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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. April 1997, Zl. SD 463/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. April 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer, der sich seit Feber 1981 in Österreich aufhalte, habe zuletzt über einen bis 30. Oktober 1993 gültig gewesenen Sichtvermerk verfügt. Seit diesem Zeitpunkt halte sich der Beschwerdeführer, der bislang keinen Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt habe, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der Einwand des Beschwerdeführers, er hätte bereits vor Ablauf seines Sichtvermerkes um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht und im Zuge dieses Verfahrens seinen iranischen Reisepaß abgegeben, sodaß ihm eine Antragstellung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht möglich gewesen wäre, sei nicht zielführend, stelle doch das Gesetz (§ 17 Abs. 1 FrG) allein auf den unrechtmäßigen Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet ab, ohne Rücksicht darauf, aus welchen Gründen ein für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes erforderlich gewesenes Tätigwerden des Fremden unterblieben sei.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung nach § 19 FrG betreffe, so sei darauf hinzuweisen, daß der Bruder des Beschwerdeführers nur dann vom Schutzbereich dieser Norm umfaßt wäre, wenn er mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebte, wofür sich im Akt keine Hinweise fänden. Weitere familiäre Bindungen seien nicht feststellbar. Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers liege aber zweifellos ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in sein Privatleben vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme zu bejahen, komme doch den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien durch den Beschwerdeführer in gravierender Weise mißachtet worden. Er halte sich seit 1. Oktober 1993, somit seit beinahe dreieinhalb Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und habe durch dieses Fehlverhalten sehr deutlich dokumentiert, daß er keinerlei Bedenken habe, sich über die für ihn maßgebenden fremdenpolizeilichen Vorschriften hinwegzusetzen.
Hinzu komme, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1995 zweimal vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig verurteilt worden sei (am 6. Februar 1995 wegen des Vergehens des schweren Betruges zu einer Geldstrafe und am 4. April 1995 wegen Nötigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten).
Die aus dem insgesamt 16-jährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ableitbare Integration erfahre daher in zweifacher Hinsicht eine Relativierung. Zum einen halte er sich, wie erwähnt, seit etwa dreieinhalb Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet auf; zum anderen werde die für eine Integration erforderliche soziale Komponente durch die genannten strafbaren Handlungen in erheblichem Maß beeinträchtigt. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls durch sein Gesamtfehlverhalten nicht nur das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, sondern auch die öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer in hohem Maß gefährdet. Diese Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen sei von solchem Gewicht, daß die gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die auf unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen beruhende Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer (seit etwa dreieinhalb Jahren) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft.
2.1. Unbeschadet dessen vertritt die Beschwerde die Meinung, die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG lägen nicht vor. Sie bringt dazu vor, der Beschwerdeführer habe im Zuge des Verfahrens zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft seinen iranischen Reisepaß bei der zuständigen Behörde abgegeben. Da dieses Verfahren noch immer anhängig sei, und der Beschwerdeführer "in Befolgung des Bescheides der Wiener Landesregierung sich der Voraussetzungen zur Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung, nämlich das Vorhandensein eines gültigen Reisedokumentes, entledigt hat", sei es ihm nicht möglich gewesen, eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen. Keinesfalls könne durch diesen "rechtsfreien" Aufenthalt die öffentliche Ordnung schwerwiegend beeinträchtigt werden, "da der Sachverhalt auch durch die Säumigkeit des Amtes der Wiener Landesregierung verursacht wurde".
2.2. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Wie bereits die belangte Behörde bezugnehmend auf einen gleichartigen Berufungseinwand in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt hat, stellt der von ihr angewendete § 17 Abs. 1 FrG allein darauf ab, ob sich der Fremde unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Trifft dies zu, so ist er - vorbehaltlich der Zulässigkeit gemäß § 19 FrG - auszuweisen. Aus welchen Gründen sich der Fremde unerlaubt in Österreich aufhält bzw. weshalb er es verabsäumt hat, seinen Aufenthalt zu einem rechtmäßigen zu machen, ist nach § 17 Abs. 1 FrG rechtlich unerheblich. Abgesehen davon ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß es ihm unbenommen war - daß dem ein Hindernis entgegenstand, hat er nicht dargetan -, seinen bei der zur Behandlung seines Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zuständigen Behörde deponierten iranischen Reisepaß kurzfristig zum Zweck der Antragstellung nach dem Aufenthaltsgesetz anzufordern.
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die Ausweisung einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben darstellen würde, "weshalb die Ausweisung gemäß § 19 Fremdengesetz unzulässig ist". Die belangte Behörde hätte zur Ansicht gelangen müssen, daß der Beschwerdeführer bereits 16 Jahre in Österreich aufhältig sei und hier studiere, wodurch bei ihm ein hohes Maß an Integration vorliege. Überdies lebe die "gesamte Verwandtschaft", insbesondere der Bruder des Beschwerdeführers in Österreich. Daß Letzterer vom Schutzbereich des § 19 FrG nicht umfaßt sei, könne nicht überzeugen. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, weitere Erhebungen durchzuführen, "um festzustellen, wo bzw. mit wem der Bruder oder der Beschwerdeführer lebt". Hätte sie ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt, so hätte sie zu dem Schluß kommen müssen, daß der Bruder des Beschwerdeführers sehr wohl vom Schutzbereich des § 19 FrG umfaßt sei. Schließlich vermöge auch der Hinweis auf die beiden strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht zu überzeugen. Dies deshalb, weil diese bereits mehr als zwei Jahre zurücklägen und sich der Beschwerdeführer seither keines Fehlverhaltens schuldig gemacht habe - ein Umstand, den die belangte Behörde überhaupt nicht gewürdigt habe.
3.2. Auch dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Zunächst verkennt sie, daß nicht jeder mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Fremden diese Maßnahme unzulässig macht, vielmehr nur ein solcher Eingriff, dessen Gewicht höher zu veranschlagen ist als das Gewicht des maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (§ 19 FrG). Weiters läßt die Beschwerde außer acht, daß die belangte Behörde aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und der daraus abzuleitenden Integration einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben angenommen hat, dieser zutreffenden Einschätzung aber sogleich - ebenfalls zu Recht - angefügt hat, daß der Stellenwert dieser Integration durch den beachtlich langen unrechtmäßigen Aufenthalt von ca. dreieinhalb Jahren und durch die die soziale Komponente der Integration beeinträchtigenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers relativiert werde. Was das Familienleben des Beschwerdeführers anlangt, so hat die belangte Behörde unter Zugrundlegung der Annahme, daß sein Bruder nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit ihm lebe, die Auffassung vertreten, daß die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Bruder nicht vom Schutzbereich des § 19 FrG umfaßt sei, und daher - mangels Bestehens sonstiger familiärer Bindungen - kein nach § 19 leg. cit. zu berücksichtigender Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers vorliege. Auch diese Beurteilung der belangten Behörde ist unbedenklich (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/18/0511). Der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge ermangelt schon deshalb die Relevanz, weil es die Beschwerde unterläßt darzutun, was unter "die gesamte Verwandtschaft" (die zu berücksichtigen gewesen wäre) zu verstehen ist, und überdies nicht in Abrede stellt, daß der Bruder des Beschwerdeführers nicht mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt lebt.
Den somit insgesamt nicht sehr stark ausgeprägten nach § 19 FrG geschützten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich hatte die belangte Behörde das maßgebliche öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers gegenüberzustellen. Wenn sie hiebei zu dem Ergebnis gelangt ist, daß dem zuletzt genannten Interesse der Vorrang einzuräumen sei, so stößt diese Beurteilung auf keinen Einwand. Denn das aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) einen hohen Stellenwert aufweisende Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 17. April 1997, Zl. 97/18/0171, mwN) wurde durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - bereits dreieinhalbjähriger unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne auch nur einmal den Versuch zu unternehmen, den Aufenthalt zu legalisieren - so nachhaltig beeinträchtigt, daß die dargestellten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls zurückzustehen haben. Der Vorrang des maßgeblichen öffentlichen Interesses wird noch durch die den zwei rechtskräftigen Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers unterstrichen. Daß seit den Verurteilungen mehr als zwei Jahre verstrichen sind, vermag - entgegen der Beschwerdemeinung - das durch den Beschwerdeführer in hohem Maß gefährdete öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung strafbarer Handlungen weder zu beseitigen noch auch (mehr als unwesentlich) zu schmälern. Zusammengefaßt ist demnach mit der belangten Behörde das Dringend-geboten-sein der Ausweisung und sohin auch deren Zulässigkeit im Grunde des § 19 FrG zu bejahen.
4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180348.X00Im RIS seit
20.11.2000