Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin M*****, Slowenien, vertreten durch Mag. Erich Hierz, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegnerin E***** AG, *****, Bundesrepublik Deutschland, wegen 5.856 EUR, 915 EUR und 1.342 EUR sA, infolge des Ordinationsantrags der Antragstellerin den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag, die Rechtssache einem österreichischen Gericht gemäß § 28 Abs 1 JN zuzuweisen, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Antragstellerin, die ihren Sitz in Slowenien hat, beabsichtigt gegen die Antragsgegnerin, deren Sitz sich nach dem Antragsvorbringen in der Bundesrepublik Deutschland befindet, ein Europäisches Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) 2006/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (EuMahnVO) vor dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien einzuleiten. Beantragt werden soll die Erlassung eines Zahlungsbefehls über die aus den Werkverträgen vom 17. 9. 2018 und vom 4. 1. 2019 geschuldeten Beträge in Höhe von 5.856 EUR, 915 EUR und 1.342 EUR.
[2] Mit ihrem beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Antrag beantragt die Antragstellerin, der Oberste Gerichtshof wolle gemäß § 28 JN ein örtlich zuständiges Gericht für die Geltendmachung dieser Forderungen bestimmen. Sie bringt vor, die den Werkverträgen zugrunde liegenden Installationsarbeiten seien von ihr auftragsgemäß erbracht worden. Die Antragsgegnerin habe trotz ordnungsgemäßer Rechnungslegung und Mahnung die geschuldeten Beträge nicht beglichen. Vertragsinhalt seien unter anderem die allgemeinen Liefer- und Montagebedingungen des Dachverbands der Maschinen- und Stahlbauindustrie Österreichs vom Juli 1999. In deren Punkt 18 werde als Gerichtsstand für alle sich (mittelbar oder unmittelbar) aus dem Vertrag ergebenden Streitigkeiten das für den Sitz des Auftragnehmers örtlich zuständige österreichische Gericht vereinbart. Aus Punkt 19 lit c der Liefer- und Montagebedingungen gehe hervor, dass der Vertrag österreichischem materiellem Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts unterliege. Somit sei die Zuständigkeit österreichischer Gerichte vereinbart worden. Die örtliche Zuständigkeit sei im konkreten Fall jedoch unwirksam, da der Auftragnehmer (die Antragstellerin) keinen Sitz in Österreich habe. Für den Fall des Einlangens eines fristgerechten Einspruchs gegen den Europäischen Zahlungsbefehl sei im Sinn des § 252 Abs 3 ZPO ein örtlich zuständiges Gericht namhaft zu machen, weshalb der Oberste Gerichtshof gemäß § 28 JN ein solches bestimmen möge.
Rechtliche Beurteilung
[3] Ausgehend von diesem Vorbringen liegen die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN nicht vor.
[4] 1.1 In der Regel kann die Ordination nur für einen bestimmten Anspruch bewilligt werden, der im streitigen Verfahren grundsätzlich durch Vorlage einer Klage entsprechend zu individualisieren ist (RS0036093 [T1], RS0046300). Allerdings wird es auch als ausreichend angesehen, wenn dem Ordinationsantrag der gesamte Klagsinhalt zu entnehmen ist. In diesem Fall ist die zur Individualisierung des Anspruchs in der Regel erforderliche Vorlage der Klage entbehrlich (RS0036093 [T3], RS0046300 [T2]).
[5] 1.2 Da dem vorliegenden Antrag der Inhalt des beabsichtigten Antrags auf Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls ausreichend zu entnehmen ist, hindert die unterbliebene Vorlage dieses Antrags die Ordination nach § 28 JN grundsätzlich nicht.
[6] 2. Dennoch ist der Ordinationsantrag zurückzuweisen:
[7] 2.1 Über das Verfahren nach der Europäischen Mahnverordnung ist in Österreich nach § 252 Abs 2 ZPO ausschließlich das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig. Es hat bei Vorliegen einer Mahnklage an Hand des Antragsformulars nach Art 8 EuMahnVO zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung eines Zahlungsbefehls (Art 2, 3, 4, 6 und 7 EuMahnVO) gegeben sind. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Gericht einen Europäischen Zahlungsbefehl zu erlassen (Art 12 EuMahnVO).
[8] 2.2 Nach einem fristgerechten Einspruch ist das Verfahren – außer bei einem gegenteiligen Antrag des Antragstellers – vor den zuständigen Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats gemäß den Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weiterzuführen (Art 17 Abs 1 EuMahnVO), wobei die Überleitung nach dem Prozessrecht dieses Staats zu erfolgen hat (Art 17 Abs 2 EuMahnVO). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich daher nach nationalem Recht (Kodek in Fasching/Konecny3 V/2, EuMahnVO Art 17 Rz 6).
[9] 2.3 Für diese Überleitung in das ordentliche Verfahren sieht § 252 Abs 3 ZPO vor, dass das Gericht nach Einlangen eines fristgerechten Einspruchs diesen dem Antragsteller mit der Aufforderung zuzustellen hat, binnen einer Frist von 30 Tagen das für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens zuständige Gericht namhaft zu machen. Macht der Antragsteller fristgerecht ein Gericht namhaft, so ist diese Rechtssache an dieses zu überweisen. Macht der Antragsteller innerhalb der Frist kein Gericht namhaft, ist die Klage zurückzuweisen.
[10] 4.1 Im vorliegenden Fall strebt der Kläger für den Fall, dass ein fristgerechter Einspruch erfolgen sollte, bereits jetzt eine Ordination eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof an.
[11] 4.2 Zwar ist es grundsätzlich möglich, einen mit einer Klage verbundenen Ordinationsantrag auch als Eventualantrag zu stellen (vgl 1 Nc 1/13g; 5 Nc 29/10z). Über den vorliegenden Antrag kommt eine (positive) Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aber nicht in Betracht.
[12] 4.3 Gemäß § 28 Abs 1 JN kann ein Gericht für eine Rechtssache nur dann als örtlich zuständig bestimmt werden, wenn für diese Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinn der Zivilprozessordnung oder einer anderen maßgeblichen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind.
[13] 4.4 Nach dem Antragsvorbringen ist noch ungewiss, ob gegen den Europäischen Zahlungsbefehl ein fristgerechter Einspruch erhoben werden wird und sich das von der Antragstellerin für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens namhaft gemachte Gericht für örtlich unzuständig halten sollte. Jedenfalls liegt eine rechtskräftige verneinende Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit derzeit nicht vor. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts sind aber so lange nicht gegeben, als dieses seine Zuständigkeit nicht rechtskräftig verneint hat (RS0046450, RS0046443).
[14] 5. Für den Obersten Gerichtshof besteht daher derzeit weder ein Anlass noch eine Möglichkeit zu einem Vorgehen nach § 28 JN. Der Zweck der Ordination liegt nicht darin, dem Antragsteller bereits im Vorhinein für den Fall eines fristgerechten Einspruchs gegen einen europäischen Zahlungsbefehl ein örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen, damit er dieses als für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens zuständiges Gericht namhaft machen und auf diesem Weg der Zurückweisung der Klage entgehen kann.
[15] Der Antrag auf Ordination nach § 28 JN ist daher zurückzuweisen.
Textnummer
E130135European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0100NC00017.20M.1118.000Im RIS seit
29.12.2020Zuletzt aktualisiert am
29.12.2020