TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W127 2127910-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W127 2127910-2/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2019, Zl. 1048093005-190270174, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I.       Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf drei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 14.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.12.2014 und der Einvernahme vor dem Bundesamt für Asyl- und Fremdenwesen am 27.04.2016 begründete der Beschwerdeführer seine Antragstellung im Wesentlichen mit einem Grundstücksstreit, der bereits zur Tötung seines Vaters geführt habe.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

In der Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass der Beschwerdeführer die Ermordung seines Vaters wegen Grundstücksstreitigkeiten plausibel geschildert habe, sich daraus aber keine Bedrohung des Beschwerdeführers ergebe. Eine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungssituation liege nicht vor. Ihm sei auch die Existenzgrundlage in Afghanistan nicht völlig entzogen, da seine Frau und Töchter bei den Schwiegereltern versorgt würden. Dem Beschwerdeführer stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung.

4. Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in vollem Umfang angefochten.

5. Mit Schreiben vom 10.01.2018 reichte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen nach: Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 21.04.2017, Befund eines Krankenhauses mit Diagnose Hepatitis B vom 19.10.2016, Bestätigung der Evangelischen Pfarrgemeinde über die Aufnahme in einen Taufkurs vom 07.04.2017, Bestätigung Deutschkurs A1.2+ vom Dezember 2017.

6. Am 30.01.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen zu seinem Fluchtgrund wiederholte. Außerdem brachte der Beschwerdeführer zum Taufkurs befragt zusammengefasst vor, er sei Sunnit gewesen, sei nun aber Christ. Er besuche jeden Sonntag die Messe und einmal in der Woche den Taufkurs. Von seinem Wechsel zum Christentum wisse nur seine Frau. Seine Schwester, die in Österreich lebe, wisse nicht Bescheid, weil er gedacht habe, dass sie ihn vielleicht nicht mehr akzeptieren würde.

7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2018, GZ W233 2127910-1/26E, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei zum Christentum konvertiert und befinde sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans.

8. Mit Schreiben vom 18.03.2019 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass aufgrund wiederholter Straffälligkeit gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich seines Status des Asylberechtigten eingeleitet werde.

9. Der Beschwerdeführer wurde am 28.05.2019 und am 24.06.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Der Beschwerdeführer wies darauf hin, dass sein Leben in Afghanistan in Gefahr sei, räumte in der Einvernahme am 24.06.2019 allerdings ein, seine „Religion gegen einen Reisepass nicht wechseln“ zu wollen und von diesem Vorhaben nun absehe. Der Beschwerdeführer hielt fest, dass er Afghanistan verlassen habe, weil er dort Probleme gehabt habe.

10. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt I.) und der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die belangte Behörde führte aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Der Beschwerdeführer sei nach eigenen Angaben nicht zum christlich-evangelischen Glauben konvertiert, sondern aus innerer Überzeugung immer sunnitischer Moslem gewesen. Zur Situation im Falle einer Rückkehr wurde festgehalten, der Beschwerdeführer sei ein erwachsener, junger arbeitsfähiger Mann und die Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat habe sich positiv verändert. Eine Rückkehr nach Afghanistan und eine Ansiedlung in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif sei derzeit möglich und dem Beschwerdeführer auch zumutbar. Das erlassene Einreiseverbot wurde insbesondere mit einer Verurteilung des Beschwerdeführers aufgrund eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt nachgesehen, begründet.

11. Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in vollem Umfang angefochten.

12. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 09.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Nach Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache am 07.05.2020 der Gerichtsabteilung W127 zugewiesen.

13. Mit Schreiben vom 04.08.2020 brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut von Lohn-/Gehaltsabrechnungen und einen Arbeitsvertrag zur Vorlage.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 08.09.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der Beschwerdeführer wurde zu seinem Fluchtvorbringen und seinen Befürchtungen für den Fall einer Rückkehr sowie zu seinen Angehörigen in Afghanistan und seinem Leben in Österreich befragt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde den Parteien nach Erörterung der Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt des Beschwerdeführers, durch Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Dokumente sowie durch Einsicht insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019, aktualisiert mit 21.07.2020; EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2019; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.07.2020; ACCORD, ecoi.net-Themendossier „Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan“ vom 26.08.2020; EASO, Afghanistan – Key socio-economic indicators – Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020; ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) vom 05.06.2020 und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, 27.07.2020.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und der Volksgruppe der Turkmenen zugehörig. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 14.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer stammt aus der afghanischen Provinz Kunduz, ist dort aufgewachsen, hat zwölf Jahre lang die Schule besucht und spricht Dari. Die letzte vier bis fünf Monate vor seiner Ausreise aus Afghanistan hat er mit seiner Familie in Kabul gelebt. Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan als Teppichverkäufer sowie in der Landwirtschaft gearbeitet.

Die Eltern des Beschwerdeführers sind bereits verstorben, seine Ehefrau und seine Tochter leben bei den Schwiegereltern des Beschwerdeführers in Kunduz. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seine Frau und sein Kind nach seiner Einreise in Österreich finanziell unterstützt hat. In der Heimatprovinz des Beschwerdeführers leben noch weitere Onkel und Tanten sowie sonstige Verwandte. Eine volljährige Schwester des Beschwerdeführers lebt in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, arbeitsfähig und leidet derzeit an keinen schweren Erkrankungen. Er hat in Österreich außer der genannten Schwester, zu der auch kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis besteht, keine nahen Angehörigen. Der Beschwerdeführer ist nicht legal in das Bundesgebiet eingereist, war bis zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nur aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz vorläufig zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und hat Leistungen aus der Grundversorgung bezogen. Er hat in Österreich Deutschkurse sowie einen Werte- und Orientierungskurs besucht und spricht etwas Deutsch. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer auch über Englisch-Kenntnisse. Er hat auch österreichische Bekannte bzw. Freunde. Der Beschwerdeführer hat in Österreich nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigten Ende Februar 2018 zunächst nur für wenige Wochen in verschiedenen Berufen – teilweise geringfügig – gearbeitet und sonst Leistungen aus der Grundversorgung (bis Juni 2018) bzw. der bedarfsorientierten Mindestsicherung (für mehr als 9 Monate) bezogen. Ab Juni 2019 war der Beschwerdeführer bei einem Dienstleistungsunternehmen teilzeitbeschäftigt und seit Dezember 2019 arbeitet er als Kurierfahrer.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil eines Landesgerichtes vom 14.09.2017 (Datum der letzten Tat: 28.08.2017) wegen §§ 27 Abs. 2a 2.Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall und 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt erlassen (Probezeit drei Jahre), verurteilt. Bei der Strafbemessung wurde mildernd ein umfassendes und reumütiges Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen habe, sowie ein bisher ordentlicher Lebenswandel, erschwerend das Zusammentreffen von mehreren Vergehen berücksichtigt.

Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 09.01.2019 (Datum der letzten Tat: 09.08.2016; Eintritt der Rechtskraft am 15.01.2019) wurde der Beschwerdeführer wegen § 146 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 400,00 verurteilt.

Seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2018, GZ W233 2127910-1/26E, wurde der Beschwerdeführer nicht wieder straffällig im Sinne des Asylgesetzes.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich nicht vom islamischen Glauben abgewendet und ist nicht zum Christentum konvertiert. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan eine Konversion vom Christentum unterstellt wird.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine physische oder psychische Gewalt im Zusammenhang mit einem Grundstücksstreit in der Provinz Kunduz bzw. mit der Tötung seines Vaters.

Dem Beschwerdeführer droht auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit oder aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich weder Gewalt noch erhebliche Diskriminierung. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

1.3. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 bis 42 % Paschtunen, 27 bis 30 % Tadschiken, 9 bis 10 % Hazara, 9 % Usbeken, ca. 4 % Aimaken, 3 % Turkmenen und 2 % Belutschen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag bestehen fort und werden nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Etwa 99,7 % der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime, der Großteil davon sind Sunniten. Schätzungen zufolge, sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1 % der Bevölkerung aus. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt. Eine Person wird allerdings in Afghanistan nicht notwendigerweise als nichtgläubig angesehen, wenn sie nicht an religiösen Handlungen im öffentlichen Raum teilnimmt, da es auch viele Muslime gibt, die nicht regelmäßig die Moschee besuchen. Auch für strenggläubige Muslime kann es darüber hinaus legitime Gründe geben, religiösen Zeremonien fernzubleiben.

Für als „verwestlicht“ wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko – insbesondere im urbanen Bereich.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Die Provinz Kunduz liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Tadschikistan, im Osten an die Provinz Takhar, im Süden an die Provinz Baghlan und im Westen an die Provinz Balkh. Die Sicherheitslage der Provinz hat sich verschlechtert. Sowohl 2015 als auch 2016 kam es zu einer kurzfristigen Einnahme der Provinzhauptstadt Kunduz City durch die Taliban und auch Ende August 2019 nahmen die Taliban kurzzeitig Teile der Stadt ein. Die Taliban waren im Jahr 2018 in den Distrikten Dasht-e-Archi und Chahar Darah aktiv, wo sich die staatliche Kontrolle auf kleine Teile der Distriktzentren und einige benachbarte Dörfer beschränkte. Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 492 zivile Opfer (141 Tote und 351 Verletzte) in der Provinz Kunduz. Dies entspricht einer Steigerung von 46 % gegenüber 2018.

Die Provinz Kabul liegt in Zentralafghanistan östlich von Parwan und Wardak und hat laut Schätzungen etwa 5 Millionen Einwohner. Außerhalb der Hauptstadt sind von den aufständischen Gruppierungen in Afghanistan vor allem die Taliban aktiv, Berichten zufolge stehen aber keine Distrikte unter der Kontrolle von Aufständischen. Die Hauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Kabul-Stadt ist über den Flughafen gut zu erreichen. Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Die Lage in der Hauptstadt ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, dennoch führten Aufständische sowohl im gesamten Jahr 2018 als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2 % gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen. Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden. Dabei kam es auch zu zivilen Opfern. Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Nach Schätzungen leben nahezu 1,5 Millionen Menschen in der Provinz Balkh, davon etwa 470.000 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, die von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer mehrheitlich paschtunischen Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert und besonders der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden. Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt, die als „sehr sicher“ gilt, und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Auch in Herat-Stadt ist ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität zu verzeichnen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48 % gegenüber 2017. Die Hauptursachen für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft – wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung – auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre – insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes – weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert.

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer/innen erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Return and Reintegration Network (ERRIN) wird im Rahmen des ERRIN Specific Action Program sozioökonomische Reintegrationsunterstützung in Form von Beratung und Vermittlung für freiwillige und erzwungene Rückkehrer angeboten. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Bereich Rückkehr verschiedene Programme zur Unterstützung und Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan an. Hinsichtlich des Ausmaßes und der Art von Unterstützung wird zwischen freiwillig und unfreiwillig zurückgeführten Personen unterschieden. Das von IOM durchgeführte Assisted Voluntary Return and Reintegration (AVRR) Programme besteht aus einer Kombination von administrativen, logistischen und finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Personen, welche beschließen, freiwillig aus Europa, Australien und der Türkei in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren. Im Zuge des AVRR-Programmes wurden im Jahr 2018 von IOM 2.182 Rückkehrer unterstützt. Etwa die Hälfte von ihnen erhielt Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens. Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt. IOM gewährte bisher zwangsweise rückgeführten Personen für 14 Tage Unterkunft in Kabul. Seit April 2019 erhalten Rückkehrer nur noch eine Barzahlung in Höhe von ca. 150 Euro sowie Informationen, etwa über Hotels. Die zur Verfügung gestellten 150 Euro sollen zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse dienen und können je nach Bedarf für Weiterreise, Unterkunft oder sonstiges verwendet werden. Nach Auskunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hat lediglich eine geringe Anzahl von Rückgeführten die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM genutzt. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser – insbesondere in der Stadt Kabul – lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

Zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan:

Berichten zufolge haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt, mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet.

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Die Regierung Afghanistans gab am 06.06.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert.

Die Vorgaben der Regierung werden oft nicht befolgt und die Durchsetzung erfolgt nachsichtig. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet.

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden.

Am 18.07.2020 kündigte die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken. Die Weltbank genehmigte am 15.07.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten.

Verschiedenen COVID-19-Modellen zufolge wurde der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet. Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen. Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 bis 31 Prozent gestiegen sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere zu seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, seinen Aufenthaltsorten und seinen Familienangehörigen sowie zu seiner Schulbildung und Berufserfahrung beruhen auf den plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Laufe seines Asylverfahrens.

Zu den Feststellungen betreffend die Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Behauptung in der Einvernahme am 28.05.2019, er schicke seiner Frau monatlich 100 bis 150 Euro nach Afghanistan, trotz Aufforderung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keinerlei Nachweise vorgelegt und lediglich auf eine Übermittlung des Geldes über das informelle Hawala-System hingewiesen hat. Da der Beschwerdeführer sich auch geweigert hat, den konkreten Händler zu benennen, über den er die Überweisungen durchgeführt habe, und den diesbezüglichen Feststellungen in dem angefochtenen Bescheid in der vorliegenden Beschwerde nicht entgegengetreten ist, konnte unter Berücksichtigung der beeinträchtigten persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers (siehe unten Pkt. 2.2.) nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seine Frau und sein Kind tatsächlich (regelmäßig) finanziell unterstützt, zumal er auch häufig nur geringfügig beschäftigt oder ohne legale Beschäftigung war.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers wurden den Feststellungen die Angaben des Beschwerdeführers sowie die vorgelegten ärztlichen Befunde zugrunde gelegt. Aus dem Befund vom 19.10.2016 geht hervor, dass der Beschwerdeführer an Hepatitis B erkrankt war, eine aktuelle, schwere bzw. die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigende Erkrankung ist dem schriftlich sowie mündlich erstatteten Vorbringen nicht zu entnehmen. Auch in der mündlichen Verhandlung am 08.09.2020 hat der Beschwerdeführer angegeben, dass er gesund ist, nicht regelmäßig Medikamente nimmt und nicht regelmäßig zum Arzt geht.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich der Feststellungen zu dem aktuellen Privat- und Familienleben sowie insbesondere der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowie die vorgelegten Nachweise den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die Feststellungen zu einer Straffälligkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt – insbesondere aus der gekürzten Urteilsausfertigung vom 14.09.2017 – sowie aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.

2.2. Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer hat seine Antragstellung auf eine Bedrohung infolge eines Grundstücksstreits gestützt, in der Folge aber eine Konversion zum Christentum als Nachfluchtgrund geltend gemacht. Die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2018 erfolgte aufgrund einer als glaubhaft gewerteten Konversion zum Christentum.

Im Zuge des Aberkennungsverfahrens hat der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 24.06.2019 allerdings selbst angegeben, seine „Religion gegen einen Reisepass nicht wechseln“ zu wollen und von diesem Vorhaben nun abzusehen. Er sei sunnitischer Moslem. Da der Beschwerdeführer überdies bestätigte, den christlich-evangelischen Glauben nur habe annehmen wollen, um Asyl zu erlangen, ist offenkundig, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.01.2018 und zuletzt vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.05.2019 die Unwahrheit gesagt hat, da er bei diesen Gelegenheiten jeweils behauptet hat, bereits zum Christentum konvertiert zu sein. In der mündlichen Verhandlung am 08.09.2020 hat der Beschwerdeführer bestätigt, die Konversion nur vorgebracht zu haben, um Asyl zu erlangen, aus innerer Überzeugung aber noch immer sunnitischer Muslim zu sein. Im Laufe der Verhandlung am 08.09.2020 änderte der Beschwerdeführer nach einem Vorhalt betreffend wiederholte unwahre Angaben sein Vorbringen neuerlich, erklärte nunmehr wieder, er habe seine Religion wechseln wollen, dies mit seinem Gewissen aber nicht vereinbaren können, um kurz darauf anzugeben, er habe „nicht wirklich ein Interesse am Christentum“ gehabt. Ein Freund des Beschwerdeführers habe ihm erzählt, er solle Christ werden, weil das „besser für [s]ein Asylverfahren“ sei.

Der Beschwerdeführer ist persönlich unglaubwürdig und ist auch davon auszugehen, dass er niemandem – insbesondere auch nicht seiner Familie bzw. seinem sozialen Umfeld in Afghanistan – von seiner damals behaupteten Abwendung vom Islam erzählt hat. Dies hat der Beschwerdeführer auch in der Verhandlung am 08.09.2020 ausdrücklich bestätigt („Ja, niemand weiß außer Gott, dass ich mich mit dem Christentum beschäftigt habe.“). Der Beschwerdeführer hat auch bestätigt, dass seine Angabe vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.01.2018, dass seine Frau über seinen Wechsel zum Christentum Bescheid wüsste, eine Lüge gewesen sei.

Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hat vor allem auch zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Fluchtvorbringens die Wahrheit gesagt hat. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer bereits zu dem Verkauf des Teppichhandels seiner Familie klar widersprüchliche Angaben gemacht. Entgegen seinem Vorbringen in der Verhandlung am 30.01.2018, er habe das Geschäft während seines Aufenthaltes in Kabul an einen Freund verkauft und sich den Betrag nach Kabul transferieren lassen, behauptete er am 08.09.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sein Onkel habe das Grundstück verkauft und das Geld für sich behalten.

Auch hinsichtlich der behaupteten Grundstreitigkeiten bzw. dem Bezug habenden Grundstück und dem Ableben des Vaters des Beschwerdeführers haben sich Widersprüche ergeben: Während der Beschwerdeführer am 30.01.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben hat, sein Grundstück sei vier Jirib groß und sein Vater sei (von Nachbarn aufgrund des Grundstücksstreites) im April 2014 getötet worden, behauptete er am 08.09.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht, das Grundstück sei tatsächlich nur zwei Jirib groß gewesen und sein Vater sei bereits im Februar oder März 2014 gestorben. Am 27.04.2016 behauptete der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt, sein Vater habe das Grundstück zwar nicht an seinen Nachbarn, aber an eine andere Person verkaufen wollen; in der Verhandlung am 08.09.2020 änderte der Beschwerdeführer auch seine dahingehenden Angaben und brachte nunmehr vor, sein Vater habe das Grundstück nicht verkaufen wollen.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet weisen die Angaben des Beschwerdeführers sohin zahlreiche Widersprüche und Ungereimtheiten auf, welche der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar zu klären vermochte. Im Zuge des aktuellen Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht hat sich der Eindruck verstärkt, dass der Beschwerdeführer lediglich eine konstruierte Geschichte wiedergegeben hat, und war daher sein gesamtes fluchtbezogenes Vorbringen als unglaubhaft zu werten. Somit war nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt war bzw. ist.

Im Übrigen ist festzuhalten, dass auch unbeachtlich der mangelnden Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers aus dessen Angaben eine aktuelle Bedrohung nicht erkennbar ist, zumal der Beschwerdeführer keinerlei gegen ihn persönlich gerichtete Handlungen oder Drohungen vorgebracht hat.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise und seines Aufenthaltes in Österreich beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein substantiiertes Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet.

Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers sind daher nicht hervorgekommen.

2.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet – und dem EASO-Bericht „Country Guidance: Afghanistan“ vom Juni 2019.

Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte. Die Lage in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage versichert hat.

Die Parteien sind den im Rahmen der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht entgegengetreten und der Beschwerdeführervertreter hat lediglich auf die besondere Situation wegen COVID-19 hingewiesen.

Auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des UNHCR in den Richtlinien vom 30.08.2018 betreffend eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul („UNHCR ist der Auffassung, dass angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar ist.“) ist im Ergebnis nicht davon auszugehen, dass Rückkehrern bei einer Neuansiedlung in der Stadt Kabul jedenfalls ernsthafter Schaden droht. Wenngleich den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist („Indizwirkung“; vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103-0106, und 22.09.2017, Ra 2017/18/0166, jeweils mit weiteren Nachweisen), folgt das erkennende Gericht diesbezüglich der etwas differenzierteren Beurteilung in der von EASO im Juni 2019 publizierten Neuauflage der Guidance Notes, laut denen eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif aufgrund der allgemeinen Lage grundsätzlich weiterhin in Betracht kommt („It can be concluded that the general security situation in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif does not preclude the consideration of the three cities as IPA“). Sowohl hinsichtlich einer möglichen ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von Artikel 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) als auch hinsichtlich der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird in dem Bericht ausdrücklich auf das Vorliegen besonderer persönlicher Umstände abgestellt. Die in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vorherrschenden allgemeinen Bedingungen stehen der Zumutbarkeit einer innerstaatliche Fluchtalternative grundsätzlich nicht entgegen („Based on available COI, it is concluded that the general circumstances prevailing in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif, assessed in relation to the factors above, do not preclude the reasonableness to settle in the cities.“).

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und auch mit den Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien betreffend einen UNAMA-Bericht vom Juli 2018 in Einklang zu bringen, in dem 993 zivile Opfer (321 Tote und 672 Verletzte) in der Provinz Kabul in den ersten sechs Monaten des Jahres 2018 genannt werden (eine Steigerung von 5 % im Vergleich zum Vorjahr), zumal diese Zahlen im Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung der Provinz Kabul von rund 4,6 Millionen Einwohnern zu betrachten sind, wobei von einer erhöhten Gefährdung für Staatsbedienstete und Ausländer auszugehen ist. Hinsichtlich der Würdigung des EASO-Leitfadens ist ferner darauf hinzuweisen, dass in Artikel 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information – COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012; vgl. auch Artikel 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen. Auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den – in den Kernaussagen mit dem Folgebericht vergleichbaren – EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass „in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht“, ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Artikel 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und darüber hinaus auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese „grundsätzlich“ nicht verfügbar sei.

Auch hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif stützen sich die getroffenen Feststellungen neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation insbesondere auf den EASO-Leitfaden vom Juni 2019, dem etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen ist (vgl. auch die gleichlautenden Ausführungen betreffend die Stadt Mazar-e Sharif): „In the provincial capital of Herat City, indiscriminate violence is taking place at such a low level that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence within the meaning of Article 15(c) QD.“

Wie bereits oben ausgeführt, geht EASO hinsichtlich der Städte Herat und Mazar-e Sharif – insbesondere für „single able-bodied men“ – ebenfalls von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus.

Die Feststellungen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan stützen sich ebenfalls insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, mit dem auch der ACCORD-Länderbericht „Afghanistan: Covid-19“ vom 05.06.2020 und die Briefing Notes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.07.2020 in Einklang zu bringen sind. Ergänzend beobachtet das Bundesverwaltungsgericht – insbesondere hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan – auch in die diesbezügliche Medienberichterstattung (vgl. etwa TOLOnews, https://tolonews.com), aus der sich ebenfalls keine andere Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ableiten lässt.

Zur Frage der Erreichbarkeit der Städte Herat und Mazar-e Sharif auf dem Luftweg ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die afghanische Zivilluftfahrtbehörde bekannt gegeben hat, dass die Inlandsflüge nach einer dreimonatigen Pause wiederaufgenommen wurden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, 27.07.2020).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und Kognitionsbefugnis:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.       ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2.       einer der in Artikel 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3.       der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gemäß Artikel 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention

fällt eine Person, auf die die Bestimmungen des Abschnittes A zutreffen, nicht mehr unter dieses Abkommen, wenn sie

1.       sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder

2.       die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder

3.       eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt; oder

4.       sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder

5.       wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen;

6.       staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren. Die Bestimmungen der Ziffer 6 sind jedoch auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Personen nicht anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr früheres Aufenthaltsland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen.

Die Endigungsgründe des Artikels 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechen im Wesentlichen auch Artikel 11 Abs. 1 StatusRL (Erlöschenstatbestände). Gemäß dieser Bestimmung ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr Flüchtling, wenn er

a)       sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt oder

b)       nach dem Verlust seiner Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat oder

c)       eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er erworben hat, genießt oder

d)       freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen er aus Furcht vor Verfolgung geblieben ist, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat oder

e)       nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder

f)       als Staatenloser nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Gemäß Artikel 14 Abs. 3 StatusRL erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen die Flüchtlingseigenschaft ab, beenden diese oder lehnen ihre Verlängerung ab, falls der betreffende Mitgliedstaat nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft feststellt, dass

a)       die Person gemäß Artikel 12 von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;

b)       eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seinerseits, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschlaggebend war.

Die belangte Behörde hat sich im Aberkennungsverfahren zunächst auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bezogen und Ausführungen zu einer Straffälligkeit des Beschwerdeführers gemacht. Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach Aktenlage seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht straffällig geworden ist, zumal die vom Bundesamt angeführten strafbaren Handlungen bereits in den Jahren 2016 und 2017 begangen wurden (vgl. betreffend die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der Begehung von Straftaten vor Zuerkennung des subsidiären Schutzes: VfGH 16.12.2010, U1769/10).

Im angefochtenen Bescheid wurde die Aberkennung des Status des Asylberechtigten hingegen auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gestützt und begründend ausgeführt, der Grund für die Asylgewährung (Konversion zum Christentum) sei nunmehr entfallen.

Wohl kann der Wegfall subjektiv empfundener Furcht allenfalls ein Indiz dafür sein, dass auch objektiv kein asylrechtlich relevanter Verfolgungsgrund mehr vorliegt, doch kann die subjektiv empfundene Furcht eines Flüchtlings vor Verfolgung allein nicht als einer der in Artikel 1 Abschnitt C Z 5 GFK angeführten Umstände gewertet werden. Diese Umstände sind gemäß dem Wortlaut der angeführten Konventionsstelle solche, auf Grund deren der Asylwerber als Flüchtling anerkannt worden ist. Durch den Wegfall (lediglich) des subjektiven Furchtempfindens eines Flüchtlings können die in Artikel 1 Abschnitt C Z 5 dieser Konvention angeführten Voraussetzungen noch nicht als erfüllt angesehen werden; vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich bei den „Umständen“ im Sinne der zitierten Bestimmung insbesondere um solche handeln muss, die sich auf grundlegende, die in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention angeführten Fluchtgründe betreffende (objektive) Veränderungen im Heimatstaat des Flüchtlings beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die – begründete – Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121, mwH).

Die Bestimmung des Artikel 1 Abschnitt C Z 5 GFK stellt primär auf eine grundlegende Änderung der (objektiven) Umstände im Herkunftsstaat ab, kann jedoch auch die Änderung der in der Person des Flüchtlings gelegenen Umstände umfassen, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist (Böckmann-Winkler/Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 7 AsylG 2005 (Stand 01.06.2016, rdb.at), mwN).

Im vorliegenden Fall war eine falsche Darstellung von Tatsachen seitens des Beschwerdeführers für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausschlaggebend (vgl. Art. 14 Abs. 3 lit. b StatusRL).

Zwar ergibt sich eine Änderung jener Umstände, die für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten maßgeblich waren, regelmäßig daraus, dass sich die tatsächlichen Umstände im Herkunftsland geändert haben, es kann aber auch eine Änderung des Kenntnisstands der Behörde hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass diese nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt (vgl. hiezu – betreffend die unionsrechtlich vergleichbar geregelte Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten – VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, mit Hinweis auf EuGH 23.05.2019, Bilali, C-720/17, Rn. 49 und 50).

Der Grund für die Asylgewährung (ein Glaubensabfall des Beschwerdeführers bzw. eine Konversion zum Christentum) besteht daher nicht länger und dem Beschwerdeführer ist es auch sonst nicht gelungen, eine begründete Furcht vor Verfolgung darzutun. Es kann sohin nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer asylrelevante Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Im Übrigen ist der vorgebrachte Grundstücksstreit mangels eines hinreichenden Zusammenhanges mit einem Konventionsgrund grundsätzlich nicht asylrelevant, zumal der Beschwerdeführer nicht aufgrund seiner Familienzugehörigkeit verfolgt würde, sondern aufgrund eines Rechtsanspruches auf die streitgegenständlichen Grundstücke.

Der Vollständigkeit halber ist weiters festzuhalten, dass den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten auch keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen sind, dass „verwestlichten“ Rückkehrern alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2018, S. 19 u. S. 57). Auch in den UNHCR-Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann (vgl. hiezu auch Gutachten Dr. Rasuly vom 15.02.2017, W119 2142462-1, sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 01.06.2017, [a-10159], Pkt. 5).

Die belangte Behörde hat den Status des Asylberechtigten des Beschwerdeführers daher zu Recht gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit Artikel 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention aberkannt.

3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Wird der Status des Asylberechtigten aberkannt, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offensteht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Gemäß Artikel 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Artikel 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, verwies auf § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (im Folgenden: FrG) wonach die Zurückweisung, Zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten