TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/17 94/09/0360

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Veröffentlicht am 17.07.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §68 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §52 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundessozialamt Kärnten vom 14. November 1994, GZ. OB.: 710-021222-000, betreffend Kriegsopferversorgung (Zurückweisung wegen entschiedener Sache), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1922 geborene Beschwerdeführer bezieht eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. Als Dienstbeschädigungen wurden mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Kärnten vom 14. Oktober 1950 (laut einer im Bescheid des Landesinvalidenamtes für Kärnten vom 27. November 1980 erfolgten Neubezeichnung) folgende Gesundheitsschädigungen anerkannt:

"a)

Oberflächliche Splitterverletzung im Unterbauch und linken Fuß,

b)

Zustand nach Trommelfellruptur mit Schwerhörigkeit rechts und

c)

basale Verklebung nach Pleuritis rechts"

Im Zuge eines Berufungsverfahrens betreffend die Neubemessung der Beschädigtenrente (Verschlimmerungsantrag vom 10. Februar 1993) begehrte der Beschwerdeführer laut Niederschrift vom 31. August 1993 die Anerkennung einer Granatsplitterverletzung im Lendenwirbelsäulenbereich als weitere Dienstbeschädigung.

Dieses Begehren wurde mit Bescheid des Landesinvalidenamts für Kärnten vom 18. April 1994, GZ. OB.: 710-021222-000, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß sich der neuerliche Antrag im wesentlichen auf den gleichen Sachverhalt stütze, der schon der rechtlichen Beurteilung im rechtskräftigen Bescheid vom 29. Juni 1981 zugrundegelegt worden sei. Da seit der Erlassung dieses Bescheides auch keine wesentliche Änderung in den maßgeblichen Rechtsvorschriften eingetreten sei, sei das neuerliche Anbringen wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung und brachte vor, "am 29. Juni 1981" (laut Aktenlage richtig wohl: am 15. Februar 1979), somit vor 13 Jahren, habe er einen Antrag auf Anerkennung der Gesundheitsschädigung wegen Granatsplitterverletzung im Lendenwirbelsäulenbereich gestellt. Selbst bei ganz gleichlautenden Anträgen sei nach einer so langen Zeit die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, daß sich die "faktischen Voraussetzungen, nämlich wesentliche Sachverhaltselemente", geändert hätten. Innerhalb der letzten 13 Jahre habe sich nämlich das Wirbelsäulenleiden aufgrund der Granatsplitterverletzung so wesentlich verschlechtert, daß er starke Schmerzzustände habe und ein Gehen nur schwer möglich sei. Nach der Judikatur liege eine entschiedene Sache nur dann vor, wenn sowohl der Sachverhalt als auch die Rechtslage unverändert geblieben seien. Im konkreten Fall liege die Voraussetzung eines unveränderten Sachverhaltes nicht vor. Der erstinstanzliche Bescheid lasse auch eine Begründung darüber vermissen, warum sich keine Sachverhaltsänderung ergeben habe.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge und führte dazu aus, mit Bescheid des ehemaligen Landesinvalidenamtes für Kärnten vom 27. November 1980 sei eine "Stecksplitterverletzung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule" nicht als weitere Dienstbeschädigung anerkannt worden. Dieser Bescheid sei in zweiter Instanz von der Schiedskommission mit Bescheid vom 29. Juni 1981 bestätigt worden. Diesen Entscheidungen sei das ärztliche Sachverständigengutachten von Herrn Prim. Dr. W vom 14. April 1980 zugrundegelegt worden; darin werde ausdrücklich ausgeführt, daß sich im Bereich des gesamten Rückens und der Wirbelsäule keinerlei Narben befänden und nach dem angefertigten Röntgenbefund weder Zeichen einer Knochenverletzung noch metalldichte Fremdkörper zu objektivieren gewesen seien. Es habe daher aufgrund eines objektiven Befundes davon ausgegangen werden müssen, daß die geltend gemachte Verletzung nicht vorliege, zumal sonstige Nachweise hiefür ebenfalls nicht beizubringen gewesen seien. Darüber hinaus sei bemerkt worden, daß laut den vorliegenden Krankengeschichten der Beschwerdeführer im Zuge mehrerer Arbeitsunfälle Wirbelsäulenschädigungen erlitten habe, die allenfalls für die Beschwerden des Beschwerdeführers verantwortlich seien. Daß eine Splitterverletzung im Bereich der Wirbelsäule nicht objektivierbar sei, sei in weiterer Folge auch in dem in einem Vorverfahren eingeholten Gutachten Dris. T vom 14. Juni 1989 sowie in der Krankengeschichte des LKH Wolfsberg vom 7. April 1993 bestätigt worden. Die belangte Behörde könne daher der Argumentation in der Berufung keinesfalls beipflichten, daß sich eine überhaupt nicht objektivierte und daher offenbar nicht vorhandene Gesundheitsschädigung weiter verschlimmern könne und eine solche Verschlimmerung dann als maßgebliche Sachverhaltsänderung zu qualifizieren sei. Es sei daher tatsächlich keine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 leg. cit. findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Diese Bestimmung ist aufgrund des § 86 Abs. 1 KOVG 1957 auch in den Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung anzuwenden.

Aus § 68 Abs. 1 AVG folgt, das Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, auch dann wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurückzuweisen sind, wenn das Begehren nicht ausdrücklich auf Aufrollung der entschiedenen Sache lautet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Zurückweisung wegen "entschiedener Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 die tatsächliche Identität der Sache. Haben sich seit der Erlassung des rechtskräftigen Bescheides wesentliche Änderungen im Sachverhalt ergeben, so liegt keine Identität der Sache vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0162).

In der Beschwerde wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid sei schon deshalb zu Unrecht ergangen, weil der Vorbescheid des ehemaligen Landesinvalidenamtes für Kärnten vom 27. November 1980 (und der Berufungsbescheid vom 29. Juni 1981) keine Nichtanerkennung einer "Stecksplitterverletzung im Bereiche der unteren Lendenwirbelsäule" ausgesprochen habe und daher insoweit kein "wirksamer Bescheid" ergangen sei. Mit diesem Vorbringen läßt sich für den Beschwerdeführer nichts gewinnen, weil im erwähnten Bescheid vom 27. November 1980 (den der Berufungsbescheid vom 29. Juni 1981 vollinhaltlich bestätigte) - worauf auch in der Gegenschrift zutreffend im Einklang mit der Aktenlage hingewiesen wird - ausdrücklich eine Nichtanerkennung der damals (laut Antrag vom 15. Februar 1979) so bezeichneten "2 Stecksplitter im Bereiche der unteren Wirbelsäule bzw. im Bereiche der Lendenwirbelsäule" als Dienstbeschädigung erfolgte (Spruchpunkt 2 dieses Bescheides).

Der Beschwerdeführer trägt in Wahrheit auch nicht vor, daß sich sachverhaltsmäßig in bezug auf die von ihm behauptete Ursache für sein Wirbelsäulenleiden, nämlich das Vorhandensein einer Granatsplitterverletzung (Stecksplitter) im unteren (Lenden)Wirbelsäulenbereich, seit der erstmaligen Antragstellung etwas geändert hätte (so spricht der Beschwerdeführer in der Berufung u.a. von "ganz gleichlautenden Anträgen" betreffend "Anerkennung der Gesundheitsschädigung wegen Granatsplitterverletzung im Lendenwirbelsäulenbereich"). Damit lag aber betreffend Akausalität eine entschiedene Sache vor und konnten für diese Frage auch angegebene Leidensverschlimmerungen keine wesentlichen Sachverhaltsänderungen darstellen (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. März 1989, 86/09/0003, und vom 23. Jänner 1997, 95/09/0189). Der laut Beschwerde gerügten unterbliebenen (neuerlichen) ärztlichen Gutachtenseinholung und Beurteilung nach § 4 Abs. 1 KOVG, ob "und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis zurückzuführen" sei, stand somit die Rechtskraft der entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG entgegen.

Zur in der Beschwerde enthaltenen Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer, wenn sein am "31.8.1993 eingebrachter Antrag als Wiederaufnahmeantrag zu werten gewesen wäre", nach § 13 AVG zur Behebung eines diesbezüglichen Formgebrechens auffordern müssen, ist zu sagen, daß nach der Antragsgestaltung durch den Beschwerdeführer zu einer solchen Wertung als Wiederaufnahmeantrag kein Anlaß bestand (und die "Sache des Berufungsverfahrens" nach § 66 Abs. 4 AVG auch durch den erstinstanzlichen Abspruch über die Zurückweisung wegen entschiedener Sache festgelegt war). Im übrigen hätten als inhaltliche Fehler anzusehende mangelnde Angaben eines Wiederaufnahmegrundes oder des Zeitpunktes seiner Kenntnisnahme - ohne Zurückstellung zur Verbesserung - zur Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrages führen müssen (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 597).

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit nicht als rechtswidrig. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme VerschlimmerungsanteilLeidenszustand Maßgebende Veränderung Anspruch auf Einschätzung nach KOVG §7Verhältnis zu anderen Normen MaterienZurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994090360.X00

Im RIS seit

27.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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