TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/19 W201 2226351-1

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Veröffentlicht am 19.10.2020
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Entscheidungsdatum

19.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W201 2226351-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von
XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 07.11.2019
OB: XXXX , in Form der Ausstellung eines bis 28.02.2023 befristeten Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung; Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat der Beschwerdeführerin am 13.04.2017 einen bis 01.06.2019 befristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen.

2.       Die Beschwerdeführerin hat am 13.03.2019 bei der belangten Behörde unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass gestellt.

3.       Dem, durch die belangte Behörde eingeholten, auf persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 31.10.2019 basierenden Sachverständigengutachten
Dris. XXXX , Fachärztin für Psychiatrie ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

„Klinischer Status –Fachstatus:

Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand adipös.

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, Sprache unauffällig, HWS frei beweglich

Hirnnerven: Pupillen rund, isocor beidseits, Lichtreaktion prompt und konsensuelle, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, kein pathologischer Nystagmus, keine Doppelbilder, HN VII seitengleich innerviert, basale HN frei.

Obere Extremitäten: Trophik, Tonus und grobe Kraft seitengleich unauffällig. VA: kein Absinken. Feinmotilität nicht beeinträchtigt. BSR, TSR RPR seitengleich auslösbar. Knips beidseits negativ. Eudiadochokinese beidseits. FNV beidseits zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Untere Extremitäten: Trophik, Tonus und grobe Kraft beidseits unauffällig. PV: kein Absinken. PSR und ASR seitengleich auslösbar. Babinski beidseits negativ. KHV beidseits zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Sensibilität wird allseits intakt angegeben, Dysästhesien im LWS-Bereich.

Gesamtmobilität – Gangbild: Antragstellerin kommt in Begleitung mit einem Gehstock zur Untersuchung. Gangbild etwas verlangsamt demonstriert jedoch flüssig. Zehen- und Fersengang möglich.

Status Psychicus: Wach, zur Person, örtlich und zeitlich orientiert. Konzentration, Aufmerksamkeit im Gespräch unauffällig. Mnestik altersentsprechend unauffällig. Antrieb etwas reduziert. Stimmung gedrückt. Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben. Ductus kohärent und zielführend. Keine produktive Symptomatik.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Komplexe posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Identitätsstörung, somatoforme Schmerzstörung.

Unterer Rahmensatz, da chronifizierter Verlauf. Teilbetreutes Wohnen erforderlich. Dieser Rahmensatz inkludiert auch Migräneattacken sowie lumboischialgieforme Beschwerden ohne neurologisches Defizit.

03.05.02

50 vH

02

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

Unterer Rahmensatz, da kein anhaltendes radikuläres Defizit.

02.01.01.

10 vH

03

Arterielle Hypertonie

Fixe Richtsatzposition

05.01.01

10 vH

04

Hypothyreose

Unterer Rahmensatz, da unter Substitution stabil.

09.01.01

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Leiden 2, 3 und 4 erhöhen den Grad der Behinderung nicht, da von untergeordneter Relevanz.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Refluxösophagitis, da konservativ gut behandelbar.

Nachuntersuchung 11/2022 – in drei Jahren, da Besserung möglich.“

4.       Mit Schreiben vom 04.11.2019 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht. Als Beilage wurde das Sachverständigengutachten Dris. XXXX übermittelt.

5.       Am 07.11.2018 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einen bis 28.02.2023 befristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe 50 vH eingetragen.

6.       Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Unter Vorlage einer medizinisch-psychotherapeutischen Stellungnahme Dris. XXXX vom 29.11.2019 wurde von der Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass die Fragen der untersuchenden Ärztin in erster Linie auf ihre körperliche Verfassung abgezielt hätten, nicht aber auf ihre psychische Situation. Im Rahmen ihres vierten stationären Aufenthaltes zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen, Angststörung und Selbstmordgedanken sei zusätzlich die Diagnose dissoziative Identitätsstörung gestellt worden, welche zu einer Krise und einem Suizidversucht geführt habe, weshalb die Therapie um einen Monat verlängert worden sei. Zu Hause sei es zu einem neuerlichen Suizidversuch und Krankenhausaufenthalt gekommen. Es komme zu Hause immer wieder zu dissoziativen Zuständen und Flashbacks welche ihr große Angst machten und sie beunruhigen würden. In diesen Situationen komme es zu einem Persönlichkeitswechsel, durch welchen sie in unangenehme Situationen gebracht werde (im Pyjama, ohne Schuhe um 2 Uhr in der Nacht auf der Straße von der Polizei aufgegriffen und dann nach mehrmaligen Anrufen nach Hause gebracht). Im Oktober 2019 sei es aufgrund eines Persönlichkeitswechsels zu einem neuerlichen Suizidversuch gekommen. Aufgrund ihrer Erkrankungen benötige sie dringend Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags und habe Heimhilfe, Betreuung und Begleitung. Sie sei zudem in Traumatherapie, und psychiatrischer sowie allgemeinmedizinischer Dauerbehandlung. Sie glaube, dass durch die begutachtende Sachverständige die dissoziative Identitätsstörung kaum berücksichtigt worden sei. Anders könne sie sich nicht erklären, dass trotz erweiterter Diagnose der Grad der Behinderung nur 50 vH betrage. Auch könne sie sich nicht vorstellen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, da ihre Anfälle von einigen Minuten bis hin zu Stunden andauern würden. Sie müsse Tabletten nehmen und sich ausschlafen und wenn ein Persönlichkeitswechsel stattfinde, könne sie 3 bis 4 Jahre alt sein und dies könne auch ein paar Tage dauern. Sie ersuche die Befunde zu berücksichtigen.

7.       Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 10.12.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8.       Im zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten mit 03.03.2020 datierten medizinischen Ergänzungsgutachten Dris. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie wird basierend auf der Aktenlage Folgendes festgestellt:

„Es wurde von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dass die Diagnose dissoziative Identitätsstörung nicht berücksichtigt wurde. Es wird ein Befund von der Allgemeinmedizinerin und Psychotherapeutin Dr. XXXX vom 29.11.2019 vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die Diagnose dissoziative Identitätsstörung im Juni 2019 gestellt wurde. Die Beschwerdeführerin beschreibt Angstzustände mit Flashbacks mit Persönlichkeitswechsel. Dies sind Symptome, die überlappend auch bei einer posttraumatischen Belastungsstörung vorkommen. Eine dissoziative Persönlichkeitsstörung hat keine eigene Position in der Einschätzungsverordnung. Die Symptome sind im Gutachten vom 31.10.2019 in der Position 1 enthalten und wurden entsprechend eingestuft. Keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten, da eine Verschlechterung der Funktionsausfälle befundmäßig nicht objektiviert werden kann.“

9.       Mit Schreiben vom 01.04.2020 wurden die Verfahrensparteien vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, und wurde die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben.

10.      Mit Schreiben vom 23.04.2020 hat die Beschwerdeführerin unter Vorlage von medizinischen Beweismitteln im Wesentlichen einwendend vorgebracht, dass sich ihr Gesundheitszustand aufgrund des Suizidversuches im Mai 2019 sehr verschlechtert habe und zur Erweiterung der Diagnose auf dissoziative Identitätsstörung geführt habe, welche sich deutlich von der dissoziativen Störung unterscheide, wie auch der beiliegenden Stellungnahme Dris. XXXX zu entnehmen sei. Seit dieser massiven Krise habe sie immer wieder Anfälle von Persönlichkeitsabspaltungen, bei denen sie sich wie ein 2 bis 5jähriges Kind verhalte und während dieser Phasen – welche von einer halben Stunde bis zu zwei Tagen dauern würden – spreche sie auch nur slowakisch und ungarisch. Sie ersuche um Neubeurteilung des Grades der Behinderung.

11.      In der zur Überprüfung der Einwendungen durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten mit 05.06.2020 datierten medizinischen Ergänzung Dris. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie wird basierend auf der Aktenlage Folgendes festgestellt:

„In Auftrag gegeben wird, dass die Beschwerdeführerin neue medizinische Unterlagen vorgelegt hat. Dies ist nur teilweise richtig. Es wird der (in anamnestisch überarbeiteter Version) Arztbrief XXXX (Aufenthalt XXXX ) und der idente Befund von Dr. XXXX vom 29.11.2019 vorgelegt. Es besteht kein Anlass die Beurteilung zu ändern, da kein rezenter FA Befund vorliegt, der eine andere führende Diagnose beinhaltet. Daher bleibt die Stellungnahme vom 03.03.2020 unverändert.“

12.     Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin Einwendungen erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Der Antrag auf (Neu-)Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 13.03.2019 bei der belangten Behörde eingelangt.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 10.12.2019 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

1.2.    Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 vH.

Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Position

GdB

01

Komplexe posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Identitätsstörung, somatoforme Schmerzstörung.

Unterer Rahmensatz, da chronifizierter Verlauf. Teilbetreutes Wohnen erforderlich. Dieser Rahmensatz inkludiert auch Migräneattacken sowie lumboischialgieforme Beschwerden ohne neurologisches Defizit.

03.05.02

50 vH

02

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

Unterer Rahmensatz, da kein anhaltendes radikuläres Defizit.

02.01.01.

10 vH

03

Arterielle Hypertonie

Fixe Richtsatzposition

05.01.01

10 vH

04

Hypothyreose

Unterer Rahmensatz, da unter Substitution stabil.

09.01.01

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

Der Gesamtgrad der Behinderung wird von Leiden 1 gebildet. Die Leiden unter Nr. 2 bis 4 erhöhen mangels maßgeblichem negativen Zusammenwirkens mit Leiden und auf Grund Geringfügigkeit nicht weiter.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, sowie auf das durch das Bundesverwaltungsgericht auf der Aktenlage basierenden Ergänzungsgutachten Dris. XXXX .

Das von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten und die durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Ergänzungsgutachten sind schlüssig und nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und dessen Ausmaß ausführlich eingegangen. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen und stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des vorliegenden Sachverständigenbeweises.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten dem befunddokumentierten Ausmaß der Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt und im Einklang mit den vorgelegten Befunden und dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund unter die entsprechenden Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt zugeordnet.

Zum Einwand der Beschwerdeführerin, die dissoziative Persönlichkeitsstörung sei nicht berücksichtigt worden, ist festzuhalten, dass im Gutachten der belangten Behörde
Dris. XXXX , fachärztlich überzeugend dargestellt wird, dass die dissoziative Identitätsstörung bei der Beurteilung des Leidenszustandes der Beschwerdeführerin berücksichtigt wurde, was auch zur Heranziehung der Richtsatzposition 03.05.02 führte, welche für neurotische Belastungsreaktionen, somatoforme Störungen und posttraumatische Belastungsstörungen mittleren Grades Anwendung findet, wobei der Grad der Behinderung mit 50 vH festzusetzen ist, wenn affektive, somatische und kognitive Störungen sowie ernsthafte Beeinträchtigungen der meisten sozialen Bereiche mit phasenweiser Einschränkung der Leistungsfähigkeit vorliegen, die Behandlung zu intermittierender Stabilisierung führt, wiederholte Leistungsknicks und zunehmende Chronifizierung vorliegen und beginnende soziale Desintegration besteht.

Auch die Angabe der Beschwerdeführerin, dass sie auf Grund der vorliegenden Gesundheitsschädigung Betreuung und Begleitung benötige, wurde im Gutachten
Dris. XXXX der Beurteilung unterzogen, welche im Einklang mit den Angaben der Beschwerdeführerin ausführt, dass teilbetreutes Wohnen erforderlich ist.

Diese Beurteilung bestätigend wird auch im eingeholten fachärztlich neurologischen Ergänzungsgutachten Dris. XXXX dargestellt, dass die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Angstzustände und Flashbacks mit Persönlichkeitswechsel Symptome sind, die überlappend auch bei einer posttraumatischen Belastungsstörung vorkommen, daher keine gesonderte Richtsatzposition in der Einschätzungsverordnung innehaben und daher in der Beurteilung unter Richtsatzposition 03.05.02 berücksichtigt wurden. Es wurde somit dem psychisch/psychiatrischen Leiden der Beschwerdeführerin ausreichend hoch Rechnung getragen.

Der Beurteilung der weiteren Gesundheitsschädigungen wurde von der Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten.

Die in den vorliegenden Beweismitteln dokumentierten Gesundheitsschädigungen wurden berücksichtigt und entsprechend dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen beurteilt. Medizinische Beweismittel, welche weitere bis dato unberücksichtigte Leidenszustände dokumentieren wurden nicht in Vorlage gebracht.

Das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten
Dris. XXXX und die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Ergänzungsgutachten Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde auch im Rahmen des durch das Bundesverwaltungsgericht erteilen Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX und die Ergänzungsgutachten
Dris. XXXX werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1.       Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Auf den Fall bezogen:

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind weder das Beschwerdevorbringen noch die vorgelegten Beweismittel geeignet, darzutun, dass der in Höhe von 50 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.

Die vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden im Einklang mit den Vorgaben der Einschätzungsverordnung dem Ausmaß der vorliegenden Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt.

Das Beschwerdevorbringen wurde insofern berücksichtigt, als die vorgebrachten Einwendungen und vorgelegten medizinischen Beweismittel einer fachärztlichen Überprüfung unterzogen wurden. Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten jedoch nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Da ein Grad der Behinderung von 50 vH festgestellt wurde war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten geprüft und wurden durch das Bundesverwaltungsgericht fachärztlich neurologische Ergänzungsgutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die Beschwerdeführerin hat von dem durch die belangte Behörde und von den durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vollinhaltlich Kenntnis erlangt.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs nicht bestritten.

Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W201.2226351.1.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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