TE Vwgh Beschluss 2020/12/3 Ra 2020/20/0392

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Rechtssache der Revision des A A M A in W, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. September 2020, L521 2147677-2/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, der über Kroatien und Ungarn nach Österreich gereist war, stellte hier am 20. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der im Instanzenzug gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen wurde. Unter einem wurde festgestellt, dass Kroatien zur Prüfung des Antrages zuständig sei, die Außerlandesbringung des Revisionswerbers angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

2        Am 27. September 2016 stellte der Revisionswerber, nachdem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Schritte zur Durchführung seiner Abschiebung nach Kroatien gesetzt hatte, unter Hinweis darauf, nicht nach Ungarn oder Kroatien zu wollen, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

3        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag (nachdem sein Bescheid vom 26. Jänner 2017 vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen worden war) letztlich mit Bescheid vom 19. Juni 2018 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

4        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 24. September 2020 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht ausreichend mit der Situation im Irak und im Besonderen in Basra befasst. Es fehlten dazu konkrete und aktuelle Feststellungen.

9        Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 24.9.2020, Ra 2020/20/0330, mwN). Diesen Anforderungen wird in der Revision mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht entsprochen.

10       Dies gilt auch für das Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe die „telefonische Befragung des beantragten Zeugen“ abgelehnt. Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ist nämlich konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung ausgesagt hätte und welche (anderen oder ergänzenden) Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/20/0152, mwN). Dem kommt der Revisionswerber, der in der Zulassungsbegründung lediglich unsubstantiiert vorbringt, durch die Befragung des Zeugen wären die „durchgehende Integration und die Charaktereigenschaften - so auch dessen Glaubwürdigkeit - festzustellen gewesen“, nicht nach (im Übrigen auch nicht in den Revisionsgründen). Auf die Frage, ob fallbezogen eine telefonische Befragung überhaupt in Betracht hätte gezogen werden können (vgl. zur [Un-]Zulässigkeit einer bloß telefonischen Befragung eines Zeugen etwa VwGH 25.11.2009, 2006/01/0772), war daher hier nicht weiter einzugehen.

11       Weiters wendet sich die Revision gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 23.10.2020, Ra 2020/20/0359, mwN).

13       Der Revisionswerber zeigt nicht auf, dass die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts als unvertretbar einzustufen wäre. Die in der Revision geltend gemachten Umstände hat das Verwaltungsgericht in seinen Erwägungen hinreichend berücksichtigt. Im Übrigen trifft es auch nicht zu, dass die Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers in Österreich von etwa fünf Jahren allein auf die Länge der bisherigen Verfahren zurückzuführen gewesen wäre. Zudem kommt einer solchen Aufenthaltsdauer für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu. In Fällen, in denen eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vorliegt, wird regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, sodass es gerechtfertigt wäre, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 30.6.2020, Ra 2020/20/0207, mwN).

14       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 3. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200392.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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