TE Bvwg Beschluss 2020/10/20 W221 2229503-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.10.2020

Norm

BDG 1979 §14
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W221 2229503-2/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Mag. Peter DITRICH und Mag. Monika KREMSER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch RA Dr. Horst Mayr, gegen den Bescheid des Personalamtes XXXX der Österreichischen Post AG vom 04.05.2020, Zl. PAL-016180/20-A02, betreffend Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Am 25.02.2010 wurde von der belangten Behörde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 19.02.2010, welches zur Beurteilung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers eingeholt wurde, ein Ruhestandsversetzungsverfahren gemäß § 14 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) eingeleitet.

Mit Schreiben vom 29.03.2010 wurde der Beschwerdeführer vom Dienst freigestellt.

Der Beschwerdeführer brachte gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 02.10.2010, Zl. PML/PMT 593502/10-A08, mit dem er in weiterer Folge in den Ruhestand versetzt wurde, eine Berufung bei der Berufungsbehörde und anschließend eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Berufungsbehörde ein. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.12.2011, Zl. 2011/12/0083, wurde der Bescheid der Berufungsbehörde aufgehoben. Mit Bescheid vom 11.01.2013 wurde das Ruhestandsverfahren mit der Begründung eingestellt, dass ein im Rahmen des Berufungsverfahrens als Sachverständiger herangezogener Arzt für Neurologie und Psychiatrie seine ursprünglich im Berufungsverfahren gestellte Diagnose dahingehend abgeändert habe, dass er zwar weiterhin eine narzisstische Persönlichkeit des Beschwerdeführers feststelle, das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung vom paranoiden Typ jedoch wieder zurückgenommen habe, und daher eine dauernde Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers, die eine Ruhestandsversetzung nach § 14 BDG rechtfertigen würde, nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit und rechtlichen Nachvollziehbarkeit vorliege.

Der Beschwerdeführer wurde daraufhin mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.01.2013 zum Dienstantritt aufgefordert, wobei ein solcher aufgrund der Abklärung während seiner vorangegangenen kranken- und verfahrensbedingten Abwesenheiten entstandenen Urlaubsansprüche, bzw. zur Erstellung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens vom 06.08.2013, nicht erfolgte.

Mit Schreiben vom 16.12.2013 wurde der Beschwerdeführer für 07.01.2014 abermals zum Dienstantritt aufgefordert, welchen der Beschwerdeführer an 14 Arbeitstagen versah. Danach befand sich der Beschwerdeführer, abgesehen von der Abwicklung seines Erholungsurlaubes bzw. eines Kuraufenthaltes, bis 30.03.2015 im Krankenstand.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 05.03.2015 und 09.03.2015 wurde der Beschwerdeführer erneut zum Dienstantritt aufgefordert, woraufhin dieser abermals Krankmeldungen vorlegte.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 09.07.2015 wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass infolge seines ununterbrochenen Krankenstandes die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) ersucht werde ein ärztliches Gutachten über die gesundheitliche Verfassung des Beschwerdeführers zu erstellen. Der Beschwerdeführer teilte der belangten Behörde mit Schreiben vom 10.06.2015 mit, dass er grundsätzlich arbeitswillig und arbeitsfähig sei.

Gemäß der von der PVA erstellten Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes vom 04.09.2015 habe beim Beschwerdeführer eine rezidivierende depressive Störung vorgelegen und habe sein Gesamtrestleistungskalkül in den Anforderungskriterien „Arbeitstempo“, „psychische Belastbarkeit“ und „geistiges Leistungsvermögen“ nicht das Anforderungsprofil erreicht, weshalb eine Kontrolluntersuchung nach einem Jahr vorgesehen wurde.

Mit Schreiben vom 01.12.2015 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtig sei, ihn als Leiter der Postfiliale XXXX dauernd zu verwenden und die belangte Behörde grundsätzlich davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer dienstfähig sei.

Vom 06.12.2015 bis 14.12.2015 wurde der Beschwerdeführer stationär im XXXX aufgenommen. Mit Schreiben vom 15.12.2015 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er sich infolge des seit über sieben Jahren andauernden Mobbings durch die Führungskräfte bis auf weiteres in psychiatrischer Behandlung und Psychotherapie befände.

Bei einer kontrollärztlichen Untersuchung am 23.12.2015 wurde die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ab 18.01.2016 befundet. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 11.01.2016 wurde der Beschwerdeführer daraufhin zum Dienstantritt am 18.01.2016 aufgefordert. In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine „bis auf weiteres“ ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 12.01.2016 vor.

Im August 2016 beauftragte die belangte Behörde eine Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie mit der Gutachtenserstellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Das daraufhin von erstellte Sachverständigengutachten vom 17.08.2016 kam zu dem Schluss, dass die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers als gegeben zu bezeichnen sei.

Besagtes Gutachten vom 17.08.2016 wurde dem Postanstaltsarzt vorgelegt, der in einer Stellungnahme vom 31.08.2016 die Postdienstuntauglichkeit des Beschwerdeführers diagnostizierte.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 07.09.2016 wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass infolge seines unbefristeten Krankenstandes ein Ruhestandsversetzungsverfahren gemäß § 14 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) eingeleitet werde. Die PVA werde daher ersucht ein ärztliches Gutachten über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu erstellen

Im Hinblick darauf wurde die PVA am 02.10.2017 um Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ersucht.

Im Auftrag der PVA wurde am 20.11.2017 ein ärztliches Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie und am 05.12.2017 von einer Fachärztin für Innere Medizin ein ärztliches Gesamtgutachten erstellt, wobei in letzterem festgestellt wurde, dass eine rezidivierende depressive Störung bestehe, die gegenwärtig remittiert sei. Es seien eine komplexe Traumatisierung und eine zwanghafte, selbstunsichere Persönlichkeit vordiagnostiziert worden. Im Vergleich zum neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 04.01.2017 sei die depressive Störung zurzeit gänzlich remittiert. Mit regelmäßiger nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung könnte eine länger andauernde Remission erreicht werden.

Mit Schreiben vom 14.10.2019 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass das am 07.09.2016 eingeleitete Ruhestandsversetzungsverfahren nach § 14 BDG 1979 eingestellt worden sei. Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer zum Dienstantritt am 04.11.2019 auf, woraufhin dieser am selben Tag eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung mit offenem Enddatum vorlegte.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.02.2020 wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass infolge seines unbefristeten Krankenstandes ein Ruhestandsversetzungsverfahren gemäß § 14 BDG 1979 eingeleitet worden sei. Zusammenfassend wurde festgehalten, dass sich beim Beschwerdeführer während den vergangenen zehn Jahren habituelle Charaktereigenschaften manifestiert hätten, welche eine ordnungsgemäße Dienstverrichtung nicht möglich machen würde und daher eine dauernde Dienstunfähigkeit nach § 14 BDG 1979 vorliege.

Mit Schreiben vom 11.03.2020 nahm der Beschwerdeführer zum Schreiben der belangten Behörde vom 28.02.2020 Stellung.

Mit Bescheid vom 04.05.2020 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 in den Ruhestand versetzt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass abgesehen von vorübergehenden Phasen körperlicher und psychischer krankheitswerter Einschränkungen keine dauerhafte medizinisch feststellbare Einschränkung vorliege und daher die neuerliche Einbindung medizinischen bzw. berufskundlichen Fachwissens iSd § 14 Abs. 4 BDG 1979 nicht notwendig sei. Beim Beschwerdeführer hätten sich während den vergangenen zehn Jahren habituelle Charaktereigenschaften manifestiert, welche eine ordnungsgemäße Dienstverrichtung nicht möglich machen würde und daher eine dauernde Dienstunfähigkeit nach § 14 BDG 1979 vorliege. Die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Kreis der begünstigten Behinderten und die Abgabe einer Erklärung nach § 236d BDG 1979 stehe dem nicht entgegen.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 09.06.2020 bei der belangten Behörde einlangte.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 26.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen.

Der Beschwerdeführer ist seit über zehn Jahren immer wieder krankheitsbedingt vom Dienst abwesend.

Ein am 05.12.2017 von einer Fachärztin für Innere Medizin im Auftrag der PVA erstelltes ärztliches Gesamtgutachten stellte u.a. Folgendes fest:

„Ergonomisch zeigt sich bei sehr guter Mitarbeit eine hervorragende Belastbarkeit (276 Watt, 155% des Sollwertes, 12,3 METS) mit Zeichen der metabolischen, cardialen und pulmonalen Ausbelastung. Spirometrisch derzeit keine Obstruktion oder Restriktion, normale Oxygenierung. Im Mai 2017 kam es zu einem akuten Harnverhalt. Damals Anlage eines suprapubischen Katheters. Dieser wurde von 03.05. bis 11.05.2017 belassen und dann problemlos entfernt. Bei psychiatrischer Vorgeschichte erfolgt erneut eine psychiatrische Zuweisung. Es besteht eine rezidivierende depressive Störung, die gegenwärtig remittiert ist. Es wurden eine komplexe Traumatisierung und eine zwanghafte, selbstunsichere Persönlichkeit vordiagnostiziert. Im Vergleich zum neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 04.01.2017 ist die depressive Störung zurzeit gänzlich remittiert. (…) Mit regelmäßiger nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung könnte eine länger andauernde Remission erreicht werden.“

Mit Schreiben vom 14.10.2019 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass das am 07.09.2016 eingeleitete Ruhestandsversetzungsverfahren nach § 14 BDG 1979 eingestellt wurde.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.02.2020 wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass infolge seines unbefristeten Krankenstandes neuerliches ein Ruhestandsversetzungsverfahren gemäß § 14 BDG 1979 eingeleitet wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Beschwerdevorbringen und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Zufolge § 135a Abs. 1 BDG liegt gegenständlich eine Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

?        Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

?        Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

?        Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des BDG 1979 lauten – auszugsweise – wie folgt:

„Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

§ 14. (1) Die Beamtin oder der Beamte ist von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist.

(2) Die Beamtin oder der Beamte ist dienstunfähig, wenn sie oder er infolge ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung ihre oder seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihr oder ihm im Wirkungsbereich ihrer oder seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben sie oder er nach ihrer oder seiner gesundheitlichen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihr oder ihm mit Rücksicht auf ihre oder seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

(3) Soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes im Abs. 1 oder 2 von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen oder berufskundlichen Fachwissens fallen, ist von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter – ausgenommen für die gemäß § 17 Abs. 1a des Poststrukturgesetzes (PTSG), BGBl. Nr. 201/1996, den dort angeführten Unternehmen zugewiesenen Beamtinnen und Beamten – Befund und Gutachten einzuholen. Für die gemäß § 17 Abs. 1a PTSG zugewiesenen Beamtinnen und Beamten ist dafür die Pensionsversicherungsanstalt zuständig.

(4) Die Versetzung in den Ruhestand wird mit Ablauf jenes Monats wirksam, in dem sie rechtskräftig wird.

(5) – (8) […]“

Die Frage der Dienstunfähigkeit des Beamten ist zunächst in Ansehung seines aktuellen beziehungsweise des zuletzt inne gehabten Arbeitsplatzes zu prüfen. Maßgebend für eine Ruhestandsversetzung ist daher die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben an diesem Arbeitsplatz (Primärprüfung). Ergibt diese, dass der Beamte nicht mehr in der Lage ist, die konkreten dienstlichen Aufgaben seines Arbeitsplatzes in diesem Sinne zu erfüllen, ist zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Zuweisung eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes nach § 14 Abs. 2 BDG 1979 in Betracht kommt (Sekundärprüfung) (vgl. VwGH 14.10.2009, 2008/12/0212; 23.06.2014, 2010/12/0209 mwN).

Der bekämpfte Bescheid erweist sich schon hinsichtlich der Primärprüfung als mangelhaft:

Voraussetzung für eine amtswegige Ruhestandsversetzung ist gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 die dauernde Dienstunfähigkeit des Beamten. Unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, ist alles zu verstehen, was seine Eignung, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu entscheiden hat. Aufgabe des ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse und Erfahrungen – allenfalls unter Zuhilfenahme von Hilfsbefunden – Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beamten und die Auswirkungen, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben, trifft, wobei auch eine Prognose über den weiteren Verlauf des Gesundheitszustandes zu treffen ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung der Frage der „dauernden Dienstunfähigkeit“ zu ermöglichen. Das ärztliche Sachverständigengutachten muss ausreichend begründet, das heißt aus dem objektiven Befund schlüssig ableitbar sein. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zugrunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (VwGH 20.05.1985, 84/12/0121; 28.04.1993, 92/12/0055; 17.10.2008, 2007/12/0184).

Die Frage der Dienstfähigkeit ist zwar grundsätzlich eine medizinische Fachfrage, zu deren Lösung entsprechende Sachverständige heranzuziehen sind, insofern aber habituelle Charaktereigenschaften (unter habitus in psychischem Sinn sind zum Charakter gewordene, verhaltenseigene, gewohnheitsmäßige Besonderheiten im Erscheinungsbild bzw. im Verhalten eines Menschen zu verstehen) oder sonstige Persönlichkeitsauffälligkeiten eine Rolle spielen, kommen auch andere Beweismittel in Frage (VwGH 16.11.1994, 94/12/0158).

Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid aus, dass beim Beschwerdeführer keine dauerhafte medizinisch feststellbare Einschränkung vorliege, weshalb die neuerliche Einbindung medizinischen bzw. berufskundlichen Fachwissens iSd § 14 Abs. 4 BDG 1979 nicht notwendig sei. Jedoch hielt sie pauschal fest, dass sich beim Beschwerdeführer sich während den vergangenen zehn Jahren habituelle Charaktereigenschaften manifestiert hätten, welche eine ordnungsgemäße Dienstverrichtung nicht möglich machen würde und daher eine dauernde Dienstunfähigkeit nach § 14 BDG 1979 vorliege. Die belangte Behörde leitete dabei das Vorliegen habitueller Charaktereigenschaften allein aus dem „stereotypen Verhalten (des Beschwerdeführers) in Bezug auf Aufforderungen zum Dienstantritt auf Arbeitsplätzen, welche nicht seinen Wertvorstellungen entsprechen (siehe Seite 9 des angefochtenen Bescheides)“ und somit ohne Bezugnahme auf andere Beweismittel, die eine solche Annahme rechtfertigen würden, ab.

Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer zwar mittlerweile seit mehr zehn Jahren vom Dienst abwesend ist, dies aber nicht nur krankheitsbedingt, und das zuletzt am 05.12.2017 von einer Fachärztin für Innere Medizin im Auftrag der PVA erstellte ärztliche Gesamtgutachten keine Rückschlüsse auf eine dauernde Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers zulässt, weshalb auch ein am 07.09.2016 eingeleitetes Ruhestandsversetzungsverfahren nach § 14 BDG 1979 eingestellt wurde, wäre im vorliegenden Fall jedoch die neuerliche Einholung eines Sachverständigengutachtens der PVA erforderlich gewesen.

Mangels Vorliegens eines aktuellen Sachverständigengutachtens oder anderen objektivierbaren Unterlagen über die psychische Verfassung, insbesondere hinsichtlich habitueller Charaktereigenschaften oder geistiger Mängel des Beschwerdeführers, kann daher eine objektiv nachvollziehbare Feststellung einer dauernden Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht getroffen werden.

Indem die belangte Behörde die dauernde Dienstunfähigkeit aufgrund habitueller Charaktereigenschaften ohne Zugrundelegung aktueller Beweismittel annahm, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel. Eine endgültige Aussage über das Vorliegen einer dauerhaften Dienstunfähigkeit lässt sich ohne neuerliche Begutachtung nicht treffen.

Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln haben, welche konkrete Minderung der Dienstfähigkeit und welches Restleistungskalkül vorliegen sowie was die konkreten Anforderungen und dienstlichen Aufgaben am Arbeitsplatz des Beschwerdeführers sind. Anhand dessen ist dann die Frage der Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers zu prüfen.

Sollte die Behörde nach diesen Ermittlungen weiterhin zum Ergebnis kommen, dass hinsichtlich des vom Beschwerdeführer innehabenden Arbeitsplatzes eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt, wird sie dann in einem weiteren Schritt auf die (nachgeordnete) Frage des Vorliegens eines tauglichen Verweisungsarbeitsplatzes (Sekundärprüfung) einzugehen haben.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist nicht ersichtlich, zumal es sich bei der in Rede stehenden Frage um eine solche handelt, die verwaltungsinterne Vorgänge betrifft, bei der die belangte Behörde besonders „nahe am Beweis“ ist (vgl. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Personalamt XXXX der Österreichischen Post AG zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aktualität Arbeitsplatz Dienstunfähigkeit Ermittlungspflicht Gesundheitszustand Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Primärprüfung Ruhestandsversetzung Ruhestandsversetzungsverfahren Sachverständigengutachten Sekundärprüfung Verweisungsarbeitsplatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2229503.2.00

Im RIS seit

28.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten