Entscheidungsdatum
10.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W136 2232602-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter MinR Mag. Christoph PROKSCH und Bgdr Mag. Norbert HUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Stögerer Preisinger Rechtsanwälte OG, gegen den Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 19.03.2020, Zl. 1025-01-DKS/19, zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der Beschluss zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen gesetzwidriger Zusammensetzung der belangten Behörde infolge Rechtswidrigkeit der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten für das Kalenderjahr 2019 gemäß 28 VwGVG Abs. 2 als rechtswidrig aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Gegen den Beschwerdeführer (BF), einen Beamten der Verwendungsgruppe MBO2, der den Dienstgrad Oberstleutnant führt, wurde am 22.11.2018 (Anschuldigungspunkt 1) und am 11.01.2019 gemäß § 61 Abs. 1 HDG 2014 idF BGBl I 2018/61, ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
2. Mit Schriftsatz vom 21.02.2019 wurde vom Disziplinarvorgesetzten des BF gemäß § 68 Abs 1 HDG 2014 bei der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) Disziplinaranzeige erstattet, wo diese am 22.02.2019 einlangte.
Die Zuweisung des eingelangten Geschäftsfalles (der Disziplinaranzeige) durch den Vorsitzenden der DKS an den Senat 2 erfolgte auf der Grundlage der „Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung für das Kalenderjahr 2019 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019", Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 20/2019 (GE 2019).
3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Beschluss der DKS vom 19.03.2020, Senat 2, wurde gegen den BF gemäß § 72 Abs 2 HDG ein Kommissionsverfahren eingeleitet.
5. Dieser Beschluss wurde rechtzeitig vom BF wegen Verjährung mit Beschwerde zur Gänze angefochten. Die DKS legte dem BVwG mit Schreiben vom 01.07.2020 die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts mit Erläuterungen im Anschreiben vor.
6. Am 14.07.2020 langte der Beschluss des VfGH vom 26.06.2020, V344/2020-15 ua ein, indem dieser aussprach, dass die GE 2019 gesetzwidrig war.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus der unbestrittenen Aktenlage.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Zuständigkeit des BVwG
Art 131 B-VG regelt die grundsätzliche Zuständigkeit des BVwG hinsichtlich der Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Das Dienstrecht und damit auch das Disziplinarrecht der Beamten ist gemäß Art 10 Abs 1 Z 16 B-VG ebenso wie das Heeresdisziplinarrecht (als militärische Angelegenheit gemäß Art 102 Abs 2 B-VG) unmittelbar von Bundesbehörden zu vollziehen.
Aufgrund der gesetzlicher Anordnung in § 75 Abs 1 HDG 2014, wonach über Beschwerden gegen einen Beschluss der Disziplinarkommission nach § 72 Abs 2 HDG 2014 das BVwG durch einen Senat zu entscheiden hat, liegt bei Beschwerden gegen einen Einleitungsbeschluss oder gegen eine Einstellung nach § 62 Abs 3 HDG 2014 in diesem Verfahrensstadium Senatszuständigkeit vor.
Der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Einleitungsbeschlusses notwendige Sachverhalt war den Akten zu entnehmen und steht fest. Die beantragte mündliche Verhandlung ist nicht notwendig, da aufgrund der Aktenlage iVm der Entscheidung des VfGH vom 26.06.2020, V344/2020-15 ua, feststeht, dass der Bescheid aufzuheben ist (vgl § 24 Abs 2 VwGVG).
Zu A)
2.2. Zur Unzuständigkeit der belangten Behörde
Gemäß § 18 Abs 2 HDG 2014 idF BGBl I 2018/61 (aufgehoben durch BGBl I Nr. 58/2019) hat der Vorsitzende der DKS in einer Geschäftseinteilung
1. die Anzahl der Senate festzulegen,
2. die Kommissionsmitglieder den einzelnen Senaten zuzuordnen sowie die Senatsvorsitzenden und deren Stellvertreter zu bestimmen,
3. die Reihenfolge zu bestimmen, in der die einem Senat zugeordneten Kommissionsmitglieder als Senatsmitglieder heranzuziehen sind,
4. den Eintritt von Ersatzmitgliedern für den Fall der Verhinderung von Senatsmitgliedern zu regeln und
5. den Geschäftsbereich der Senate zu bestimmen.
Diese Geschäftseinteilung ist jeweils bis zum Jahresende für das folgende Kalenderjahr zu erlassen. Die Geschäftseinteilung ist mit dem Hinweis, dass sie vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission erlassen wurde, öffentlich kundzumachen.
In der GE 2019 waren die Mitglieder des Senates 2 zugeordnet und dessen Geschäftsbereich bestimmt, weiters war zur Zuständigkeit geregelt, dass es auf den Zeitpunkt der Verteilung der einlangenden Geschäftsfälle an den jeweiligen Senatsvorsitzenden, durch den Vorsitzenden der DKS ankommt (vgl Punkt VBl. II Nr. 20/2019, „III. Einteilung 1. Der Vorsitzende verteilt die einlangenden Geschäftsfälle an den jeweiligen Senatsvorsitzenden.“).
Diese Zuständigkeit wurde durch die „Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2020 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020", Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 15/2020, Punkt VII, fortgeschrieben und ergibt sich daraus, dass die bis zum 31.12.2019 verfügten Zuständigkeiten der Senate, bis zum Abschluss der jeweiligen Kommissionsverfahren bestehen bleiben („Die bis zum 31. Dezember 2019 mit den Bezug habenden Geschäftsordnungen verfügten Zuständigkeiten der Senate, bleiben bis zum Abschluss der jeweiligen Kommissionsverfahren bestehen.“)
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26.06.2020, V344/2020-15 ua, ausgeführt, dass die GE 2019 von einem unzuständigen Organ (dem drittgereihten Stellvertreter und nicht dem zweitgereihten Stellvertreter) erlassen wurde und damit gesetzwidrig erlassen war (Rz 51). Der festgestellte Mangel betreffe alle Verordnungsbestimmungen (Rz 52).
Die Unzuständigkeit des verordnungserlassenden Organs und die Feststellung, dass die GE 2019 gesetzwidrig war, führt dazu, dass gemäß § 18 HDG idF idF BGBl I 2018/61 keine gültige GE 2019 bestand und damit auch zur Unzuständigkeit des den Einleitungsbeschluss erlassenden Senates 2, der durch die als gesetzwidrig erkannte Verordnung eingerichtet wurde.
Gemäß § 27 1. Fall des VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Nach der zu § 27 VwGVG ergangenen Rechtsprechung des VwGH, sind die Verwaltungsgerichte in jenen Fällen, in denen die Verwaltungsbehörde, deren Entscheidung bekämpft wird, unzuständig war, allein dafür zuständig, diese Unzuständigkeit - unabhängig davon, ob der BF dies im Verfahren vorgebracht - aufzugreifen und den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. VwGH 29.01.2020, Ra 2018/08/0234; 27.01.2020, Ra 2019/02/0203; 27.03.2018, Ra 2017/06/0247; 25.05.2016, Ra 2015/06/0095, 27.10.2014, Ra 2014/02/0053).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Rechtsprechung wird verwiesen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Disziplinaranzeige Disziplinarverfahren Einleitungsbeschluss Geschäftseinteilung Disziplinarkommission BMLV gesetzwidrige Zusammensetzung Kommissionsverfahren Rechtswidrigkeit Unzuständigkeit VfGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2232602.1.00Im RIS seit
28.12.2020Zuletzt aktualisiert am
28.12.2020