TE Vwgh Beschluss 2020/11/26 Ra 2020/21/0393

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Veröffentlicht am 26.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant und den Hofrat Dr. Sulzbacher als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des H M in H, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Weihburggasse 4/40, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2020, I422 2232069-1/11E, betreffend Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der am 31. Jänner 2002 geborene Revisionswerber, ein tunesischer Staatsangehöriger, hält sich seit März 2015 in Österreich auf, wo bereits seine Mutter mit ihrem zweiten Ehemann, dem Stiefvater des Revisionswerbers, lebte. Vom dritten Ehemann seiner Mutter, einem österreichischen Staatsbürger, wurde der Revisionswerber schließlich adoptiert. Der Revisionswerber erhielt zunächst Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und sodann einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ mit Gültigkeit bis zum 12. Juni 2018, für den er am 12. April 2018 einen Verlängerungsantrag stellte. Die Niederlassungsbehörde trat im Hinblick auf eine rechtskräftige Verurteilung des Revisionswerbers gemäß § 25 Abs. 1 NAG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) heran, das in der Folge ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einleitete.

2        Der Revisionswerber war mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. September 2017 wegen (teilweise versuchten) schweren Raubes in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon zwölf Monate bedingt, verurteilt worden. Mit Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 11. Dezember 2018 wurde er wegen Betrugs und Urkundenunterdrückung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Zuletzt wurde der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. Februar 2020 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lagen insbesondere mehrfache gewerbsmäßig schwere Einbruchsdiebstähle und andere Vermögensdelikte, Nötigungen, eine schwere Erpressung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und eine fahrlässige Körperverletzung, begangen im Zeitraum Oktober 2018 bis Oktober 2019, zugrunde.

3        Mit Bescheid vom 30. April 2020 erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein sechsjähriges Einreiseverbot. Das BFA sprach weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG aus, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Tunesien zulässig sei, gewährte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab.

4        Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gewährt werde. (Mit Teilerkenntnis vom 23. Juni 2020 war bereits der Spruchpunkt betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos behoben worden.)

5        Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8        Unter diesem Gesichtspunkt wird in der Revision vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil keine zukunftsbezogene Beurteilung der Gefährlichkeit des Revisionswerbers erfolgt sei. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht zu wenig das jugendliche Alter des Revisionswerbers und seine starke familiäre Verankerung in Österreich berücksichtigt.

9        Das Bundesverwaltungsgericht hat sich aber zu Recht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezogen, wonach der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/21/0118, Rn. 12, mwN). Von einem Wegfall der Gefährlichkeit des Revisionswerbers, der sich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch in Haft befand, konnte demnach nicht ausgegangen werden. Daran vermochte schon angesichts der massiven, über einen langen Zeitraum gezeigten und nach einer ersten Haftstrafe fortgesetzten Straffälligkeit des Revisionswerbers auch sein jugendliches Alter nichts zu ändern.

10       Auch die - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgte - Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts war jedenfalls nicht unvertretbar (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab bei Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0285, Rn. 10, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte ausreichend die familiären Bindungen des Revisionswerbers in Österreich, ging aber auch unbestritten davon aus, dass seine Mutter erst im letzten Jahr in Tunesien ihre Schwiegermutter besucht hätte und nichts dagegen spreche, dass sie auch den Revisionswerber besuchen werde. Angesichts dessen, dass der Revisionswerber bis zu Beginn seines 14. Lebensjahres in Tunesien aufgewachsen war, durfte das Bundesverwaltungsgericht auch annehmen, dass es ihm - wenn auch allenfalls unter in Anbetracht der Straftaten in Kauf zu nehmenden Schwierigkeiten - möglich sein würde, dort Fuß zu fassen.

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210393.L00

Im RIS seit

11.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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