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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
BAO §115 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der J GesnbR in G, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Nikolaus, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1130 Wien, St. Veit-Gasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. Juli 2018, Zl. RS/7100050/2018, betreffend Abweisung einer Säumnisbeschwerde (Umsatzsteuer 2015, 2016) gemäß § 284 Abs. 4 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin reichte am 30. Juni 2016 ihre Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2015 und am 28. Juni 2017 ihre Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2016 ein.
2 Am 9. April 2018 erhob die Revisionswerberin hinsichtlich der Umsatzsteuererklärungen 2015 und 2016 eine Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht. Die Bescheide seien als „Nullbescheide“ zu erlassen, weil die Umsätze nach Ansicht des Finanzamtes dem Gesellschafter der Revisionswerberin, JS, zuzurechnen seien.
3 Das Bundesfinanzgericht trug gemäß § 284 Abs. 2 BAO mit Beschluss vom 17. April 2018 dem Finanzamt auf, bis spätestens 13. Juli 2018 die Umsatzsteuerbescheide für das Jahr 2015 und 2016 zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.
4 Im Schreiben des Finanzamtes an das Bundesfinanzgericht vom 6. Juli 2018 wurde Folgendes ausgeführt:
5 In einer die Jahre 2010 bis 2012 betreffenden Außenprüfung samt Nachschau bis 2/2014 vertrat der Prüfer die Ansicht, die Umsätze der Revisionswerberin seien ihr nicht zuzurechnen, sondern beim Gesellschafter JS zu erfassen. Gegen die an JS ergangenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahr 2011 und 2012 erhob dieser am 16. März 2018 Beschwerde, in der er vorbrachte, die Revisionswerberin sei in diesem Zeitraum nach außen aufgetreten. Für die Jahre 2015 und 2016 erklärte JS die Umsätze als seine eigenen Umsätze.
6 Am 11. April 2018 beantragte die Revisionswerberin die Wiederaufnahme des Verfahrens für die Umsatzsteuer 2014. Die Umsätze seien JS zuzurechnen und bei der Revisionswerberin mit Null festzusetzen.
7 In Beantwortung des Beschlusses des Bundesfinanzgerichts führte das Finanzamt im Schreiben vom 6. Juli 2018 schließlich aus, es seien für die Veranlagungsjahre 2011 bis 2014 unterschiedliche, teils einander widersprechende Anträge hinsichtlich der Zurechnung der Umsätze eingebracht worden. Die Widersprüche seien im Vorhalteverfahren zu klären, weshalb die Umsatzsteuerbescheide 2015 und 2016 nicht innerhalb der vom Bundesfinanzgericht gesetzten dreimonatigen Frist ergehen könnten.
8 An die Revisionswerberin richtete das Finanzamt mit Schreiben vom gleichen Tag das Ersuchen um Ergänzung betreffend den Antrag auf Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer 2014. Die Revisionswerberin wurde ersucht, die Widersprüche zwischen dem Wiederaufnahmeantrag der Revisionswerberin vom 11. April 2018 und der Beschwerde von JS vom 16. März 2018 aufzuklären.
9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Säumnisbeschwerde ab, weil die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Finanzamtes zurückzuführen sei. Die Außenprüfung sei erst Anfang 2018 abgeschlossen worden. Aufgrund widersprüchlicher Sachvorbringen der Revisionswerberin könne der Abgabenbehörde kein überwiegendes Verschulden an der Nichteinhaltung der Entscheidungsfrist angelastet werden.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, am 6. September 2018 zur Post gegebene, außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht hätte der Revisionswerberin im Rahmen des Parteiengehörs die Äußerung des Finanzamtes vorhalten müssen, mit dem dieses das mangelnde überwiegende Verschulden an der Säumnis begründet hatte. Das Bundesfinanzgericht habe zudem das fehlende überwiegende Verschulden der Behörde mangelhaft begründet.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision ist zulässig und begründet.
13 Wie die Revision zutreffend aufzeigt, hätte das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin im Hinblick auf das Schreiben des Finanzamtes Parteiengehör gewähren müssen. Indem das Bundesfinanzgericht dies unterlassen hat, hat es der Revisionswerberin die Möglichkeit zur Stellungnahme genommen und seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Dieser Verfahrensmangel ist auch relevant, weil die Revisionswerberin schon in der Säumnisbeschwerde darauf hingewiesen hatte, dass das Finanzamt mit Bescheiden vom 23. März 2018 die Umsätze für die Jahre 2015 und 2016 bereits JS zugerechnet hatte. Dazu hatte das Finanzamt im Schreiben an das Bundesfinanzgericht keine Stellungnahme abgegeben. Ausgehend davon erweist sich aber auch die Einschätzung des Bundesfinanzgerichtes, es könne nicht von einem überwiegenden Verschulden des Finanzamtes ausgegangen werden, als nicht tragfähig.
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 43 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 4. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018130087.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021