Entscheidungsdatum
21.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W122 2230351-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch BRÜNDL & FRANZELIN Partnerschaft Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Militärkommandos Salzburg, vom 13.02.2020, XXXX , idF der Beschwerdevorentscheidung vom 19.03.2020, GZ: P1390315/7-MilKdo S/Kdo/ErgAbt/2020 (1) zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Antrag vom 11.11.2019 ersuchte der Beschwerdeführer um gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes.
2. Mit dem gegenständlichen Bescheid vom 13.02.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11.11.2019 auf gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass im Falle des Beschwerdeführers zwar wirtschaftliche Interessen vorliegen würden, dies da der Beschwerdeführer an der ordnungsgemäßen Führung seines Unternehmens, bei welchem es sich um ein Gewerbe der Elektrotechnik gemäß § 94 Z 16 GewO handele, ein wirtschaftliches Eigeninteresse habe, jedoch würden diese nicht die gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Präsenzdienstes rechtfertigen. Mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (im Folgenden als VwGH bezeichnet) würden finanzielle Verpflichtungen nur dann als besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 Wehrgesetz 2001 (im Folgenden als WG 2001 bezeichnet) Beachtung finden, wenn dem Wehrpflichtigen zum Zeitpunkt des Eingehens dieser Verpflichtungen nicht bekannt gewesen sei, dass er mit einer Einberufung zur Leistung des Präsenzdienstes zu rechnen gehabt habe. Es sei Sache des Wehrpflichtigen seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass vorhersehbare Schwierigkeiten für den Fall der Einberufung zur Leistung des Präsenzdienstes vermieden werden. Der Beschwerdeführer habe jedoch dessen ungeachtet am 22.05.2015 ein Unternehmen angemeldet. Der Beschwerdeführer sei zu diesem Zeitpunkt bereits 7 Jahre wehrpflichtig gewesen. Er habe sich somit, für den Fall der Feststellung seiner Tauglichkeit, seiner Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes bewusst sein müssen. Zudem sei der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seines ersten Stellungstermines am 18.04.2017 in einem 40-stündigen Beschäftigungsausmaß bei der XXXX gestanden.
Abschließend führte die belangte Behörde aus, dass die gesetzliche Zuständigkeit für Befreiungsverfahren beim örtlich zuständigen Militärkommando liege. Das jeweils örtlich zuständige Militärkommando entscheide sodann über schriftliche Anträge von Wehrpflichtigen auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes gemäß § 26 Abs. 1 Z2 WG 2001. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer weder das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle geltend gemacht habe, noch derlei Interessen dem relevanten Sachverhalt darüber hinaus hätten entnommen werden können.
3. Mit rechtzeitig eingebrachter Beschwerde vom 05.03.2020 ersuchte der Beschwerdeführer, dass das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden als BVwG bezeichnet) den angefochtenen Bescheid aufheben möge und in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändernd möge, als dem Antrag des Beschwerdeführers auf gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes stattgegeben werde.
Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er ab Vollendung seines 17. Lebensjahres im Jahr 2007 keine Ladung zur Feststellung seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Wehrdienst erhalten habe. Die Mutter des Beschwerdeführers habe sich im Jahr 2008 mit dem Militärkommando Salzburg in Verbindung gesetzt und nachgefragt, ob ihr Sohn, respektive der Beschwerdeführer, als Doppelstaatsbürger zum Grundwehrdienst einberufen werde. Diese Anfrage sei vom Militärkommando Salzburg in mündlicher Form negativ beschieden worden. Demzufolge habe der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2008 nicht mehr damit gerechnet zum Grundwehrdienst eingezogen zu werden. Dem Beschwerdeführer drohe nun durch die Ableistung des Grundwehrdienstes die Existenzgefährdung bzw. der Verlust der Existenz in Form einer Insolvenz. Dies da er im Laufe der 6 Monate des Grundwehrdienstes seinen Kundenstamm verlieren würde sowie zudem einen Einkommensverlust erleiden würde. Dies führe in Folge auch dazu, dass der Beschwerdeführer seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem minderjährigen Sohn nicht nachkommen können werde. Auch das Einkommen seiner Lebensgefährtin reiche nicht aus, um den täglichen Bedarf der Familie des Beschwerdeführers finanziell abzudecken.
Die belangte Behörde habe anlässlich der Erhebung des Sachverhaltes eine von der Wirtschaftskammer Salzburg abgegebene Stellungnahme vom 26.11.2019 unberücksichtigt gelassen. Des Weiteren würden beim Beschwerdeführer wirtschaftliche Interesse vorliegen, welche die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechtfertigen würden. Der Beschwerdeführer sei wie bereits ausgeführt selbständiger Einzelunternehmer. Er habe für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit keine voraussehbaren Schwierigkeiten geschaffen. Da der Beschwerdeführer nicht mehr mit der Einberufung zum Grundwehrdienstes gerechnet habe, ergebe sich auch kein Verschulden bzw. Mitwirken des Beschwerdeführers an dem Umstand, dass der Beschwerdeführer bis zum Jahr 2017 nicht in den Unterlagen des Militärkommandos Salzburg aufgeschienen sei. Die Gründe des Unterbleibens der Erfassung seiner Person habe einzig die belangte Behörde zu vertreten und liege demnach nicht in seiner Sphäre. Dieser Umstand könne nun nicht als Verstoß gegen die Harmonisierungspflicht des Beschwerdeführers gewertet werden. Die entsprechenden Ausführungen der belangten Behörde kämen einem Berufsverbot gleich. Außerdem verwies der Beschwerdeführer darauf, dass er bereits zum Zeitpunkt des Erhaltes des Stellungsbescheides im Jahr 2017 sein Einzelunternehmen gegründet habe.
Es würden des Weiteren auch besonders rücksichtswürdige familiäre Interesse im Falle des Beschwerdeführers vorliegen, dies da der gemeinsame Sohn des Beschwerdeführers aufgrund der fixen Arbeitszeiten seiner Lebensgefährtin bislang immer von ihm in die Krabbelstunde gebracht worden sei. Dies sei im Falle der Einberufung nicht mehr möglich. Auch reiche das Einkommen der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers nicht aus, um den Lebensunterhalt der Familie und entsprechende Kreditraten zu decken. Es drohe somit der Verlust der Existenzgrundlage.
4. Die belangte Behörde wies mittels Beschwerdevorentscheidung vom 19.03.2020 die gegenständliche Beschwerde ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid.
Die belangte Behörde führte darin im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeeinwand bezüglich der unvollständigen Sachverhaltsermittlung sowie jener hinsichtlich der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zurückgewiesen werden müssten. Die erstinstanzliche Entscheidung basiere auf einem in sich geschlossenen Sachverhalt sowie der ständigen Judikatur des VwGH. Gemäß § 18 Abs. 1 WG 2001 hätten sich im Jahr 2008 alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes des Geburtsjahrganges 1990 sowie alle älteren wehrpflichtigen Jahrgänge, die bis zu diesem Zeitpunkt der Stellungspflicht noch nicht nachgekommen seien, entsprechend den damals in der Marktgemeinde XXXX ausgehängten Stellungskundmachung der Stellung zu unterziehen gehabt. Eine gesonderte Ladung zur Feststellung der geistigen und körperlichen Eignung sei nicht zwingend vorgeschrieben gewesen. Es wurde diesbezüglich abermals auf die Stellungspflicht männlicher österreichischer Staatsbürger bis zur Beendigung des 50. Lebensjahres hingewiesen. Den Beschwerdeführer habe diesbezüglich folglich die Pflicht getroffen sein Begehren in Form eines schriftlichen Antrages oder im Zuge eines persönlichen Gespräches im Rahmen des Parteienverkehrs bei der Behörde anzubringen.
Ferner bestritt die belangte Behörde mangels entsprechender Aufzeichnungen das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach dessen Mutter im Jahr 2008 bei der Behörde angefragt hätte, ob der Beschwerdeführer als Doppelstaatsbürger zum Grundwehrdienst einberufen werden würde. Dass erst 2017 eine Meldung über den Wohnsitz des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde eingelangt sei, sei jedenfalls nicht in der Verantwortung derselben. Es sei nicht bekannt, ob dieser Umstand an einer unrichtigen oder unvollständigen Meldung (Staatsbürgerschaft) oder an einem Übermittlungsfehler gelegen sei.
Die belangte Behörde betonte außerdem, dass der verspätete Ladungstermin zur Stellung, welcher zudem nicht von der belangten Behörde zu vertreten gewesen sei, keine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechtfertige. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer geltend gemachten familiären Interessen führte die belangte Behörde aus, dass derlei Interessen nur dann als besonders rücksichtswürdig gewertet werden könnten, wenn durch die Nichtunterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstige lebenswichtige Interessen des Angehörigen zu befürchten seien. Eine Pflegebedürftigkeit durch den Beschwerdeführer selbst, sei nicht ausdrücklich geltend gemacht worden und könne auch nicht dem vorliegenden Sachverhalt entnommen werden. Bezüglich des Einwandes des Beschwerdeführers, dass das Einkommen der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als Volksschullehrerin nicht ausreiche, um den Lebensunterhalt der Familie sowie entsprechende Kreditraten zu decken, verwies die belangte Behörde abschließend auf den Anspruch auf Wohnkostenbeihilfe und Familienunterhalt, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen.
5. Am 02.04.2020 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mittels Vorlageantrag einerseits den Antrag seine Beschwerde dem BVwG zur Entscheidung vorzulegen sowie andererseits den Antrag der gegenständlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Einberufung des Beschwerdeführers wäre für diesen mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden und gefährde dessen wirtschaftliche Existenz.
6. Am 15.04.2020 legte die belangte Behörde dem BVwG die gegenständliche Beschwerde, die Beschwerdevorentscheidung sowie den Vorlageantrag samt den weiteren Bezugsakten vor. Diese langten am 16.04.2020 beim BVwG ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, welcher am 15.07.1990 geboren wurde, wurde am 21.10.2019 für tauglich befunden. Der Beschwerdeführer ist seit Geburt Doppelstaatsbürger (Österreich/Schweiz). Der Beschwerdeführer ist seit 11.09.1996 hauptwohnsitzlich in XXXX gemeldet.
Das Militärkommando Salzburg erließ im Jahr 2008 keinen Bescheid, wonach die Pflicht zur Leistung des Präsenzdienstes des Beschwerdeführers verneint bzw. der Beschwerdeführer dieser Pflicht enthoben wurde.
Beim Militärkommando Salzburg langte am 16.03.2017 eine automatisierte Meldung des Zentralen Melderegisters ein, woraus erstmals ersichtlich war, dass der Beschwerdeführer österreichischer Staatsbürger ist. Der Beschwerdeführer wurde sowohl am 24.03.2017 als auch am 25.04.2017 schriftlich zur Feststellung seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Wehrdienst zur Stellungskommission Kärnten geladen. Am 24.07.2019 wurde der Beschwerdeführer abermals schriftlich zu solch einer Feststellung geladen. Der Beschwerdeführer wurde im Zuge seiner Stellung am 21.09.2017 zunächst für vorübergehend dienstuntauglich bis Oktober 2019 befunden.
Der Beschwerdeführer ist seit Juni 2015 handels- und gewerberechtlicher Geschäftsführer eines Einzelunternehmens mit Standort in XXXX . Der Beschwerdeführer war von September 2010 bis September 2018 in einem 40-wochenstündigen (Vollzeit-) Beschäftigungsverhältnis sowie von XXXX bis XXXX in einem 20-wochenstündigen (Teilzeit-) Beschäftigungsverhältnis bei der XXXX unselbständig erwerbstätig.
Der Beschwerdeführer lebt in einer Lebensgemeinschaft und hat mit seiner Lebensgefährtin, welche den Beruf als Volksschullehrerin ausübt, einen gemeinsamen Sohn, welcher am 22.05.2017 geboren wurde. Der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin führen bei der XXXX Kreditkonten mit Kreditraten in Summe von € 1.000,-- pro Monat mit einer Laufzeit bis September 2049.
Im Zeitpunkt des Eingehens wirtschaftlicher Verpflichtungen als Einzelunternehmer, arbeitsrechtlicher Verpflichtungen als Dienstnehmer sowie sonstiger privater finanzieller und familiärer (insbesondere Unterhalts-) Verpflichtungen war dem Beschwerdeführer seine Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes bekannt.
Durch die Pflicht zur Ableistung des Wehrdienstes des Beschwerdeführers ist keine Gefährdung der Gesundheit seiner Lebensgefährtin und seines Sohnes sowie auch kein maßgeblicher Entzug der Existenzgrundlage der betroffenen Personen zu befürchten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus dem Bescheid der belangten Behörde und den diesbezüglich teilweise unbestrittenen Erläuterungen des Beschwerdeführers sowie den von diesem ins Verfahren eingebrachten Dokumenten.
Dass die belangte Behörde im Jahr 2008 keinen Bescheid hinsichtlich der Pflicht zur Leistung des Präsenzdienstes des Beschwerdeführers erlassen hat, ergibt sich insbesondere aus den glaubhaften schriftlichen Ausführungen der belangten Behörde im Zuge der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung, wonach diese über keine entsprechenden Aufzeichnungen bzw. Niederschriften, respektive Amtsvermerke, verfüge. Gegenläufige Behauptungen konnten, gemessen an der umfangreichen Aktenlage, nicht untermauert werden. Es erscheint dem BVwG gemäß den einschlägigen, plausiblen Ausführungen realistisch und lebensnah, dass es sich hierbei allfällig um eine telefonische Auskunft ohne rechtsverbindlichen Charakter gehandelt hat. Darüber hinaus ist selbst für den Fall einer tatsächlichen Anfrage, gemäß den diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers darauf hinzuweisen, dass lediglich eine Auskunft, dass der Beschwerdeführer, unter Eingabe seiner Sozialversicherungsnummer, nicht im System aufgeschienen und aus diesem Grund nicht zur Stellung geladen worden bzw. zum Wehrdienst eingezogen worden sei, erfolgt sei. Die Erlassung eines Bescheides, durch welchen dem Beschwerdeführer eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes gewährt worden wäre, ist folglich nicht erkennbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
(2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines allfälligen Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (im Folgenden als EGMR bezeichnet) zu Art. 6 EMRK kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 08.02.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).
Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und auch unstrittig ist, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu A)
Die einschlägige gesetzliche Grundlage lautet wie folgt:
Dauer der Wehrpflicht
§ 10.
(1) Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind wehrpflichtig. Für Offiziere, Unteroffiziere sowie Spezialkräfte für eine in der Einsatzorganisation in Betracht kommende Funktion, insbesondere auf den Gebieten der Technik, des Sanitätswesens, des Seelsorgedienstes und der Fremdsprachen, endet die Wehrpflicht mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden.
(2) Abweichend von Abs. 1 endet die Wehrpflicht für Personen, die dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören, mit dem Ausscheiden aus dem Dienststand oder der Beendigung des Dienstverhältnisses, sofern dieses Ausscheiden oder diese Beendigung jeweils zu einem späteren Zeitpunkt als zu den Zeitpunkten nach Abs. 1 erfolgt.
(3) Für Personen nach Abs. 1 und 2 kann der Bundesminister für Landesverteidigung das Ende der Wehrpflicht aus wichtigen militärischen Interessen und mit Zustimmung des Betroffenen durch Bescheid aufschieben. Ein solcher Aufschub darf jeweils für ein Jahr und insgesamt höchstens für fünf hinterei-nander folgende Jahre ausgesprochen werden.
Befreiung und Aufschub
§ 26.
(1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien
1.
von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und
2.
auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung zu verfügen.
(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus
1.
hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und
2.
während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.
Bescheide nach Abs. 1 Z 1 sind, sofern es sich um eine Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit handelt, dem Auftraggeber für diese berufliche Tätigkeit, insbesondere dem Arbeitgeber des Wehrpflichtigen, zur Kenntnis zu bringen.
(3) Tauglichen Wehrpflichtigen ist, sofern militärische Interessen nicht entgegenstehen, der Antritt des Grundwehrdienstes aufzuschieben, wenn
1.
sie nicht zu einem innerhalb eines Jahres nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zum Grundwehrdienst gelegenen Termin zu diesem Präsenzdienst einberufen wurden und sie durch eine Unterbrechung einer bereits begonnenen Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung einen bedeutenden Nachteil erleiden würden oder
2.
sie vor der rechtswirksam verfügten Einberufung zum Grundwehrdienst eine weiterführende Ausbildung begonnen haben und eine Unterbrechung dieser Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.
Ein Aufschub ist auf Antrag der Wehrpflichtigen zu verfügen. Der Aufschub darf bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung gewährt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden.
(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam.
Nach ständiger Judikatur des VwGH ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Belange so zu gestalten, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung eines Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Wenn der Wehrpflichtige es unterlässt seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 26 Abs. 1. Z. 2 WG 2001 angesehen werden. Die Auffassung, wirtschaftliche Interessen des Wehrpflichtigen seien immer dann besonders rücksichtswürdig, wenn durch die Leistung des Präsenzdienstes die wirtschaftlichen Interessen so schwer getroffen würden, dass mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz gerechnet werden müsse, ist nicht zielführend, weil dabei außer Acht gelassen wird, dass der Wehrpflichtige derart durch entsprechende Dispositionen die Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht vereiteln könnte. Die wirtschaftlichen Interessen können somit auch dann nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des WG 2001 anerkannt werden, wenn auf Grund der Verletzung der Verpflichtung, die Dispositionen in wirtschaftlicher Hinsicht so zu treffen, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden werden, durch die Leistung des Präsenzdienstes eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz eintreten könnte. In einem solchen Fall hätte der Wehrpflichtige die Gefährdung seiner Existenz nämlich selbst herbeigeführt (VwGH, 18.11.2008, GZ. 2008/11/0096 mwN).
Der Wehrpflichtige ist gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinn der Bestimmungen des Wehrgesetzes angesehen werden (Hinweis E 29. September 2005, 2003/11/0026).
Die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen ist dann anzunehmen, wenn durch die fehlende Unterstützung der Angehörigen (hier: des Sohnes und der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers) eine Gefährdung ihrer Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen, wie z.B. der Verlust der Existenzgrundlage, zu befürchten ist. Zur Unterstützung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen. Jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, haben überdies ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten (Hinweis E 23. 1. 2001, 2000/11/0206; E 26. 2. 2002, 2000/11/0269; E 4. 6. 1991, 90/11/0231; E 1. 12. 1992, 92/11/0113; E 10. 11. 1998, 97/11/0377; VwGH 13.12.2005, 2005/11/0167).
Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen iSd § 36a Abs 1 Z 2 Wehrgesetzes 1990 (alte Fassung) liegen nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. VwGH, 24.05.2005, GZ. 2004/11/0022, mwN).
Die Harmonisierungspflicht schließt mit ein, rechtzeitig für eine erforderliche Vertretung des Wehrpflichtigen durch Dritte vorzusorgen (VwGH, 29.09.2005 GZ. 2003/11/0026).
Die Obliegenheit zur Harmonisierung der (beruflichen) Dispositionen mit der Wehrpflicht beinhaltet auch, rechtzeitig und vorausschauend - somit durch geeignete wirtschaftliche Dispositionen - für die Möglichkeit einer Vertretung des Wehrpflichtigen während der Dauer des Grundwehrdienstes zu sorgen (VwGH, 23.09.2014, GZ. Ro 2014/11/0081 mwN).
Jedenfalls dann, wenn es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Wehrdienstpflichtige vor seiner Stellung vernünftigerweise hätte annehmen können, dass es ihm an der Tauglichkeit fehle, ist keinesfalls davon auszugehen, dass die Obliegenheit zur Harmonisierung etwa erst mit der Feststellung der Tauglichkeit besteht (Hinweis E vom 23.09.2014, Ro 2014/11/0081) (VwGH vom 10.06.2015, GZ 2013/11/0166).
Die Verpflichtung, die Dispositionen in wirtschaftlicher Hinsicht so zu treffen, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch das Eingehen von Verpflichtungen derartige Schwierigkeiten erst geschaffen werden, besteht nicht erst ab Zustellung des Einberufungsbefehls, wenn also der Termin, ab wann der Betreffende den Grundwehrdienst zu leisten hat, bekannt ist, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem von ihm verlangt werden kann, dass er nunmehr Handlungen unterlässt, die die Erfüllung der mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Wehrpflicht vereiteln oder gefährden können (Hinweis E 22. Jänner 1991, 90/11/0068; E 18. Mai 1993, 93/11/0074). (Hier: Dieser Zeitpunkt ist mit der Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft anzusetzen.) (VwGH vom 18.11.2008, GZ 2008/11/0096).
Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers verneint hat. Der Beschwerdeführer ging sowohl seine wirtschaftlichen Verpflichtungen als Einzelunternehmer, seine arbeitsrechtlichen Verpflichtungen als Dienstnehmer sowie seine privaten finanziellen Verpflichtungen hinsichtlich der Aufnahme von 2 Krediten, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, ein, obwohl ihm bewusst sein musste, dass er gemäß § 10 WG 2001 wehrpflichtig war und seiner Pflicht zur Leistung des Präsenzdienstes bislang noch nicht nachgekommen war. Der Beschwerdeführer erhielt keine bescheidmäßige Befreiung von seiner Wehrpflicht und beantragte eine solche, jedenfalls bei der zuständigen Behörde, auch nicht. Der Beschwerdeführer hatte somit zu den Zeitpunkten seiner einschlägigen wirtschaftlichen Dispositionen mit einer Einberufung zur Leistung des Präsenzdienstes, unter der Voraussetzung der Feststellung seiner Tauglichkeit, zu rechnen. Er durfte, mangels entsprechend gegenläufiger rechtsverbindlicher Entscheidung, nicht vom Gegenteil ausgehen. Gemäß der oben ausgeführten Harmonisierungspflicht liegt es im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers seine wirtschaftlichen Angelegenheiten derart einzurichten, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Präsenzdienstes allfällige absehbare Schwierigkeiten vermieden werden können. Dass der Beschwerdeführer erst Ende 2019 für tauglich befunden wurde, entband ihn, in Übereinstimmung mit der einschlägigen Judikatur des VwGH, zu den relevanten Dispositions-Zeitpunkten nicht von der ihn treffenden Harmonisierungspflicht.
Soweit der Beschwerdeführer familiäre Interessen ins Treffen führt, ist mit Hinblick auf die bereits dargelegte Harmonisierungspflicht festzuhalten, dass der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen Vorkehrungen zu treffen haben, um die Erfüllung der Wehrpflicht durch den Beschwerdeführer zu ermöglichen. Dies betrifft gleichermaßen Obsorge- als auch finanzielle Verpflichtungen. Hierbei ist insbesondere auf allfällige Vertretungen und Stundungen von Kreditraten hinzuweisen, welche gegebenenfalls in Betracht zu ziehen sind bzw. waren. Darüber hinaus ist auf die gesetzlichen Ansprüche bezüglich Familien- bzw. Partnerunterhalt und Wohnkostenbeihilfe für die Zeit des Grundwehrdienstes zu verweisen. Demnach sind die angeführten familiären Interessen des Beschwerdeführers nicht geeignet bzw. von ausreichendem Gewicht der Pflicht des Beschwerdeführers zur Leistung des Präsenzdienstes entgegen zu stehen.
Es liegen daher weder besonders rücksichtwürdige wirtschaftliche noch familiäre Interessen vor, die ein Befreiung i.S.d. § 26 WG 2001 rechtfertigen würden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 2 WG 2001 als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wie oben unter eingehender Auseinandersetzung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs dargestellt wurde, ist die hier zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eindeutig gelöst.
Schlagworte
Befreiung Grundwehrdienst Befreiungsantrag besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen Doppelstaatsbürger Einberufungsbefehl Einzelunternehmer Grundwehrdienst Harmonisierungspflicht Obsorge Tauglichkeit unternehmerische Tätigkeit Wehrdienst WehrpflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W122.2230351.1.00Im RIS seit
28.12.2020Zuletzt aktualisiert am
28.12.2020