TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/19 Ra 2020/12/0059

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Veröffentlicht am 19.11.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/02 Gehaltsgesetz

Norm

AVG §59 Abs1
AVG §66 Abs4
GehG 1956 §12
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/12/0057 E 23.11.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin MMag. Ginthör und Hofrat Mag. Cede als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des D R in V, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2020, Zl. W257 2225333-1/3E, betreffend Besoldungsdienstalter (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er wurde mit Wirksamkeit vom 1. September 2019 zum Beamten des Exekutivdienstes der Verwendungsgruppe E2b ernannt. Seine Dienststelle ist die Landespolizeidirektion Salzburg.

2        Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Salzburg vom 1. September 2019 wurden gemäß § 12 GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2019 auf das Besoldungsdienstalter des Revisionswerbers anrechenbare Zeiten im Ausmaß von zwei Jahren, sieben Monaten und dreißig Tagen festgestellt.

3        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Er führte dazu aus, den Bescheid vom 1. September 2019 insofern anzufechten, als damit keine weitergehenden (das Ausmaß von zwei Jahren, sieben Monaten und dreißig Tagen überschreitenden) Vordienstzeiten angerechnet worden seien. Er erklärte ferner, die durch die Behörde erfolgte Anrechnung von Vordienstzeiten im Umfang von zwei Jahren, sieben Monaten und dreißig Tagen nicht zu bekämpfen. In inhaltlicher Hinsicht vertrat er die Ansicht, die Zeiträume von 8. September 2003 bis 30. September 2005, von 6. Februar 2006 bis 18. Februar 2015 sowie von 15. Juni 2015 bis 31. August 2017 seien von der Behörde aus näher genannten Gründen zu Unrecht nicht berücksichtigt worden.

4        Der Revisionswerber stellte den Antrag, das Verwaltungsgericht möge den Bescheid vom 1. September 2019 dahin abändern, dass über das Ausmaß von zwei Jahren, sieben Monaten und dreißig Tagen hinausgehend (weitere) Vordienstzeiten anzurechnen seien, hilfsweise den Bescheid vom 1. September 2019 im angefochtenen Umfang aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Dienstbehörde zurückverweisen.

5        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers zurück. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.

6        Das Bundesverwaltungsgericht hielt fest, der bescheidförmige Abspruch über das Besoldungsdienstalter sei nicht teilbar (Hinweis: VwGH 6.11.2019, Ra 2019/12/0045). Das Bestreben des Revisionswerbers bestehe darin, dass die durch die Behörde angerechneten Zeiten unangetastet blieben und der diesbezügliche Ausspruch der Behörde in Rechtskraft erwachse. Dies sei hingegen nicht zulässig. Es müsse dahingestellt bleiben, ob die durch die Behörde angerechneten Vordienstzeiten zu Recht angerechnet worden seien und ob weitere Zeiten hätten angerechnet werden müssen. Es sei in dem klar zum Ausdruck gebrachten Interesse des Revisionswerbers gelegen, die bereits angerechneten Zeiten nicht zu hinterfragen. Der Revisionswerber habe sich dem Risiko einer allfälligen Kürzung der ihm angerechneten Zeiten nicht aussetzen wollen, weshalb eine inhaltliche Überprüfung dieser Zeiten zu unterbleiben habe. „Andernfalls“ wäre „damit“ ein Abgehen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Unteilbarkeit „des Spruchs“ verbunden.

7        Im Übrigen liege infolge des im Beschwerdeschriftsatz dargelegten Anfechtungsumfangs und der dort formulierten Anträge keine wirksame Beschwerde vor (Hinweis: VwGH 28.9.1993, 92/12/0184).

8        Die Beschwerde sei daher zurückzuweisen gewesen (Hinweis: VwGH 18.5.2020, Ra 2019/12/0001).

9        Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, den angefochtenen Beschluss aus diesen Gründen aufzuheben.

10       Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der die Abweisung der Revision beantragt wird.

11       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beschwerde des Revisionswerbers zurückgewiesen (Hinweis: VwGH 6.11.2019, Ra 2019/12/0045). Trotz eingeschränkter Anfechtung des Bescheides vom 1. September 2019 wäre das Bundesverwaltungsgericht gehalten gewesen, sämtliche Vordienstzeiten des Revisionswerbers einer inhaltlichen Beurteilung zu unterziehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Die Revision ist aus den von ihr genannten Gründen zulässig. Sie ist auch berechtigt.

13       Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. November 2019, Ra 2019/12/0045, zu einer mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation bereits dargelegt hat, sind durch das Bundesverwaltungsgericht in Angelegenheiten des Besoldungsdienstalters ungeachtet eines in der Beschwerde „eingeschränkt“ formulierten (durch die Behörde angerechnete Vordienstzeiten ausdrücklich ausschließenden) Anfechtungsgegenstandes sämtliche in Betracht kommenden Vordienstzeiten inhaltlich zu prüfen.

14       Gegenständlich hatte demnach durch das Bundesverwaltungsgericht (sofern keine sonstigen Gründe für die Zurückweisung des Rechtsmittels zum Tragen kamen) unter Prüfung sämtlicher Vordienstzeiten eine inhaltliche Entscheidung über die Beschwerde des Revisionswerbers zu ergehen und war es letzterem verwehrt, die von der Behörde als Vordienstzeiten angerechneten Zeiträume im Wege einer „Teilanfechtung“ der vollumfänglichen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung im Beschwerdeverfahren zu entziehen (vgl. zur Bemessung eines Vermögensschadens nach dem Salzburger Gleichbehandlungsgesetz sowie der Berechtigung und Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, auch bei bloß „teilweiser“ Anfechtung über den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch zur Gänze zu entscheiden, VwGH 6.11.2019, Ra 2018/12/0011; siehe ferner VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, wonach dann, wenn eine die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht fixierende behördliche Entscheidung nicht aus trennbaren Absprüchen besteht und vor dem Verwaltungsgericht [wenn auch ausdrücklich und in beharrender Weise] lediglich ein Teil - etwa eine im Abspruch enthaltene Nebenbestimmung [eine Befristung, Bedingung, Auflage] - in Beschwerde gezogen [bekämpft bzw. angefochten] wird, das Verwaltungsgericht trotzdem befugt ist, auch zu prüfen, ob die anderen davon nicht trennbaren, aber ausdrücklich unbekämpft gelassenen Teile des verwaltungsbehördlichen Abspruches rechtskonform sind; betreffend Versorgungsgenuss siehe VwGH 19.4.2016, Ra 2016/12/0039).

15       Der zurückweisende Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 2020, Ra 2019/12/0001, traf - anders als das Bundesverwaltungsgericht meint - keine Aussage zur Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung einer Beschwerde infolge ihres eingeschränkt formulierten Anfechtungsumfangs. Vielmehr verwies der Verwaltungsgerichtshof in der zuletzt genannten Entscheidung hinsichtlich der Gründe, die in diesem Verfahren zur Zulässigkeit der Revision im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG vorgebracht worden waren, auf bereits bestehende hg. Rechtsprechung (Hinweis: VwGH 6.11.2019, Ra 2019/12/0045). Dazu führte der Gerichtshof in seinem Beschluss vom 18. Mai 2020, Ra 2019/12/0001, aus, dass der Ausspruch der Behörde über das Besoldungsdienstalter, nämlich betreffend das Ausmaß der gemäß § 12 GehG anzurechnenden Vordienstzeiten, als solcher nicht teilbar sei und als notwendige Einheit nicht hinsichtlich eines damit erworbenen Anspruchs auf Beibehaltung zumindest der darin ausgesprochenen besoldungsrechtlichen Stellung in Rechtskraft erwachsen könne. Trotz des „eingeschränkt“ formulierten Anfechtungsgegenstandes erwüchsen die von der Behörde dem Besoldungsdienstalter vorangestellten Zeiten nicht in Teilrechtskraft, es gelange in diesem Zusammenhang auch nicht das Verbot der „reformatio in peius“ zur Anwendung. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht aus der in dem eben zitierten Verfahren zutreffend erfolgten Beurteilung der Festsetzung des Besoldungsdienstalters als unteilbar die Konsequenz der Beschwerdezurückweisung ziehen durfte, wurde dort - anders als im hier gegenständlichen Verfahren - in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgeworfen.

16       Schließlich lassen sich die Schlussfolgerungen, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. September 1993, 92/12/0184, in Ansehung der Formulierungen des dort konkret zu beurteilenden Beschwerdeschriftsatzes zog (und die zur Abweisung der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde führten), nicht in der im angefochtenen Beschluss dargestellten Weise auf den Revisionsfall übertragen.

17       Indem das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage die Beschwerde des Revisionswerbers unter Hinweis auf ihren „eingeschränkten“ Anfechtungsumfang als unzulässig zurückwies, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

18       Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. November 2020

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen Entscheidung Besondere Rechtsgebiete Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120059.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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