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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AlVG 1977 §10 Abs1 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien, Huttengasse, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 2019, W141 2207830-1/18E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien, Huttengasse; mitbeteiligte Partei: O J in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2019, Ra 2019/08/0036, verwiesen, mit dem das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde.
5 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht in Stattgebung der Beschwerde des Mitbeteiligten die Beschwerdevorentscheidung des revisionswerbenden Arbeitsmarktservice (AMS) vom 7. September 2018, mit der das AMS gemäß § 38 iVm. § 10 AlVG ausgesprochen hatte, dass der Mitbeteiligte den Anspruch auf Notstandshilfe vom 1. März 2018 bis 11. April 2018 verloren habe und eine Nachsicht nicht erteilt werde, ersatzlos auf. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
6 Zur Zulässigkeit der Revision macht das revisionswerbende AMS zunächst geltend, das angefochtene Erkenntnis werde den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellten Anforderungen, die an die Begründung der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu stellen seien, nicht gerecht.
7 Es trifft zu, dass das angefochtene Erkenntnis insofern Schwächen in der Gliederung aufweist, als die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes teilweise nicht von der bloßen Wiedergabe des Verfahrensablaufs bzw. einzelner Beweisergebnisse getrennt wurde und ergänzende Feststellungen im Zuge der Ausführungen zu den beweiswürdigenden Erwägungen getroffenen worden sind. Dennoch vermag die Revision mit diesem Vorbringen keine grundsätzliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Es ist nämlich - anders als im ersten Rechtsgang - nunmehr hinreichend klar zu erkennen, von welchen entscheidungswesentlichen Tatsachen das Bundesverwaltungsgericht auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2019/08/0080, mwN).
8 Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision wird weiters geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Verhalten des Mitbeteiligten nicht geeignet gewesen wäre, seinen Ausschluss von der Schulungsmaßnahme zu provozieren.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Vorerkenntnis vom 5. Juni 2019, Ra 2019/08/0036, - mit Blick auf die gegenüber dem Mitbeteiligten vom AMS erhobenen Vorwürfe - dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Vereitelung der Schulungsmaßnahme im Sinn des § 10 Abs. 1 Z 2 AlVG angenommen werden kann. Daraus ist hervorzuheben, dass der Erfolg einer vom Arbeitsmarktservice zugewiesenen Maßnahme auch dadurch vereitelt werden kann, dass die arbeitslose Person ein vorsätzliches Verhalten an den Tag legt, welches objektiv geeignet ist, den Ausschluss von der Maßnahme zu provozieren. Dies könnte auch dadurch erfolgen, dass in Hinblick auf ein aggressives Verhalten ein Ausschluss zur Wahrung der Interessen der anderen Teilnehmer der Maßnahme erforderlich wird, soweit eine arbeitslose Person durch ein solches Verhalten ihren Ausschluss zumindest in Kauf genommen hat.
10 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nunmehr mit den vom AMS gegenüber dem Mitbeteiligten erhobenen Vorwürfen auseinandergesetzt und zu seinem Verhalten und seinen Äußerungen Feststellungen getroffen. Der Mitbeteiligte habe zu Beginn der Schulungsmaßnahme seine Frustration darüber, dass seine Vermittlung am Arbeitsmarkt - insbesondere in Hinblick auf bestehende Vorstrafen - aussichtslos sei, zum Ausdruck gebracht und die Sinnhaftigkeit der Schulungsmaßnahme in Hinblick auf seine Vermittelbarkeit in Abrede gestellt. Auch wenn der Mitbeteiligte bei diesen Äußerungen aufgebracht gewesen sei und Kraftausdrücke verwendet habe, sei sein Verhalten gegenüber den anderen Schulungsteilnehmern und den Trainern nicht bedrohlich bzw. aggressiv gewesen und auch nicht so wahrgenommen worden. In der Folge habe der Mitbeteiligte sich beruhigt und sich - noch bevor ihm mitgeteilt worden sei, dass er die Maßnahme nicht fortsetzen könne - für seine Äußerungen entschuldigt. Davon ausgehend vermag die Revision eine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Verhalten des Mitbeteiligten seinen Ausschluss aus der Schulungsmaßnahme - auch unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Teilnehmer - nicht erforderlich gemacht habe und ihm daher keine Vereitelung der Maßnahme zur Last liege, nicht aufzuzeigen.
11 Die Revision bringt weiters vor, die zu Beginn der Schulungsmaßnahme getätigten Äußerungen des Mitbeteiligten seien als Weigerung der Teilnahme an der Maßnahme aufzufassen. Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die einzelfallbezogene Auslegung von Erklärungen einer Partei - insbesondere auch eines Arbeitslosen - im Allgemeinen nicht revisibel ist. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann als revisibel anzusehen, wenn sich die diesbezügliche rechtliche Beurteilung durch das Verwaltungsgericht als unvertretbar erweist (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2018/08/0008, mwN). Im vorliegenden Fall wurde der Mitbeteiligte nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu der Schulungsmaßnahme zugewiesen, um in deren Zuge den Staplerschein machen zu können. Vor dem Hintergrund, dass der Mitbeteiligte sich nach den Feststellungen vor seinem Ausschluss aus der Maßnahme für seine zuvor getätigten Äußerungen entschuldigt und bekräftigt hat, im Zuge der Schulungsmaßnahme den Staplerschein machen zu wollen, erweist sich die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Mitbeteiligte eine Weigerung zur weiteren Teilnahme an der Maßnahme nicht zum Ausdruck gebracht habe, nicht als korrekturbedürftig.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 3. Dezember 2020
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080136.L00Im RIS seit
15.02.2021Zuletzt aktualisiert am
15.02.2021