TE OGH 2020/12/14 27Ds7/19i

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Veröffentlicht am 14.12.2020
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Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 14. Dezember 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Hausmann und Mag. Vas als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Doll in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die

Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 6. Juni 2019, AZ D 151/18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani und des Kammeranwalts Dr. Meyenburg zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung (zu ergänzen:) nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt (1./, 2./ und 3./) und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (zu ergänzen:) nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt (2./) schuldig erkannt (vgl auch ES 11). Danach hat er, soweit für die Behandlung der Berufung von Relevanz,

1./ den Aufforderungen des elektronischen Anwaltlichen Treuhandbuchs (eATHB) vom 29. Mai und 28. Juni 2017, in der Treuhandschaft Reg Nr ***** weitere Auszüge des Treuhandkontos zu übermitteln und über den Stand der Abwicklung zu berichten bzw die elektronische „Historisch“-Setzung zu veranlassen, bis dato keine Folge geleistet;

2./ seine Verpflichtungen aus dem Treuhandvertrag vom 26. September 2012 (iVm mit dem Kaufvertrag vom 5. September 2012 [ES 4 f]) gegenüber Lukas N***** und dessen Bank U***** AG verletzt, indem er

a./ es bis dato unterlassen hat, eine Höchstbetragshypothek von 150.000 Euro mit Kautionsband für die U***** AG auf den von Lukas N***** zu erwerbenden Liegenschaftsanteilen der Liegenschaft EZ *****, im ersten Geldrang einverleiben zu lassen,

b./ es jedenfalls unterlassen hat, die Verpflichtung nach Punkt a./ binnen der vereinbarten, zuletzt bis 31. November 2015 verlängerten Frist zu erfüllen,

c./ die von der genannten Bank treuhändig überlassene Valuta in der Höhe von 125.000 Euro vereinbarungswidrig vor Erfüllung der Treuhandbedingungen an den Verkäufer der genannten Liegenschaft ausbezahlt hat;

Rechtsanwalt ***** wurde hiefür zur unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen (§ 16 Abs 2 DSt) Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten (§ 16 Abs 1 Z 3 DSt) sowie zu einer Geldbuße in Höhe von 6.000 Euro (§ 16 Abs 3 iVm § 16 Abs 1 Z 2 DSt) verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen (der Sache nach) Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0128656 [T1]), Schuld und Strafe.

Der gegen Schuldspruch 1./ gerichtete (der Sache nach aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobene) Einwand, seit der letzten – nach dem verurteilenden Erkenntnis vom 9. November 2016 erfolgten (vgl ES 8) – Berichterstattung bzw Auskunftserteilung habe sich am Stand der Sache nichts geändert und haben auf dem Konto abgesehen von der Abbuchung der Kontogebühren keine Bewegungen stattgefunden, verkennt, dass ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, Anfragen der Treuhandeinrichtung der Rechtsanwaltskammer (vgl nunmehr § 23 Abs 6 RAO) im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgesehenen Überwachung der Treuhandabwicklungen (vgl § 10a Abs 4 und 5 RAO) zu beantworten (vgl § 23 Abs 2 und 6 RAO iVm § 26 RL-BA 2015). Dem hätte er auch mit der Mitteilung entsprochen, dass zwischenzeitig keine wesentlichen Änderungen eingetreten sind. Die Nichtbeantwortung rechtmäßiger – zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Abwicklung übernommener Treuhandschaften ergangener – Anfragen der Treuhandeinrichtung der Rechtsanwaltskammer stellt eine Berufspflichtenverletzung dar (RIS-Justiz RS0055017 [T2 und T3]).

Mit dem gegen den Schuldspruch 2./a./ und b./ gerichteten Vorbringen, er sei bei Übernahme des Mandats irrtümlich davon ausgegangen, „er könnte das Eigentumsrecht von N***** vorerst auf den angenommenen Liegenschaftsanteilen einverleiben und diese in der Folge im Zuge der erforderlichen Neuparifizierung des gesamten Hauses entsprechend berichtigen“, und habe sodann – nach Erkennen dieses Irrtums – die Interessen des Lukas N***** durch die Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG sichergestellt, und der Behauptung, das Unterbleiben der grundbücherlichen Durchführung des Kaufvertrags sei auf die Notwendigkeit der Erstellung eines neuen Nutzwertgutachtens und des Abschlusses eines entsprechend geänderten Wohnungseigentumsvertrags zurückzuführen, was sich infolge Insolvenz der D***** GmbH verzögert habe, vermag der Disziplinarbeschuldigte – unter dem Aspekt einer Schuldberufung – keine Bedenken gegen die Überzeugung des Disziplinarrats von (zumindest) fahrlässigem Handeln in Bezug auf die jahrelange Nichterfüllung der aufgrund der Treuhandvereinbarung gegenüber der U***** AG bestehenden Pflichten (ES 2 iVm ES 5 ff) zu wecken.

Soweit der Disziplinarbeschuldigte zum Schuldspruch 2./c./ eine vereinbarungswidrige Auszahlung der treuhändig überlassenen Valuta bestreitet, ignoriert er – unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsrüge (Z 9 lit a StPO) – die Sachverhaltsannahmen des Disziplinarrats zu den Treuhandbedingungen des Kaufvertrags (ES 5).

Mit allgemeinen Ausführungen zur Abwicklung von Treuhandschaften bei kreditfinanzierten Immobiliengeschäften und der Behauptung, er habe den Kaufpreis nicht an den Verkäufer Robert Z***** ausbezahlt, sondern – wie im Kaufvertrag vorgesehen – lediglich die kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteile durch Zahlung auf das Kreditkonto des Robert Z***** „lastenfrei gestellt“, vermag der Berufungswerber – unter dem Aspekt einer Schuldberufung – keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken, der die konstatierte Auszahlung des Kaufpreises an den Verkäufer am 14. November 2012 trotz der zuvor am 29. Oktober 2012 erfolgten Abweisung des Antrags auf Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten des Lukas N***** und vor der am 11. Dezember 2012 erfolgten Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum (ES 7 f) nachvollziehbar aus den verlesenen Urkunden (vgl ES 4), insbesondere den Kontoauszügen und dem Grundbuchsauszug, erschlossen hat.

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war der Berufung wegen Schuld daher keine Folge zu geben. Aber auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe versagt:

Da die ordnungsgemäße Abwicklung von Treuhandschaften zu den vornehmsten Aufgaben der Rechtsanwaltschaft gehört, ist das Ansehen der Rechtsanwaltschaft durch jedwede Störung des ordnungsgemäßen Ablaufs, auch und gerade wenn sie durch Verkennung der Rechtslage seitens des Treuhänders bedingt ist, schwerst beeinträchtigt. Die verhängte Strafe ist daher unter Berücksichtigung der vom Disziplinarrat angenommenen Erschwerungsgründe einer einschlägigen Vorstrafe und des Zusammentreffens mehrerer Tathandlungen aus general- und spezialpräventiven Gründen als tat- und schuldangemessen anzusehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Textnummer

E130160

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0270DS00007.19I.1214.000

Im RIS seit

30.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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