TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/10 W170 2232977-1

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §17 Abs1 Z4
HDG 2014 §72 Abs4
HDG 2014 §75 Abs1
HDG 2014 §90 Abs3
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2232977-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von Vzlt. XXXX , vertreten durch Mag. Matthias PRÜCKLER, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 27.04.2020, Zl. 1085-05-DKS/20, zu Recht:

A) Der Beschluss wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG wegen rechtswidriger Zusammensetzung des erkennenden Senates der Disziplinarkommission für Soldaten als rechtswidrig aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Nachdem gegen Vzlt. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer), einem Unteroffizier des Luftunterstützungsgeschwaders Fliegerhorst Brumowski in 3425 Langenlebarn, wegen eines näher dargelegten Verdachtes einer Dienstpflichtverletzung am 05.02.2020 ein Disziplinarverfahren eingeleitet und dieser von seinem Einheitskommandanten am 06.02.2020 vorläufig vom Dienst suspendiert worden war, wurde diese vorläufige Dienstenthebung vom genannten Einheitskommandanten am 06.02.2020 der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (in Folge: Behörde) vorgelegt.

1.2. Gegen XXXX wurde ein Kommandantenverfahren eingeleitet, dieses ist offen.

Mit Schreiben vom 21.02.2020 wurden Vzlt. XXXX und Vzlt. XXXX vom Senatsvorsitzenden Obst XXXX ersucht, an einer nichtöffentlichen Sitzung der Behörde am 26.02.2020 teilzunehmen. Dem Akt ist nicht zu entnehmen, warum der genannte Senatsvorsitzende gerade diese Beisitzer kontaktiert hat oder dass sich andere, vor diesen gereihte, Beisitzer hinsichtlich der genannten Sitzung entschuldigt hätten oder dass andere Beisitzer in vor dem gegenständlichen Verfahren anhängigen Verfahren des entscheidenden Senates eingeschritten sind.

Trotz Ersuchens des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.08.2020, W170 2232977-1/2Z, die Rechtmäßigkeit der Besetzung des Senates darzutun, hat die Behörde die Besetzung durch die genannten Beisitzer nicht nachvollziehbar dargetan.

1.3. Mit Beschluss der Behörde unter dem Vorsitz von Obst XXXX und in Gegenwart der weiteren Senatsmitglieder Vzlt. XXXX und Vzlt. XXXX vom 27.04.2020, Zl. 1085-05-DKS/20, wurde gegen den Beschwerdeführer die Dienstenthebung verfügt und festgestellt, dass diese die Kürzung der Bezüge auf zwei Drittel für die Dauer der Enthebung zur Folge hat. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer und dem im Spruch bezeichneten Vertreter des Beschwerdeführers am 05.05.2020 sowie dem Disziplinaranwalt am 06.05.2020 zugestellt. Im Beschluss finden sich keine Hinweise auf die Zusammenstellung des Senates der erkennenden Behörde.

1.4. Mit am 29.05.2020 zur Post gegebenem Schriftsatz wurde das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den oben bezeichneten Beschluss ergriffen und ausgeführt, dass einerseits die Voraussetzungen für eine Dienstenthebung nicht vorliegen würden, andererseits der Beschwerdeführer als Mitglied des Dienststellenausschusses und des Fachwahlausschusses vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens geschützt sei und es zu keiner Freigabe durch den zuständigen Dienststellenausschuss gekommen sei.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage der vorgelegten Verwaltungsakte, die Feststellung zur Einleitung des Kommandantenverfahrens gegen XXXX aus dem Amtswissen.

Hinsichtlich der Auswahl der beisitzenden Mitglieder ist auf das Schreiben der belangten Behörde vom 11.08.2020, Gz 1085-12-DKS/20, zu verweisen, das der Entscheidung zu Grunde gelegt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Besetzung des Spruchkörpers des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 90 Abs 3 HDG ist für die Disziplinarkommission und die bei ihr anhängigen Verfahren die bis zum Ablauf des Tages der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, geltende Rechtslage bis zum Ablauf des 30. September 2020 weiter anzuwenden. Ab 1. Oktober 2020 sind diese Verfahren durch die zuständigen Disziplinarsenate in der Bundesdisziplinarbehörde als Senatsverfahren fortzuführen. In Disziplinarverfahren, in denen bis zum Ablauf des 30. September 2020 noch kein Disziplinarerkenntnis verkündet wurde, ist durch den zuständigen Disziplinarsenat in der Bundesdisziplinarbehörde in jedem Fall eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Da sich § 90 Abs. 3 HDG nur auf die Behörde bezieht und diese § 75 Abs. 1 HDG (siehe unten), der sich wiederum nur auf das Bundesverwaltungsgericht bezieht, jedenfalls nicht anzuwenden hat und daher die alte Fassung des § 75 Abs. 1 HDG auch über § 17 VwGVG nicht anwendbar ist, hat das Bundesverwaltungsgericht § 75 Abs. 1 HDG in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2019 anzuwenden.

Gemäß § 75 Abs. 1 HDG (in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2019) hat das Bundesverwaltungsgericht nur über Beschwerden (1.) gegen ein Erkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde, mit dem die Disziplinarstrafe der Entlassung oder der Unfähigkeit der Beförderung und Degradierung oder der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche verhängt wurde, und (2.) gegen ein Erkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde, sofern der Disziplinaranwalt die Beschwerde erhoben hat durch einen Senat zu entscheiden.

Gegenständlich liegt eine Beschwerde gegen einen Beschluss auf Dienstenthebung vor, daher ist vom Bundesverwaltungsgericht in Einzelrichterbesetzung zu entscheiden.

3.2. Zum Prüfumfang des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß § 27 1. Fall VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Das bedeutet, dass der erste Prüfschritt des Verwaltungsgerichts immer der Zuständigkeit der belangten Behörde gilt.

Kollegialbehörden unterliegen nach der – wenn auch auf den vor dem 31.12.2014 abstellenden Zeitraum – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund ihrer einem ordentlichen Gericht nahekommenden Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln, wie kollegial besetzte Gerichte (VwGH 20.11.2014, Ro 2014/07/0049). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Kollegialorgan als unzuständige Behörde anzusehen, wenn es nicht in der nach dem Gesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet; das trifft dann zu, wenn entweder bei der Entscheidung nicht die vorgeschriebene Zahl von Mitgliedern mitgewirkt hat oder Personen daran beteiligt waren, die als Mitglieder von der Mitwirkung ausgeschlossen waren oder bei denen es sich nicht um Mitglieder handelte (VwGH 11.03.1959, VwSlg. 3506; VwGH 22.06.1995, 93/09/0445; VwGH 15.04.1998, 94/09/0305; VwGH 23.11.2001, 98/02/0259; VwGH 25.02.2009, 2006/03/0071; VwGH 14.10.2011, 2008/09/0125).

Aktuell hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass er der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 11.03.1959, VfSlg 3506/1959) beipflichte, dass die Bestellung zum Mitglied einer Kollegialbehörde die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Willensbildung dieser Behörde mit sich bringt. Eine Stimmenthaltung von Mitgliedern einer Kollegialbehörde, die an der Verhandlung teilnehmen, kann somit ohne gesetzliche Ermächtigung nicht als zulässig angesehen werden. Ebenso teilt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, dass durch eine Stimmenthaltung nicht die vom Gesetz zur Entscheidung berufene Kollegialbehörde, sondern nur eine Fraktion derselben entscheidet, was eine unrichtige Zusammensetzung der Kollegialbehörde bewirkt, die dann zu einer Aufhebung der Entscheidung führen müsse (VwGH 02.06.2020, Ra 2018/11/0084-7). Selbiges muss nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch gelten, wenn eine Kollegialbehörde rechtswidrig zusammengesetzt ist.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der eine Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG – im Gegensatz zu einer Aufhebung wegen Unzuständigkeit – etwa nicht erfolgen dürfe, wenn ein befangenes Mitglied einer Kollegialbehörde (mit)entschieden habe; diesfalls kann der Verfahrensmangel durch eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes saniert werden (VwGH 30.01.2018, Ro 2017/08/0036).

Hier stellt sich aber nicht die Frage nach der Befangenheit, sondern nach der richtigen Besetzung des erkennenden Senates; dieser ist – bei entsprechenden Hinweisen im Akt – auch von Amts wegen nachzugehen (siehe § 27 VwGVG).

3.3. Zur Frage, ob der erkennende Senat der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung richtig besetzt war:

Der Beschwerdeführer steht als Unteroffizier und Berufssoldat des Luftunterstützungsgeschwaders Fliegerhorst Brumowski in 3425 Langenlebarn in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.

3.3.1. Zur Rechtslage:

Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2020 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020, Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 7/2020, zuletzt geändert mit Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 15/2020 (in Folge: Geschäftseinteilung), lautet auszugsweise:

„I.

Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 wird verfügt:

[…]

Die Disziplinarkommission entscheidet in 7 Senaten.

[…]

Senat 3

Dieser Senat ist zuständig für Disziplinar- und Dienstenthebungsangelegenheiten aller Unteroffiziere und Chargen im Dienstverhältnis und im Ruhestand, sowie für Überprüfungsanträge nach im Einsatz verhängten rechtskräftigen Disziplinarstrafen in den Bundesländern WIEN, NIEDERÖSTERREICH und BURGENLAND

Senatsvorsitzender:

XXXX

Senat 4

[…]

Senatsvorsitzender:

Obst XXXX

[…]

Weitere Mitglieder für die Senate 3, 5 und 7:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

Auf Vorschlag des Zentralausschusses bestellte weitere Mitglieder:

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

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XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

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XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

II.

Verhinderung der Senatsvorsitzenden

Bei Verhinderung des Vorsitzenden der jeweiligen Senate aus dienstlichen oder persönlichen Gründen oder bei Vorliegen von Befangenheitsgründen gem. § 7 AVG vertritt

1. den Senatsvorsitzenden des Senates 1 der Senatsvorsitzende des Senates 6,

2. den Senatsvorsitzenden der Senate 2 und 3 der Senatsvorsitzende des Senates 4,

3. den Senatsvorsitzenden der Senate 4 und 5 der Senatsvorsitzende des Senates 6,

4. den Senatsvorsitzenden der Senate 6 und 7 der Senatsvorsitzende des Senates 4.

Der unter Punkt I drittgenannte Stellvertreter des Vorsitzenden tritt bei Verhinderung der in den Punkten 1 bis 4 genannten Vertreter in den jeweiligen Senat ein.

Die einmal begründete Zuständigkeit bleibt dann bestehen.

III.

Einteilung

1. Der Vorsitzende verteilt die einlangenden Geschäftsfälle an den jeweiligen Senatsvorsitzenden.

2. Die weiteren Mitglieder und die Ersatzmitglieder sind vom Senatsvorsitzenden vor Anberaumung des ersten gemeinsamen Beratungstermins nach Abschnitt IV festzulegen und dem Beschuldigten gem. § 72 Abs. 4 HDG 2014 gemeinsam mit dem Einleitungsbeschluss mitzuteilen. Zur Sicherstellung eines arbeitsfähigen Senats sind vom Senatsvorsitzenden allfällige Verhinderungsgründe von weiteren Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in geeigneter Weise vorweg in Erfahrung zu bringen

3. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Senate sind Dienstenthebungsverfahren wie Disziplinarverfahren zu behandeln. Im Dienstenthebungs- und Disziplinarverfahren ist grundsätzlich derselbe Senat einzuteilen. Allfällige Ergänzungen sind nach Abschnitt IV. vorzunehmen.

IV.

Weitere Mitglieder

1. Die weiteren Mitglieder und die vom Zentralausschuss bestellten weiteren Mitglieder sind in der in Abschnitt I zum jeweiligen Senat angeführten Reihenfolge heranzuziehen.

2. Bei Verhinderung eines weiteren Mitgliedes ist das nächste weitere vom Bundesminister für Landesverteidigung bzw. das nächste vom Zentralausschuss bestellte weitere Mitglied heranzuziehen.

3. Nach dem letztgereihten weiteren Mitglied bzw. des vom Zentralausschuss bestellten weiteren Mitgliedes, ist wieder das erstgereihte Mitglied bzw. das vom Zentralausschuss bestellte erste weitere Mitglied heranzuziehen.

4. In Angelegenheiten mit weiblichen Verdächtigen oder bei angezeigten Sachverhalten mit dem Verdacht auf Pflichtverletzungen gegenüber Soldatinnen hat zumindest ein weibliches Mitglied im Senat vertreten zu sein. In diesen Angelegenheiten ist das nächstgereihte vom Bundesminister für Landesverteidigung bestellte weibliche Mitglied heranzuziehen. Ist kein weiteres vom Bundesminister für Landesverteidigung bestelltes weibliches Mitglied einteilbar, so ist das nächste vom Zentralausschuss bestellte weitere weibliche Mitglied heranzuziehen. Bei der Einteilung ist analog der Ziffern 1 – 3 vorzugehen.

V.

Ersatzmitglieder

1. Als Ersatzmitglied ist jeweils jenes Mitglied heranzuziehen, das im jeweiligen Senat gemäß der im Abschnitt I bestimmten Reihenfolge angeführt ist.

2. Nach erstmaliger Heranziehung bleibt das Ersatzmitglied bis zum Abschluss des Verfahrens im Senat.

3. Bei Verhinderung dieses Ersatzmitgliedes ist das nächste Ersatzmitglied (analog Abschnitt IV) heranzuziehen.

VI.

Beteiligung mehrerer Soldaten an einer Pflichtverletzung und Begehung mehrerer Pflichtverletzungen durch einen Soldaten sowie anhängige Strafverfahren

1. Gemäß § 25 Abs. 1 HDG 2014 sind Disziplinarverfahren, sofern dieselbe Behörde zuständig ist

a) hinsichtlich mehrerer Pflichtverletzungen desselben Beschuldigten und

b) gegen mehrere Beschuldigte, deren Pflichtverletzungen in einem sachlichen Zusammenhang stehen zu verbinden.

Ist im Fall der Z 1. b) ein Kommissionsverfahren gegen Offiziere und andere Beschuldigte zu verbinden, so haben abweichend von § 18 Abs. 4 HDG 2014 als weitere Mitglieder des Senates ein Offizier und ein Unteroffizier tätig zu werden.

2. Langt gegen einen Beschuldigten, gegen den bereits ein Disziplinarverfahren anhängig ist, eine neuerliche Disziplinaranzeige bzw. ein Nachtrag ein, so kann aus verfahrensökonomischen Gründen die jeweilige mündliche Verhandlung nach § 25 Abs. 2 HDG 2014 zusammengelegt werden.

3. Ist zu einzelnen Punkten der Disziplinaranzeige ein Strafverfahren anhängig, so sind die anderen Punkte grundsätzlich ohne den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, zu verhandeln.

VII.

Bisherige Zuständigkeiten bis 31. Dezember 2019

Die bis zum 31. Dezember 2019 mit den Bezug habenden Geschäftsordnungen verfügten Zuständigkeiten der Senate, bleiben bis zum Abschluss der jeweiligen Kommissionsverfahren bestehen.“

3.3.2. Zum eingeschrittenen Senatsvorsitzenden:

Der gegenständliche Geschäftsfall ist im Jahr 2020 angefallen, der betroffene Beschwerdeführer ist ein in Niederösterreich eingesetzter Unteroffizier. Es ist daher nach Geschäftseinteilung Pkt. I. der für Disziplinar- und Dienstenthebungsangelegenheiten aller Unteroffiziere und Chargen im Dienstverhältnis und im Ruhestand zuständige Senat 3 zuständig, dessen Senatsvorsitzender ist XXXX .

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 4 HDG ruht die Mitgliedschaft zur Disziplinarkommission (1.) während eines Strafverfahrens nach der Strafprozessordnung 1975 betreffend eine von Amts wegen zu verfolgende, mit Vorsatz begangene gerichtlich strafbare Handlung ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft einer Anklageerhebung oder (2.) vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen Einstellung oder rechtskräftigem Abschluss oder (3.) während einer, wenn auch nur vorläufigen, Dienstenthebung oder (4.) während einer Außerdienststellung oder (5.) während einer gerechtfertigten Abwesenheit von mehr als drei Monaten oder (6.) während einer Dienstleistung im Ausland. Da gegen den Senatsvorsitzenden XXXX ein Kommandantenverfahren – also ein Disziplinarverfahren – eingeleitet wurde, ruht dessen Mitgliedschaft zur Disziplinarkommission. Gemäß Geschäftseinteilung Pkt. II. Z 2 vertritt bei Verhinderung des Vorsitzenden der jeweiligen Senate aus dienstlichen oder persönlichen Gründen oder bei Vorliegen von Befangenheitsgründen gem. § 7 AVG den Senatsvorsitzenden der Senate 2 und 3 der Senatsvorsitzende des Senates 4, das ist Obst XXXX . Insoweit ist der richtige Senatsvorsitzende eingeschritten.

3.3.3. Zur Festlegung der weiteren Senatsmitglieder:

Gemäß Geschäftseinteilung 2020 Pkt. III Z 2 sind die weiteren Mitglieder und die Ersatzmitglieder vom Senatsvorsitzenden vor Anberaumung des ersten gemeinsamen Beratungstermins nach Abschnitt IV festzulegen und dem Beschuldigten gem. § 72 Abs. 4 HDG 2014 gemeinsam mit dem Einleitungsbeschluss mitzuteilen. Zur Sicherstellung eines arbeitsfähigen Senats sind vom Senatsvorsitzenden allfällige Verhinderungsgründe von weiteren Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in geeigneter Weise vorweg in Erfahrung zu bringen. Es ist dem Akt nicht zu entnehmen, dass dem Senatsvorsitzenden von den gesetzlich vorgesehenen weiteren Mitgliedern und Ersatzmitgliedern allfällige Verhinderungsgründe mitgeteilt worden sind.

Zur Besetzung von Senaten hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass auch wenn die Eintrittsverfügungen für Ersatzvorsitzende und Ersatzmitglieder nicht den Vorschriften für Erledigungen von Anbringen nach § 18 AVG entsprechen müssen und auch im Verfahren zur Suspendierung nicht vorgesehen ist, dass dem Beamten die Senatsbesetzung bekanntgegeben werden muss, doch aktenintern eindeutig und nachvollziehbar zu dokumentieren ist, warum es nicht zum Einschreiten der primär bestellten Senatsmitglieder gekommen ist. Ist eine Begründung für die Verhinderung, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, eines primär bestellten Senatsmitgliedes den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen und auch nicht schlüssig nachvollziehbar, ist somit von einer nicht richtigen Zusammensetzung des eingeschrittenen Kollegialorganes auszugehen und der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde behaftet (VwGH 10.30.1975, 2223/74, VwSlg 8782 A/1975; VwGH 22.06.1995, 93/09/0445).

Einleitend ist zu klären, ob bei jeder Rechtssache – so keine Verhinderung vorliegt – grundsätzlich die beiden erstgenannten Mitglieder heranzuziehen sind (starre Festlegung der weiteren Mitglieder) oder – so keine Verhinderung vorliegt – bei der ersten im Geschäftsjahr einlaufenden Rechtssache die jeweils erstgenannten Mitglieder, bei der zweiten im Geschäftsjahr einlaufenden Rechtssache die jeweils zweitgenannten Mitglieder usw. (Festlegung der weiteren Mitglieder im Rad).

Dies erschließt sich bei einer Durchsicht der Geschäftseinteilung nicht auf den ersten Blick, zumal eine isolierte Betrachtung von Abschnitt IV Pkt. I, der keinen Bezug zu früher von der Behörde erledigten Rechtssachen herstellt, durchaus eine starre Festlegung der weiteren Mitglieder nahelegt. Aus Abschnitt IV Pkt. II lässt sich für diese Frage nichts gewinnen, da dieser sowohl bei einer starren Festlegung der weiteren Mitglieder als auch bei einer Festlegung der weiteren Mitglieder im Rad lediglich die Vertretungsregelung festlegt und sowohl in dem einen als auch in dem anderen System seine Berechtigung hat. Anders ist dies hinsichtlich Abschnitt IV Pkt. 3, der in einem System der starren Festlegung der weiteren Mitglieder keinen Sinn machen würde, da, um zu einer potentiellen Zuständigkeit des letztgereihten weiteren Mitglied bzw. des vom Zentralausschuss bestellten weiteren Mitgliedes zu kommen, alle vor diesem Mitglied genannten Mitglieder verhindert oder befangen sein müssten und es dann keinen Sinn hätte, wieder das zuvor schon als verhindert festgestellte erstgereihte Mitglied bzw. das vom Zentralausschuss bestellte erste weitere Mitglied heranzuziehen. Daher ist in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass Abschnitt IV der Geschäftseinteilung der belangten Behörde eine Festlegung der weiteren Mitglieder im Rad (im Sinne des oben ausgeführten) vorsieht. Allerdings hat der Vorsitzende des Senates die Beisitzer Vzlt. XXXX – er ist 14.gereihter – und Vzlt. XXXX – er ist 17.gereihter – beigezogen, ohne dass im Akt ersichtlich oder gar nachvollziehbar ist, dass diese an der Reihe gewesen wären. Da auf Grund der unterschiedlichen Stellung der beigezogenen Beisitzer ein Fehler in der Besetzung des Senates nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde die Behörde um entsprechende Stellungnahme ersucht. Dieser war aber keine Darlegung der Rechtmäßigkeit der Besetzung des Senates zu entnehmen. Daher ist davon auszugehen, dass der Senat rechtswidrig besetzt wurde, und hat der Vorsitzende des Senates die falschen weiteren Mitglieder des Senates beigezogen. Er hätte feststellen müssen, welche weiteren Mitglieder für die Senate 3, 5 und 7 in der vor dieser Rechtssache angefallenen Rechtssache herangezogen wurden und dann – so keine Verhinderung vorlag – die nächsten Mitglieder aus der Liste auswählen müssen. Dies wäre – zumindest über Aufforderung des Gerichtes – aktenmäßig nachzuweisen gewesen.

Aber selbst, wenn man von einer starren Festlegung der weiteren Mitglieder des Senates ausgeht, ist diese rechtswidrig erfolgt.

Da dem Akt keine Verhinderung der weiteren Mitglieder zu entnehmen ist, wäre bei einer starren Festlegung der weiteren Mitglieder davon auszugehen, dass das jeweils zu vorderst heranzuziehende Mitglied beider Listen, das für die richtige Zusammensetzung relevante Mitglied gewesen wäre; hier wären dies – mangels nachvollziehbarer Verhinderungen – Vzlt. XXXX und Vzlt. XXXX . Der einschreitende Vorsitzende des Senates 3 hat allerdings als weitere Senatsmitglieder Vzlt. XXXX und Vzlt. XXXX vom herangezogen, die als 14. bzw. 17. in der oben dargestellten Liste gereiht sind.

Somit wären auch die falschen weiteren Mitglieder herangezogen worden, wenn man von einer starren Festlegung der weiteren Mitglieder ausgeht; das Bundesverwaltungsgericht betont allerdings abermals, dass es von einer Festlegung der weiteren Mitglieder im Rad ausgeht (auch wenn das der Geschäftseinteilung nicht eindeutig zu entnehmen ist, sich jedoch konkludent aus Punkt IV. 3. ergibt).

3.3.4. Conclusio:

Aus den oben angeführten Gründen ist der Spruchkörper der Kollegialbehörde der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) hinsichtlich des gegenständlichen Beschlusses nach der Geschäftseinteilung 2020 falsch besetzt und ist der einschreitende Senat für diesen Beschluss unzuständig. Somit ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts der bekämpfte Beschluss schon aus diesem Grund zu beheben.

Es hätte bzw. hat in weiterer Folge der Senat 3 der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung unter Vorsitz des aktuellen Vertreters Obst XXXX oder – falls eine Verhinderung nachvollziehbar dargetan wird – seines Vertreters und nach einer der Geschäftseinteilung entsprechenden Festlegung der weiteren Mitglieder – so diese verhindert sind, ist diese Verhinderung aktenmäßig nachvollziehbar darzutun – zusammenzutreten (bzw. im Rahmen eines Umlaufbeschlusses tätig zu werden) und eine Entscheidung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu treffen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, da keine explizite Rechtsprechung zur Frage, ob eine rechtswidrige Besetzung einer einschreitenden Kollegialbehörde durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden kann, zu finden ist. Ebenso ist zur Auslegung der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 bzw. 2020 keine Rechtsprechung zu finden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Dienstenthebung Disziplinarkommission für Soldaten Disziplinarverfahren Geschäftseinteilung Disziplinarkommission BMLV gesetzwidrige Zusammensetzung Kollegialorgan Rechtswidrigkeit Revision zulässig Senatszusammensetzung Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2232977.1.00

Im RIS seit

28.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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