Entscheidungsdatum
12.10.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W227 2235210-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 16. Juli 2020, Zl. 9131.003/1154-Präs3a/2020, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Die eigenberechtigte Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2019/2020 den ersten Jahrgang (12. Schulstufe) der Schulart Aufbaulehrgang für wirtschaftliche Berufe der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe (HLW). Sie wurde im Pflichtgegenstand „Englisch“ mit „Nicht genügend“ beurteilt und ist zum Aufsteigen in den zweiten Jahrgang (13. Schulstufe) berechtigt.
2. Gegen die negative Leistungsbeurteilung im Unterrichtsgegenstand „Englisch“ im Semesterzeugnis über das Sommersemester des Schuljahres 2019/2020 brachte die Beschwerdeführerin einen Widerspruch bei der HLW ein.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bildungsdirektion für Wien den Widerspruch gemäß § 71 Abs. 9 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) zurück.
4. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine als „Widerspruch“ bezeichnete Beschwerde.
Darin führt sie im Wesentlichen (hier relevant) aus:
Da die Leistungsbeurteilungen „semestriert“ seien, sei für sie das erste Schuljahr nicht „abgeschlossen“. § 71 SchUG sei daher nicht anzuwenden.
Auch sei fraglich, warum eine Überprüfung der Notengebung „durch das Gesetz verhindert“ werde; letztlich stelle die Beurteilung einen Verwaltungsakt dar. Ob ein Zeugnis ein Bescheid oder nur ein Gutachten sei, könne dahingestellt bleiben; grundsätzlich müsse jeglicher Verwaltungsakt auf seine sachliche und rechtliche Richtigkeit hin überprüfbar sein. Selbst in Verwaltungsangelegenheiten, bei denen „Gefahr im Verzug” sei, könne eine nachträgliche Überprüfung zu anderen Ergebnissen führen. Warum das gerade bei einem Schulzeugnis nicht sein sollte, sei unverständlich; „offenbar habe hier der Gesetzgeber das gelebte ‚Lehrer haben vormittags recht und nachmittags frei‘ in Stein gemeisselt“.
5. Am 18. September 2020 legte die Bildungsdirektion für Wien die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2019/2020 den ersten Jahrgang (12. Schulstufe) der HLW.
Sie wurde im Pflichtgegenstand „Englisch“ mit „Nicht genügend“ beurteilt.
Im Semesterzeugnis vom 3. Juli 2020 ist festgehalten, dass die Beschwerdeführerin zum Aufsteigen in den zweiten Jahrgang (13. Schulstufe) und zur Ablegung einer Semesterprüfung im Unterrichtsgegenstand „Englisch“ berechtigt ist.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen basieren auf dem Akteninhalt und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchpunkt A)]
3.1.1. Gemäß § 25 Abs. 1 SchUG ist eine Schulstufe erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält. Eine Schulstufe gilt auch dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn bei Wiederholen von Schulstufen das Jahreszeugnis in höchstens einem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält und dieser Pflichtgegenstand vor der Wiederholung der Schulstufe zumindest mit „Befriedigend“ beurteilt wurde.
Gemäß § 25 Abs. 10 erster und zweiter Satz SchUG gelten die vorstehenden Abs. 1 bis 7 nicht für Schüler von zumindest dreijährigen mittleren und höheren Schulen ab der 10. Schulstufe. Diese Schüler sind ab der 10. Schulstufe dann zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt, wenn die Semesterzeugnisse über das Winter- und das Sommersemester der betreffenden Schulstufe in den Pflichtgegenständen insgesamt höchstens zwei Nichtbeurteilungen oder Beurteilungen mit „Nicht genügend“ aufweisen.
Gemäß § 71 Abs. 2 lit. c SchUG ist gegen die Entscheidung, dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist, ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig.
Gemäß § 71 Abs. 2 lit. h SchUG ist gegen die Entscheidung, dass die letztmögliche Wiederholung einer Semesterprüfung (§ 23a) nicht bestanden worden ist, ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig.
Gemäß § 71 Abs. 2a SchUG tritt mit Einbringen des Widerspruchs die (provisoriale) Entscheidung der Organe in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 und § 71 Abs. 2 außer Kraft. In diesen Fällen hat die zuständige Schulbehörde das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Entscheidung mit Bescheid zu treffen.
Gemäß § 71 Abs. 9 SchUG ist gegen andere als in Abs. 1 und 2 genannte Entscheidungen von schulischen Organen ein Widerspruch nicht zulässig.
3.1.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind nur Angelegenheiten mittels Widerspruchs bekämpfbar, welche in § 71 Abs. 1 und 2 SchUG taxativ aufgezählt sind (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0106 m.w.H.).
Bei den in § 71 Abs. 2 SchUG genannten Angelegenheiten handelt es sich um „existentielle Fragen für den Schüler“; allein gegen diese ist ein Widerspruch zulässig (vgl. VwGH 15.11.1993, 93/10/0163 mit Verweis auf RV 401 BlgNR, 14. GP Seite 17). Da die Benotung in einem bestimmten Pflichtgegenstand für sich alleine betrachtet keine derartige „existentielle Frage“ für den Schüler darstellt, wurde seitens des Gesetzgebers auch keine Widerspruchsmöglichkeit gegen die bloße Benotung vorgesehen. So stellt die Beurteilung in einem bestimmten Pflichtgegenstand keine Entscheidung eines schulischen Organs i.S.d. § 71 Abs. 2 SchUG oder keine Angelegenheit i.S.d. § 70 Abs. 1 SchUG dar, gegen die ein Widerspruch zulässig wäre. Vielmehr stellen die einzelnen Noten im Jahreszeugnis keinen Verwaltungsakt dar, der bekämpfbar wäre, sondern es handelt sich dabei um in verkürzter Form zum Ausdruck gebrachte Gutachten, die allenfalls als Basis für eine im Zeugnis beurkundete Entscheidung dienen können (vgl. RV 345 BlgNR, 13. GP Seite 61).
Dass der Gesetzgeber dezidiert eine Widerspruchsmöglichkeit ausschließlich gegen die in § 71 Abs. 2 SchUG abschließend aufgezählten Entscheidungen einräumen wollte, hat er auch durch die Regelung des § 71 Abs. 9 SchUG bekräftigt (vgl. dazu auch BVwG 16.11.2017, W203 2174159-1; siehe weiters Simone Hauser, Kommentar zum Schulunterrichtsgesetz [2014] zu § 71 SchUG).
Nur in den Fällen eines zulässig erhobenen Widerspruchs hat die zuständige Schulbehörde ein Verwaltungsverfahren durchzuführen und eine Entscheidung mit Bescheid zu treffen (vgl. wieder VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0106).
3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:
Die Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 2019/2020 den ersten Jahrgang (12. Schulstufe) der HLW und wurde im Pflichtgegenstand „Englisch“ mit „Nicht genügend“ beurteilt. Sie ist daher gemäß § 25 Abs. 10 SchUG ex lege zum Aufsteigen in den zweiten Jahrgang (13. Schulstufe) berechtigt. So wurde es auch in ihrem Semesterzeugnis vom 3. Juli 2020 festgehalten. Der Widerspruch der Beschwerdeführerin richtet sich auch nur gegen die negative Leistungsbeurteilung im Unterrichtsgegenstand „Englisch“.
Wie oben ausgeführt, stellt jedoch– entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin – die bloße Benotung keinen bekämpfbaren Verwaltungsakt dar. Auch sind nur Angelegenheiten mittels Widerspruchs überprüfbar, welche in § 71 Abs. 1 und 2 SchUG taxativ aufgezählt sind. Da die Beschwerdeführerin jedoch zum Aufsteigen in den zweiten Jahrgang (13. Schulstufe) und zur Ablegung einer Semesterprüfung im Unterrichtsgegenstand „Englisch“ berechtigt ist, liegt weder ein Fall des § 71 Abs. 2 lit. c SchUG noch ein Fall des § 71 Abs. 2 lit. h SchUG vor.
Folglich wies die Bildungsdirektion für Wien den Widerspruch der Beschwerdeführerin zu Recht gemäß § 71 Abs. 9 SchUG als unzulässig zurück.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018], § 7 VwGVG, Anm. 7 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Abgesehen davon ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, m.w.N.).
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]
3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass nur Angelegenheiten mittels Widerspruchs bekämpfbar sind, welche in § 71 Abs. 1 und 2 SchUG taxativ aufgezählt sind, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Aufstieg in nächsthöhere Schulstufe Berechtigung zum Aufstieg in nächste Schulstufe Gutachten Leistungsbeurteilung negative Beurteilung negative Leistungsfeststellung Pflichtgegenstand SemesterzeugnisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W227.2235210.1.00Im RIS seit
29.12.2020Zuletzt aktualisiert am
29.12.2020