TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W265 2235455-1

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W265 2235455-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.08.2020, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 02.01.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet).

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 22.06.2020 basierenden Gutachten vom 12.07.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

Tonsillektomie; 2017 oder 2018 Riss des vorderen Kreuzbandes links. 12/2019 Kreubandplastik, Meniskuseingriff.

Derzeitige Beschwerden:

"Das Knie schwillt noch an, es schmerzt noch bei Belastung, besonders in der Arbeit seit Juni."

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

keine

Sozialanamnese:

verheiratet, zwei Kinder; Servicetechniker Aussendienst.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Bericht Traumazentru Wien 12/2019:Rupt men lat gen sin incarc

Laes chondralis condyl fern.lat sin

Rupt lig cruc ant gen sin.invet
Rupt men med gen sin invet
OA Dr. XXXX
Defect cartilag condyl.med.fern.sin
Chondropathia condyl.med.et lat.fern.sin.
Am 16.12. erfolgte
die Arthroskopie und vordere Kreuzbandplastik, sowie
Microfracturing des medialen Femurcondyls

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

sehr gut

Größe: 176,00 cm Gewicht: 112,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput unauffällig, Collum o.B., WS im Lot, HWS in R 50-0-50, F 15-0-15, KJA 1cm,

Reklination 18 cm. BWS-drehung 35-0-35, normale Lendenlordose, FKBA cm, Seitneigung bis cm ober Patella. Kein Beckenschiefstand. Thorax symmetrisch, Abdomen unauffällig. Schultern in S 50-0-180, F 180-0-50, R bei F90 80-0-80, Ellbögen 0-0-135, Handgelenke 600-70, Faustschluß beidseits frei. Nacken-und Kreuzgriff möglich. Hüftgelenke in S 0-0-110, F 40-0-30, R 30-0-15, Kniegelenke rechts 0-0-135 zu links 0-0-130, bandfest, Sprunggelenke 15-0-45.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Gang in Arbeitshalbschuhen ohne Gehbehelfe gut durchführbar.

Zehenspitzen-und Fersenstand gut möglich.

Status Psychicus:

Normale Vigilanz, regulärer Ductus.

Ausgeglichene Stimmungslage.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach vorderer Kreuzbandplastik links unterer Rahmensatz, da fast freie Beweglichkeit und stabile Verhältnisse, aber Knorpelschaden.

02.05.18

10


Gesamtgrad der Behinderung          10 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

[x] Dauerzustand

…“

Mit Schreiben vom 12.07.2020 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit E-Mail vom 20.07.2020 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er ausführte, der Vorfall sei am 09.12.2019 geschehen, am 10.12.2019 sei er stationär aufgenommen worden. Seine Operation habe sich um mehrere Tage verzögert und aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs habe er seinen Fuß zwei Monate lang nicht belasten dürfen. Bei der Reha und bei Behandlungen sei es zu Wartezeiten und Unterbrechungen durch COVID-19 gekommen. Er habe noch keinen neuen Termin für die weiterführende Reha, daher verzögere sich seine Genesung erheblich. Es gebe nach wie vor erhebliche Einschränkungen im Berufs- wie auch im Privatleben. Es würden keine aktuellen Befunde vorliegen, alle vorhandenen Befunden habe er übermittelt. Er bitte darum, den Fall auch rückwirkend ab dem 10.12.2019, als er stationär aufgenommen worden sei, zu betrachten.

Der befasste Facharzt für Orthopädie nahm in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.08.2020 zu den erhobenen Einwendungen Stellung und führte aus wie folgt:

„Antwort(en):

Es wurde im Rahmen des Parteiengehörs Einspruch erhoben, das Leiden bestünde seit 12/2019 und sei anfänglich schlechter gewesen.

Im Rahmen der Begutachtung wird ein bestehender Leidenszustand eingeschätzt, der in diesem Fall mit 10% korrekt bewertet wurde.“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.08.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Mit einem Grad der Behinderung von 10 % erfülle der Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dem Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 12.07.2020 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Mit dem Bescheid wurden dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten vom 12.07.2020 sowie die Stellungnahme vom 27.08.2020 übermittelt.

Mit E-Mail vom 24.09.2020 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er im Wesentlichen vor, der Arzt habe ihm im Zuge der Untersuchung für die Gutachtenserstellung bestätigt, dass diese nur den jetzigen Zustand und nicht den Zustand rückwirkend bis zum 10.12.2019 berücksichtige. Durch den schweren Eingriff in das Gelenk sei er von 10.12.2019 bis 01.06.2020 nicht arbeitsfähig gewesen. In diesem Zeitraum sei der Grad von 10 % nicht glaubwürdig. Die Untersuchung habe nach mehreren Verzögerungen am 22.06.2020 stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt erst habe der Arzt feststellen können, dass viele Bewegungsabläufe noch sehr eingeschränkt bzw. nicht möglich seien. Der Beschwerdeführer habe auf seine Operation zehn Tage warten müssen und danach sechs Wochen nicht auftreten dürfen. Auch danach sei nur eine Teilbelastung möglich gewesen und durch Corona habe sich seine Genesung bis zum Wiedereintritt ins Arbeitsleben noch weiter hinausgezögert. Die Arbeit könne nur mit Einschränkungen ausgeübt werden. Er bitte darum, im Zeitraum von 10.12.2019 bis 01.06.2020 den Grad der Behinderung angemessen zu beurteilen.

Mit Schreiben vom 25.09.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 02.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27.08.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und sprach aus, dass mit einem Grad der Behinderung von 10 v. H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt seien.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

-        Zustand nach vorderer Kreuzbandplastik links

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.07.2020 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 10 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem Akt und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 28.09.2020.

Die Feststellungen zu der bei ihm vorliegenden Gesundheitsschädigung sowie zum Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.07.2020, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 22.06.2020 und den von diesem vorgelegten medizinischen Unterlagen.

In den eingeholten Sachverständigengutachten wird auf die Art des Leidens des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund sowie den vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen, entsprechen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Die Gesundheitsschädigung wurde nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die erfolgte Einschätzung ist korrekt, da der Beschwerdeführer nach einer vorderen Kreuzbandplastik links an einer Funktionseinschränkung im linken Kniegelenk samt Knorpelschaden leidet, das Kniegelenk aber fast frei beweglich und stabil ist. Dass sich eine höhere Einschätzung betreffend den Grad der Behinderung nicht rechtfertigen lässt, ist mangels anderer Leiden oder neu vorgelegter Befunde nachvollziehbar. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 22.06.2020 konnte dieses Leiden betreffend kein 10 v. H. übersteigender Grad der Behinderung objektiviert werden und der Beschwerdeführer behauptete auch nicht, dass sich sein Gesundheitszustand inzwischen maßgeblich verschlechtert hätte.

Das Vorbringen in der Beschwerde war somit nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Der Beschwerdeführer ist mit seinen Einwendungen vom 20.07.2020 und den Ausführungen in der Beschwerde den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen im Gutachten vom 12.07.2020 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Es steht dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093). Der Beschwerdeführer beschränkte sich in seinen Einwendungen und in seiner Beschwerde jedoch im Wesentlichen darauf, eine „rückwirkende“ Einschätzung des Grades der Behinderung für den Zeitraum 10.12.2019 bis 01.06.2020 anzuregen (siehe dazu in der rechtlichen Beurteilung). Dass der Grad der Behinderung zum Zeitpunkt der Untersuchung falsch einschätzt worden sei, brachte der Beschwerdeführer hingegen nicht vor.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 12.07.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.07.2020, beruhend den vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten medizinischen Befunden und dem am 22.06.2020 von demselben Facharzt erhobenen Untersuchungsbefund, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 10 v. H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Beschwerdeführer ist diesem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Er führte in seinen Einwendungen vom 20.07.2020 neben einer Darstellung seines Krankheits- und Behandlungsverlaufes im Wesentlichen aus, seine Genesung verzögere sich erheblich. Es gebe nach wie vor erhebliche Einschränkungen im Berufs- wie auch im Privatleben. Er bitte darum, den Fall auch rückwirkend ab dem 10.12.2019, als er stationär aufgenommen worden sei, zu betrachten. In seiner Beschwerde vom 24.09.2020 führte er im Wesentlichen aus, durch den schweren Eingriff in das Gelenk sei er von 10.12.2019 bis 01.06.2020 nicht arbeitsfähig gewesen. In diesem Zeitraum sei der Grad von 10 % nicht glaubwürdig. Die Untersuchung am 22.06.2020 habe erst nach mehreren Verzögerungen stattgefunden. Die Arbeit könne nur mit Einschränkungen ausgeübt werden. Er bitte darum, im Zeitraum von 10.12.2019 bis 01.06.2020 den Grad der Behinderung angemessen zu beurteilen.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass, wie der sachverständige Gutachter in seiner Stellungnahme vom 27.08.2020 bereits anmerkte, im Rahmen der Begutachtung ein bestehender Leidenszustand eingeschätzt wird. Frühere Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers – wie jene im von ihm genannten Zeitraum 10.12.2019 bis 01.06.2020 – waren dabei nicht zu berücksichtigen. Dies ergibt sich bereits aus § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung, wonach die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung „die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens“ sei. Relevant sind demnach die aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen. Diesbezüglich führte der Beschwerdeführer lediglich aus, es gebe noch „erhebliche Einschränkungen“ im Berufs- wie auch im Privatleben bzw. die Arbeit könne nur „mit Einschränkungen“ ausgeübt werden. Dieses wenig konkrete Vorbringen widerspricht dem Sachverständigengutachten, das durchaus eine Funktionsbeeinträchtigung feststellte, schon dem Grunde nach nicht.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung seines Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 10 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v. H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt, das Bundesverwaltungsgericht hält eine solche auch nicht für erforderlich.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde von der belangten Behörde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2235455.1.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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