TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/18 96/02/0003

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Veröffentlicht am 18.07.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §38;
B-VG Art140 Abs7;
StVO 1960 §99 Abs6 litc idF 1994/518;
VStG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des J in F, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 14. November 1995, Zl. Senat-LF-94-059, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 1995 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 15. Februar 1994 gegen 22.20 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten LKW an einem näher bezeichneten Ort gelenkt und einen Unfall verursacht, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Die belangte Behörde ging dabei im wesentlichen davon aus, daß die Blutalkoholkonzentration beim Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt 1,47 Promille betragen habe, wobei die belangte Behörde dem Beschwerdeführer hinsichtlich des von ihm behaupteten Nachtrunkes keinen Glauben schenkte.

Mit Strafurteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 17. Juli 1995, rechtskräftig - wie sich aus der im Akt erliegenden Benachrichtigung von der Beendigung des Strafverfahrens durch das Bezirksgericht St. Pölten sowie aus dem diesbezüglichen Protokollsvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung ergibt - seit dem 21. Juli 1995, wurde der Beschwerdeführer aufgrund des gegenständlichen Vorfalles vom 15. Februar 1994 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldstrafe (und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Wie jedoch aufgrund einer Mitteilung des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13. Mai 1994 und eines im Verwaltungsakt erliegenden, vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde vorgelegten Sachverständigengutachtens, welches offenbar im Rahmen des gerichtlichen Strafverfahrens vom Bezirksgericht St. Pölten zur Frage der Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt eingeholt worden war und zum Ergebnis führte, daß eine relevante Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt nicht vorgelegen habe ("näherungsweise 0,6 Promille"), zu ersehen ist, umfaßt der ursprüngliche Strafantrag anscheinend auch eine Verfolgung des Beschwerdeführers gemäß § 88 Abs. 3 StGB.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat über die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14. November 1995 erhobene Beschwerde erwogen:

Mit seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 1996, G 9/96 u.a., sprach der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, daß die Wortfolge "in Abs. 2, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, verfassungswidrig war. Die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmungen seien auch in jenen Rechtssachen nicht mehr anzuwenden, die am 5. Dezember 1996 bei einem unabhängigen Verwaltungssenat oder beim Verwaltungsgerichtshof anhängig waren.

Im Hinblick auf den Tattag (15. Februar 1994) war im Beschwerdefall noch § 99 Abs. 6 lit. c in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle anzuwenden (Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Oktober 1994; siehe § 103 Abs. 2a leg.cit.). Die vorliegende Beschwerde langte am 3. Jänner 1996 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren war somit zum 5. Dezember 1996 bereits anhängig. Der vorliegende Beschwerdefall ist daher einem Anlaßfall des vom Verfassungsgerichtshof durchgeführten Gesetzesprüfungsverfahrens gleichzuhalten.

Es ist aufgrund des vorgenannten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes i.V.m. Art. 140 Abs. 7 B-VG im Beschwerdefall daher so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960 in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung hat daher folgenden Wortlaut:

"Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn eine Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."

Das dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verhalten, nämlich das Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, war anscheinend bereits Gegenstand des gegen den Beschwerdeführer geführten gerichtlichen Strafverfahrens.

Die Frage, ob die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht, stellt sich als Vorfrage dar, die mangels Vorliegens einer bindenden gerichtlichen Verurteilung von der Behörde selbständig zu prüfen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/03/0372). Das ist hier nicht erfolgt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil für den angefochtenen Bescheid lediglich Stempelgebühren im Ausmaß von S 150,-- anfielen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996020003.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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