TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 W133 2227126-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2227126-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 11.12.2019 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 25.09.2019 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet), den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem von der Beschwerdeführerin unterfertigten Antragsformular für den - auf die Beschwerdeführerin zutreffenden - Fall, dass sie nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in dem Behindertenpass galt. Diesem Antrag legte sie ein Konvolut an medizinischen Befunden bei.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In diesem Gutachten vom 12.11.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Pankreaskarzinom - partielle Duodenopankreatektomie 7/2019, laufende Chemotherapie bis 12/2019 geplant.

Unterer Rahmensatz, da guter Allgemein- und Ernährungszustand.

13.01.03

50

2

Insulinpflichtiger Diabetes aufgrund einer Pankreasteilresektion

Unterer Rahmensatz bei einmalig täglicher Langzeitinsulingabe

09.02.02

30

3

Aufbrauchzeichen im Bewegung- und Stützapparat

Unterer Rahmensatz bei mäßiggradiger Funktionseinschränkung. 

02.02.02

30

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch die übrigen Leiden um eine Stufe erhöht, da das Gesamtbild maßgeblich negativ beeinflusst werde. Es wurde für Juli 2024 nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Nachuntersuchung angeordnet. Der Gutachter stellte fest, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 13.11.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 12.11.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Die Beschwerdeführerin brachte innerhalb der ihr dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme ein.

Am 11.12.2019 wurde der Beschwerdeführerin daher von der belangten Behörde ein befristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 11.12.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) unter Berufung auf das Gutachten vom 12.11.2019 ab.

Mit E-Mailnachricht vom 30.12.2019 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.12.2019. Darin führt sie aus, dass sie im Juli 2019 an der Bauchspeicheldrüse wegen eines bösartigen Tumors operiert worden sei. An dieser seien der Kopf, ein Teil des Magens und des Darmes entfernt worden. Die ersten Monate nach der Operation habe sie nur flüssige und breiige Nahrung zu sich nehmen können. Sie habe keinen Appetit und nur mit Hilfe eines Medikamentes lehne ihr Körper die Nahrungsaufnahme nicht komplett ab. Ihr Körpergewicht habe sich bisher auf 59 kg reduziert. Sie bekomme außerdem seit 6 Monate in Zyklen stationär die Chemotherapie. Nach einem solchen Zyklus habe sie tagelang Magen- und Darmbeschwerden und Übelkeit. Ihr Körperzustand sei geschwächt, die Muskeln würden sich zurückbilden und sie fühle sich kraftlos. Zwischen den Zyklen habe sie die ärztliche Untersuchung gehabt, welcher sie nur mit Mühe Folge leisten habe können. In seinen nunmehrigen schriftlichen Ausführungen habe der Gutachter auf ihren derzeitigen Gesundheitszustand nicht genügend Bedacht genommen. Ihre Einwände, sie könne sich nur zu Hause fortbewegen, außer Haus könne sie nichts erledigen, habe er mit den Worten: „Das wird schon besser werden!" abgetan. Der Gutachter behaupte, dass sie keine erheblichen Einschränkungen habe und sich körperlichen Belastungen aussetzen könne. Dabei würden bei ihr sehr wohl physische Einschränkungen vorliegen. Kurze Wegstrecken (beispielsweise Arzt- und Spitalsbesuche) könne sie nur in Begleitung ihres Ehemannes in dessen Auto zurücklegen. Des Weiteren führt die Beschwerdeführerin an, dass sich der Zustand ihrer HWS/LWS derart verschlechtert habe, dass sie die ersten Stunden nach dem Aufstehen nicht aufrecht und ohne Schmerzen gehen könne. Die Gesamtmobilität sei in großem Maße eingeschränkt. In weiterer Folge führt die Beschwerdeführerin eine ärztliche Diagnose an. Ihr Körper zeige somit ein anderes Bild als dies vom Sachverständigen in seinem Gutachten aufgezeigt worden sei. Die Muskeln hätten sich durch das lange Liegen nach der OP und während der Chemo Behandlung abgebaut. Wie könne hier ein guter und normaler Allgemein-bzw. Ernährungszustand attestiert werden? Sie könne nur kleine Essensportionen einnehmen und selbst diese bringe sie manchmal nicht hinunter. Sie habe bei der gegenständlichen Untersuchung noch 70 kg gewogen, jetzt habe sie unter 60 kg. Die Chemotherapie ende am 21.02.2020 und sie wünsche sich nicht noch mehr Körpergewicht zu verlieren. Der Beschwerde wurden keine medizinischen Befunde beigelegt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 02.01.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht Einsicht in das allgemeinmedizinische Gutachten vom 12.11.2019 genommen und ergänzend ein weiteres Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 25.06.2020, wiederum basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.05.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für beantragte Zusatzeintragung auch aus Sicht der Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin nicht vorliegen würden. In ihrem Gutachten begründet sie ihre Beurteilung ausführlich.

Mit Schreiben vom 10.07.2020 informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Dieses Schreiben wurde aufgrund einer Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin bis 16.07.2020 an das Bundesverwaltungsgericht rückübermittelt. Am 17.07.2020 wurde der Beschwerdeführer das Schreiben vom 10.07.2020 abermals übermittelt, das Schreiben wurde der Beschwerdeführerin laut dem im Akt aufliegenden Rückschein am 21.07.2020 persönlich zugestellt.

Weder die Beschwerdeführerin, noch die belangte Behörde erstatteten innerhalb der eingeräumten Frist eine Stellungnahme. Das aktuelle Gutachten wurde nicht bestritten.

Am 13.08.2020 ersuchte der Ehegatte der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht telefonisch um Zusendung einer Kopie des Parteiengehörs vom 10.07.2020. Er habe den Ordner mit den medizinischen Unterlagen seiner Gattin (inklusive Parteiengehör) im Zug liegen gelassen und nicht wieder zurückbekommen. Außerdem teilte er mit, dass neue medizinische Befunde vorliegen würden, welche eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin belegen würden. Der Gatte der Beschwerdeführerin wurde vom erkennenden Gericht darüber informiert, dass das Parteiengehör nach neuerlicher Abfertigung wegen Ortsabwesenheit der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß zugestellt worden und die Frist für einen allfälligen Einwand abgelaufen sei. Weiters wurde der Gatte der Beschwerdeführerin über die im Verfahren geltende Neuerungsbeschränkung informiert und auf eine mögliche neuerliche Antragstellung bei objektivierbarer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin hingewiesen. Es wurde um Zusendung einer Kopie des Gutachtens vom 25.06.2020 per Post ohne Zustellnachweis ersucht.

Mit Begleitschreiben vom 14.08.2020 wurde der Beschwerdeführerin das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten vom 25.06.2020 in Kopie abermals übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines bis 31.07.2024 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin stellte am 25.09.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Zustand nach Pankreaskarzinom, partielle Duodenopankreatektomie 07/2019, Zustand nach Chemotherapie, Polyneuropathie;

2.       Insulinpflichtiger Diabetes mellitus aufgrund einer Pankreasteilresektion;

3.       Aufbrauchzeichen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates mit geringgradiger Funktionseinschränkungen im Bereich von rechtem Hüftgelenk und Lendenwirbelsäule.

Bei der Beschwerdeführerin liegen zum Entscheidungszeitpunkt keine ausreichend erheblichen Einschränkungen im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten vor. Im Bereich des rechten Hüftgelenks konnte eine geringgradige funktionelle Einschränkung festgestellt werden, jedoch kein höhergradiges Defizit. Die weiteren Gelenke der unteren Extremitäten sind funktionell nicht eingeschränkt. Der Senkspreizfuß beidseits, Hallux valgus und Hammerzehen stellen keine erheblichen Fußdeformitäten dar und sind mittels Schuheinlagen kompensierbar. Es konnte kein radikuläres Defizit eindeutig objektiviert werden, eine Vorfußheberschwäche bzw. Vorfußsenkerschwäche konnte nicht festgestellt werden. Auch liegen keine erheblichen Komorbiditäten der oberen Extremitäten vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist unbeschränkt möglich, da ausreichend Kraft und Beweglichkeit im Bereich der gesamten oberen Extremitäten beidseits vorliegt.

Es liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Eine kardiopulmonale Funktionseinschränkung oder anderweitige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar. Insbesondere ist keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bei Zustand nach Duodenopankreatektomie und Chemotherapie objektivierbar, es ist in der Zwischenzeit wieder zu einer geringgradigen Zunahme des Körpergewichts gekommen (von 60 auf 64 kg).

Auch bestehen bei der Beschwerdeführerin keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Bei Zustand nach Chemotherapie liegt eine Polyneuropathie mit Gefühlsstörungen im Bereich der Hände und der unteren Extremitäten, von den Füßen bis zu den Kniegelenken, vor. Die Polyneuropathie führt zu einer geringgradigen Unsicherheit bei den Gleichgewichtfunktionstests. Eine hochgradige Gangunsicherheit, die zu einer höhergradigen Gangbildbeeinträchtigung führt und die Verwendung von Gehhilfen erfordert, liegt nicht vor. Diesbezüglich sind außerdem Behandlungsoptionen offen.

Es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems. Die Chemotherapie ist abgeschlossen, eine anhaltende Schwächung des Immunsystems ist nicht gegeben.

Schließlich besteht auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

Zum Ausmaß der Auswirkungen der festgestellten Leidenszustände nach ihrer Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird Folgendes festgestellt:

Der Zustand nach partieller Duodenopankreatektomie 07/2019 bei Pankreaskarzinom und anschließender Chemotherapie bis Anfang 2020 führt zu keiner anhaltenden maßgeblichen Schwächung. Weder konnte eine maßgebliche Beeinträchtigung der Darmtätigkeit objektiviert werden noch eine höhergradige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es ist in der Zwischenzeit zu einer mäßigen Gewichtszunahme gekommen. Die infolge der Chemotherapie aufgetretene Polyneuropathie führt zu einer mäßigen Gangunsicherheit, jedoch nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung beim Stehen bzw. Gehen. Das Zurücklegen einer Gehstrecke von rund 10 min, entsprechend einer Entfernung von rund 300-400 m, ist möglich, eine maßgebliche Funktionseinschränkung, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke erheblich erschweren könnte, ist nicht objektivierbar. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Das Überwinden von Niveauunterschieden, wie zum Beispiel beim Ein-und Aussteigen in bzw. aus öffentlichen Verkehrsmitteln ist möglich. Eine relevante Einschränkung des Bewegungsumfangs der Gelenke der unteren Extremitäten konnte nicht festgestellt werden. Ein höhergradiges neurologisches Defizit im Sinne einer Lähmung ist weder dokumentiert noch anhand der aktuellen Begutachtung objektivierbar. Das sichere Bewegen und das Anhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln ist, auch unter Beachtung der Sensibilitätsstörungen aufgrund der Polyneuropathie, möglich, eine erhebliche Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit konnte nicht festgestellt werden. Das Anhalten ist nicht erheblich erschwert, höhergradige Funktionseinschränkungen beider oberer Extremitäten, insbesondere der Hände, konnten nicht festgesteilt werden.

Zu allfälligen Schmerzzuständen (Art und Ausmaß), die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, wird festgestellt:

Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, konnten nur indirekt erfasst werden.

Anhand des beobachteten Gangbilds („hinkfrei, geringgradig breitspurig und leicht vorgeneigt, endlagig gehemmtes Abrollen, Richtungswechsel ohne Anhalten sicher möglich“), des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten, und der derzeitigen Therapieerfordernis (keine analgetische Basistherapie etabliert) ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnten.

Eine Therapierefraktion hinsichtlich der angegebenen Beschwerden ist nicht gegeben, da von einer Intensivierung multimodaler konservativer Maßnahmen, insbesondere analgetischer und physikalischer Therapie, und durch die Behandlung der neuropathischen Beschwerden, eine Beschwerdeerleichterung zu erwarten wäre.

Das aktuelle Fachgutachten deckt sich vollinhaltlich mit der Beurteilung des Gutachtens eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 12.11.2019, welches die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt hatte. Auch im aktuellen Gutachten wird, wie im Vorgutachten vom 12.11.2019, eine Nachuntersuchung für Juli 2024 vorgesehen.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 25.06.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten wurde von den Verfahrensparteien nicht bestritten. Eine vom Gutachten abweichende Beurteilung erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über die Ausstellung eines befristeten Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur aktuellen Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 25.06.2020, welches die Beurteilung des dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gutachtens vollinhaltlich bestätigt. Darin wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin aktuell zumutbar ist. In dem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Aus den nachgereichten bzw. im Rahmen der Begutachtungen vorgelegten Befunden vom 07.01.2020, 08.01.2020 und 15.05.2020 ergibt sich keine andere Beurteilung, zudem unterliegen diese der Neuerungsbeschränkung. Die getroffene Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in dem Gutachten verwiesen).

Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.

Im Rahmen der Untersuchung für das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten am 22.05.2020 wurde folgender klinischer Status erhoben:

„STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 168 cm, Gewicht 64 kg, Alter: 73a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch, rechts pektoral Port-à-Cath

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Bogenförmige Narbe Oberbauch, Druckschmerz geringgradig im Bereich des rechten Oberbauchs.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird im Bereich der Hände als gestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar, teilweise etwas unsicher.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten kurz möglich. Die tiefe Hocke ist zu 2/3 möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Bereich der Füße bis zu den Kniegelenken als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk rechts: endlagige Bewegungsschmerzen

Senkspreizfuß beidseits, Hallux valgus beidseits, Hammerzehe beidseits 2. Zehe

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig,

Aktive Beweglichkeit: Hüften S rechts 0/100, links 0/110, IR/AR rechts 10/0/25, links 15/0/35, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 15 cm, in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Finger-Nasen-Versuch unauffällig, Eudiadochokinese

Romberg unauffällig, Unterberger geringgradig unsicher, jedoch keine seitliche Abweichung

Gesamtmobilität – Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit festen Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist hinkfrei, geringgradig breitspurig und leicht vorgeneigt, endlagig gehemmtes Abrollen, Richtungswechsel ohne Anhalten sicher möglich.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.“

Der von der Sachverständigen erhobene klinische Status deckt sich auch mit den vorgelegten Befunden.

In der eingebrachten Beschwerde wird im Wesentlichen eingewendet, dass die stattgehabte Operation und die Chemotherapie Magen-Darmbeschwerden und Muskelschwäche zur Folge gehabt hätten. Die Beschwerdeführerin habe physische Einschränkungen und könne kurze Wegstrecken nur in Begleitung ihres Ehemanns in dessen Auto zurücklegen. Der Gesundheitszustand der HWS/LWS habe sich derart verschlechtert, dass sie sich die erste Stunde nach dem Aufstehen nicht aufrichten und nicht ohne Schmerzen gehen könne. Die Gesamtmobilität sei in großem Maße eingeschränkt, diesbezüglich verweist die Beschwerdeführerin auf diverse Befunde. Sie habe Muskeln abgebaut und keinen normalen Allgemein- und Ernährungszustand, sie könne nur kleine Portionen essen. Sie habe nur mehr 60 kg. Dazu hält die vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Gutachterin nachvollziehbar fest, dass die durchgeführte Operation und die anschließende Chemotherapie zu einer Schwächung geführt haben. Eine maßgebliche und anhaltende Schwächung ist jedoch weder anhand der Befundlage noch anhand des aktuellen klinischen Untersuchungsergebnisses objektivierbar, diesbezüglich ist insbesondere auf die Gewichtszunahme von 60 auf 64 kg zu verweisen. Dass das selbstständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke erheblich erschwert ist, ist nicht ausreichend begründbar.

Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, konnten nur indirekt erfasst werden.

Schließlich ist festzuhalten, dass eine Therapierefraktion hinsichtlich der angegebenen Beschwerden nicht gegeben ist, da von einer Intensivierung multimodaler konservativer Maßnahmen, insbesondere analgetischer und physikalischer Therapie, und durch die Behandlung der neuropathischen Beschwerden, eine Beschwerdeerleichterung zu erwarten wäre.

Es liegen somit bei der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt zusammengefasst keine ausreichend erheblichen Funktionseinschränkungen vor, welche die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung rechtfertigen würden.

Im Juli 2024 ist nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Nachuntersuchung bei der Beschwerdeführerin durchzuführen.

Es ist letztlich anzumerken, dass sich dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen lassen, dass bei der Beschwerdeführerin von der beigezogenen Sachverständigen, bei der es sich um eine vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund ihrer Objektivität und Unbefangenheit sehr häufig herangezogene und erfahrene Sachverständige handelt, an deren Qualifikation kein Zweifel besteht, keine fachgerechte Untersuchung durchgeführt worden wäre und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus dem diesbezüglich nicht ausreichend substantiierten Vorbringen in der Beschwerde; insbesondere widersprechen die Untersuchungsergebnisse auch nicht den von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten medizinischen Unterlagen. Im Übrigen ist es – dies sei lediglich der Vollständigkeit halber angemerkt - im gegenständlichen Verfahren nicht Aufgabe des medizinischen Sachverständigen, dem Antragsteller eine medizinische Behandlung zukommen zu lassen, sondern eine Beurteilung auf Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vorzunehmen.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 25.06.2020 wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht mehr bestritten.

Die Beschwerdeführerin ist dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 25.06.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

„§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…

2. ...         
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und         
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder         
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder         
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder         
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder         
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) – (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

…“

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie vom 25.06.2020 zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aktuell zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit und auch keine anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor. Ein psychiatrisches Leiden in einem Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in unzumutbarem Ausmaß behindert, wurde ebenfalls nicht belegt.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Befunde vorgelegt, die das Gutachten entkräften oder diesem widersprechen würden. Das Gutachten erweist sich als vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig.

Auch eine Ausschöpfung der zumutbaren Therapieoptionen in Bezug auf die geltend gemachten Funktionseinschränkungen ist nicht belegt. Von einer Intensivierung multimodaler konservativer Maßnahmen, insbesondere analgetischer und physikalischer Therapie, und durch die Behandlung der neuropathischen Beschwerden, ist eine Beschwerdeerleichterung zu erwarten.

Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welche aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt zumutbar.

Bezüglich der nachgereichten Befunde vom 07.01.2020, 08.01.2020 und 15.05.2020, welche der Neuerungsbeschränkung unterliegen, ist Folgendes festzuhalten: Diese wurden von der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Sachverständigen bei der Erstellung des Gutachtens vom 25.06.2020 miteinbezogen, aus diesen Befunden war eine andere medizinische Beurteilung nicht ableitbar.

Die Beschwerdeführerin wird aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei einer befundmäßig objektivierten erheblichen Verschlechterung ihres Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien haben zudem keine mündliche Verhandlung beantragt, obwohl das Bundesverwaltungsgericht den Parteien im Zuge der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 10.07.2020 eine entsprechende Manuduktion erteilt hat.

All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2227126.1.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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