TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/10 W122 2117349-1

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Entscheidungsdatum

10.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG §175 Abs79 Z2
GehG §175 Abs79 Z3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W122 2117349-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von Gruppeninspektor XXXX gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 12.08.2015, GZ: XXXX , betreffend Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages und besoldungsrechtliche Stellung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 01.07.1993 wurde der 17.07.1990 als Vorrückungsstichtag festgestellt.

2. Mit Formularantrag vom 22.11.2012 ersuchte der Beschwerdeführer um Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages und seiner daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung sowie allfällige Nachzahlung von Bezügen aus diesem Anlass. Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass seine vor dem 18. Geburtstag liegenden Zeiten bei der ursprünglichen Festsetzung seines Vorrückungsstichtages nicht berücksichtigt worden seien und sich gemäß der nunmehr durchzuführenden Anrechnung dieser Zeiten unter Maßgabe des Erkenntnisses des VwGH, Zl. 2012/12/0007-5 vom 04.09.2012 eine besoldungsrechtliche Verbesserung zu ergeben habe.

3. Mit Bescheid vom 12.08.2015, GZ: XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages vom 22.11.2012 gemäß § 175 Abs. 79 Z 2 und Z 3 GehG in der Fassung des BGBl. I Nr. 32/2015 zurückgewiesen. In der Begründung zu diesem Bescheid wurde angemerkt, dass entsprechend § 175 Abs. 79 Z 2 und Z 3 GehG die §§ 7a, 113 und 113a sowie 8, 10 Abs. 2 und 12 GehG samt Überschriften mit dem der Kundmachung folgenden Tag entfallen würden. Dies sei der 12.02.2015 gewesen. Somit seien diese Bestimmungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.

4. In seiner Beschwerde vom 30.09.2015 gegen den Bescheid vom 12.08.2015, GZ: XXXX , führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm durch die Zurückweisung seines Antrages ohne jedwede sachliche Prüfung das Recht verwehrt werde, die Beseitigung einer höchstgerichtlich festgestellten Diskriminierung wegen des Alters bei der Festsetzung seines Entgelts zu bekämpfen. Dass dem Beschwerdeführer, jedenfalls für den Zeitraum der Wirksamkeit der abermals diskriminierenden Neuregelung (August 2010 bis Februar 2015), die benachteiligenden Auswirkungen bei der Festsetzung seines Entgeltes nicht behoben würden, sei durch die im Bescheid angeführten Bestimmungen des GehG nicht geboten bzw. im Sinne des Gesetzgebers. Diesbezüglich führte der Beschwerdeführer einschlägige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (im Folgenden als EuGH bezeichnet) sowie des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden als VwGH bezeichnet) an. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie auf Zuerkennung des Rechts auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages bzw. seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Sinne der geltenden Rechtslage und Judikatur.

5. Am 28.10.2015 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden als BVwG bezeichnet) die gegenständliche Beschwerde samt den Bezugsakten vor. Diese langten am 18.11.2015 beim BVwG ein.

9. Mit Beschluss des BVwG vom 02.08.2017 wurde das Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des EuGH über das ihm mit Beschluss des BVwG vom 30.06.2017, W128 2148285-1/2Z, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

10. Nach Aufforderung vom 02.03.2020 übermittelte die belangte Behörde dem BVwG die einschlägigen Berechnungsunterlagen und teilte schriftlich das Berechnungsergebnis mit.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er beantragte die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages durch Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten/ Feststellung der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung/allfällige Nachzahlung von Bezügen.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dieser Antrag gemäß § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 des Gehaltsgesetzes 1956 idF BGBl. I Nr. 32/2015 (GehG), mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass der Gesetzgeber mit der Bundesbesoldungsreform 2015, BGBl. I Nr. 32/2015, alle bisherigen Bestimmungen betreffend den Vorrückungsstichtag aufgehoben und in der Übergangsbestimmung des § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 GehG normiert habe, dass auch die bisherigen einschlägigen Bestimmungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden seien und somit die Rechtsgrundlage für den gegenständlichen Antrag weggefallen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit mit der wesentlichen Begründung, dass die Zurückweisung seines Antrages sein Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Gericht sowie einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot darstelle.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem BVwG vor.

Mit Erkenntnis vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0025, hat der VwGH über die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen entschieden.

Mit Urteil vom 08.05.2019 hat der EuGH (Leitner und ÖGB, GÖD) entschieden, dass ein finanzieller Ausgleich für diskriminierend vor Vollendung des 18. Lebensjahres nicht angerechnete Zeiten zu gewähren ist und eine Bevorzugung von Zeiten bei einer Gebietskörperschaft hinsichtlich der Einschlägigkeit und Deckelung gegen die Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstößt.

2.       Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Sachverhalt steht auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

(2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (im Folgenden als EGMR bezeichnet) zu Art. 6 EMRK kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 08.02.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).

Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und auch unstrittig ist, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu A)

Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall vom Fehlen einer Antragslegitimation des Beschwerdeführers aus, weil mit der Gesetzesnovelle BGBI. I Nr. 32/2015 die Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag (§ 175 Abs. 79 Z 2 und 3 GehG) gänzlich entfallen seien und die entfallenen Bestimmungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr angewendet werden dürften, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen gewesen sei. Erkennbar wird mit der Frage nach dem Bestehen eines "subjektiven Rechts auf individuelle Neuberechnung des Besoldungsdienstalters für nach § 169c GehG pauschal übergeleitete Beamte" das Problem aufgeworfen, inwieweit Zeiten, welche bei der faktischen Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach Altrecht zu Unrecht nicht berücksichtigt wurden, auch nach Inkrafttreten der Bundesbesoldungsreform 2015 Berücksichtigung finden können.

Der VwGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass, wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung ist (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040, sowie 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084, alle mwN).

Eine inhaltliche Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag war dem BVwG somit verwehrt. Auch eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG kam nicht in Betracht (s. dazu VwGH 16.12.2009, 2008/12/0219).

Es ist demnach zu prüfen, ob die belangte Behörde des Beschwerdeführers zu Recht eine Sachentscheidung verweigert hat.

Zur Entwicklung der Rechtslage betreffend die Regelungen der besoldungsrechtlichen Stellung nach dem GehG und zur Auslegung der durch die Bundesgesetze BGBl. I Nr. 32/2015 und BGBl. I. Nr. 65/2015 bewirkten Rechtslage wird auf die folgend skizzierten Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0025, verwiesen.

Wie der VwGH in diesem Erkenntnis dargelegt hat, könne eine individuelle Berücksichtigung von Zeiten bei Bestandsbeamten, auf welche § 169d Abs. 5 GehG nicht Anwendung findet, jedenfalls nicht im Wege einer individuellen Neuberechnung ihres Besoldungsdienstalters unter Anwendung der für neu ernannte Beamte geltenden Bestimmungen der §§ 8 und 12 GehG idF BGBl. I Nr. 32/2015 und BGBl. I Nr. 65/2015 erfolgen. Ebensowenig könne - wie der VwGH in diesem Erkenntnis ausgeführt hat - bei der Bemessung der nach Neurecht zustehenden Gehälter für Altbeamte die Richtigkeit der Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach Altrecht als Vorfrage der Gehaltsbemessung nach Neurecht geprüft werden.

Zulässig und zur Geltendmachung der vom Beschwerdeführer beantragten Zeiten seien weiterhin verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Verfahren, welche der Überprüfung der Gestion der Verwaltung bei der Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach dem Altrecht dienen. Dies sei bei einem nach § 113 Abs. 10 GehG gestützten Antragsverfahren der Fall, hänge die konkrete Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden nach Altrecht gebührenden Gehaltes doch von der besoldungsrechtlichen Stellung ab, die der Beamte am 1. Jänner 2004 im Altrecht erlangt hatte. Führt die Dienstbehörde auf Grund einer hier beantragten Feststellung sodann eine Neubemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes durch (wozu sie gegebenenfalls verpflichtet sei, was in der Folge auch mit einem Antrag auf Feststellung der Höhe des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach Altrecht erzwungen werden könnte) bewirke (erst) dieser Umstand, dass das dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegende Gehalt sodann anders (neu) bemessen "wurde". Dieser Umstand habe sodann zu einer rückwirkenden Neufestsetzung der im Neusystem ab dem Zeitpunkt der Überleitung gebührenden Gehälter zu führen.

Aus dieser Rechtsprechung folgt auch für das vorliegende Verfahren, dass die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht auf § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 zweiter Halbsatz GehG gestützt werden konnte. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, über den Antrag inhaltlich zu entscheiden, weshalb der Bescheid ersatzlos aufzuheben ist (vgl. hiezu auch VwGH 09.09.2016, Ro 2016/12/0002).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über den Antrag zu entscheiden und zu berücksichtigen haben, dass ein dem Unionsrecht genügender, diskriminierungsfreier Rechtszustand hergestellt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Lösung der Rechtsfrage, ob im Beschwerdefall die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2015 getroffenen Neuregelungen, insbesondere angesichts der Übergangsbestimmungen des § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 dieses Bundesgesetzes zum Tragen kommen oder das sog. Altrecht anzuwenden ist, mittlerweile durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0025, geklärt wurde.

Die gegenständliche Entscheidung weicht auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Der Wortlaut der angewendeten Bestimmungen ist eindeutig.

Schlagworte

Altersdiskriminierung Beamter besoldungsrechtliche Stellung ersatzlose Behebung EuGH Unionsrecht Vorrückungsstichtag - Neufestsetzung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W122.2117349.1.00

Im RIS seit

28.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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