TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 W262 2222119-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W262 2222119-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.06.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 23.07.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer beantragte am 01.04.2019 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als „belangte Behörde“ bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Beweismittel die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

2. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie vom 07.05.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit Bescheid vom 05.06.2019 gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG ab, da mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt werden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem von der Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten zu entnehmen, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Abschließend wurde angemerkt, dass über die beantragte Zusatzeintragung mangels Vorliegen der Voraussetzung eines Behindertenpasses nicht abgesprochen werden könne.

Als Beilage zum Bescheid wurde dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten vom 07.05.2019 übermittelt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte unter Vorlage diverser medizinischer Unterlagen zusammengefasst aus, dass er Wirbel- und Hüftschmerzen habe und ohne Krücken nicht gehen könne; darüber hinaus sei die Funktionsbehinderung der linken Schulter nicht berücksichtigt worden.

4. Die belangte Behörde holte daraufhin eine Stellungnahme des bereits befassten Facharztes für Orthopädie ein. In dieser gutachterlichen Stellungnahme vom 22.07.2019 führte der Sachverständige zusammengefasst aus, dass es auch unter Berücksichtigung der Einwendungen bzw. unter Einbeziehung der vorgelegten medizinischen Unterlagen zu keiner Änderung der Einschätzung komme.

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.07.2019 wurde unter Bezugnahme auf §§ 41, 43, 46 BBG iVm § 14 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde, da mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Begründend wurde auf das Sachverständigengutachten vom 05.07.2019 samt der im Zuge der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahme vom 22.07.2019 verwiesen. Letztere wurde dem Beschwerdeführer als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung übermittelt.

6. Mit Eingabe vom 05.08.2019 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Vorlageantrag ein und beantragte die Bewilligung der Verfahrenshilfe für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

7. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 08.08.2019 vorgelegt.

8. Mit Beschluss vom 07.10.2019, W262 2222119-1/3E wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG ab.

9. In der Folge holte das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer bisher noch nicht befassten Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers im Beisein eines gerichtlich beeideten Dolmetschers für Arabisch am 28.11.2019 erstellten Gutachten vom 30.11.2019 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (teilweise ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

„…

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand sehr gut.

Größe 187 cm, Gewicht 93 kg, Alter: 58 Jahre.

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen.

Thorax: symmetrisch, elastisch, Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Schulter links geringgradig höherstehend, annähernd symmetrische Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberarm rechts 34,5 cm, links 33,5 cm, Unterarm rechts 26,8 cm, links 26,5 cm, M. deltoideus links im Seitenvergleich geringgradig verschmächtigt. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird im Bereich des gesamten linken Arms als gestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Unterarm links: im Bereich der Ulna im mittleren Drittel zart ausladende Umfangsvermehrung, sonst unauffällig. Schulter links: Druckschmerz im Bereich der linken Schulter dorsal etwa im Bereich des oberen Rands der Skapula und im Bereich des Oberarmkopfs ventral und dorsal. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern rechts frei, links F 0/60, S 0/80, Rotation endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, Kraft: proximal links KG 4, sonst KG 5, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind rechts uneingeschränkt, links endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballenstand und Fersenstand links andeutungsweise, rechts unauffällig jeweils mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse, Bandmaß Unterschenkel beidseits 38,5 cm. Beinlänge ident. Die Durchblutung ist ungestört, periphere Pulse tastbar, keine Ödeme, beidseits Varizen ohne trophische Störungen, die Sensibilität wird im linken Bein als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist rechts bis 50°, links bis 40° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, geringgradig verstärkte Kyphose der oberen BWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig ausgeprägter Hartspann paralumbal, Klopfschmerz über der unteren LWS.

Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich, BWS/LWS: FBA: 30 cm, Rotation und Seitneigen jeweils 20°, Lasegue rechts negativ, links positiv, Muskeleigenreflexe seitengleich auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock rechts geführt und mit angelegtem Lendenstützmieder. Eine mitgebrachte Armschlinge links wird vorgezeigt. Das Gangbild ist geringgradig links hinkend, beim Gehen wird die linke Ferse nicht belastet, Schrittlänge geringgradig verkürzt, Richtungswechsel ohne Anhalten sicher möglich. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen, teilweise mit Hilfe durch den Sohn, durchgeführt.

Status psychicus:

Soweit bei kompletter Sprachbarriere und mit Übersetzung durch den Dolmetsch beurteilbar: allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig. Compliance bei der Untersuchung eingeschränkt. Stimmungslage ist dysphorisch bis teilweise leicht aggressiv.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule    02.01.02 30%

Unterer Rahmensatz, da mäßige Veränderungen in der bildgebenden Diagnostik mit geringgradigem Wirbelgleiten L5/S1 ohne Nachweis einer Instabilität und kein sensomotorisches Defizit objektivierbar.

2. Funktionsbehinderung linke Schulter bei Axillaris-Neuralgie links 02.06.03 20%

Wahl dieser Position, da rezidivierende Beschwerden und mäßige Verschmächtigung des M. deltoideus ohne höhergradige funktionelle Einschränkung.

3. Polyneuropathiesyndrom untere Extremitäten     04.06.01 10%

Unterer Rahmensatz, da kein motorisches Defizit objektivierbar.

4. Bluthochdruck         05.01.01 10%

Fixer Rahmensatz.

ad 2) Gesamtgrad der Behinderung: 30 %

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

ad 3) Der GdB ist ab 01.04.2019 anzunehmen.

ad 4) Stellungnahme zu den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen und Befunden Abl. 2, 16, 17, 19-24:

Abl. 2 Pflegegeld der Stufe 1 ab 1.10.2017 — nicht verfahrensrelevant.

Abl. 21 = 16 Befund Wirbelsäulenzentrum Krankenhaus XXXX 12.06.2019 (Lumboischialgie links, Antelisthese L5/S1 Meyerding I-II, Neuroforamenstenose L4/L5 und L5/S1 beidseits, rechte untere Extremität unauffällige Motorik, Befund nicht vollständig) — untermauert Richtigkeit der getroffenen Beurteilung. Dokumentierte Lumboischialgie wird unter Beachtung des Wirbelgleitens ohne Nachweis einer Instabilität und bei unauffälliger Motorik in korrekter Höhe eingestuft.

Abl. 23 = 17 MRT der LWS 02.07.2019 (Multisegmentale Diskusraumverschmälerung, Antelisthese L5 über S1 7 mm, Verdacht auf Spondylolisthesis vera, Pseudoprotrusion der Bandscheibe mit Kompression der austretenden Nervenwurzel L5 links) — Befund untermauert Richtigkeit der getroffenen Beurteilung, dokumentierte Antelisthese ohne Nachweis eines instabilen Wirbelgleitens wird in der Beurteilung berücksichtigt.

Abl. 19 Befund Dr. XXXX Facharzt für Neurologie 23.08.2018 (Axillaris-Neuropathie links seit 2013, sensomotorische axonale Polyneuropathie, Verschüttungstrauma 2013) — Funktionseinschränkung im Bereich der linken Schulter mit geringgradiger Schwäche und Funktionseinschränkung sowie Polyneuropathie ohne Nachweis eines motorischen Defizits werden jeweils in korrekter Höhe eingestuft.

Abl. 20 Befund Orthopädie XXXX 09.10.2018 (Zustand nach AC-Gelenksluxation links, Impingement beide Schultern, Polyneuropathie beide unteren Extremitäten, Anterolisthese L5/S1 mit Neuroforameneinengung, Cervicalsyndrom. Konservatives Vorgehen) — keine neuen Informationen, untermauert Richtigkeit der getroffenen Beurteilung.

Abl. 22 Röntgen-LWS und Beckenübersicht 13.06.2019 (ventrales Wirbelgleiten …, Spondylolisthese vera Grad I bei Spondylolyse, geringe Rotationskoliose, Chondrose … Hüftgelenke unauffällig) — bekannte Befunde, insbesondere wird auf das unauffällige Hüftgelenk hingewiesen.

Abl. 22 Rückseite Röntgen linke Schulter 13.06.2019 (ältere in Pseudarthrose geheilte Fraktur des Prozesses coracoideus, geringe degenerative Veränderungen AC-Gelenk, Glenohumeralgelenk regulär, Gelenkspalt normal weit, knöcherne Struktur regulär, keine Verkalkung) - untermauert Richtigkeit der getroffenen Beurteilung von Leiden 2.

Abl. 24 Attest Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin 10.07.2019 (Diagnosenliste, Gehen nur mit einer Unterarmstützkrücke möglich, ausgeprägtes Schonhinken links, Verschlechterung des Allgemeinzustands in den letzten 6 Monaten, kann nur mehr 50 m gehen, bevor die Schmerzen in den Beinen beginnen, Pause erforderlich, Schmerzen im Rücken und linkem Bein beim Stiegensteigen, Schlafen auf rechter Seite möglich wegen Schmerzen im Rücken, Tragen leichter Gegenstände mit dem linken Arm fast nicht möglich wegen Schwäche und Schmerzen.) — keine neuen Informationen. Eine maßgebliche Verschlimmerung beim Vergleich des aktuellen Gutachtens mit dem Gutachten von 04/2019 ist nicht objektivierbar.

ad 5) Stellungnahme zu den Einwendungen in der Beschwerde samt Ergänzung Abl. 18 und 26:

Beschwerden im Bereich der Hüftgelenke sind anhand vorgelegter Befunde der bildgebenden Diagnostik und anhand des klinischen Untersuchungsergebnisses nicht nachvollziehbar. Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule bei mäßigen Abnützungserscheinungen und Wirbelgleiten L5/S1 ohne Nachweis einer Instabilität werden in korrekter Höhe eingestuft.

Eine maßgebliche Einschränkung der Gehstrecke ist durch vorgelegte Befunde und Behandlungsdokumentationen, insbesondere ohne Hinweis auf motorisches Defizit, nicht ausreichend begründbar.

Höhere funktionelle Einschränkungen der linken Schulter konnten nicht festgestellt werden. Eine maßgebliche Verschlechterung seit der letzten Begutachtung am 30.04.2019 ist nicht objektivierbar.

Folgende Diagnosenliste sei nicht ausreichend berücksichtigt worden: Lumboischialgie links, Neuroforamenstenose L4/L5 und L5/S1 beidseits, Antelisthese L5/S1 7 mm, Zustand nach ACG Luxation links, Polyneuropathie untere Extremitäten beidseits, Axillaris-Neuropathie links seit 2013, Anterolisthese L5/S1, Impingement beide Schultern, Cervicalsyndrom, Hypertonie, pAVK, Hyperlipidämie.

Stellungnahme: Wirbelsäulenleiden, Schulterleiden links, Polyneuropathie wurden entsprechend den objektiven Funktionseinschränkungen in korrekter Höhe eingestuft. Bluthochdruck wird neu einer Einstufung unterzogen, da dokumentiert. Eine periphere arterielle Verschlusskrankheit ist nicht objektivierbar. Hyperlipidämie stellt kein behinderungsrelevantes Leiden dar.

ad 6) Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 07.05.2019 samt Stellungnahme vom 22.07.2019 abweichenden Beurteilung:

Leiden 1-3 werden unverändert eingestuft. Leiden 4 des Vorgutachtens, Diabetes mellitus, ist nicht durch aktuelle Befunde belegt, entfällt daher. Bluthochdruck wird im aktuellen Gutachten einer Einstufung unterzogen, da dokumentiert.

ad 7) Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

Im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichte Befunde:

Ambulanzbericht Orthopädisches Spital XXXX Wirbelsäulenzentrum 15.07.2019 (Spondylolisthese L5/S1 mit Foramenstenose links L5/S1, Axillaris-Neuropathie links seit 2013, Z.n.Verschüttungstrauma 2013, Hypertonie) — bekannte Leiden, daher keine Änderung der Einstufung.

OP-Freigabe Dr. XXXX 18.11.2019 (art. Hypertonie, Hyperlipidämie, Candesartan, Tramadol 100) — untermauert Richtigkeit der getroffenen Einstufung, keine neuen Informationen.

Befund Dr. XXXX Facharzt für Neurologie einschließlich Befund Nervenleitgeschwindigkeit 18.07.2018 (sensomotorische axonale Polyneuropathie, Verschüttung Trauma in Syrien. Dysästhesie Th8 links, Hypästhesie Unterschenkel links, hinkendes Gangbild mit Schonhaltung linkes Bein. Anterolisthese L5 zu S1 um 15 mm Nervenleitgeschwindigkeit beidseits sensomotorische axonale Polyneuropathie, weitere Untersuchungen erforderlich.) — keine neuen Informationen.

Information zur operativen Vorbereitung 25.07.2019 (Einweisungsdiagnose: Spondylolisthese L5/S1, geplante Therapie TLIF L5/S1, Befunde sind am 10.10.2019 vorzulegen.) — führt zu keiner Änderung der Einstufung, da für die Einschätzung nach der EVO maßgebliche und relevante Kriterien zur Beurteilung herangezogen werden.

Sämtliche nachgereichten Befunde führen zu keiner Änderung der getroffenen Beurteilung und zu keiner Änderung des Gesamtgrades der Behinderung.“

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.01.2020 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

Beide Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 07.05.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit geringgradigem Wirbelgleiten L5/S1 ohne Nachweis einer Instabilität und ohne sensomotorisches Defizit;

2) Funktionsbehinderung der linken Schulter bei Axillaris-Neuralgie links mit rezidivierenden Beschwerden und mäßiger Verschmächtigung des M. deltoideus ohne höhergradige funktionelle Einschränkung;

3) Polyneuropathiesyndrom der unteren Extremitäten ohne motorisches Defizit;

4) leichter Bluthochdruck.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 30 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, ihres Ausmaßes, medizinischer Einschätzung und wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.11.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Das Datum der Einbringung des Antrages und dessen Inhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.3. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung und die festgestellten Funktionseinschränkungen gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.11.2019. Darin wird auf die Leiden des Beschwerdeführers, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Von der befassten Sachverständigen wurden die im Verfahren vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde einbezogen, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung korrekt eingestuft.

Diesbezüglich ist im Lichte der Anlage zur Einschätzungsverordnung festzuhalten, dass hinsichtlich des führenden Leidens 1 (Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule) im Gutachten korrekt die Positionsnummer 02.01.02 (Funktionseinschränkungen mittleren Grades) mit dem unteren Rahmensatz von 30 v.H. herangezogen wurde. Begründet wurde dies von der Sachverständigen schlüssig damit, dass in der bildgebenden Diagnostik nur mäßige Veränderungen mit geringgradigem Wirbelgleiten L5/S1 ohne Nachweis einer Instabilität dokumentiert wurden und kein sensomotorisches Defizit objektivierbar war.

Im Lichte der Anlage zur Einschätzungsverordnung ist festzuhalten, dass bei Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule allgemeine einschätzungsrelevante Kriterien etwa die Beweglichkeit und Belastbarkeit, Gelenksfunktionen, Funktionen der Muskel, Sehnen, Bänder und Gelenkskapsel, Messungen des Bewegungsradius, Entzündungsaktivität (Schmerzen, Schwellung) sowie Ausmaß der beteiligten Gelenke, Körperregionen und organische Folgebeteiligung sind. Bei radiologischen Befunden ist die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant. Die konkrete Differenzierung zwischen Funktionseinschränkungen geringen, mittleren und schweren Grades wird insbesondere auch anhand der Häufigkeit und Dauer akuter Episoden, des Ausmaßes radiologischer und/oder morphologischer Veränderungen, des Vorliegens klinischer Defizite, des jeweiligen Therapie- und Medikationsbedarfs sowie des Ausmaßes der Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben vorgenommen.

Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule schweren Grades, die u.a. mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag und dauerhaften Schmerzen einhergehen und daher auch einen höheren Grad der Behinderung begründen als im Fall des Beschwerdeführers, konnten weder im Rahmen der klinischen Untersuchung festgestellt, noch befundmäßig dokumentiert werden.

Die beim Beschwerdeführer bestehende – in Leiden 2 erfasste – Funktionsbehinderung der linken Schulter bei Axillaris-Neuralgie links wurde von der befassten Sachverständigen in ihrem Gutachten zutreffend der Positionsnummer 02.06.03 (Funktionseinschränkung Schultergelenk/Schultergürtel mittleren Grades einseitig) mit einem fixen Rahmensatz von 20 v.H. zugeordnet. Dies begründete die Sachverständige schlüssig mit dem Vorliegen rezidivierender Beschwerden und einer nur mäßigen Verschmächtigung des Musculus deltoideus ohne höhergradige funktionelle Einschränkung.

Das Polyneuropathiesyndrom der unteren Extremitäten (Leiden 3) wurde unter Heranziehung der Positionsnummer 04.06.01 (sensible und motorische Ausfälle leichten Grades) und dem unteren Rahmensatz von 10 v.H. mit Blick auf das Fehlen motorischer Ausfälle nachvollziehbar eingestuft.

Der Bluthochdruck (Leiden 4) wurde erstmals korrekt der Positionsnummer 05.01.01 (leichte Hypertonie) mit dem dort vorgesehenen fixen Rahmensatz von 10 v.H. zugeordnet, da er durch Befunde nunmehr dokumentiert wurde. Hingegen entfällt der im Vorgutachten vom 07.05.2019 als Leiden 4 festgehaltene Diabetes mellitus, da er nicht mehr durch aktuelle Befunde dokumentiert ist.

Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung im Ausmaß von 30 v.H. wurde im Sachverständigengutachten schlüssig ausgeführt, dass keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen dem führenden Leiden 1 und den übrigen Leiden besteht. Im Ergebnis wurde nachvollziehbar festgehalten, dass die Auswirkungen des führenden Leidens 1 durch die anderen Leiden nicht erheblich verstärkt werden.

Auch die Einwendungen des Beschwerdeführers im Verfahren waren nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer vermochte insbesondere nicht darzulegen, inwiefern seine weiteren Leiden mit dem führenden Leiden wechselseitig negativ zusammenwirken würden.

Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Sachverständige hat sich in ihrem Gutachten eingehend mit allen vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen und allen vom Beschwerdeführer – auch erstmals bei der Untersuchung am 28.11.2019 – vorgelegten Befunden auseinandergesetzt und begründet nachvollziehbar, weshalb diese zu keiner Änderung ihrer Einstufung führen. Insbesondere wurde nachvollziehbar dargelegt, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und der linken Schulter bzw. der geltend gemachten Schmerzen nicht durch entsprechende Befunde objektiviert werden konnten.

Soweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, nicht mehr als 100 Meter ohne Pause gehen zu können bzw. ohne seinen Sohn die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benützen zu können, die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. den Bedarf einer Begleitperson geltend macht, ist auszuführen, dass Gegenstand des Verfahrens ausschließlich der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpass ist, weshalb diese Ausführungen ins Leere gehen (s. dazu auch die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen).

Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffene Einschätzung der Sachverständigen zu entkräften (vgl. etwa VwGH 26.02.2008, 2005/11/0210 mwH), tritt dem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen, zumal er sich zu dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht mehr geäußert hat.

Der Beschwerdeführer zeigt somit weder durch entsprechend aussagekräftige Befunde noch durch ein substantiiertes Vorbringen auf, dass eine höhere Einschätzung seiner Leiden hätte erfolgen müssen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.“

„§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(…)“

„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(…)“

„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(…)“

3.4. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.“

„Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“

3.3. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall – wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm – nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat, entgegen des Vorbringens des Beschwerdeführers, nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es der Antragstellerin freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin eingeholt, das auf Basis einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers erstattet wurde und den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entspricht.

3.4. Wie oben unter Punkt II.2.3. eingehend ausgeführt, wird der Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.11.2019 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v.H. beträgt. Dieses wurde von den Verfahrensparteien unwidersprochen zur Kenntnis genommen.

Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt zum Entscheidungszeitpunkt 30 v.H.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Die belangte Behörde wird jedoch noch über den – soweit ersichtlich – bisher unerledigt gebliebenen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abzusprechen haben.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

3.5.1. Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße – und zu begründende – Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.5.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin. Dieses – vom erkennenden Gericht als schlüssig erachtete – Gutachten hat der Beschwerdeführer letztlich unwidersprochen zur Kenntnis genommen. All dies lässt – gerade auch vor dem Hintergrund des Umstands, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde – die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.5.3. Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihm seitens des Bundesverwaltungsgerichts mitgeteilt wurde, dass – sollte er eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen – eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Der Beschwerdeführer hat sich daraufhin nicht mehr geäußert.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstandes eines entsprechenden Hinweises an den Beschwerdeführer und der ihm explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind – soweit im Beschwerdefall relevant – eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W262.2222119.1.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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