Entscheidungsdatum
22.10.2020Norm
BBG §40Spruch
W262 2226964-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen, über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Balazs ESZTEGAR, LL.M., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 22.10.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 10.12.2019, OB XXXX , betreffend Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass der zweite Satz des Spruches entfällt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 01.04.2019 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte ein Konvolut an Unterlagen und medizinischen Befunden vor.
2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für innere Medizin ein. In dem nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.05.2019 erstellten Gutachten vom 28.05.2019 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen der Leidensposition
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Zöliakie
Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mittels Diät stabilisierbar.
09.03.01
20
zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. festgestellt. Es handle sich um einen Dauerzustand.
3. Die Beschwerdeführerin erstattete zu diesem Gutachten eine Stellungnahme und führte mit näherer Begründung aus, dass zumindest ein Grad der Behinderung von 30 v.H. vorliege.
4. Die belangte Behörde holte in der Folge eine Stellungnahme der bereits befassten Fachärztin für Inneres ein. In der gutachterlichen Stellungnahme vom 30.08.2019 führte die Sachverständige mit näherer Begründung aus, dass sie auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beschwerdeführerin zu keinem anderen Ergebnis komme.
5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.09.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Das Sachverständigengutachten vom 28.05.2019 und die Stellungnahme vom 30.08.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilagen übermittelt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
6. Die Beschwerdeführerin stellte am 17.10.2019 erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dem Antrag weitere Unterlagen und medizinische Befunde vor.
7. Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme zur Frage ein, ob eine erneute Begutachtung binnen Jahresfrist gerechtfertigt sei. In dieser „sofortigen Beantwortung“ vom 22.10.2019 führte der befasste Sachverständige aus, dass aus den vorgelegten Befunden keine offenkundige Änderung des Leidenszustandes abzuleiten sei, zumal ein Anhalten der kürzlich operativ behandelten Endometriose in behinderungsrelevanter Ausprägung, insbesondere über sechs Monate hinaus, derzeit nicht prognostizierbar sei.
8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.10.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 41 und 45 BBG als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei und die Beschwerdeführerin keine offenkundige Änderung ihrer Gesundheitsschädigungen glaubhaft gemacht habe. Die „sofortige Beantwortung“ vom 22.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage zum Bescheid übermittelt.
9. Gegen diesen Bescheid erhob die nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass nach der Antragstellung am 01.04.2019 eine Endometriose diagnostiziert worden und nicht berücksichtigt worden sei.
10. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 10.12.2019 ein, aus dem – nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin – mit näherer Begründung hervorgeht, dass auch unter Berücksichtigung der neu vorgelegten Befunde keine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht worden sei.
11. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 10.12.2019 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 26.10.2019 [gemeint wohl: 22.10.2019] gemäß §§ 40, 41 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen (erster Satz des Spruches) und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (zweiter Satz des Spruches). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung (Bescheid vom 22.10.2019 [gemeint wohl: 02.09.2019]) bis zum Antrag vom 17.10.2019 kein Jahr vergangen sei und eine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen nicht glaubhaft geltend gemacht werden habe können. Das Sachverständigengutachten vom 10.12.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung übermittelt.
12. In dem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin mit näherer Begründung aus, dass ihre Leiden „eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lassen“.
13. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 27.12.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.09.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 01.04.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Die Beschwerdeführerin stellte am 17.10.2019 erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.10.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 10.12.2019, als unzulässig zurückgewiesen.
Zwischen der letzten rechtskräftigen Entscheidung vom 02.09.2019 und dem Antrag vom 17.10.2019 ist kein Jahr vergangen und die Beschwerdeführerin hat keine offenkundige Änderung ihrer Gesundheitsschädigungen glaubhaft machen können.
Zum Zeitpunkt der letzten rechtskräftigen Entscheidung vom 02.09.2019 wies die Beschwerdeführerin eine mittels Diät stabilisierbare Zöliakie auf. Auch unter Berücksichtigung der Histaminintoleranz und der hinzugetretenen Endometriose ist keine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen eingetreten, da diese nur von geringer funktioneller Relevanz sind und bei der Endometriose eine behinderungsrelevante, über sechs Monate andauernde Ausprägung nicht prognostizierbar ist.
Dieser Entscheidung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in der „sofortigen Beantwortung“ vom 22.10.2019 und im Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 10.12.2019 zugrunde gelegt.
Die Beschwerdeführerin ist ungarische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Antragstellungen bzw. der Entscheidungen der belangten Behörde ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin ungarische Staatsbürgerin ist und ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
2.3. Die Feststellung, dass seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung über die Ausstellung eines Behindertenpasses keine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin eingetreten ist, gründet auf der „sofortigen Beantwortung“ vom 22.10.2019 und dem Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 10.12.2019. Unter Einbeziehung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde wird nachvollziehbar dargelegt, dass die mittels Diät stabilisierte Zöliakie unter Berücksichtigung der Histaminintoleranz und die kürzlich operativ behandelte Endometriose keine offenkundige Änderung der Gesundheitsschädigung bewirken, zumal eine behinderungsrelevante, über sechs Monate andauernde Ausprägung der Endometriose derzeit nicht prognostizierbar ist.
Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffene Einschätzung der Sachverständigen zu entkräften (vgl. etwa VwGH 26.02.2008, 2005/11/0210 mwH), tritt dem Sachverständigenbeweis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.
Auch die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde und des Vorlageantrages sind nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigenbeweise in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin vermochte weder durch entsprechend aussagekräftige Befunde noch durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, inwieweit eine offenkundige Änderung ihrer Gesundheitsschädigung eingetreten ist, zumal es sich bei der Endometriose laut Sachverständigenbeweis möglicherweise um kein dauerhaftes, dh. voraussichtlich länger als sechs Monate andauerndes Leiden handelt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigenbeweise vom 22.10.2019 bzw. 10.12.2019. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„BEHINDERTENPASS
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.“
„§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
(…)“
„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
(…)“
3.3. Gemäß § 41 Abs. 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Die Beschwerdeführerin hat unbestritten einen neuerlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses vor Ablauf der Jahresfrist gestellt. Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme vom 22.10.2019 kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass keine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wurde und hat insofern den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 17.10.2019 mit Bescheid vom 22.10.2019 als unzulässig zurückgewiesen.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 10.12.2019 wurde mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 10.12.2019 die Beschwerde gemäß §§ 40, 41 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen.
Wie oben eingehend ausgeführt, wurden der Entscheidung die „sofortige Beantwortung“ vom 22.10.2019 und das Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 10.12.2019 zugrunde gelegt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde und im Vorlageantrag nicht geeignet, die Sachverständigenbeweise zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin keine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht hat.
3.4. Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die – außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde – an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).
Die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG ist – nicht anders als die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gemäß §§ 28 und 31 VwGVG – eine Entscheidung über die Beschwerde, die diese, soweit kein Vorlageantrag gestellt wird, auch endgültig erledigt. Schon daraus folgt, dass die Sache des Verfahrens in diesem Stadium nicht anders begrenzt werden kann als im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht selbst. § 14 VwGVG verweist zudem (auch) ausdrücklich auf § 27 VwGVG, der den zulässigen Prüfungsumfang für das Verwaltungsgericht festlegt. Zur Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und dem äußersten Rahmen seiner Prüfbefugnis hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgeführt, dass es sich dabei jedenfalls nur um jene Angelegenheit handelt, die den Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0031-0032).
Da der angefochtene Ausgangsbescheid lediglich die Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels glaubhafter Geltendmachung einer offenkundigen Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung zum Inhalt hat, ist die belangte Behörde aufgrund dieser Beschränkung des Beschwerdeverfahrens im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung nicht befugt, über das (Nicht)vorliegen der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses abzusprechen.
Insofern war die Beschwerde abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der zweite Satz des Spruches entfällt.
Darüber hinaus enthält § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde, dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 v.H. besteht (vgl. VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0204).
3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße – und zu begründende – Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).
Nach § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die mündliche Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde als unzulässig zurückgewiesen; insofern erfolgte keine inhaltliche Entscheidung und kommen die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK nicht zur Anwendung (vgl. VwGH 20.03.2018, Ra 2018/05/0033 mwH). Eine mündliche Verhandlung war – trotz deren Beantragung – nicht geboten. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ebenfalls nicht entgegen. Dies liegt auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes sind – soweit im Beschwerdefall relevant – eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Antragstellung Behindertenpass Frist offenkundige Änderung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W262.2226964.1.00Im RIS seit
23.12.2020Zuletzt aktualisiert am
23.12.2020