TE Bvwg Beschluss 2020/10/7 W203 2229935-1

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Veröffentlicht am 07.10.2020
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Entscheidungsdatum

07.10.2020

Norm

AVG §8
B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §8
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W203 2229935-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark vom 12.02.2020, GZ. 662331/3-2020:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 8 SchPflG i.V.m. § 8 AVG und § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Am 28.01.2020 beantragte die Schulleiterin der XXXX (im Folgenden: gegenständliche Schule) die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs für eine näher genannte Schülerin.

2. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) vom 12.02.2020, GZ. 620331/3-2020 (im Folgenden: angefochtener Bescheid) wurde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Der Bescheid wurde der Schulleiterin der gegenständlichen Schule sowie der erziehungsberechtigten Mutter der Schülerin, auf die sich der Antrag bezog, zugestellt.

3. Am 09.03.2020 erhob die XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) als bevollmächtigte Vertreterin des XXXX Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde.

4. Einlangend am 26.03.2020 wurde die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I 2013/10, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

2. Zu Spruchpunkt A) (Zurückweisung der Beschwerde):

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 erster Satz Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG), BGBl. Nr. 76/1985, i.d.g.F., hat auf Antrag oder von Amts wegen die Bildungsdirektion mit Bescheid den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind festzustellen, sofern dieses infolge einer Behinderung dem Unterricht in der Volksschule, Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag.

Gemäß § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, i.d.g.F., sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

2.2. Beschwerde an das Verwaltungsgericht können gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur Personen erheben, die in ihren Rechten verletzt zu sein behaupten. Dies kann nur auf jene Personen zutreffen, die bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung hatten oder haben hätten müssen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage, Anm. 4 zu § 18 VwGVG [S. 146]).

Es ist demnach zu prüfen, ob den Beschwerdeführern – hier dem XXXX als Kirchenleitung bzw. der Beschwerdeführerin als Schulerhalterin – Parteistellung zukommt.

Gemäß § 8 AVG ist Partei, wer an einer Verwaltungssache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt ist. Ob einer (juristischen oder natürlichen) Person ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse zusteht, ist jeweils aus der Rechtsordnung zu entnehmen, also aus den in der jeweiligen Verwaltungssache anzuwendenden Rechtsvorschriften (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, Rz 118 mit Verweis auf VwGH 17.12.2012, 2011/04/0023).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH lässt sich unmittelbar aus der Verfassung eine im Gesetz nicht vorgesehene Parteistellung nicht ableiten (siehe VwSlg 14079 A/1994). Es bleibt daher zu prüfen, ob sich eine Parteistellung der Beschwerdeführerin aus der hier einschlägigen Bestimmung des § 8 SchPflG ableiten lässt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die einschlägige Bestimmung in ihrer bis zum 31.08.2018 geltenden Fassung ein Antragsrecht auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch die zuständige Schulbehörde lediglich den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des betreffenden Kindes einerseits bzw. dem Schulleiter andererseits einräumte. Es ist daher davon auszugehen, dass – zumindest nach der bis zum 31.08.2018 geltenden Rechtslage – jedenfalls den antragsberechtigten Eltern bzw. sonstigen Erziehungsberechtigten sowie allenfalls dem ebenfalls antragsberechtigten Schulleiter vermöge eines rechtlichen Interesses Parteistellung im Verfahren auf Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs zukommt. Zwar wurde die einschlägige Bestimmung des § 8 SchPflG mit Wirksamkeit 01.09.2018 dahingehend geändert, dass der sonderpädagogische Förderbedarf hinkünftig „auf Antrag oder von Amtswegen“ festzustellen ist, ohne die bisher ausdrücklich genannten Antragsberechtigten weiterhin anzuführen, allerdings ist diese Änderung nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht im Sinne einer Ausweitung des antragslegitimierten Personenkreises zu verstehen. Wie sich nämlich aus den einschlägigen Gesetzesmaterialien ergibt, sollte mit der Novellierung eine „Verschlankung“ des SPF-Verfahrens erreicht werden (NR: GP XXV IA2254/A, S. 158), was nicht darauf schließen lässt, dass damit eine Ausweitung des antragslegitimierten Personenkreises bzw. eine Ausweitung der Verfahrensparteien intendiert gewesen sein könnte. Folgerichtig wurde der angefochtene Bescheid auch nur der erziehungsberechtigten Mutter der Schülerin und der Schulleiterin, die den Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs gestellt hatte und an deren Schule das Kind unterrichtet wird, zugestellt.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts kommt demnach weder dem XXXX als Kirchenleitung noch der von diesem bevollmächtigten Beschwerdeführerin als Schulerhalterin Parteistellung im Verfahren auf Feststellung eines etwaigen sonderpädagogischen Förderbedarfs einer bestimmten Schülerin an der gegenständlichen Schule zu.

Die Beschwerde war daher mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückzuweisen.

Im gegenständlichen Fall kann das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint, weil dieser nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren festgestellt wurde. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig festgestellt.

Es war somit ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.

3. Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision):

3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung insbesondere folgender Rechtsfrage abhängt:

„Welchen – natürlichen und juristischen – Personen kommt im Verfahren auf Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs gemäß § 8 SchPflG Parteistellung zu?“

Da es zu dieser Frage an einer einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung mangelt und da sich die hier anzuwendenden Regelungen des Schulpflichtgesetzes auch nicht als so klar und eindeutig erweisen (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90), dass sich daraus die vorgenommenen Ableitungen zwingend ergeben würden, ist die Revision zuzulassen.

Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

Schlagworte

Beschwerdelegimitation Parteistellung Rechtsfrage Revision zulässig sonderpädagogischer Förderbedarf Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W203.2229935.1.00

Im RIS seit

29.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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