TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/15 I405 2121550-2

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Veröffentlicht am 15.06.2020
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Entscheidungsdatum

15.06.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2121550-2/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Sierra Leone, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 18.10.2018, Zl. 1084775903/180460391, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2020, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 28.08.2015 stellte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab die BF an, dass die Regierung geglaubt habe, dass ihr Mann an Ebola erkrankt sei. Deswegen sei ihr Mann umgebracht worden. Sie sei mit ihren Kindern nach Gambia geflüchtet. Im März dieses Jahres habe sie nur mit Hilfe eines weißen Mannes nach Österreich flüchten können. Ihre Kinder habe sie zurücklassen müssen, da sie nicht das nötige Geld für sie gehabt habe.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.01.2016 wurde dieser Antrag abgewiesen und die BF nach Sierra Leone ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2017 als unbegründet abgewiesen.

3. Am 16.05.2018 stellte die BF den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe brachte die BF zusammengefasst vor, dass der Bruder ihres verstorbenen Mannes Anzeige gegen sie erstattet habe, da er sie für den Tod ihres Mannes (seines Bruders) verantwortlich mache. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie zu Unrecht inhaftiert oder von den Behörden getötet zu werden.

4. Am 25.06.2018 sowie am 30.07.2018 wurde die BF von der belangten Behörde einvernommen. Ergänzend gab die BF an, dass sie befürchte, von ihrem Schwager getötet zu werden.

5. Am 18.07.2018 sowie am 09.08.2018 wurde die BF von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin untersucht. Im Rahmen der Untersuchung brachte die BF vor, dass sie „auch mit ihrem Körper“ für die Schleppung bezahlt habe, auf der Flucht mehrmals vergewaltigt worden sei und mit dem Schlepper geschlafen habe. Die Gutachterin stellte fest, dass die BF an einer einem Restzustand nach einer Anpassungsstörung leide. Sie benötige keine therapeutischen oder medikamentösen Maßnahmen.

6. Am 10.10.2018 wurde die BF erneut von der belangten Behörde einvernommen. Im Rahmen der Einvernahme gab die BF an, dass sie nicht nochmals von ihrer Vergewaltigung sprechen wolle. Sie habe beim Arzt bereits alles gesagt. Sie sei von zwei Männern vergewaltigt worden, welche Messer gehabt hätten. Es sei schrecklich gewesen, von zwei Männern vergewaltigt zu werden. Sie habe versucht, sich zu verteidigen, aber die Männer hätten Messer gehabt und sie sei verletzt worden. Sie wolle nicht darüber sprechen.

7. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 18.10.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Sierra Leone gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Zugleich erteilte sie der BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Sierra Leone gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde des Weiteren ausgesprochen, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht (Spruchpunkt III.). Zugleich erließ die belangte Behörde gegen die BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.).

8. Gegen diesen Bescheid erhob die BF rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel einer Beschwerde. Begründend führte die BF zusammengefasst aus, dass die belangte Behörde zwar festgehalten habe, dass die BF an einem Restsymptom einer Anpassungsstörung leide und zudem die Medikamente Levofloxacin, Pantoloc, Oleovit und Osteo Aktiv Ktbl. benötige, jedoch keinerlei Ermittlungen angestellt habe, ob die für die BF erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente in Sierra Leone verfügbar seien und mit welchen Kosten sie für die BF verbunden wären. Des Weiteren stelle sich das Ermittlungsverfahren als mangelhaft dar, da es die Behörde unterlassen habe, die BF näher zu den Umständen ihrer Schlepperei zu befragen. Dazu wäre sie jedoch von Amts wegen verpflichtet gewesen, da aufgrund des Vorbringens der BF die Schleppung auch mit ihrem Körper bezahlt zu haben, zumindest Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen eines Falls von Menschenhandel gegeben seien.

Des Weiteren habe die BF sehr wohl einen neunen glaubhaften Sachverhalt vorgebrachte, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens entstanden sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass die von der BF im Original vorgelegten Dokumente, die ihr neues Vorbringen belegen würden, aus dem Jahr 2018 stammen würden. Auch handle es sich bei der vorgebrachten Verfolgung aufgrund der falschen Anschuldigung durch ihren Schwager um einen - im Vergleich zum Vorbringen im ersten Asylverfahren – neuen Sachverhalt, der sich keinesfalls nur auf geänderte Nebenumstände beziehe. Die Glaubhaftigkeit des neuen Vorbringens ergebe sich schon aufgrund der vorgelegten Beweismittel. Die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit den vorgelegten Originalurkunden auseinandergesetzt. Auch habe die belangte Behörde den psychischen Zustand der BF nicht adäquat gewürdigt und werde beantragt, die belangten Behörde möge ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zum aktuellen Gesundheitszustand der BF einholen. Des Weiteren habe die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung das Vorbringen der BF zur erlittenen sexuellen Gewalt völlig ignoriert.

9. Mit Schreiben vom 29.11.2018 wurden Ausführungen zur aufschiebenden Wirkung, ein Empfehlungsschreiben und ein Schreiben von Frau J O, wonach Frau J O die BF als Kinderhilfe mit einer Bezahlung von monatlich € 600 und der Zurverfügungstellung eines Zimmers im Haus nach Beendigung der Karenz von Frau J O einstellen möchte, nachgereicht.

10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.11.2018 wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Begründen wurde angeführt, dass keine Änderung der Sachlage zwischen der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2017 und der Erlassung des Bescheides vom 18.10.2018 vorliege und auch keine Änderung in Bezug auf die Situation in Sierra Leone eingetreten sei.

11. Der gegen das obgenannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes durch die BF erhobenen außerordentlichen Revision wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10.01.2020, Ra 2019/18/0026-10 Folge gegeben und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.11.2018 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

12 Mit Schreiben vom 28.02.2020 wurden Integrationsunterlagen, nämlich einige Empfehlungsschreiben, eine Deutschkursbestätigung Niveau A1, eine Bestätigung über die Tätigkeit der BF als Radiomacherin in einer wöchentlichen Sendung bei Radio H sowie eine Einstellungszusage in einem Hotel in Vorlage gebracht.

13. Am 18.05.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit der BF, ihrer gewillkürten Rechtsvertretung und einer Zeugin sowie der belangten Behörde statt. Es wurden ein psychiatrischer Befundbericht vom 05.04.2020, eine Anmeldebestätigung für die Integrationsprüfung A2 sowie ein Schreiben von Radio H mit 734 Unterzeichnungen zur Unterstützung für die BF in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF:

Die volljährige BF ist Staatsangehörige von Sierra Leone, verwitwet und hat drei Kinder, welche sich in Gambia befinden. Sie gehört der Volksgruppe der Mende an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Identität der BF steht nicht fest.

Die BF leidet an einem Restzustand nach einer Anpassungsstörung. Am 04.05.2020 wurde eine seit Jahren bestehende posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) und eine aktuelle mittelgradige depressive Episode (F32) diagnostiziert. Am 04.05.2020 wurden ihr die Medikamente Escitalopram Sandoz und Quetiapin verschrieben sowie psychologische Entlastungsgespräche empfohlen. Darüber hinaus leidet die BF an keinen schweren psychischen oder physischen Beeinträchtigungen oder ansteckenden Krankheiten.

Die BF besuchte in Sierra Leone die Schule und arbeitete anschließend als Kindergärtnerin.

Zumindest die Mutter und der Halbbruder der BF leben nach wie vor in Sierra Leone (Freetown). Zu ihrem Halbbruder hat sie noch Kontakt.

Die BF reiste illegal nach Österreich ein und hält sich seit mindestens 28.08.2015 in Österreich auf.

Die BF hat mehrere Deutschkurse auf Niveau A1 bzw. A2 besucht. Sie ist Mitglied eines Kirchenchors sowie des interkulturellen Vereins I und engagiert sich ehrenamtlich bei der Caritas. Außerdem besucht sie eine Kirche und ist dort aktiv. Seit September 2019 moderiert sie eine wöchentliche Sendung beim privaten Radiosender H. Sie hat zahlreiche Bekanntschaften und Freundschaften geschlossen. Auch wurden ihr eine Arbeitsstelle im Hotel K und als Kinderhilfe bei Frau J. O. angeboten. In Österreich hat die BF keine Verwandten und führt keine familienähnliche Beziehung.

Sie geht keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Sie ist in Österreich unbescholten.

1.2. Zum Vorverfahren und zum Fluchtvorbringen der BF:

Die BF stellte am 28.08.2015 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie im Wesentlichen damit begründete, dass ihr Mann umgebracht worden sei, da die Regierung geglaubt habe, dass er an Ebola erkrankt sei. Nach dem Tod ihres Mannes habe sie das Land verlassen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.01.2016, bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 17.02.2017, wurde der Antrag sowohl hinsichtlich des Status einer Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet abgewiesen sowie eine Rückkehrentscheidung erlassen. Begründend wurde in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt, dass die Angaben der BF zu ihren Fluchtgründen als nicht glaubhaft gewertet werden könnten. Es sei zwar die Tatsache des Todes des Ehemannes an einer Krankheit nicht anzuzweifeln, jedoch hätten die behaupteten Begleitumstände nicht glaubhaft gemacht werden können.

Im gegenständlichen Folgeverfahren wurde von ihr im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bruder ihres verstorbenen Mannes Anzeige gegen sie erstattet habe, da er sie für den Tod ihres Mannes (seines Bruders) verantwortlich mache. Im Falle einer Rückkehr befürchte sie zu Unrecht inhaftiert oder von den Behörden getötet zu werden. Außerdem befürchte sie von ihrem Schwager getötet zu werden.

Die BF brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor. Ihr ergänzendes Fluchtvorbringen stützt sich auf ein bereits als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen und weist darüber hinaus keinen glaubhaften Kern auf.

Es liegt daher keine Änderung der Sachlage zwischen der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2017 und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vor.

Auch in Bezug auf die Situation in Sierra Leone war zwischen dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2017 und der Erlassung des gegenständlichen Bescheides am 18.10.2018 sowie nunmehr des gegenständlichen Erkenntnisses keine wesentliche Änderung eingetreten. Ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor.

Es wird daher festgestellt, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr nach Sierra Leone weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Zur allgemeinen Situation in Sierra Leone:

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Sierra Leone vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden. Aus den der BF mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erörterten Länderfeststellungen zur Lage in Sierra Leone, denen die BF nicht substantiiert entgegengetreten ist, geht Folgendes hervor:

Politische Lage:

Sierra Leone ist eine Präsidialdemokratie mit einem Mehrparteiensystem. Der Präsident wird direkt vom Volk gewählt und ist zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen finden gleichzeitig alle fünf Jahre statt (GIZ 6.2018a; vgl. AA 3.2017a). Die Verfassung aus dem Jahre 1991 gilt noch heute und setzt sich aus britischen und amerikanischen Elementen zusammen. Es gibt eine horizontale Gewaltenteilung mit Legislative, Exekutive und Judikative. Das Parlament als legislative Gewalt hat eine Kammer mit 144 Sitzen, von denen 132 Sitze für direkt gewählte Abgeordnete bestimmt sind (GIZ 6.2018a), zwölf Sitze sind für die Vertretung der Paramount Chiefs reserviert (GIZ 6.2018a; vgl. AA 3.2017a). Diese zwölf Abgeordneten vertreten die Paramount Chiefs der 190 Chiefdoms, wobei die Paramount Chiefs in den einzelnen Chiefdoms wiederum vom Volk auf Lebenszeit gewählt werden (GIZ 6.2018a).

Die Präsidentschaftswahl gewann 2018 Julius Maada Bio von der Sierra Leone People's Party (SLPP) im 2. Wahlgang. Er wurde am 4. April 2018 zum neuen Präsidenten Sierra Leones ernannt. Er löst Ernest Bai Koroma vom All People's Congress (APC) ab, der nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal kandidieren durfte. Parteipolitisch ist Sierra Leone hauptsächlich in zwei Lager geteilt. Während der APC tendenziell als Partei der Temne im Norden gilt, hat die SLPP ihr Wählerklientel vorwiegend bei den Mende im Süden und Südosten des Landes. Beide Parteien sind politisch vorbelastet. Das Einparteiensystem und die Misswirtschaft der APC haben letztlich zum Bürgerkrieg geführt. Die SLPP stand danach zunächst für eine Erneuerung und den Frieden. Allerdings wird auch ihr vorgeworfen, dass sich ihre Führung während der Regierungszeit hemmungslos bereichert hat (GIZ 6.2018a).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.2017a): Sierra Leone – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sierraleone-node/-/203526, Zugriff 26.6.2018

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Sierra Leone – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 26.6.2018

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage ist im ganzen Land stabil (AA 3.2017a). Das französische Außenministerium bewertet lediglich die Lage im direkten Grenzgebiet zu Liberia als instabil (FD 27.6.2018). Das deutsche Auswärtige Amt nennt keine relevanten Sicherheitsprobleme (AA 26.6.2018). Laut österreichischem Außenministerium herrscht im ganzen Land ein hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 27.6.2018). Armee und Polizei sind landesweit stationiert und haben nach dem vollständigen Abzug der UN-Friedenstruppen die Verantwortung für die innere und äußere Sicherheit übernommen (AA 3.2017a; vgl. EDA 27.6.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.2017a): Sierra Leone – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sierraleone-node/-/203526, Zugriff 27.6.2018

- AA – Auswärtiges Amt (26.6.2018): Sierra Leone:Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sierraleone-node/sierraleonesicherheit/203500, Zugriff 26.6.2018

- BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (27.6.2018): Reiseinformationen Sierra Leone, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/sierra-leone/, Zugriff 27.6.2018

- EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (27.6.2018): Reisehinweise Sierra Leone, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/sierra-leone/reisehinweise-fuersierraleone.html, Zugriff 27.6.2018

- FD – France Diplomatie (27.6.2018): Conseils aux voyageurs – Sierra Leone – Sécurité, http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/sierra-leone/, Zugriff 27.6.2018

Rechtsschutz / Justizwesen:

Die Verfassung gewährleistet eine unabhängige Justiz, diese ist jedoch zeitweise der Einflussnahme seitens der Exekutive ausgesetzt (USDOS 20.4.2018; vgl. GIZ 6.2018a). Bei Gerichtsverfahren kommt es immer wieder zu Einmischungsversuchen durch die Politik (GIZ 6.2018a).

Das Rechtssystem Sierra Leones ist im Wesentlichen geprägt von der Koexistenz dreier Systeme: dem staatlichen (Ebene der Distrikte); dem traditionellen (Ebene der Chiefdoms); und vereinzelt dem islamischen Recht. Das staatliche Justizsystem basiert auf dem britischen Common Law und besteht aus einem mehrstufigen Instanzenzug. Die Richter für die drei höchsten Gerichte werden vom Präsidenten ernannt, müssen aber vom Parlament bestätigt werden. Die Gerichte auf der Ebene der Chiefdoms sind mit Laienrichtern besetzt. Gegen Urteile kann Berufung eingelegt werden (GIZ 6.2018a). Die traditionelle Justiz funktioniert – v.a. in ländlichen Gebieten. Die dort geführten Prozesse sind generell fair, es kommt aber in vielen Fällen zu Bestechung und Korruption (USDOS 20.4.2018).

Die Judikative befindet sich seit dem Ende des Bürgerkrieges in einer Reform. Sie leidet unter zu wenig Personal und materiellen Ressourcen. Außerdem sind Korruption und Vetternwirtschaft auf allen politischen Ebenen weit verbreitet (GIZ 6.2018a).

Gesetzlich ist ein faires Verfahren vorgesehen. Gerichtsverfahren sind öffentlich. Für Angeklagte gilt generell die Unschuldsvermutung. Sie haben das Recht auf Vertretung durch und rechtzeitige Konsultation mit einem Anwalt. Gesetzlich müssen Anwälte auf Staatskosten zur Verfügung gestellt werden, sofern sich der Angeklagte keinen Anwalt leisten kann. In der Praxis funktionierte dies nicht durchwegs. Angeklagte haben üblicherweise nicht die Möglichkeit, ihre Verteidigung angemessen vorzubereiten (USDOS 20.4.2018). Der Zugang der Bevölkerung zu den Justizbehörden wird generell durch einen Mangel an Richtern, langwierige Verfahren und allgemein zu geringe Kapazitäten im Bereich der Strafverfolgung und der örtlichen Gerichte behindert (GIZ 6.2018a).

Quellen:

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Sierra Leone – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 26.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 26.6.2018

Sicherheitsbehörden:

Die Polizei (SLP/Sierra Leone Police) unter dem Ministry of Internal Affairs ist für die innere Sicherheit zuständig (GIZ 6.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018). Allerdings herrschen auch hier korrupte Strukturen vor (GIZ 6.2018a). Die Polizei ist schlecht ausgerüstet und es mangelt ihr an ausreichenden investigativen und kriminalistischen Kapazitäten sowie der Fähigkeit zur Eindämmung von Unruhen (USDOS 20.4.2018).

Für die äußere Sicherheit ist die Armee (RSLAF/Republic of Sierra Leone Armed Forces) unter dem Ministry of Defence and National Security zuständig (GIZ 6.2018a; vgl. USDOS 20.4.2018 ). Sie hat aber auch einige Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit durch das Programm "Military Aid to Civil Power", welches auf Anfrage die Unterstützung der Polizei unter außergewöhnlichen Umständen genehmigt. Zivile Behörden kontrollieren SLP und RSLAF und die Regierung verfügt über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Korruption und Misshandlungen. Trotzdem ist Straffreiheit weiterhin ein Problem (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Sierra Leone – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/sierra-leone/geschichte-staat/https://www.liportal.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 26.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 26.6.2018

Folter und unmenschliche Behandlung:

Verfassung und Gesetze verbieten Folter und unmenschliche Behandlung, es gibt allerdings Berichte, wonach Polizei und andere Sicherheitskräfte exzessive Gewalt anwenden. Es gibt Berichte, wonach Beamte für mehrere willkürliche oder extralegale Tötungen verantwortlich ist. Die Regierung unternahm Schritte, um die Verantwortlichkeit der Polizei zu stärken. In der Praxis werden jedoch seitens der Regierung Polizeibeamte nicht zur Verantwortung gezogen, so willkürlich oder übermäßig diese Gewalt anwenden (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 28.4.2017

Korruption:

Gesetzlich sind Strafen für behördliche Korruption vorgesehen. Die Regierung schafft es jedoch nicht, das Gesetz wirksam umzusetzen. Trotz einiger gut dokumentierter Korruptionsfälle sind Beamte häufig korrupt und gehen straffrei aus. Korruption bleibt somit weiterhin ein ernstes Problem (USDOS 20.4.2018).

Die Anti-Corruption Commission (ACC) beschuldigte im August 2016 zwei Beamte wegen Verschwörung, der Begehung eines Korruptionsdeliktes und der Unterschlagung von öffentlichem Eigentum. Einer der Beamten wurde verurteilt und mit einer Geldstrafe von 30 Millionen Leones (4.000 Dollar) belegt, und der andere Fall wurde fortgeführt. Am 31. August 2017 beschuldigte die ACC auch Beamte der NGOs PLAN International Sierra Leone und The Needy Today mit der Unterschlagung von Geldern für Ebola-Überlebende (USDOS 20.4.2018). Auf dem Index von Transparency International befand sich Sierra Leone im Jahr 2016 auf Rang 130 von 180 untersuchten Ländern (TI 2017).

Quellen:

- TI – Transparency International (21.2.2018): Corruption Perceptions Index 2017, Sierra Leone, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017, Zugriff 26.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 26.6.2018

NGOs und Menschenrechtsaktivisten:

In Sierra Leone entwickelte sich eine umfangreiche Szene zivilgesellschaftlich aktiver Gruppen. NGOs bemühten sich schon während des Bürgerkrieges um die Wiederherstellung des Friedens. Auch bei der kritischen Begleitung des darauffolgenden Versöhnungsprozesses spielte die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle. Die Zivilgesellschaft in Sierra Leone beinhaltet zum einen spezifische, historisch gewachsene Strukturen wie Geheimbünde, zum anderen neuere Strukturen wie die oben angesprochenen NGOs (GIZ 6.2018a). Eine Reihe von inländischen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitet im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, untersuchen Menschenrechtsfälle und veröffentlichen ihre Ergebnisse. Beamte sind oft kooperativ, gehen auf Ansichten lokaler und internationaler NGOs ein und erkennen angesprochene Probleme an (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Sierra Leone – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 27.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 27.6.2018

Ombudsmann:

Das parlamentarische Menschenrechtskomitee arbeitet ohne Einmischung der Regierung oder der Parteien und soll die Menschenrechte fördern und Vergehen aufzeigen. Das Komitee bemüht sich, Menschenrechtsfragen auf der parlamentarischen Agenda zu halten und ebnet den Weg für Gesetzesänderungen oder die Ratifizierung internationaler Konventionen. (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 28.4.2017

Allgemeine Menschenrechtslage:

Die Menschenrechtelage hat sich nach dem Ende des Bürgerkriegs in vielen Bereichen deutlich verbessert. Die Regierung Sierra Leones hat 2006 die "Human Rights Commission of Sierra Leone" ins Leben gerufen. Eine Ausnahme im Hinblick auf die insgesamt positive Menschenrechtsentwicklung ist vor allem die in Gesellschaft und Rechtsordnung verankerte, in Religion und Tradition wurzelnde, Benachteiligung von Frauen und Kindern (AA 3.2017a). Zu den schwerwiegendsten Menschenrechtsproblemen zählen unter anderem: rechtswidrige Tötungen und Misshandlungen durch die Polizei; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; weitverbreitete behördliche Korruption auf allen Ebenen. . Weitere Probleme sind: mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen, einschließlich FGM; Zwangsheirat; behördliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Homosexuellen und Kinderarbeit (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt Deutschland (3.2017a): Sierra Leone – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sierraleone-node/-/203526, Zugriff 27.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 27.6.2018

Haftbedingungen:

Gefängnis- und Haftbedingungen sind hart und manchmal lebensbedrohlich (USDOS 20.4.2018; vgl. AI 22.2.2018). Überbelegung ist eines der größten Probleme (USDOS 20.4.2018), neben unhygienischen Lebensbedingungen und ungenügender medizinischer Versorgung (USDOS 20.4.2018). Zudem äußerten NGOs Bedenken hinsichtlich des verzögerten Zugangs zu medizinischer Versorgung für Häftlinge, unzureichender Nahrung und Grundausstattung, schlechter Bedingungen in den Polizeizellen, einschließlich unzureichender sanitärer Einrichtungen, und längerer Haftzeiten, die die verfassungsmäßigen Rechte der Häftlinge verletzen (AI 22.2.2018). Die Menschenrechtskommission von Sierra Leone (HRCSL) berichtet, dass seit Oktober 2016 Männer und Frauen in Gefängnissen separat untergebracht werden. Minderjährige werden allerdings häufig mit Erwachsenen inhaftiert (USDOS 20.4.2018).

Strafvollzugsgruppen berichteten, dass die Behörden im Allgemeinen Vorwürfe der Misshandlung von Gefangenen untersuchten. Die Regierung erlaubte zudem auch die Überwachung durch unabhängige, nichtstaatliche Beobachter. Internationale Beobachter hatten uneingeschränkten Zugang zu den Gefängnissen, Haftanstalten und Polizeizellen. Die Menschenrechtskommission von Sierra Leone (HRCSL) überwacht monatlich die Gefängnisse (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1425636.html, Zugriff 27.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 27.6.2018

Frauen:

Das Gesetz sieht den gleichen rechtlichen Status und die gleichen Rechte für Männer und Frauen im Rahmen des Familien-, Arbeits-, Vermögens- und Erbrechts vor, aber Frauen bleiben weiterhin weit verbreiteter rechtlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 20.4.2018). Die Gesetze zur Gleichstellung der Geschlechter wurden uneinheitlich durchgesetzt, und viele traditionelle Gerichte ignorieren weiterhin die Rechte der Frauen in Bezug auf Familienrecht und Erbschaft. Vor allem aber betreffend Heirat, Scheidung, Eigentum und Erbschaft. In diesen Bereichen gilt in allen Gebieten außer der Hauptstadt traditionelles Recht. Der Status der Frau variiert im traditionellen Recht je nach ethnischer Gruppe, aber grundsätzlich sind sie Männern nicht gleichgestellt. Häufig wird die Frau als Eigentum des Mannes betrachtet (USDOS 20.4.2018).

Frauen haben nicht den gleichen Zugang zu Bildung, ökonomischen Möglichkeiten, Gesundheitseinrichtungen und sozialen Freiheiten wie Männer. In ländlichen Gegenden sind Frauen für den Großteil der Subsistenzwirtschaft verantwortlich. Diskriminierung gegen Frauen findet auch bei der Arbeitssuche statt, und es ist üblich, dass Frauen, die im ersten Jahr ihrer Anstellung schwanger werden, entlassen werden. Diskriminierung gegen Frauen gibt es auch beim Zugang zu Krediten, gleicher Bezahlung für vergleichbare Arbeit und Eigentum und Management von Firmen (USDOS 20.4.2018).

Das Gesetz verbietet Vergewaltigung. Das Strafmaß beträgt 5-15 Jahre Haft. Dennoch sind Vergewaltigungen weit verbreitet und werden eher als gesellschaftliche Norm denn als strafrechtliches Problem gesehen (USDOS 20.4.2018). Dass 30 Prozent der 18-jährigen Frauen schon ein Kind zur Welt gebracht haben hängt nicht nur mit den frühen Ehen zusammen, sondern auch mit der extrem hohen Gefahr, als Mädchen oder junge Frau vergewaltigt zu werden (GIZ 6.2018b).

Innereheliche Vergewaltigung ist spezifisch verboten, Anklagen sind aber selten. Häusliche Gewalt steht ebenfalls unter Strafe und wird mit einer Geldstrafe von 5 Millionen Leones und mit einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren geahndet, wird aber selten gemeldet, weil die Opfer Angst vor sozialer Stigmatisierung und Vergeltung haben (USDOS 20.4.2018).

14 von 124 Abgeordneten und vier von 23 Ministern sowie 11 der 35 Richter an Höchstgerichten sind Frauen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018b): Sierra Leone – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sierra-leone/gesellschaft/, Zugriff 27.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 27.6.2018

Bewegungsfreiheit:

In der Verfassung sind uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr verankert. Die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise. Jedoch gibt es Berichte, wonach Sicherheitskräfte bei Straßensperren außerhalb der Hauptstadt Bestechungsgelder von Fahrzeuglenkern verlangen. Auch Polizei, Zöllner und Militär verlangen Bestechungsgelder (USDOS 20.2018).

Trotz des offiziellen Kriegsendes 2002 ist das Land von den Jahren des Bürgerkrieges noch schwer gezeichnet. Die Infrastruktur ist in vielen Gebieten im Landesinneren weiterhin zerstört und erholt sich nur langsam (BMEIA 28.4.2017).

Quellen:

- BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (27.6.2018): Reiseinformationen Sierra Leone, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/sierra-leone/, Zugriff 27.6.2018

- USDOS – U.S. Department of State (20.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 27.6.2018

IDPs und Flüchtlinge:

Die Regierung arbeitete mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, Rückkehrern, Asylsuchenden, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Unterstützung zu gewähren. Im August 2017 beherbergte Sierra Leone ca. 700 anerkannte Flüchtlinge (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- USDOS – U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Sierra Leone, https://www.ecoi.net/en/document/1430127.html, Zugriff 27.6.2018

Grundversorgung:

Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung (GIZ 6.2018c; vgl. AA 3.2017b). Rund 51,4 Prozent des BIP werden vom landwirtschaftlichen Sektor erwirtschaftet. Der Dienstleistungssektor trägt 26,6 Prozent und der Industriesektor 22,1 Prozent zum BIP bei (GIZ 6.2018c).

Sierra Leone ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,5 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 700 US-Dollar im Jahr 2015 eines der ärmsten Länder der Welt (AA 3.2017b) und belegt auf dem Human Development Index von 2016 Rang 179 der 188 untersuchten Ländern. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77 Prozent) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung (GIZ 6.2018c).

Ein schwach strukturierter privater Sektor, schlecht ausgebildete Arbeitskräfte, Korruption und wenig Rechtssicherheit behindern ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Die kaum ausgebaute Infrastruktur behindert zudem den Handel außerhalb der größeren Städte. Während der Regenzeit sind viele Straßen unpassierbar und die Erreichbarkeit ländlicher Gebiete ist schwierig. Die wirtschaftliche Entwicklung unterscheidet sich jedoch auch zwischen Stadt und Land. Zudem beeinflussen die Nachwirkungen des Bürgerkrieges (1991 bis 2002), die weit verbreitete Korruption und die unzureichend ausgebaute Infrastruktur die Wirtschaftslage Sierra Leones (GIZ 6.2018c).

In Sierra Leone gibt es einen extremen Mangel an formaler Beschäftigung, wobei bisher keine verlässlichen statistischen Daten erhoben wurden. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit stellt ein besonders gravierendes soziales Problem dar. Dabei gibt es einige wenige Projekte, die versuchen, die Jugendlichen in die Gesellschaft zu integrieren. Es gibt Projekte, die sich auf lokaler Ebene direkt an Kinder und Jugendliche wenden, die kein zu Hause haben und auf der Straße leben müssen (GIZ 6.2018b).

Der Bürgerkrieg brachte die wirtschaftlichen Aktivitäten vollkommen zum Erliegen. Seitdem ist es noch nicht im notwendigen Umfang gelungen, einen beschäftigungswirksamen Aufschwung zu erzeugen (GIZ 6.2018b).

Im Jahr 2016 ist die Wirtschaft dank anziehender Rohstoffpreise und hierdurch belebter Wirtschaftsaktivität wieder um knapp 5 Prozent gewachsen. Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik des ehemaligen Präsidenten Koroma war die Förderung großer ausländischer Investitionen mit dem Ziel, rasch neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Staatseinnahmen deutlich zu steigern, insbesondere in den Bereichen Tourismus, Bergbau, Agrobusiness, Fischereiwirtschaft, Energiewirtschaft (auch erneuerbare Energien) und Ausbau der Infrastruktur (Häfen, Flughäfen, Straßen, Telekommunikation). Sierra Leone ist reich an Bodenschätzen und mit seinen schönen Stränden ein potenzielles Ziel für Touristen in Westafrika (AA 3.2017b).

Das Entwicklungsprogramm "Agenda for Prosperity" für den Zeitraum 2013 bis 2018 soll dazu beitragen, dass Sierra Leone bis 2035 das Niveau eines Landes mit mittlerem Einkommen erreicht (AA 3.2017b).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (3.2017b): Sierra Leone – Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sierraleone-node/-/203486, Zugriff 28.4.2017

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018b): Sierra Leone – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sierra-leone/gesellschaft/, Zugriff 27.6.2018

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018c): Sierra Leone – Wirtschachaft, https://www.liportal.de/sierra-leone/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 27.6.2018

Medizinische Versorgung:

Die Gesundheitsversorgung in Sierra Leone wird zum Teil vom Staat, zum Teil von NGOs gestellt (GIZ 6.2018b). Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch äußerst problematisch (AA 27.6.2018).

Es besteht ein ausgeprägter Mangel an Fachärzten, der sich durch die Ebola-Epidemie weiter verschärft hat. Selbst in Freetown ist die ärztliche Versorgung gegenwärtig sehr begrenzt (AA 27.6.2018).

2010 wurde mit der Unterstützung des Vereinigten Königreiches und der UN ein Programm zur kostenlosen Versorgung von schwangeren Frauen und Müttern mit Kindern unter fünf Jahren eingeführt, um die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit zu reduzieren. Die Situation der Frauen und Kleinkinder hat sich verbessert, auch wenn sie nach wie vor nicht befriedigend ist. Der Rest der Bevölkerung bleibt allerdings immer noch ohne ausreichenden Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung, zum einen, weil es an Geldern fehlt, zum anderen, weil Teile des Gesundheitssystems unter Korruption leiden. Insbesondere die ländlichen Gebiete sind äußerst unzureichend ausgestattet. Die Bevölkerung bezahlt dies mit einem insgesamt schlechten Gesundheitszustand und einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 57 Jahren (GIZ 6.2018b).

Vom Ausbruch einer Ebola-Epidemie in Westafrika war auch Sierra Leone betroffen. Bis zum 16.1.2016 gab es dabei in Sierra Leone 3.955 Todesfälle. Im Zuge des Ebola Ausbruchs wurde die Notwendigkeit offensichtlich, die traditionelle Medizin stärker in das Gesundheitssystem einzubinden. Dafür setzt sich jetzt unter anderem der Verband der traditionellen Heiler ein (GIZ 6.2018b).

Sierra Leone hat eine HIV/AIDS-Infektionsrate von 1,5 Prozent. Damit liegt es etwas über dem internationalen Durchschnitt von einem Prozent und gehört damit (noch) nicht zu den Hochprävalenzländern. Die Prävalenz von HIV/AIDS wird vom National HIV/AIDS Sekretariat statistisch erfasst und es werden verschiedene Präventionsprogramme koordiniert. Die Durchführung der Programme liegt bei NGOs. Sierra Leone erhielt im Jahr 2010 das sechste Millennium Development Goal, eine Auszeichnung für seine bisherigen Bemühungen, eine weitere Verbreitung von HIV aufzuhalten (GIZ 6.2018b).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (27.6.2018): Sierra Leone – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/sierraleone-node/sierraleonesicherheit/203500#content_5, Zugriff 27.6.2018

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018b): Sierra Leone – Gesellschaft, http://liportal.giz.de/sierra-leone/gesellschaft/, Zugriff 27.6.2018

Rückkehr:

Ein vom United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) initiiertes Repatriierungsprogramm für Bürgerkriegsflüchtlinge wurde im Juli 2004 abgeschlossen: Insgesamt 270.000 Flüchtlinge aus Sierra Leone konnten so in ihre Heimat zurückkehren. Auch die Menschen, die nach Liberia geflüchtet waren, wurden in ihre Heimat repatriiert (GIZ 6.2018a).

Quellen:

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2018a): Sierra Leone – Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/sierra-leone/geschichte-staat/, Zugriff 27.6.2018

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person der BF:

Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der BF nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF wurden bereits von der belangten Behörde so festgehalten. In der Beweiswürdigung stützt die belangte Behörde diese Feststellungen insbesondere auf die „Gutachterlichen Stellungnahme“ von Dr. Ilse H vom 13.08.2018. In diesem Gutachten wird ausdrücklich festgehalten, dass die Diagnose eines Restzustandes einer Anpassungsstörung keiner therapeutischen oder medikamentösen Maßnahmen bedarf. Des Weiteren führt die belangte Behörde den Entlassungsbrief vom 18.09.2018 an mit der Therapieempfehlung Levofloxacin San (nur bis 02.10.2018), Pantoloc, Oleovit und Osteo Aktiv Ktbl. an und verweist, dass darin auch ein guter Entlassungszustand angeführt ist.

Es ist der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie aufgrund der vorgelegten Unterlagen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Schluss kommt, dass die BF an einem Restzustand nach einer Anpassungsstörung leidet und darüber hinaus keine schweren psychischen oder physischen Beeinträchtigungen oder ansteckenden Krankheiten bestehen.

In der Beschwerde wird dazu geltend gemacht, dass die Behörde den psychischen Gesundheitszustand nicht adäquat gewürdigt habe. Dazu ist auszuführen, dass die belangte Behörde ein Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, ÖÄK Diplom f. Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeutin/IT und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen eingeholt hat.

Ein Gutachten ist auf seine Vollständigkeit (also, ob es Befund und Gutachten im engeren Sinn enthält) und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten sind nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen.

Die Gutachterin ist nach Durchsicht der vorgelegten Befunde der BF und 2 persönlichen Untersuchungen am 18.07.2018 und am 09.08.2018 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der BF ein Restzustand nach einer Anpassungsstörung besteht, der keiner weiteren therapeutischen und medizinischen Maßnahmen bedarf. Das Gutachten wird als vollständig und schlüssig beurteilt, die BF ist den Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen nicht substantiiert entgegengetreten.

Lediglich die Behauptung der BF, dass ihr psychischer Zustand sehr schlecht sei, ist nicht geeignet, das Gutachten in Frage zu stellen. Zu dem Vorbringen, dass die Einholung eines Gutachtens eines psychiatrischen Sachverständigen erforderlich gewesen wäre, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht, vielmehr kommt es auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an (vgl. VwGH 24.6.1997, Zl 96/08/0014).

Im psychiatrischen Befundbericht vom 04.05.2020 wurde angeführt, dass die BF seit fünf Jahren an einer posttraumatischen Belastungsstörung (F43.1) und aktuell an einer mittelgradigen depressiven Episode (F32) leide. Dieses psychische Leiden bestand folglich schon während des Erstverfahrens und fand folglich im Gutachten von Dr. Ilse H vom 13.08.2018 Berücksichtigung. Die BF selbst gab in der mündlichen Verhandlung an, dass es ihr schon besser gehe und sie lediglich ab und zu etwas depressiv sei (S. 3 Verhandlungsprotokoll).

Laut Befundbericht vom 04.05.2020 wurden der BF zudem Escitalopram und Quetiapin verordnet. Die BF erklärte diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung, dass sie diese Medikamente einnehme, aber sie gestern nicht eingenommen habe, was gegen eine regelmäßige Einnahme und ein dringendes Erfordernis der Einnahme spricht. Zudem wurden ihr diese Medikamente erst kürzlich verordnet und war es der BF auch bisher möglich problemlos ohne eine medikamentöse Behandlung auszukommen.

Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass in der Beschwerde vorgebracht wurde, dass die belangte Behörde festgestellt habe, dass die BF die Medikamente Levofloxacin San, Pantoloc, Oleovit und Osteo Aktiv Ktbl benötige und nicht ermittelt habe, ob die für die BF erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten und Medikamente in Sierra Leone verfügbar seien und welche Kosten damit verbunden wären. Es handelt sich bei diesen Medikamenten jedoch lediglich um Therapieempfehlungen, welche zur Behandlung einer multifokalen Herdnephritis rechts nach einer Laparoskopie aufgrund eines Uterus myomatosus (Myome im Uterus) dienen sollten und zwar vor fast zwei Jahren im September 2018. Es ist folglich nicht von einer aktuellen Notwendigkeit auszugehen, zumal die BF in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich auch nichts mehr vorbrachte. Außerdem wurde in der Beschwerde weder vorgebracht, dass die BF diese Medikamente benötigt, noch dass diese in Sierra Leone nicht verfügbar wären.

Die Feststellungen betreffend die Ausbildung und Berufserfahrung der BF in Sierra Leone beruhen auf ihren diesbezüglichen glaubwürdigen Angaben.

Dass die BF noch über Familienangehörige (zumindest Eltern und Halbbruder) in Sierra Leone verfügt und zum Halbbruder Kontakt besteht, basiert auf den Angaben der BF.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der BF in Österreich beruhen auf den Aussagen der BF vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und werden durch eine Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem bestätigt.

Die Feststellung hinsichtlich der absolvierten Deutschkurse ergibt sich aus den von der BF vorgelegten Teilnahmebestätigungen. Die Feststellungen hinsichtlich der ehrenamtlichen Tätigkeit für die Caritas sowie die Feststellung, dass die BF Mitglied eines Kirchenchors und des interkulturellen Vereins I ist sowie regelmäßig die Kirche besucht, ergeben sich ebenfalls aus Bestätigungen, welche von der BF vorgelegt wurden sowie aus ihren Angaben.

Dass die BF Radiomacherin beim Privatradio H ist und dort eine wöchentliche Sendung moderiert, ergibt sich aus ihren Angaben, der Einvernahme der Geschäftsführerin von Radio H in der mündlichen Verhandlung und dem Bestätigungsschreiben. Ihre Einstellungszusagen ergeben sich aus dem diesbezüglichen undatierten Schreiben von Herrn N L. dem Schreiben von Frau J O und den Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich ergibt sich nicht nur aus den vorgelegten Empfehlungsschreiben, sondern auch aus einer Petition von Radio H mit 734 Unterzeichnungen zur Unterstützung für den Verbleib der BF in Österreich.

Die Feststellung, dass die BF in Österreich unbescholten ist, ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 05.06.2020.

2.3. Zum Vorbringen der BF:

Die Feststellungen zu den beiden Anträgen auf Asyl wurden den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten entnommen.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 21.01.2016 durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2017 und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.10.2018 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage ist nicht erkennbar. So stützt die BF ihr Fluchtvorbringen auf Umstände, welche von ihr bereits im Vorverfahren vorgebracht wurden und welche als nicht glaubhaft gewertet wurden. Diese Umstände hat die BF im gegenständlichen Verfahren nunmehr dahingehend erweitert, dass ihr in ihrem Heimatland Haft und Tod drohen würden, da sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich gemacht werde.

Diesem Vorbringen kommt allerdings kein glaubhafter Kern zu. Es erscheint nämlich zunächst nicht plausibel, dass die Behörden Sierra Leones zuerst selbst attestiert haben, dass der Mann der BF an Ebola verstorben sei und nach drei Jahren auf die Anzeigeerstattung des Schwagers der BF mit einem Haftbefehl durch ein Gericht reagieren.

Nicht nachvollziehbar ist zudem, dass die Anzeige der BF durch ihren Schwager erst 2018 erfolgt sei, wenn ihr Mann doch bereits im Jahr 2015 verstorben sei. Auch die BF gab dazu befragt lediglich unsubstantiiert an: „Damals wusste niemand, wo ich war, und ich stand nur in Kontakt mit meinem Vater. Ich wusste auch nichts über das Vorhaben der Verwandten meines verstorbenen Mannes und was sie dachten.“ (S. 8 Verhandlungsprotokoll) und konnte eine Anzeigeerstattung drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes nicht nachvollziehbar erklären (siehe auch S. 3 Einvernahmeprotokoll v 25.06.2018).

Auch erscheint es nicht glaubwürdig, wenn die BF in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie vor ihrer Ausreise versucht habe ihren Schwager zu erreichen und über den Tod ihres Mannes zu informieren und deswegen telefonisch mit dem Cousin ihres Mannes gesprochen habe, dann aber nach Vorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes über anderslautende Angaben vor der belangten Behörde ausführte, dem Cousin eine SMS geschrieben zu haben (S. 9 und 10 Verhandlungsprotokoll).

Außerdem ist es nicht verständlich, warum der Schwager überhaupt auf die Idee kommen hätte sollen, dass sie ihren Mann ermordet haben könnte. Selbst gab die BF diesbezüglich lediglich an, weil sie die Leiche nicht zur Familie ihres Mannes gebracht habe (S. 3 Einvernahmeprotokoll v 25.06.2018, S. 5 Einvernahmeprotokoll v 30.07.2018, S. 6 Verhandlungsprotokoll). Es ist jedoch nicht logisch, dass wenn der Ehemann im Spital verstorben ist und es eine entsprechende Sterbeurkunde mit Verweis auf Ebola gibt (AS 53), die Familie des Ehemannes dennoch von einer Ermordung ausgehen sollte und dies lediglich aufgrund des Umstandes, dass die BF die Leiche nicht zur Familie gebracht habe. Auch die Erklärung der BF sie habe den Körper nicht zur Familie seines Mannes gebracht, weil sie ihn nicht angreifen habe dürfen (S. 5 Einvernahmeprotokoll v 30.07.2018) erscheint nicht schlüssig, zumal sie diesen ja nicht eigenhändig dorthin bringen hätte müssen.

Schließlich ist den von der BF vorgelegten Beweismitteln (Haftbefehl vom 22.01.2018, Gerichtsschreiben vom 26.04.2018, Magistratsschreiben, Schreiben von der Familie vom 08.05.2018 in Fremdsprache, Schreiben vom Anwalt des Schwagers vom 23.02.2018, Sterbeurkunde des Mannes vom 05.03.2015) den Beweiswert abzusprechen. Diesbezüglich tätigte die belangte Behörde umfassende Ermittlungen und führt schließlich – in Übereinstimmung mit der Anfragebeantwortung durch die Staatendokumentation, welche Informationen bei der für Sierra Leone zuständigen österreichischen Botschaft in Dakar einholte – zu Recht aus, dass sich Dokumente in Sierra Leone selbst von Österreich aus gegen Geld beschaffen lassen und diese, aufgrund des Umstandes, dass die meisten Dokumente im Amtsbereich per Hand ausgestellt bzw. ausgefüllt sind, leicht zu fälschen sind, was zur Folge hat, dass Register und verlässliche Quellen zur Verifizierung kaum bis nicht bestehen. Die von der BF vorgelegten Unterlagen sind daher – entgegen dem Vorbringen der BF im Rahmen ihrer Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung und in Gesamtbetrachtung des Vorbringens – jedenfalls nicht zur Glaubhaftmachung ihres Fluchtvorbringens geeignet. Der BF ist es auch sonst in keiner Weise gelungen, ihr Vorbringen, dass sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich gemacht werde und ihr daher Haft sowie Tod drohen würden, glaubhaft zu machen. Dies zumal ihre diesbezüglichen Angaben, wie oben detailliert ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt genügend substantiiert waren.

Diesbezüglich wird noch darauf hingewiesen, dass die BF auch bezüglich des Mannes, welcher ihr die entsprechenden Unterlagen besorgt haben soll unterschiedliche Angaben machte. So erklärte sie vor der belangten Behörde, dass es sich dabei um den Präsidenten der Sierra Leona Union in Österreich handle (S. 3 Einvernahmeprotokoll v 25.06.2018) und in der mündlichen Verhandlung zunächst, dass es sich um den Anwalt ihres Schwagers handle (S. 8 Verhandlungsprotokoll), bis dann ihre Rechtsvertretung darauf hinwies, dass es sich um ihren Anwalt handle (S. 9 Verhandlungsprotokoll).

Schlussendlich brachte die BF auch erstmals im Zweitverfahren vor, dass sie auf ihrer Flucht bei einem Zwischenstopp in Mali von zwei Militärangehörigen vergewaltigt worden sei. Diesbezüglich wird zum einen angeführt, dass die BF dieses Vorbringen erst sehr spät, nämlich bei der gutachterlichen Untersuchung während ihres Zweitverfahrens erstattete und zum anderen, dass sich dieser Vorfall, ohne dessen Glaubwürdigkeit abschließend geprüft zu haben, in Mali und durch malische Militärangehörige ereignet haben soll, was folglich nicht gegen eine Rückkehr der BF nach Sierra Leone spricht und dort keine Verfolgungshandlung begründet. Auch hat die BF zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass sie deswegen weitere Verfolgungshandlungen bei einer Rückkehr zu befürchten habe.

Die von der BF vorgebrachten Gründe, weshalb es ihr nun nicht mehr möglich sei, in ihr Herkunftsland zurückzukehren, entbehren folglich eines glaubhaften Kerns.

Des Weiteren kann von dem erkennenden Gericht keine wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage in Sierra Leone, welche die BF individuell und konkret betreffen würde, festgestellt werden. Gegenteiliges wurde auch nicht behauptet.

Eine neue umfassende inhaltliche Prüfung wird vom Bundesverwaltungsgericht aus diesen Gründen nicht für notwendig erachtet.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen im angefochtenen Bescheid wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht der erkennenden Richterin bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, 99/01/0210).

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist die BF den Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I.):

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuwei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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