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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des G S in W, vertreten durch Mag. Herbert Praxmarer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 57, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 7. August 2020, Zl. LVwG-2020/37/0581-10, betreffend Feststellung des Maßes der Wassernutzung gemäß § 13 Abs. 2 WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck; mitbeteiligte Parteien: 1. E A und 2. A S, beide in W und beide vertreten durch Dr. Eckart Söllner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Unterhalb des Wasserkraftwerks der D. S. & Co betreiben - in örtlicher Abfolge - der Erstmitbeteiligte, der Revisionswerber und der Zweitmitbeteiligte jeweils ein Kleinwasserkraftwerk am W.-Mühlkanal. Diese drei Wasserkraftwerke sind im Hinblick auf eine gemeinsame Wehranlage rechtlich und technisch verbunden.
2 Die beiden Turbinen des vom Revisionswerber betriebenen Wasserkraftwerks wurden jeweils mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juni 1907 und 15. Mai 1924 auf unbefristete Dauer wasserrechtlich bewilligt. In diesen Bescheiden wurde jedoch keine bestimmte Wasserentnahmemenge für den Betrieb des Wasserkraftwerks festgelegt.
3 Der die zweite Turbine betreffende Bescheid der belangten Behörde vom 15. Mai 1924 enthält einen Verweis, dass die Betriebswassermenge des „W.-Bachs“ mit dem - das Wasserkraftwerk der D. S. & Co betreffenden - Bescheid der belangten Behörde vom 19. März 1924 fixiert worden sei und die darin enthaltenen Bestimmungen auch für die Anlage des Revisionswerbers gälten.
4 Der Bescheid vom 19. März 1924 hatte ebenfalls keine maximale Wasserentnahmemenge für das vom Revisionswerber betriebene Wasserkraftwerk festgelegt, sondern den (damaligen) Anlagenbetreibern am W.-Mühlkanal bei Einhaltung bestimmter Randbedingungen den Einzug einer 800 l/s übersteigenden Wasserentnahmemenge zugestanden.
5 Dem Erstmitbeteiligten wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 1985 die wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme von maximal 1.200 l/s Wasser aus dem W.-Mühlkanal nach dessen Ableitung durch das Wasserkraftwerk der D. S. & Co zum Zweck der Erzeugung elektrischer Energie zur Versorgung seines Eigenheims einschließlich des hierzu dienenden Wasserkraftwerks befristet bis 31. Dezember 2017 erteilt.
6 Dem Zweitmitbeteiligten wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juni 1979 die wasserrechtliche Bewilligung zum Umbau und Betrieb des von ihm erworbenen Wasserkraftwerks, beschränkt auf eine maximale Wasserentnahmemenge von 800 l/s, befristet bis 31. Dezember 2010 erteilt.
7 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Mai 1994 wurde die maximale Wasserentnahmemenge für das vom Zweitmitbeteiligten betriebene Wasserkraftwerk auf 1.200 l/s erhöht. Unter Auflagenpunkt 2d dieses Bescheids wurde ausgesprochen, es müsse sichergestellt werden, dass diese Konsenswassermenge im Regelfall schadlos abfließen könne.
8 Die Mitbeteiligten haben in den Jahren 2009 (Zweitmitbeteiligter) bzw. 2016 (Erstmitbeteiligter) die Wiederverleihung der ihnen befristet erteilten Wasserbenutzungsrechte beantragt. In diesen noch anhängigen Wiederverleihungsverfahren hat der Revisionswerber aus dem Titel seines Wasserbenutzungsrechts Einwendungen erhoben. Zudem hat er festgehalten, seiner Ansicht nach stehe ihm aufgrund der historischen Unterlagen eine Höchstwasserentnahmemenge von 1.200 l/s zu.
9 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 2020 wurde gemäß § 12 und § 13 Abs. 2 WRG 1959 festgestellt, das tatsächliche Maß der Wasserbenutzung (Konsenswassermenge) des vom Revisionswerber betriebenen Wasserkraftwerks betrage 800 l/s aus dem Einzug des W.-Mühlbachs.
10 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
11 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Gemäß § 11 Abs. 1 WRG 1959 sind bei Erteilung einer nach § 9 oder § 10 Abs. 2 erforderlichen Bewilligung jedenfalls der Ort, das Maß und die Art der Wasserbenutzung zu bestimmen.
16 Gemäß § 12 Abs. 1 WRG 1959 ist das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden.
17 Ergeben sich bei einer bestehenden Anlage Zweifel über das Maß der dem Berechtigten zustehenden Wassernutzung, so hat nach § 13 Abs. 2 WRG 1959 als Regel zu gelten, dass sich das Wasserbenutzungsrecht bloß auf den zur Zeit der Bewilligung maßgebenden Bedarf des Unternehmens erstreckt, sofern die Leistungsfähigkeit der Anlage nicht geringer ist.
18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 13 Abs. 2 WRG 1959 eine Auslegungsregel für Bewilligungsbescheide, die das Maß der zulässigen Wasserbenutzung nicht mit der gebotenen Deutlichkeit bestimmen. Die Anwendung dieser Auslegungsregel setzt einen Zweifel über das Maß der dem Berechtigten zustehenden Wassernutzung voraus (VwGH 19.12.2019, Ro 2019/07/0012; 29.10.2015, 2012/07/0076; 16.12.1999, 98/07/0064).
19 Ist das Maß der zulässigen Wasserbenutzung im Bewilligungsbescheid nicht bestimmt festgesetzt, so wird in ständiger hg. Rechtsprechung die nachträgliche Bestimmung mittels Feststellungsbescheides für zulässig angesehen (vgl. auch dazu VwGH 2012/07/0076; 98/07/0064, jeweils mwN).
20 Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass mit den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden der belangten Behörde vom 24. Juni 1907 und 15. Mai 1924 kein Maß der Wasserbenutzung für das vom Revisionswerber betriebene Wasserkraftwerk festgesetzt wurde.
21 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird jedoch vorgebracht, für dieses Wasserkraftwerk sei ein Maß der Wasserbenutzung von 1.200 l/s unter Auflagenpunkt 2d des den Zweitmitbeteiligten betreffenden Bescheids der belangten Behörde vom 18. Mai 1994 im Sinn der zitierten hg. Rechtsprechung „bestimmt“ festgesetzt worden, weshalb die „Neufestsetzung“ von 800 l/s im Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 2020 unzulässig sei. Damit liege ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zu § 13 Abs. 2 WRG 1959 (Hinweis auf VwGH 2012/07/0076) vor. Auch wäre das „Wasserbenutzungsrecht“ im Rahmen der Zweifelsregel nach § 13 Abs. 2 WRG 1959 in den Wiederverleihungsverfahren der Mitbeteiligten jedenfalls anhand der dort seitens des Revisionswerbers erhobenen Einwendungen zu prüfen und letztlich im Rahmen der Entscheidung über das Wiederverleihungsbegehren „mitzubeurteilen“ gewesen. Es liege daher auch ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung „im Zusammenhang mit der Subsidiarität von Feststellungverfahren“ vor.
22 Damit verkennt der Revisionswerber, dass mit dem genannten Auflagenpunkt 2d des Bescheids der belangten Behörde vom 18. Mai 1994 offenkundig kein bestimmtes Maß der Wasserbenutzung in Bezug auf das vom Revisionswerber betriebene Wasserkraftwerk festgesetzt, sondern nur die Sicherstellung des schadlosen Abfließens der dem Zweitmitbeteiligten zustehenden Konsenswassermenge von 1.200 l/s aufgetragen wurde. Zudem übersieht der Revisionswerber die Bestimmung des § 12 Abs. 1 WRG 1959, wonach in einem Bewilligungsverfahren nur das Maß der zu bewilligenden Wassernutzung (hier also: der Mitbeteiligten), nicht aber das Maß der anderen Parteien aus anderen Rechtstiteln zustehenden Wassernutzung zu bestimmen ist (vgl. VwGH 10.4.1984, 83/07/0313). Gleiches gilt für Wiederverleihungsverfahren.
23 Folglich kam bzw. kommt eine Festsetzung des Maßes der Wasserbenutzung für das vom Revisionswerber betriebene Wasserkraftwerk sowohl im Bescheid der belangten Behörde vom 18. Mai 1994 als auch in den Wiederverleihungsverfahren der Mitbeteiligten von vornherein nicht in Betracht. Auf dem Boden der Zulässigkeitsausführungen kann dem Verwaltungsgericht somit kein Abweichen von der hg. Rechtsprechung vorgeworfen werden.
24 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit zurückzuweisen.
Wien, am 26. November 2020
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070080.L00Im RIS seit
01.02.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021