich nicht bloß um Finanzordnungswidrigkeiten gehandelt habe, rechtskräftig bestraft worden sei, bestehe kein Zweifel, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt sei.
Abgesehen davon bewirke das der Bestrafung zugrundeliegende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin und die darin zum Ausdruck kommende krasse Mißachtung finanzrechtlicher Vorschriften eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und laufe auch anderen öffentlichen Interessen (hier: Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes) im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK zuwider, sodaß jedenfalls auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 oder 20 FrG entgegenstünden.
Da sich ihr Ehemann sowie ihre drei Kinder in Österreich befänden, sei von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin im Sinn des § 19 FrG auszugehen. Dessen ungeachtet sei aber die gegen sie gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten. Im Hinblick auf die schweren Verstöße gegen finanzrechtliche Vorschriften sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen durch die Beschwerdeführerin sowie im Interesse des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich im Grunde des § 19 FrG zulässig.
Angesichts des gegebenen Sachverhaltes habe auch die gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zu Ungunsten der Beschwerdeführerin ausschlagen müssen. Immerhin habe sie nicht nur gegen bedeutsame finanzrechtliche Vorschriften, sondern auch gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches und des Fremdengesetzes verstoßen. 1988 sei die Beschwerdeführerin nämlich wegen § 127 StGB (Diebstahl) zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat bedingt verurteilt, 1990 vom Bezirksgericht Donaustadt wegen § 83 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin sei weiters schon einmal wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich rechtskräftig bestraft worden. Auch derzeit halte sie sich ohne Aufenthaltsbewilligung in Österreich auf. Der Einwand der Beschwerdeführerin, daß sie bereits im Dezember 1994 einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung in Tel Aviv gestellt hätte, ändere daran nichts, da die Stellung eines Antrags auf Aufenthaltsbewilligung die erforderliche Bewilligung keinesfalls ersetze und die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen wäre, außerhalb Österreichs eine diesbezügliche Entscheidung abzuwarten. Mittlerweile sei ihre Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien durch Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1995, rechtskräftig seit 5. Mai 1995, abgewiesen worden, sodaß sich die Beschwerdeführerin seit 1. Juli 1992 unberechtigt in Österreich aufhalte. Angesichts dieser zahlreichen Verstöße gegen das Finanzstrafgesetz, gegen das Strafgesetz und gegen das Fremdengesetz könne für die Beschwerdeführerin "somit schon alleine aus diesem Grund" eine Zukunftsprognose nicht positiv ausfallen. Die belangte Behörde sei jedenfalls zu der Auffassung gelangt, daß den öffentlichen Interessen, die an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bestünden, das "weitaus maßgeblichere Gewicht beizumessen" gewesen sei als den damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin. Das Aufenthaltsverbot sei daher gemäß den §§ 19 und 20 FrG zu Recht erlassen worden. Was die Gültigkeitsdauer dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Auffassung der belangten Behörde notwendig, um die Beschwerdeführerin dahin zu bringen, die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu beachten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die - auf unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen fußende - Auffassung der belangten Behörde, es sei vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG verwirklicht und auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde erachtet indes den angefochtenen Bescheid wegen unrichtiger Anwendung des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig. Zur Begründung dieser Auffassung wird unter Hinweis auf die privaten und familiären Umstände der Beschwerdeführerin (Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin in Österreich seit dem Jahr 1986, Aufenthalt des Ehegatten und der Kinder der Beschwerdeführerin in Österreich, Betreiben eines Geschäftes in Österreich) die Auffassung vertreten, die belangte Behörde hätte "bei genauerer Würdigung dieser Umstände" zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für die Beschwerdeführerin, aber insbesondere auch für ihre Kinder, wesentlich schwerer wiege als die "Abstandnahme von dieser Erlassung für die Republik Österreich".
2.2. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstände lassen eine Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 wie auch des § 20 Abs. 1 FrG nicht erkennen.
Die belangte Behörde hat mit Rücksicht auf die privaten Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend ist sie aber zu dem Ergebnis gelangt, daß das wiederholte (gegen fremdes Eigentum, gegen die körperliche Integrität sowie gegen finanzielle Interessen des Staates gerichtete) Fehlverhalten der Beschwerdeführerin, das zu den im angefochtenen Bescheid genannten rechtskräftigen Verurteilungen geführt hat (vgl. die Wiedergabe in Punkt I.1.), das - vom angefochtenen Bescheid bezeichnete - öffentliche Interesse (Schutz der öffentlichen Ordnung, Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes (Art. 8 Abs. 2 MRK) gravierend beeinträchtigt hat. Dazu kommt, daß sich die Beschwerdeführerin seit dem Ende der Geltungsdauer des ihr zuletzt erteilten Sichtvermerks mit 30. Juni 1992 in Österreich - entgegen der Beschwerde - ohne Berechtigung aufhält. Der Beschwerdehinweis, die Beschwerdeführerin habe sich hier seither "immer mit Unterbrechungen aufgehalten" und daher keinen Sichtvermerk benötigt, ist verfehlt, ist doch für die Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf ihr Vorbringen, daß ihr Lebensmittelpunkt seit dem Jahr 1986 in Österreich liege, zum Aufenthalt in Österreich eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erforderlich (vgl. § 1 des Aufenthaltsgesetzes). Im Hinblick auf ihren mittlerweile etwa dreieinhalbjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt verstößt die Beschwerdeführerin auch gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften, dem nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, Zl. 96/18/0435, mwH). In Anbetracht der von der Beschwerdeführerin über einen längeren Zeitraum hinweg begangenen Straftaten ist auch die für ihre Integration wesentliche soziale Komponente deutlich gemindert. Was die Kinder der Beschwerdeführerin betrifft, so gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beschwerdeführerin im Ausland nicht von diesen besucht bzw. auch dorthin begleitet werden könnte.
Vor dem Hintergrund des Gesagten kann der Behörde somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt ist, daß vorliegend die §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegenstünden.
3. Die Verfahrensrüge, die - aus dem Verwaltungsakt ersichtliche und auch gemeinsam mit der Beschwerde übermittelte - Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 18. Mai 1995 sei im Verwaltungsverfahren nicht entsprechend gewürdigt worden, ist unbegründet, weil sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen läßt, daß die belangte Behörde diese Stellungnahme bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides - insbesondere in Ansehung der familiären Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich - berücksichtigt hat (vgl. die Ausführungen unter Pkt. II.2.).
4. Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180020.X00Im RIS seit
20.11.2000