Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers D*****, vertreten durch Berger Daichendt Grobovschek Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Liegenschaft EZ ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin Gemeinde M*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 6. August 2020, AZ 53 R 107/20x, mit dem der Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am See vom 26. Mai 2020, TZ 3218/20, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht bewilligte die vom Antragsteller begehrte Einverleibung seines Eigentumsrechts im Rang einer Rangordnungsanmerkung aufgrund des Kaufvertrags vom 19. Februar 2020, des Rangordnungsbeschlusses, einer Bescheinigung des Bürgermeisters der Einschreiterin, dass der Antragsteller gemäß § 13d Abs 4 Z 1 des Sbg GVG 2001 die Nutzungserklärung gemäß § 13d Abs 1 leg cit abgegeben hat, sowie eines Bescheids der Agrarbehörde des Landes Salzburg vom 11. März 2020, mit dem festgestellt wurde, dass der genannte Kaufvertrag zur Durchführung der Flurbereinigung in der KG ***** erforderlich sei und zur Sicherung des Flurbereinigungserfolgs die im Eigentum des Erwerbers stehenden Liegenschaften der kaufgegenständlichen Liegenschaft zuzuschreiben seien.
Das Rekursgericht wies den von der Einschreiterin dagegen erhobenen Rekurs als unzulässig zurück. Eine Rekurslegitimation der Gemeinde zur Wahrung öffentlicher Interessen an der Einhaltung grundverkehrsbehördlicher Vorschriften bestehe nicht, das Sbg GVG 2001 sehe kein Rekursrecht vor. Dass die Grundverkehrskommission im Bundesland Salzburg nach § 28 Sbg GVG 2001 auch aus einem Vertreter der Gemeinde bestehe, begründe keine Rekurslegitimation, zumal der Gemeinde keine Zuständigkeit als Grundverkehrsbehörde für die Zustimmung zu bestimmten Rechtsgeschäften zukomme. Selbst bei Rekurslegitimation der Gemeinde könnte diese überdies nur geltend machen, dass die Einverleibung nach grundverkehrsbehördlichen Vorschriften mangels Genehmigung nicht zulässig sei. Die im Rekurs relevierte Frage der Auswirkungen der im Kaufvertrag vereinbarten aufschiebenden Bedingung betreffe nicht die Zulässigkeit der Eintragung nach § 30 Sbg GVG 2001.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rekurslegitimation einer Gemeinde zur Wahrung der Einhaltung von Bestimmungen eines Grundverkehrsgesetzes bestehe nicht.
In ihrem Revisionsrekurs strebt die Einschreiterin die Abänderung der rekursgerichtlichen Entscheidung dahin an, dass das Einverleibungsgesuch abgewiesen werde. Sie behauptet auch die Verfassungswidrigkeit des § 30 Abs 1 Z 3 lit c Sbg GVG 2001 und regt die Vorlage an den Verfassungsgerichtshof an.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) – nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG). Ein Anlass für die Befassung des Verfassungsgerichthofs besteht nicht.
1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige, Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656). Soweit es um die Auslegung von nicht in die Kompetenz ordentlicher Gerichte fallender Rechtsmaterien geht, kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (RS0116438; 5 Ob 48/18x [zu Bestimmungen des Grundverkehrsrechts]; 5 Ob 93/20t [zu Bestimmungen der BgldBauO]). Die Kasuistik des Einzelfalls schließt überdies eine beispielgebende Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof in der Regel aus (RS0042405). Der Umstand allein, dass der Oberste Gerichtshof noch nicht ausdrücklich zur Rechtsmittellegitimation einer Gemeinde zur Wahrung grundverkehrsrechtlicher Bestimmungen Stellung genommen hat, kann für sich allein daher keine erhebliche Rechtsfrage begründen. Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.
2.1. Zur Frage der Rechtsmittellegitimation einer Behörde in Grundbuchsachen besteht gesicherte Rechtsprechung des Fachsenats. Demnach ist die Gemeinde im Grundbuchsverfahren als Baubehörde erster Instanz rekurslegitimiert, wenn eine Angelegenheit ihres selbständigen Wirkungskreises Vorkehrungen im Grundbuch erfordert (RS0006691; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 122 GBG Rz 46 mwN). Auch die Rekurslegitimation der Gemeinde zur Abwehr von Grundbuchseintragungen, die unter Verletzung des § 31 Abs 3 StadtErnG bewilligt wurden, wurde auf die von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Zwecke (§ 8 Abs 1 StadtErnG) und das besondere gesetzliche Vorkaufsrecht der Gemeinden nach diesem Gesetz gestützt (vgl RS0006685). Demgegenüber sprach der Fachsenat zu 5 Ob 21/14w aus, dass die dort von der Gemeinde als Revisionsrekurswerberin angestrengten Überlegungen zum Wegfall eines Steuerbefreiungstatbestands nach dem GrStG 1955 infolge Preisgabe des Eigentums durch den Antragsteller als bloß wirtschaftliches Interesse eine Rechtsmittellegitimation nicht begründen könnten.
2.2. Grundsätzlich steht es der Finanzprokuratur zu, innerhalb der den Parteien offenstehenden Frist Rekurs wegen Verletzung öffentlicher Interessen zu erheben (RS0066091; RS0060798). Dies ist aus § 1 Abs 3 FinProkG abzuleiten (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 122 GBG Rz 47 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung reichen allerdings auch dann bloß mittelbare Auswirkungen der Entscheidung auf öffentliche Interessen nicht aus (RS0071582). Der Grundverkehrsbehörde selbst kommt in der Regel keine Rechtsmittellegitimation gegen Grundbuchseintragungen zu (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 94 GBG Rz 136/1 mwN).
2.3. Das Sbg GVG 2001 sieht Parteirechte der Grundverkehrsbehörden – abgesehen vom Verfahren nach § 31 und § 34 Sbg GVG 2001 – nach seinem eindeutigen Wortlaut ebensowenig vor wie deren Rechtsmittellegitimation. Als Grundverkehrsbehörden definiert es im § 27 Abs 1 Z 1 den Bürgermeister und Z 2 die Bezirksverwaltungsbehörde für die Ausstellung der jeweils dort genannten Bescheinigungen, in Z 3 die am Sitz der Bezirksverwaltungsbehörde eingerichtete Grundverkehrskommission für Rechtserwerb an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und die Landesregierung in Z 4 etwa für die Ausstellung der dort genannten Bescheinigungen, den Ausländergrundverkehr und die Klage nach § 34 Sbg GVG 2001. Die Gemeinden selbst sind nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 27 Sbg GVG 2001 daher nicht zum Vollzug des Grundverkehrsrechts berufen.
2.4. Warum der Umstand, dass die Grundverkehrskommission im Bundesland Salzburg nach § 28 Sbg GVG 2001 auch aus einem Vertreter der Gemeinde zu bestehen hat, eine Rechtsmittellegitimation der diesen Vertreter entsendenden Gemeinde begründen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Die Einleitung eines Prüfungsverfahrens nach § 31 Sbg GVG 2001 bleibt der Grundverkehrsbehörde unbenommen, wenn im Sinn des § 31 Abs 1 Sbg GVG 2001 anzunehmen wäre, dass für den grundbücherlich bereits durchgeführten Rechtserwerb die erforderliche Zustimmung fehlt oder eine zugrundeliegende Bescheinigung unrichtig war. In diesem Umfang kommt der Grundverkehrsbehörde (nicht aber der Gemeinde!) auch Parteistellung und Rechtsmittellegitimation zu (vgl Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 94 GBG Rz 148/2 mwN). § 34 Sbg GVG 2001 sieht eine Klage der Landesregierung als Grundverkehrsbehörde auf Feststellung der Nichtigkeit von Schein- oder Umgehungsgeschäften vor. Für Rechtsschutz zur Einhaltung grundverkehrsrechtlicher Vorschriften hat der Salzburger Landesgesetzgeber daher gesorgt, der zuständigen Gemeinde aber – abgesehen von den Kompetenzen des Bürgermeisters im Zusammenhang mit der Ausstellung der Bescheinigungen – eindeutig keine Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt.
3. Die Entscheidung des Rekursgerichts orientierte sich an diesem durch das Sbg GVG 2001 und die bereits vorliegende höchstgerichtliche Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen und wendete diese Grundsätze auf den konkreten Einzelfall an. Mangels Rechtsmittellegitimation der Einschreiterin in Bezug auf die Einhaltung grundverkehrsrechtlicher Vorschriften nach dem Sbg GVG 2001 von der Unzulässigkeit ihres Rekurses auszugehen, ist daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
4. Auf die inhaltliche Hilfsbegründung des Rekursgerichts ist daher nicht mehr einzugehen. Auch die Frage, ob das Erstgericht im Sinn des § 3 Abs 2 lit d/§ 30 Abs 2 lit c Sbg GVG 2001 davon ausgehen durfte, dass der Verbücherung ein rechtskräftiger Bescheid der Agrarbehörde zugrunde lag, ist mangels eines zulässigen Rechtsmittels nicht zu prüfen. Damit bedarf auch die behauptete Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung und die daraus abgeleitete Anregung zur Vorlage an den Verfassungsgerichtshof keiner Erörterung.
5. Der Revisionsrekurs war vielmehr zurückzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).
Textnummer
E129845European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00172.20K.1014.000Im RIS seit
24.12.2020Zuletzt aktualisiert am
24.12.2020