TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W265 2234417-1

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W265 2234417-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 30.06.2020, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.01.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) und legte dabei medizinische Unterlagen vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 04.03.2020 basierenden Gutachten vom 11.03.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

Antragsleiden: Zöliakie, chron. Gastritis

Hashimoto Thyreoiditis

Derzeitige Beschwerden:

"Das Finanzamt hat mich hergeschickt. Die Zöliakie habe ich seit über 20 Jahren. Bin sehr nervös, dann bekomme ich Durchfälle. Bauchkrämpfe weniger. Passe wirklich sehr auf mit der Diät. Manchmal schlafen die Hände ein."

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel:

Diät, bei Bedarf Pantoloc, Thyrex

Sozialanamnese:

verwitwet, 2 Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befundbericht Dr. XXXX FÄ Chirurgie 15.5.2018: Marsh I, inkomplette intestinale Metaplasie, chronische Gastritis

nachgereicht:

Gastroskopie 21.10.1996: Histo: chronische Duodenitis mit totaler Zottenatrophie wie bei Zöliakie, endomysiale AK und Antigliadin Ak positiv

Histologie vom 2.3.2001: Zöliakie in unvollständiger Remission

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

normal

Größe: 160,00 cm  Gewicht: 52,00 kg  Blutdruck: 140/80

Klinischer Status - Fachstatus:

HNAP frei, keine Lippenzyanose

Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel

Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS

Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent

Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft
UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel
Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA: möglich ZFS: möglich
Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen

Gesamtmobilität – Gangbild:

unauffällig, keine Hilfsmittel

Status Psychicus:

allseits orientiert, Ductus kohärent

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zöliakie

eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mittels Diät stabilisierbar

09.03.01

20

2

Hashimoto Thyreoiditis

unterer Rahmensatz, da medikamentös kompensiert

09.01.01

10

 

Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht den Gdb nicht weiter, da von geringer funktioneller Relevanz.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

chronische Gastritis begründet keinen GdB da gut behandelbar

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstbegutachtung

[x] Dauerzustand

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

[x] Ja

Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03. GdB: 20 v.H

…“

Mit Schreiben vom 11.03.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit Eingabe vom 27.03.2020 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie im Wesentlichen ausführte, es sei richtig, dass sie sich ohne sichtbare besondere Einschränkungen bewegen könne. Das sei in ihrem Alter nicht selbstverständlich, aber das Ergebnis von viel Bewegung. Es gehe in diesem Fall nicht um irgendwelche Begünstigungen durch einen Behindertenausweis, sondern nur um die Anerkennung von erhöhten Kosten für Diätverpflegung. Die nötigen Unterlagen habe sie bei der Untersuchung am 04.03.2020 vorgelegt. Das Finanzamt habe die erhöhten Kosten bis 2017 anerkannt. Danach sei für die Anerkennung ein Behindertenpass nötig, bzw. eine Minderung um 25-30 %. Sie ersuche daher um eine nochmalige Prüfung der Umstände.

Die befasste Fachärztin für Innere Medizin nahm in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 14.04.2020 zu den erhobenen Einwendungen Stellung und führte aus wie folgt:

„Antwort(en):

Die Antragstellerin erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 4.3.2020 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 26.3.2020 vor, dass sie einen erhöhten Kostenaufwand wegen der glutenfreien Diät hat und bis 2017 immer den Absetzbetrag beim Finanzamt geltend machen konnte.

Zur Einstufung behinderungsrelevanter Leiden wurde die derzeit geltende EVO herangezogen, nach welcher die Zöliakie eine leichte Stoffwechselstörung, mittels Diät behandelbar, darstellt und daher bei gutem Ernährungszustand mit einem GdB 20vH korrekt eingestuft wurde“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Mit einem Grad der Behinderung von 20 % erfülle die Beschwerdeführerin nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen und ihre erhobenen Einwände seien einer Überprüfung zugeleitet worden, wobei von der ärztlichen Sachverständigen keine Änderung festgestellt habe werden können. Mit dem Bescheid wurden der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten vom 11.03.2020 sowie die Stellungnahme vom 14.04.2020 übermittelt.

Mit Eingabe vom 24.08.2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, sie verweise auf ihre Einwendungen vom 26.03.2020 und ergänze diese wie folgt: Bei der Erstuntersuchung sei sie in keiner Weise auf sämtliche Fragen zu ihrem Gesundheitszustand vorbereitet gewesen, sie habe lediglich die ihre Zöliakie betreffenden Unterlagen mitgebracht. Diese keinesfalls als harmlos anzusehende Autoimmunerkrankung sei ihres Erachtens unterschätzt und als mit Diät beherrschbare Krankheit abgetan worden. In ihrem Fall habe die Krankheit lange bevor sie erkannt worden sei bestanden habe daher weitreichende Folge gehabt. Sie leide an einer Polyneuropathie, die Unterlagen hierüber könne sie jederzeit beibringen. In der akuten Phase dieser Nervenschädigung habe sie starke Schmerzen gehabt. Zudem bestehe eine unverhältnismäßige Osteoporose, die sie aber mit Ausdauer und Bewegung in Schach zu halten versuche. Diese Umstände habe sie bisher nicht angeführt, da ihr nicht bewusst gewesen sei, wie hartnäckig sie um die Anerkennung des Finanzamts-Freibetrages kämpfen müsse. Der Freibetrag wegen Zöliakie werde vom Finanzamt seit einiger Zeit nur mehr mittels Behindertenpass anerkannt. Ohne diesen Freibetrag müsse sie einen ziemlichen finanziellen Verlust hinnehmen. Sie ersuche daher nochmals um Prüfung aller Fakten bzw. um neuerlichen persönlichen Kontakt unter Vorlage der Befunde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 23.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30.06.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und sprach aus, dass mit einem Grad der Behinderung von 20 v. H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen würden.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Zöliakie

-        Hashimoto Thyreoiditis

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 11.03.2020 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 20 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem Akt und dem vom Bundesverwaltungsgericht am 27.08.2020 eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen zu den bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigungen sowie zum Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 11.03.2020, basierend auf der auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 04.03.2020 und den von ihr in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismitteln.

In dem eingeholten Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die sachverständige Gutachterin setzt sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund sowie den von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Das erste Leiden „Zöliakie“ wurde korrekt der Position 09.03.01 der 1. Änderung zur Anlage der Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Einschätzung des Grades der Behinderung mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz (20. v. H.) begründete die Sachverständige damit, dass das Leiden mittels Diät stabilisierbar sei.

Das zweite Leiden „Hashimoto Thyreoditis“ wurde korrekt der Position 09.01.01 der 1. Änderung zur Anlage der Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Einschätzung des Grades der Behinderung mit dem unteren Rahmensatz (10 v. H.) begründete die Sachverständige damit, dass das Leiden medikamentös kompensiert sei.

Das zweite Leiden erhöhe den Grad der Behinderung nicht weiter, da es von geringer funktioneller Relevanz sei. Die im zugrundeliegenden Antrag ebenfalls angeführte chronische Gastritis begründe keinen Grad der Behinderung, da diese gut behandelbar sei.

Das Vorbringen in der Beschwerde und die vorgelegten Beweismittel waren somit nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Die Beschwerdeführerin ist den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen im Gutachten in ihrer Stellungnahme vom 27.03.2020 und ihrer Beschwerde vom 24.08.2020 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 11.03.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 11.03.2020, beruhend auf dem von dieser am 04.03.2020 erhobenen Untersuchungsbefund und der Aktenlage, insbesondere den von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Befunden, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 20 v. H. beträgt. Die Funktionseinschränkungen wurden im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die Beschwerdeführerin ist diesem nachvollziehbaren Sachverständigengutachten, wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

In ihrer Stellungnahme vom 27.03.2020 trat die Beschwerdeführerin dem Gutachten inhaltlich nicht entgegen, sondern führte im Wesentlichen nur aus, sie benötige den Behindertenpass zur Anerkennung der Kosten ihrer Diät durch das Finanzamt. Sie ersuche daher um eine nochmalige Prüfung der Umstände.

In der Beschwerde vom 24.08.2020 führte sie ergänzend dazu im Wesentlichen aus, bei der Untersuchung sei sie in keiner Weise auf sämtliche Fragen zu ihrem Gesundheitszustand vorbereitet gewesen. Die Zöliakie sei ihres Erachtens unterschätzt worden. Sie leide auch an einer Polyneuropathie und einer unverhältnismäßigen Osteoporose. Die erstmals in der Beschwerde vorgebrachten weiteren Leiden vermochte die Beschwerdeführerin jedoch nicht durch medizinische Befunde zu belegen. Hinsichtlich ihres Vorbringens, sie könne die Unterlagen betreffend die Polyneuropathie jederzeit vorlegen, ist darauf zu verweisen, dass nach § 46 BBG in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (somit ab Vorlage der Beschwerde) neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Auch die pauschale Behauptung, die Zöliakie sei unterschätzt worden sei, war nicht geeignet, die fachliche Argumentation des schlüssigen Sachverständigengutachtens zu entkräften.

Die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin zu ihrer Lebenssituation und zum Erfordernis eines Behindertenpasses für die Gewährung eines Absetzbetrages sind zwar nachvollziehbar, jedoch für die korrekte Festsetzung des Grades der Behinderung nicht von Bedeutung.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde auch keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v. H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde iSd § 24 Abs. 1 VwGVG weder beantragt, noch hält Bundesverwaltungsgericht eine solche für erforderlich.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde von der belangten Behörde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2234417.1.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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