Entscheidungsdatum
24.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W195 2226177-2/13E
W195 2226177-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch die XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2020, XXXX , und vom 20.07.2020, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.08.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 2 AsylG:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Bangladesch und stellte – gemeinsam mit seinem Bruder, dem BF zu GZ XXXX am 02.10.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 18.10.2019, XXXX , gemäß § 58 Abs. 9 Z 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und begründete dies damit, dass sich der BF in einem Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) befinde; der BF habe beim Magistrat XXXX am 28.03.2019 einen Verlängerungsantrag im Hinblick auf eine am 01.04.2019 abgelaufene „Aufenthaltsbewilligung“ Studierender gestellt, über welchen von der NAG-Behörde noch nicht entschieden worden sei.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.02.2020 XXXX wurde der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 58 Abs. 9 Z 1 AsylG ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn der Drittstaatsangehörige sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet. Diese Voraussetzung liege jedoch fallbezogen nicht vor, da sich der BF bereits zum Zeitpunkt der Stellung des gegenständlichen Antrages beim BFA nicht mehr in einem Verfahren nach dem NAG befunden habe; das Verfahren zur Verlängerung der „Aufenthaltsbewilligung Studierender“ sei vom Magistrat mit rechtskräftigem Bescheid abgeschlossen worden.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 22.04.2020 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde ausgesprochen, dass die Abschiebung des BF nach Bangladesch gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig ist und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine maßgeblichen bzw. überdurchschnittlichen Integrationsschritte ersichtlich seien. Der BF habe seit 2016 über einen Aufenthaltstitel nach dem NAG verfügt, der ihm, da er keinen entsprechenden Studienerfolg darlegen habe können, nicht verlängert worden sei. Die Eltern und eine minderjährige Schwester des BF würden aufenthaltsberechtigt in Österreich leben; das Familienleben sei dahingehend zu relativieren, dass der BF volljährig sei und kein gesondertes Abhängigkeitsverhältnis zu verzeichnen sei, da die Familie schon vor der Zeit des BF in Österreich ein Aufenthaltsrecht erhalten habe und ohne die Betreuung des BF zurechtgekommen sei. Wenn die Eltern mittlerweile, wie vom BF angeführt werde, krank und erwerbsunfähig wären, seien in Österreich entsprechende soziale Einrichtungen vorhanden. Zudem sei eine finanzielle Unterstützung derzeit auch nicht gegeben, da der BF seit August 2019 keiner Beschäftigung mehr nachgehe. In Bangladesch habe der BF eine gute Schulbildung erhalten und würden sich noch Verwandte aufhalten.
In der Beschwerde gegen den Bescheid führte der BF zusammengefasst aus, sich seit fast vier Jahren in Österreich aufzuhalten, schon gut Deutsch zu sprechen, mit den Eltern und der Schwester im gemeinsamen Haushalt zu leben und die Eltern zu unterstützen. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass der BF ein schützenswertes Familien- und Privatleben in Österreich habe. Von der Kernfamilie halte sich niemand mehr in Bangladesch auf und der BF habe neben seinem Studium bereits gearbeitet und würde in Zukunft auch gerne studieren bzw. eine Ausbildung machen, um die Eltern weiter zu unterstützen.
Am 08.06.2020 legte das BFA die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Am 31.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung sowie der Bruder des BF und drei Zeugen teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung gab der BF im Wesentlichen an, gemeinsam mit seinem Bruder, seinen Eltern und der Schwester in einer Wohnung zu leben. Er habe in den Jahren 2018 und 2019 als Zusteller und in der Küche in einem Restaurant gearbeitet.
Der BF gab zusammengefasst an, in der gleichen Wohnung wie seine Eltern zu leben und in Österreich studieren zu wollen. In seiner Freizeit mache er Freiwilligenarbeit bei der Volkshilfe und koche zu Hause, verrichte Hausarbeiten und gehe einkaufen. Der BF könne im Restaurant seines Onkels zu arbeiten beginnen.
Seit August 2019 habe der BF kein eigenes Einkommen, sein Onkel helfe ihm finanziell. Der Vater des BF mache Zeitungsarbeit, seine Mutter bekomme Geld vom AMS. Der BF habe eine Schulbildung in Bangladesch erhalten und in Dhaka studiert. Er sei wegen seiner Familie nach Österreich gekommen und um zu studieren. Der BF wolle Soziologie studieren. Als die Mutter des BF nach Österreich gekommen sei, sei der BF 14 Jahre alt gewesen. Sie habe ihn und seinen Bruder in Bangladesch zurückgelassen. In Bangladesch habe ihn und seinen Bruder die Tante väterlicherseits sowie weitere Verwandte über die Jahre hindurch betreut.
Die Mutter des BF wurde als Zeugin einvernommen und gab zusammengefasst an, seit August 2020 zu arbeiten. Sie habe Bangladesch im Jahr 2010 verlassen und sei gemeinsam mit ihrer Tochter 2010 nach Österreich gekommen. Sie sei für einen Monat von einem Onkel väterlicherseits gesponsert worden und habe danach im Rahmen eines Asylverfahrens einen Aufenthaltstitel erhalten. Ihre Söhne, also auch der BF, seien in Bangladesch nirgends dauerhaft aufhältig gewesen. Der Vater des BF sei Schizophrenie-Patient und in einem sehr schlechten Zustand. Der BF und sein Bruder würden beim Kochen, Einkaufen und Aufräumen der Wohnung sowie bei Medikamentenbesorgungen für den Vater helfen. Es müsse immer jemand beim Vater des BF sein; wenn es die Söhne nicht seien, dann sei es die Tochter, die deshalb auch unter einer Depression leide. Ihre Tochter besuche eine Schule. Wenn der BF und sein Bruder nach Bangladesch zurückkehren müssten, würde die ganze Beziehung zunichte gehen; sie und ihr Mann würden sterben und die Tochter würde verrückt werden.
Der Vater des BF gab als Zeuge befragt im Wesentlichen an, über eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus zu verfügen. Er könne sich nicht vorstellen, ohne seine Kinder in Österreich zu leben.
Der Onkel des BF bestätigte als Zeuge die wesentlichen Familienumstände des BF und zeigte seine Absicht, den BF gegebenenfalls auch eine Arbeit zu verschaffen.
In weiterer Folge langte – unaufgefordert – im BVwG ein ärztlicher Befund des Vaters des BF vom 07.09.2020 ein. Demzufolge leide der Vater des BF an paranoider Schizophrenie. Festgestellt wird in dem Befund jedoch zur aktuellen Situation: „nimmt Risperidon weiterhin nicht, sagt heute, er hat es vergessen, war auch nicht im Labor“. Als Therapievorschlag ist notiert: „habe Pat. noch einmal Risperidon „ratiopharm“ 3 mg 1x1 abds. verschrieben.“
I.2. Antrag auf internationalen Schutz:
Am 10.06.2020 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.
Zu diesem wurde er am gleichen Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 15.07.2020 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
Er begründete seinen Antrag zusammengefasst damit, dass seine Eltern politische Probleme im Herkunftsstaat gehabt hätten, die Feinde seiner Eltern ihm Probleme machen würden.
Das BFA wies mit Bescheid vom 20.07.2020 den Antrag hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich weder aus dem Vorbringen des BF noch aus dem Amtswissen ableiten lasse, dass der BF in seiner Heimat der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sei. Die Heimat zeige sich schutzfähig und schutzwillig. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der BF im Fall einer Rückkehr in die Heimat in eine lebensbedrohende Notlage geraten würde.
Zum Privat- und Familienleben wurde ausgeführt, dass das Familienleben des BF in Österreich dahingehend zu relativieren sei, dass der BF volljährig sei und kein gesondertes Abhängigkeitsverhältnis zu verzeichnen sei, da die Familie schon vor der Zeit des BF in Österreich ein Aufenthaltsrecht erhalten habe und ohne die Betreuung des BF zurechtgekommen sei. Dem BF bleibe es unbenommen, den Kontakt zu seiner Familie und seinen Freunden mittels Telefon oder E-Mail aufrechtzuerhalten bzw. unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen einen aufenthaltsrechtlichen Titel für Österreich zu erwirken. Eine besondere, übermäßige Integration in Österreich habe nicht erkannt werden können.
Mit Schriftsatz vom 05.08.1010 wurde der Bescheid des BFA seitens des – rechtsfreundlich vertretenen – BF zur Gänze angefochten.
Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass nach dem BF in Bangladesch gefahndet werde, weil ihm vorgeworfen werde, dass er bei einem Heimatbesuch im Sommer 2018 an einer illegalen Sitzung der Freedom Party teilgenommen habe. Aufgrund der Fahndungsmaßnahmen könne der BF nicht zurück nach Bangladesch. Der BF halte sich seit knapp vier Jahren in Österreich auf, spreche schon gut Deutsch, lebe mit den Eltern, der minderjährigen Schwester und dem Bruder im gemeinsamen Haushalt und unterstütze die Eltern. Während des legalen Aufenthalts sei der BF auch Beschäftigungen nachgegangen und habe die Familie finanziell unterstützt, da die Eltern wegen gesundheitlichen Problemen nicht oder nur eingeschränkt erwerbsfähig seien.
Am 01.09.2020 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der muslimischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF hat in Bangladesch die Schule besucht und in Dhaka studiert. Der Vater des BF hat sich in den Jahren 1998, 2002 und 2003 im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten und ist im Oktober 2003 nach Bangladesch zurückgekehrt. des BF hat Bangladesch im Jahr 2008 erneut verlassen und lebt seitdem - mit Unterbrechungen - im österreichischen Bundesgebiet; im Juli 2009 kehrte der Vater des BF für eine kurze Zeit nach Bangladesch zurück. Die Mutter und die minderjährige Schwester des BF haben Bangladesch im Jahr 2010 verlassen und leben seitdem im österreichischen Bundesgebiet. Die Eltern haben den BF und seinen Bruder (BF zu XXXX ) bei unterschiedlichen Verwandten in Bangladesch gelassen. Es leben noch Verwandte des BF in Bangladesch, zu denen der BF Kontakt hat.
Der BF verließ Bangladesch gemeinsam mit seinem Bruder im Oktober 2016 und reiste legal in Österreich ein. Der BF verfügte bis April 2019 über einen Aufenthaltstitel „Studierender“. Der BF legte keine einzige Fachprüfung an der Universität ab.
Im Juni 2019 wurde der letzte Verlängerungsantrag des BF mangels Nachweis zur Zulassung zu einem ordentlichen Studium abgewiesen. Der BF war bis zum Sommersemester 2019 als außerordentlicher Studierender an einer österreichischen Universität gemeldet. Eine Zulassung zum Studium erfolgte bis zum Ablauf des Aufenthaltstitels nicht. Der BF studierte in Österreich nicht, sondern benutzte die Zeit, um im Bundesgebiet zu arbeiten.
Am 02.10.2019 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“.
Am 10.06.2020 stellte der BF den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der BF arbeitete von 2018 bis 2019 als Zusteller und als Küchenhilfe in einem Restaurant. In seiner Freizeit hilft der BF seinen Eltern bei der Hausarbeit und bei Besorgungen. Der BF hat eine mündliche Einstellungszusage von seinem Onkel, der ein Restaurant in Österreich betreibt.
Der BF besuchte mehrere Deutschkurse und verfügt aktuell über Deutsch-Zertifikate A1, A2 und B1, den letzten Deutschkurs besuchte der BF bis Jänner 2019.
Im Bundesgebiet leben die Eltern, die jüngere Schwester und der Bruder des BF im gemeinsamen Haushalt mit dem BF. Ansonsten leben noch ein Onkel, ein Cousin, eine Cousine und die Großmutter des BF im österreichischen Bundesgebiet.
Der BF hat keine Kinder und keine Beziehung im Bundesgebiet.
Der Vater des BF reiste im Jänner 2008 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und verfügte bis November 2010 über einen Aufenthaltstitel. Im Mai 2010 stellten der Vater, die Mutter und die Schwester des BF einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.09.2015, XXXX , wurde ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, nachdem die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. (Asyl) und II. (subsidiärer Schutz) des Bescheides zurückgezogen wurde. Die Eltern und die Schwester des BF verfügen aktuell über den Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte Plus. Der Bruder des BF befindet sich in einem Asylverfahren ( XXXX die Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.09.2020 als unbegründet abgewiesen.
Der Vater des BF war in Österreich als Abwäscher, Küchenhilfe, Schulwart und Reinigungskraft und zuletzt im August 2020 bei XXXX unselbständig beschäftigt. Beim Vater wurde eine paranoide Schizophrenie und eine Impulskontrollstörung diagnostiziert, welche mit Medikamenten behandelt wird. Der Vater nimmt, wie einem ärztlichen Befund zu entnehmen ist, die Medikamente nicht ein.
Die Mutter des BF arbeitet wieder seit August 2020 als Küchenhilfe. Sie leidet an Adipositas, Gonarthrose beidseits und Lumbago.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist arbeitsfähig.
II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF hatte vor seiner Ausreise aus Bangladesch keine Probleme. Er ist nicht vorbestraft, stand nicht vor Gericht, wurde nie inhaftiert, hatte keine Probleme mit den Behörden. Der BF war in Bangladesch weder politisch tätig noch Mitglied einer Organisation.
Der BF hatte in Bangladesch keine Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, keine Probleme mit Privatpersonen und hat an keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.
Der BF wird in Bangladesch nicht aus politischen Gründen verfolgt. Es wird nicht festgestellt, dass der BF aufgrund der Aktivitäten seines Vaters in Bangladesch verfolgt worden ist bzw. im Fall einer Rückkehr verfolgt werden würde. Ebenso wenig wird festgestellt, dass nach dem BF gefahndet wird, weil er bei einem Heimatbesuch im Sommer 2018 an einer illegalen Sitzung der Freedom Party teilgenommen haben soll.
Es liegen auch keine anderen Gründe vor, aufgrund derer der BF in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
Die Volksrepublik Bangladesch umfasst eine Fläche von 148.000 km² (gut doppelt so groß wie Bayern) wo über 165 Mio. Menschen leben. Sie ist mit ca. 1.250 Einwohnern/km² (Dhaka: 47.000/km²) der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Erde und ist weltweit der achte bevölkerungsreichste Staat. 48% der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre.
Die Lage Bangladeschs im Delta der Flüsse Padma (Ganges), Jamuna (Brahmaputra) und Meghna macht das Land besonders anfällig für Naturkatastrophen sowie die negativen Auswirkungen des Klimawandels wie z. B. Versalzung ganzer Landstriche infolge des Anstiegs des Meeresspiegels. Insgesamt liegen 30% des Landes weniger als zehn Meter über dem Meeresspiegel.
Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration. Rund 750.000 Bangladescher (Zahlen schwanken) gehen jährlich als Wanderarbeiter ins Ausland. Bangladesch gehört laut UNCTAD-Klassifikation zu den „Least Developed Countries (LDC)“ und strebt für 2021, dem 50. Jubiläum der Staatsgründung, den Status eines „Middle Income Country“ an. Im März 2018 erfüllte Bangladesch erstmals die Voraussetzung für eine Graduierung aus dem LDC-Status. Die Erfüllung der Kriterien bei der nächsten Überprüfung muss im Jahr 2021 bestätigt werden, um 2024 mit der Zustimmung der Generalversammlung der Vereinten Nationen von den LDCs zu graduieren. Das Bruttoinlandsprodukt betrug 2018 ca. 285.817 Mrd. USD und pro Kopf 1.745 USD. Schätzungsweise lebt 24% der Bevölkerung weiterhin unterhalb der nationalen Armutsgrenze.
Bangladesch ist ein demokratisch-parlamentarischer und zumindest auf dem Papier rechtsstaatlich verfasster Staat. Die Verfassung garantiert Grundrechte, welche durch Verfassungsbeschwerde („writ petition“) vor dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden können. In dem 1971 gegründeten Staat werden die demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Grundsätze indes nicht hinreichend verwirklicht. Staatsoberhaupt ist der Präsident. Die Exekutivgewalt liegt beim Amt des Premierministers und des Kabinetts. Direkte Wahlen zum Einkammerparlament, an denen alle Bürger ab dem 18. Lebensjahr teilnehmen können, finden alle fünf Jahre statt.
Rund 89 % Muslime, 9 % Hindus (Rest Christen, Buddhisten) lebten traditionell vergleichsweise friedlich zusammen. Der Einfluss radikal-islamischer Gruppierungen, vorwiegend über Gastarbeiter, die aus den Staaten am Golf zurückkehren, nimmt weiterhin zu. Durch Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen.
Die Anwendung des reinen Mehrheitswahlrechts hatte in der Vergangenheit die Herausbildung zweier dominierender und konkurrierender Parteien, „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) und „Awami League“ (AL), begünstigt. Aus dieser Auseinandersetzung ist die AL als klarer Sieger hervorgegangen. Sie führt seit 2009 (Wiederwahl 2014 und 2018) die im Übrigen aus sehr kleinen Parteien bestehende Regierungskoalition an. Premierministerin Sheikh Hasina ist unangefochtene Führungsfigur. Dabei baut sie nicht nur auf den Ruf ihres Vaters als „Vater der Nation“, sondern sie hat sich durch ein Geflecht von Begünstigungen und Abhängigkeiten fest verankert. Die AL ist traditionell gerade auf dem Land breit aufgestellt. Zunehmend macht die Regierung erhebliche Zugeständnisse an den weiter erstarkenden konservativen Islam.
Bei der Parlamentswahl im Dezember 2018 ging die stark geschwächte, jedoch noch immer wichtigste Oppositionspartei, BNP als Teil des Parteibündnisses Jatiya Oikya Front ins Rennen. Es kam zu breit angelegten Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug zugunsten der Regierungspartei, die das demokratische Fundament Bangladeschs aushöhlen, und die Oppositionsparteien konnten nur 10% der Parlamentssitze erringen. Die starke Schwächung der politischen Opposition führte schrittweise zu einer Einschränkung des pluralistischen Meinungsbildes und zur Entwicklung in Richtung eines Einparteienstaats. Das daraus entstehende Vakuum auf Oppositionsseite erweist sich als Nährboden für islamistischen Terrorismus.
Innerparteiliche Demokratie besteht in den Parteien nicht. Stark hierarchische Führungsstrukturen, in denen familiäre Bindungen, persönliche Loyalitäten und geschäftliche Verbindungen von großer Bedeutung sind, prägen alle Parteien.
Regierung, Parlament, Verwaltung und weitere Institutionen sind fest in der Hand der AL, die mit 3/4, d. h. verfassungsändernder Mehrheit, regiert. Zudem werden Zivilgesellschaft, die Judikative und Medien immer weiter „auf Linie“ gebracht. Allerdings können Medien unter Beachtung gewisser roter Linien weiterhin kritisch über Regierungshandeln berichten. Dies belegen zahleiche Artikel über Korruption, Misswirtschaft, Verwaltungsversagen u.a.
Die Gesetzgebung sieht die Unabhängigkeit der Justiz vor. 2017 gipfelte die Einflussnahme der Regierung auf die Justiz in der Verdrängung des obersten Richters aus seinem Amt, nachdem dieser ein regierungskritisches Urteil erließ.
Die Justiz ist überlastet. Überlange Verfahrensdauern, Korruption und politische Einflussnahme behindern die Unabhängigkeit. Presseberichten zufolge kommt es in ländlichen Gebieten zu Verurteilungen durch unbefugte Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem „Scharia Recht“. Nicht immer greifen die Behörden ein.
Bangladesch verfügt über eine besonders lebendige und aktive Zivilgesellschaft. Neben Bangladesh Rural Advancement Committee (BRAC), der weltgrößten NRO, gibt es zahlreiche kleinere Organisationen und Initiativen, die aktiv werden, wo der Staat seinen Aufgaben nicht nachkommt.
Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).
Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).
Quellen:
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? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
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? AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020
? BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020
? Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020
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? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert. Demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien sind festgeschrieben. Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist nicht ausreichend. Grundsatzurteile des Obersten Gerichtshofs zu Menschenrechtsgarantien werden von Regierung und Behörden nicht ausreichend umgesetzt bzw. ignoriert. Am 1. Dezember 2008 wurde von der damaligen Übergangsregierung eine nationale Menschenrechtskommission (NHRC) ins Leben gerufen. Sie geht Beschwerden zwar nach, steht allerdings unter starkem politischen Einfluss und kann selten Ergebnisse verzeichnen.
Bangladesch hat zu einigen der Konventionen Vorbehalte eingelegt, u. a. zu Art. 2, Art. 16 I/C des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau mit Hinweis auf das tradierte Scharia-Recht. Bangladesch vermeidet es, internationale Zuständigkeiten oder individuelle Beschwerdemöglichkeiten anzuerkennen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren bezüglich einzelner Konventionen eine nicht gehaltvolle (z. B. Frauenrechtskonvention) oder bislang fehlende Berichtspraxis der bangladeschischen Regierung. Bangladesch ist weder der Genfer Flüchtlingskonvention noch dem ILO-Übereinkommen Nr. 169 (Indigenous and Tribal People) beigetreten.
Bangladesch ist von 2019 bis 2021 Mitglied im VN-Menschenrechtsrat in Genf.
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit
Die Verfassung garantiert Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit. Seit Jahren ist jedoch zu beobachten, dass die zunehmend autoritär handelnde Regierung diese Rechte zur eigenen Machtsicherung zunehmend verletzt.
Die Versammlungsfreiheit respektiert die Regierung nicht in jedem Fall. Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 wurden vermehrt unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß §144 Strafprozessgesetz Demonstrationen der Opposition durch Aufhebung der Versammlungsfreiheit verboten. Die Regierung beendete in der Vergangenheit verbotene Versammlungen auch gewaltsam. Internationale Schlagzeilen verursachte das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften und Schlägertruppen der Awami League gegen Schülerproteste für mehr Verkehrssicherheit in Dhaka im Juli und August 2018.
Die Ausübung der Meinungsfreiheit wurde durch eine Reihe von kontroversen Gesetzgebungsakten über die letzten Jahre erschwert. Auf internationalen Druck und Kritik von Menschenrechtsorganisationen hin versprach die Regierung zunächst eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs zur Digitalen Sicherheit („Digital Security Act“), der vorsah, dass sämtliche negative Äußerungen im Internet bezüglich des Unabhängigkeitskriegs und des Staatsgründers Sheikh Mujibur Rahman hart bestraft werden sollen. Der Interpretationsspielraum ist dabei groß. Am 19.09.2018 wurde der Entwurf unverändert verabschiedet und fand seitdem bereits mehrmals Anwendung. Der international renommierte Fotograf und Aktivist Shahidul Alam wurde aufgrund regierungskritischer Äußerungen in einem Interview mit Al Jazeera von Sicherheitskräften aufgegriffen, über 100 Tage inhaftiert und dann auf Kaution freigelassen.
Durch die Bangladesh Telecommunications Regulatory Commission übt die Regierung Kontrollrechte über das Internet aus. Sämtliche Online-Medien sind ferner zur Registrierung verpflichtet. Die Behörde filtert und blockiert Webseiten sowie Kommunikations- und Social-Media-Plattformen, wenn diese als regierungskritisch eingestuft werden. Im Februar 2019 wurden rund 20.000 Websiten mit pornographischem oder auf Glücksspiel ausgerichtetem Inhalt, zwei bekannte Nachrichtenseiten sowie eine der größten bengalischsprachigen Bloggerseiten blockiert. Bei den Blockierungen der Nachrichten- und Bloggerseiten sollen regierungskritische Artikel der Grund für den Bann sein. (Länderbericht Bangladesch 2018, Freedom on the Net Bangladesh Country Report 2019).
Eine weitreichende Folge dieser verschärften Gesetzeslage ist eine spürbare Selbstzensur individueller Nutzer und kleinerer Medienhäuser. Die Organisation „Journalisten ohne Grenzen“ stuft Bangladesch im Jahr 2019 vier Plätze niedriger als im Jahr 2017 auf Rang 150 (von 180) des „World Press Freedom Index“ ein. Die Medien können allerdings unter Wahrung gewisser roter Linien das Handeln von Regierung und Verwaltung kritisieren, was auch täglich in Print- und digitalen Medien erfolgt.
Ausweichmöglichkeiten
Bangladesch ist ein ethnisch und geografisch relativ homogener Staat. Mit Ausnahme der Chittagong Hill Tracts bestehen keine rechtlichen Hindernisse, sich in anderen Landesteilen niederzulassen. Art. 36 der Verfassung garantiert Freizügigkeit. Ein landesweites Meldewesen besteht nicht. Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Städte. Es handelt sich hierbei teilweise um Klimaflüchtlinge, deren Lebensgrundlage entzogen wurde und teilweise um Arbeitssuchende, die hoffen, insbesondere in der Textilindustrie Anstellung zu finden. Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und auf Grund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen.
Illegale Grenzübertritte in die Nachbarländer sind möglich und kommen vor.
Grundversorgung
Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert. Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht. Nichtstaatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NROs kann in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht.
Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und nach Südostasien, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Ca. 10 Mio. bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland, die Mehrzahl im Mittleren Osten, aber auch in Malaysia. Allein im Königreich Saudi-Arabien sollen 5 Mio. Menschen arbeiten. Die Migration wird durch das „Bureau of Manpower, Employment and Training“ (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen. (z.B. “BRAC”, “Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees“, “Bangladesh Migrant Centre“, “Bangladesh Women Migrants Association“). Dachverband ist das „Bangladesh Migration Development Forum“ (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) betreut aufgrund ihrer Statuten nur Personen, die freiwillig zurückkehren. IOM ist am Flughafen Dhaka mit einem Büro und Mitarbeitern präsent und kann im Rahmen von Betreuungs- und Integrationsvereinbarungen die Betreuung vor Ort übernehmen. Diese Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft, soweit erforderlich die Vermittlung von Kontakten zur Familie des Rückkehrers und die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Ferner leistet IOM praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung.
IOM bestätigt, dass in Bangladesch familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung letztendlich für die Rückkehrer maßgeblich ist und dem Rückkehrer als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase dient. Rückkehrer sind, auch ohne die oben genannten Institutionen, aufgrund der großen Familien, enger und weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse sowie noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen regelmäßig nicht auf sich allein gestellt. IOM spricht in diesem Zusammenhang von der wichtigen Rolle der „social networks of family and neighbourhoods“, denen eine wichtige inoffizielle Schutzfunktion zukomme.
Sozialbeihilfen
Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht (AA 27.7.2019). Aufgrund des Fehlens eines staatlichen Sozialversicherungssystems muss allgemein auf Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für die Absicherung alter und behinderter Menschen (ÖB 8.2019). Nicht staatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs findet statt (AA 27.7.2019; vgl. ÖB 8.2019), kann aber in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 27.7.2019).
Eine Alterspension in der Höhe von 500 Taka [5,5 Euro] wird an Männer über 65 und Frauen über 62 Jahren mit Wohnsitz in Bangladesch ausgezahlt, wobei nur ein Familienmitglied eine Pension beziehen kann. Eine Behindertenpension beträgt monatlich 700 Taka, wobei die Bezugsberechtigung durch eine Kommission festgestellt wird. Im Falle einer Krankheit wird das Gehalt zu 100 % für insgesamt 14 Tage jährlich ausbezahlt. Mütter erhalten den Durchschnitt ihres Gehalts der letzten drei Monate vor der Ankündigung der Schwangerschaft für den Zeitraum von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, für insgesamt zwei Lebendgeburten, ausbezahlt; ab der dritten Geburt ist keine Unterstützung vorgesehen. Bei temporärer Behinderung nach einem Arbeitsunfall werden 100 % des Gehaltes für zwei Monate, danach 2/3 für die nächsten zwei Monate, danach die Hälfte des Gehaltes bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren bezahlt. Bei permanenter Behinderung in Folge eines Arbeitsunfalles wird ein Fixbetrag von 125.000 Taka bezahlt. Es gibt keine staatliche Arbeitslosenunterstützung, Unternehmen müssen eine Kündigungsabfindung in der Höhe von 30 Tagesgehältern pro Jahr Firmenzugehörigkeit bezahlen (USSSA 3.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? USSSA – U.S. Social Security Administration (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018 – Bangladesh, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/bangladesh.pdf, Zugriff 17.9.2019
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
Rückkehr
Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen. Es ist bisher nicht bekannt geworden, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrags staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen. IOM ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem so genannten „General Diary“ gebeten. Nach IOM Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist.
Die Migration ist für bangladeschischen Staatsangehörigen oft mit hohen Kosten von bis zu USD 10.000 verbunden, die an Schleuser oder Rekrutierungsbüros zu entrichten sind. Viele Migranten sind daher hoch verschuldet. Muss ein Betroffener vor Tilgung der Schulden in sein Heimatland zurückkehren bzw. wird er rückgeführt, wird er sehr oft Mittel und Wege suchen, erneut auszureisen.
Es gibt staatliche Aufnahmeeinrichtungen/Waisenhäuser für Minderjährige. Hierbei muss eine finanzielle Unterstützung für die Unterbringung, Verpflegung, Schulgeld, Kleidung etc. der Jugendlichen von dritter Seite bereitgestellt werden. Zuständig ist das „Ministry of Women and Children Affairs“. Nach Auskunft von IOM können auch über die Organisation „Bangladesh National Womens Lawyers Association“ (BNWLA) Aufnahmeeinrichtungen vermittelt werden.
Rückübernahmeabkommen bestehen nicht. Im September 2017 wurden zwischen der EU und Bangladesh Standard Operation Procedures (SOPs) vereinbart. Diese nicht bindende Verfahrensabsprache regelt die Voraussetzungen der Passersatzausstellung und die Möglichkeit von Rückführungen per Charterflug.
Echte Dokumente unwahren Inhalts
Echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen sind problemlos gegen Zahlung eines geringen Entgelts erhältlich. Die Fälschung von Personenstandsurkunden ist nicht notwendig, da jegliche Art von Standesfall sehr einfach (nach-)beurkundet werden kann.
Beglaubigungen durch das Außenministerium erfolgen in der Regel ohne weitere Prüfung der Dokumente. Ihre Aussagekraft bezüglich Echtheit oder inhaltlicher Richtigkeit steht daher in Frage. Die Legalisation bangladeschischer Urkunden durch die Botschaft Dhaka ist im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausgesetzt.
Im Jahr 2015 wurde bekannt, dass einer größeren Zahl von Personen unberechtigt Dienstpässe zur Ausreise in die Türkei ausgestellt wurden. Bangladeschische Dienstpassinhaber können visumfrei in die Türkei einreisen. Es kann unterstellt werden, dass die Dunkelziffer solcherVorkommnisse hoch ist.
Zugang zu gefälschten Dokumenten
Verfälschungen, Fälschungen und Handel mit jeder Art von Dokumenten sind weit verbreitet und mittels persönlicher Beziehungen oder Bestechung ohne größeren Aufwand zu beschaffen. Es handelt sich nach lokaler Anschauung um Kavaliersdelikte, die strafrechtlich ungenügend verfolgt werden.
Mit Einführung des maschinenlesbaren Reisepasses sind Fälle von Passmanipulationen deutlich zurückgegangen. Seit Ende November 2015 können die alten, handgeschriebenen Pässe nicht mehr für Flugreisen genutzt werden. Von allen Passantragstellern werden Fingerabdrücke genommen.
Bei sonstigen Dokumenten, hauptsächlich Personenstandsurkunden, werden häufig Abweichungen der Bezeichnung der Behörde in Stempeln, Siegeln und Briefkopf, bei Unterschriften und Formpapier festgestellt.
In vielen Asylfällen legen Antragsteller die übersetzten Abschriften angeblicher justizieller Dokumente wie z. B. First Information Report, Charge Sheet oder Haftbefehl vor. Die Echtheit dieser Dokumente kann bei der ausstellenden Behörde geprüft werden. In der Vergangenheit haben sich die vorgelegten Dokumente in fast allen Fällen als gefälscht erwiesen.
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Hinsichtlich der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF sowie zu seiner Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinem Familienstand wird den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen des BFA gefolgt, ebenso wie hinsichtlich der Feststellungen zu seiner Herkunft und seiner in Bangladesch absolvierten schulischen und universitären Ausbildung. An diesen Feststellungen haben sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel ergeben, zumal sich diese Feststellungen auf den in den Verfahren vor dem BFA sowie im Beschwerdeverfahren getätigten eigenen Angaben des BF gründen.
Dass der BF keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezogen hat bzw. strafrechtlich unbescholten ist, geht aus einer Einsichtnahme in die österreichischen amtlichen Register (Grundversorgungs-Informationssystem, Strafregister) hervor.
Die Feststellungen zu der Situation des BF in Österreich ergeben sich aus den Angaben des BF im Verfahren sowie den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen. Insbesondere hat sich im Verfahren ergeben, dass der BF den letzten Deutschkurs (Niveau B1) im Jänner 2019 abgeschlossen hat, und seitdem keinen Deutschkurs mehr besucht hat.
Der BF hat in der Beschwerdeverhandlung ausgeführt, inwiefern er seine Eltern im Haushalt unterstützt und Besorgungen macht. Dass ein Abhängigkeitsverhältnis des BF zu seinen in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen besteht, konnte der BF nicht glaubhaft machen. Der BF gab im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 31.08.2020 an, dass seine Mutter Geld vom AMS erhalte; den Angaben der im Rahmen der gleichen Beschwerdeverhandlung als Zeugin befragten Mutter zufolge, arbeitet diese allerdings wieder seit Anfang August 2020 im Ausmaß von 30 Wochenstunden in einem Restaurant als Küchenhilfe. Nach den Angaben des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erhält sein Vater Geld von seiner „Zeitungsarbeit“. Dem Vorbringen des BF, dass seine Eltern krank und erwerbsunfähig wären, kann daher nicht gefolgt werden. Trotz der teilweisen gesundheitlich bedingten eingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Eltern des BF ist nicht davon auszugehen, dass diese auf die Unterstützung des BF angewiesen sind. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Familie des BF finanziell auch vor der Einreise des BF in Österreich ausgekommen ist. Bemerkt wird, dass der Krankheitszustand des Vaters des BF mangels Einnahme der vorgesehenen Medikamente von diesem selbst somit negativ beeinflusst wird.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus den diesbezüglichen unbedenklichen Angaben des BF im Verfahren.
Zweifel an der grundsätzlichen Arbeitsfähigkeit des BF sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
II.2.2. Dem BF ist es im Verfahren nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat glaubwürdig vorzubringen:
Betreffend die vom BF geltend gemachten Rückkehrbefürchtungen gilt es eingangs festzuhalten, dass der BF seinen Herkunftsstaat legal verlassen hat und im Oktober 2016 in Österreich legal mit einer Aufenthaltsbewilligung Studierender eingereist ist. Es ist also davon auszugehen, dass der BF mit der Absicht, in Österreich zu studieren, in das Bundesgebiet eingereist ist. Mangels dahingehender Angaben ist davon auszugehen, dass der BF vor seiner Ausreise keine Probleme in Bangladesch gehabt hat.
Nach Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung im Juni 2019 mangels Nachweis zur Zulassung zu einem ordentlichen Studium stellte der BF am 02.10.2019 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ und am 10.06.2020 den ebenfalls gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF legte seine Fluchtgründe bzw. die Gründe, die gegen eine Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat sprechen, erstmals im Juni 2016 im Rahmen seiner Erstbefragung dar. Darin führte er aus, dass seine Eltern politische Probleme gehabt hätten und ihm die Feinde seiner Eltern im Fall einer Rückkehr Probleme machen würden.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Vater des BF im Rahmen seines Asylverfahrens ( XXXX die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Asyl im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgezogen hat. Der Asylantrag des Vaters wurde somit rechtskräftig in der ersten Instanz durch das BFA abgewiesen. Zudem ist im Rahmen der Beschwerdeverhandlung hervorgekommen, dass der Vater des BF aufgrund des Aufenthalts des BF und seines Bruders in Bangladesch regelmäßig zwischen Österreich und Bangladesch gereist ist und dieser keine Probleme während seiner Aufenthalte in Bangladesch gehabt hat.
Dem Vorbringen des BF in der Erstbefragung, dass er von der Polizei gesucht worden wäre, ist entgegenzuhalten, dass der BF im Rahmen seiner Befragung vor dem BFA im Juli 2020 seinen Aufenthaltsort der letzten drei Jahre dahingehend angab, dass er sich immer an seiner Heimatadresse aufgehalten habe. Auch gab der BF in seiner Befragung im Widerspruch zu seinen Angaben in der Erstbefragung an, dass er in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft sei, nie vor Gericht gestanden sei, nie inhaftiert gewesen sei, er keine Probleme mit den Behörden gehabt habe, keine Fahndungsmaßnahmen (Aufenthaltsermittlung, Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc) gegen ihn bestehen würden und er politisch nie aktiv gewesen sei.
Wenn im Rahmen der Beschwerde ausgeführt wird, dass nach dem BF wegen der Teilnahme an einer illegalen Sitzung der Freedom Party (im Jahr 2018) gefahndet werde, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Angabe jeglicher Grundlage entbehrt. Der BF hat in keiner seiner Befragungen die Teilnahme an einer illegalen Sitzung der Freedom Party im Jahr 2018 oder Fahndungsmaßnahmen gegen ihn erwähnt; vielmehr hat der BF im Rahmen seiner Befragung vor dem BFA im Jahr 2020 das Bestehen gegen ihn vorliegender Fahndungsmaßnahmen explizit verneint.
Das Fluchtvorbringen des BF war im gesamten Verfahren allgemein und äußerst vage gehalten. Anhand der Ermittlungsergebnisse, insbesondere den Angaben des BF im Rahmen seiner Befragung durch das BFA, ist davon auszugehen, dass der BF den gegenständlichen Asylantrag gestellt hat, weil sein Studentenvisum nicht verlängert wurde. Der BF antwortete in seiner Befragung auf die Frage, weshalb er den Asylantrag gestellt hat, dass er bei seiner Familie leben, studieren und einen Beruf ausüben wolle.
Es ist jedoch nicht glaubwürdig, dass der BF künftig in Österreich studieren will, denn seine Deutschkenntnisse sind diesbezüglich nicht ausreichend, wie der BF selbst angab. Da er jedoch seit dem Frühjahr 2019 keinen Deutschkurs mehr besucht ist davon auszugehen, dass der BF gar kein Interesse zeigt, seine Deutschkenntnisse so zu verbessern, sodass diese für ein Studium ausreichend sind. Vielmehr versucht der BF lediglich eine Arbeitserlaubnis in Österreich zu erlangen.
Der BF vermochte - im Hinblick auf sein nicht ausreichend substantiiert getätigtes Vorbringen - weder glaubhaft darzulegen, dass er in Bangladesch einer konkret ihn betreffenden Verfolgungsgefährdung ausgesetzt gewesen ist, noch dass er in seinem Heimatland (aus politisch motivierten Gründen) auf Grund einer zu Unrecht erstatteten Anzeige einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen ist.
An dieser Einschätzung ändern auch die vom BF erstmals mit der Beschwerde vorgelegten Schriftstücke nichts. Laut den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderfeststellungen sind in Bangladesch echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen problemlos gegen Zahlung erhältlich und weit verbreitet.
II.2.3. Die getroffenen Feststellungen zum Herkunftsstaat stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch und die darin angeführten Quellen. Das Länderinformationsblatt zu Bangladesch wurden dem BF mit Schreiben vom 11.08.2020 – mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb angemessener Frist – zur Kenntnis gebracht.
Darin wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal der BF keine Stellungnahme dazu abgegeben hat.
II.3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 20.07.2020:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates oder wegen Schutzes in einem EWR-Staat oder in der Schweiz zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).
Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative
(§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Ausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist ein Flüchtling, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, 2016/19/0074).
Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl