TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 W238 2220165-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W238 2220165-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.05.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin beantragte am 04.12.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

2. Seitens des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), wurde daraufhin ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. In dem – auf Basis einer persönlichen Untersuchung am 19.02.2019 erstatteten – Gutachten vom 05.03.2019 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos.Nr.

GdB%

1

Rezidivierende depressive Störung mit somatoformer Schmerzstörung.

Unterer Rahmensatz bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit, therapeutische Fortschritte nach Reha.

03.05.02

50

2

Lumboischialgie mit relativer Vertebrostenose L4/5

Unterer Rahmensatz bei mäßigen radiologischen Veränderungen.

02.01.02

30

3

Tinnitus

Eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz bei psychovegetativen Begleiterscheinungen und zusätzlich bestehender Hypakusis.

12.02.02

30

4

Postoperative chronische Schmerzen linke untere Extremität

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei zusätzlicher Schwellung und Parästhesien nach Varizenoperation links.

05.08.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 nicht zusätzlich beeinflusst werde, weshalb es zu keiner Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung komme. Leiden 4 habe wegen Geringfügigkeit keinen Einfluss auf die Gesamtfunktion. Aufgrund der möglichen Besserung des psychischen Zustandsbildes wurde eine Nachuntersuchung für Februar 2022 empfohlen.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde vom befassten Sachverständigen ausgeführt, dass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung möglich sei; das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und damit die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel seien nicht auf erhebliche Weise erschwert. Eine schwere Erkrankung des Immunsystems liege nicht vor. Aus gutachterlicher Sicht sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

3. Im Rahmen des mit Schreiben der belangten Behörde vom 05.03.2019 eingeräumten Parteiengehörs erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 15.03.2019 Einwendungen gegen die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens. Sie brachte insbesondere vor, dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Agoraphobie mit Panikstörungen bzw. Panikattacken sowie an einer generalisierten Angststörung leide. Sie habe Angst vor großen Menschenansammlungen und kleinen, engen, lauten, überfüllten Räumen. Erst kürzlich sei sie in Folge einer Panikattacke mit der Rettung ins Spital gebracht worden. Bezüglich ihrer orthopädischen Leiden sei ihr eine Operation angeraten worden. Entgegen den Angaben im Gutachten habe die Beschwerdeführerin nicht nur Probleme mit der LWS, sondern auch mit der HWS.

4. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin holte die belangte Behörde eine gutachterliche Stellungnahme des bereits befassten Sachverständigen vom 02.05.2019 ein. Darin wurde ausgeführt, dass Agoraphobie und Angststörung unter Leiden 1 erfasst worden seien; es handle sich um eine generalisierte Angststörung. Da eine längerdauernde Behandlung nicht dokumentiert bzw. eine Ausschöpfung aller Therapiemöglichkeiten nicht ersichtlich sei, werde an der bisherigen Einschätzung festgehalten.

5. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführerin ein bis 31.05.2022 befristeter Behindertenpass mit einer Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. ausgestellt.

6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.05.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend wurde unter Bezugnahme auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 05.03.2019 und die ärztliche Stellungnahme vom 02.05.2019 im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die Stellungnahme vom 02.05.2019 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

7. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Angst vor engen Räumen, großen Menschenansammlungen und lauten Orten nicht zumutbar sei. Sie habe Befunde, die bestätigen würden, dass sie an Klaustrophobie, generalisierter Angststörung sowie Agoraphobie mit Panikstörungen und Panikattacken leide. Sie müsse laufend verschiedene Arzttermine wahrnehmen, wobei sie auf den Transport mit dem Auto angewiesen sei; nur dort fühle sie sich sicher und nicht eingeengt. In Folge der damit oftmals verbundenen langen Parkplatzsuche verfalle sie wiederum in Panik, was nicht förderlich für ihre Gesundheit sei.

8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 18.06.2019 vorgelegt.

9. Am 13.08.2019 reichte die Beschwerdeführerin Befunde nach.

10. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde eine neuerliche Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen bisher nicht befassten Arzt für Allgemeinmedizin veranlasst. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellten Sachverständigengutachten vom 28.04.2020 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„Status Präsens:

Das Aus- und Ankleiden erfolgt selbstständig, teils im Sitzen, teils im Stehen.

Allgemeinzustand: gut, Ernährungszustand: sehr gut, Größe: 172, Gewicht: 84 kg.

Caput/Hals: unauffällig, keine Lippenzyanose, Sprache unauffällig, keine Halsvenenstauung, Schilddrüse schluckverschieblich.

Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion, Blutdruck: 120/70.

Pulmo: V.A. beidseits, sonorer KS, Basen atemversch., keine Kurzatmigkeit beim Sprechen, keine maßgebliche Kurzatmigkeit bei Bewegungsprüfung im Untersuchungszimmer, Abdomen: unauffällig, weich, keine Druckpunkte, keine pathologischen Resistenzen palp.

Leber am Ribo palp., Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei.

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links frei, Inkl. und Rekl. frei.

BWS: gerade.

LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung frei, Beugung in der Lendenwirbelsäule im Stehen zum Binden der Schuhbänder gut und unauffällig möglich.

Extremitäten:

Obere Extremitäten:

Rechtshänderin. Muskulatur an beiden oberen Extremitäten seitengleich unauffällig ausgeprägt, Schultergelenk rechts: frei beweglich, Nackengriff frei, Schürzengriff frei, Schultergelenk links: frei beweglich, Nackengriff frei, Schürzengriff frei, Ellenbogengelenk rechts frei beweglich, Ellenbogengelenk links: frei beweglich, Handgelenke frei beweglich, Fingergelenke beidseits frei, Daumengelenke bds. frei, Faustschluss bds. durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar, Greif- und Haltefunktion beidseits unauffällig.

Untere Extremitäten: Muskulatur an beiden unteren Extremitäten seitengleich unauffällig ausgeprägt, Hüftgelenk rechts: Beweglichkeit frei, Hüftgelenk links: Beweglichkeit frei, Kniegelenke frei beweglich, bandstabil, Sprunggelenke beidseits frei, Fußheben und -senken frei, Zehenbeweglichkeit unauffällig, Hocke gut durchführbar, beide unteren Extremitäten können gut von der Unterlage abgehoben werden, Beinpulse beidseits tastbar, Fußpulse beidseits tastbar, Temperatur beider unteren Extremitäten seitengleich unauffällig, Venen: gering verstärkte Venenzeichnung beidseits, Ödeme: keine, unauffälliges Hautbild.

Neuro: Kraft der oberen und unteren Extremitäten seitengleich unauffällig und normal, Sensibilität wird an der linken unteren Extremität gering reduziert angegeben, keine maßgeblichen motorischen Defizite fassbar.

Psych.: Anamneseerhebung und Kommunikation unauffällig und gut möglich. BF ist klar, wach, in allen Qualitäten orientiert. Stimmung subdepressiv, freundlich, zu Beginn des Untersuchungstermins etwas nervös wirkend, dann ruhig und entspannt. Denkziel wird erreicht.

Gang: ohne Hilfsmittelverwendung unauffälliges, flüssiges und sicheres Gangbild. Keine Gangunsicherheit, keine Sturzneigung. Aufstehen aus sitzender und liegender Körperhaltung selbstständig unauffällig und gut möglich. Sitzen unauffällig. Freies Stehen sicher und gut möglich. Aufstehen aus sitzender und liegender Körperhaltung selbstständig gut möglich. BF trägt Konfektionssportschuhe.

Beurteilung und Stellungnahme:

1. Diagnoseliste:

1)       Somatoforme Störung bei Depressio und Angst- und Panikstörung mit schädlichem Gebrauch von Schmerz- und Beruhigungsmitteln:

Das Ausmaß dieses Leidens ist insgesamt als mittelgradig zu werten bei berichteter Stabilisierungstendenz mittels zuletzt durchgeführter rehabilitativer Maßnahmen und bestehenden Behandlungsreserven im Sinne einer Intensivierung der psychotherapeutisch-fachärztlichen Maßnahmen sowie Adaptierung der Medikation.

2)       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei rezidivierendem Cervikalsyndrom sowie rezidivierender Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose L4/L5:

Dieses Leiden ist insgesamt als mäßiggradig bis mittelgradig zu beurteilen, da maßgebliche Einschränkungen der Wirbelsäulenfunktion nicht vorliegen und geringe Störungen der Sensibilität an der linken unteren Extremität berichtet werden, maßgebliche motorische Defizite sowie Lähmungserscheinungen jedoch fehlen.

3)       Varikosis der unteren Extremitäten bei Zustand nach Venenoperation links:

Das Ausmaß dieses Leidens ist als leichtgradig zu beurteilen, da Komplikationen wie thromboembolische Ereignisse und ein postthrombotisches Syndrom, ebenso wie Geschwüre fehlen.

4)       Zustand nach Entfernung des rechten Schilddrüsenlappens:

Dieses Leiden ist als leichtgradig zu beurteilen, da medikamentös kompensierbar bei Fehlen von Komplikationen.

5)       Tinnitus:

Dieses Leiden ist als insgesamt mäßiggradig zu beurteilen, da eine wechselnde Lokalisation und eine wechselnde Intensität der Ohrgeräusche beschrieben wird. Zudem bestehen Therapiereserven im Sinne einer Infusionstherapie, stationären Aufnahme sowie Etablierung technischer Maßnahmen (Tinnitus-Masker).

6)       Mischinkontinenz:

Dieses Leiden ist als insgesamt leichtgradig zu beurteilen, da Fehlen einer Restharnbildung bei unauffälliger Sonographie von Niere und Blase mit bestehenden Therapiereserven (Etablierung einer medikamentösen Therapie, Intensivierung urologischer Kontrollen).

2. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung zeigten sich in den Hüftgelenken, den Kniegelenken, den Sprunggelenken sowie in den Füßen unauffällige Funktionsverhältnisse. Relevante motorische Defizite wie Lähmungserscheinungen an den unteren Extremitäten ließen sich nicht erheben und liegen nicht vor. Das Gangbild stellt sich in Sportschuhen ohne Hilfsmittelverwendung unauffällig, flüssig und sicher dar. Die BF ist in der Lage, eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300-400 m zurückzulegen.

Bezüglich der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule werden von ärztlicher Seite die Fortführung heilgymnastischer sowie physiotherapeutischer Maßnahmen empfohlen. Die vorliegenden Befunde dokumentieren, dass konservative und rehabilitative Maßnahmen zu einer Besserung der Beschwerden in der Wirbelsäule geführt haben. Die Durchführung konservativer Maßnahmen ist zumutbar. Bei Fehlen maßgeblicher Einschränkungen der Wirbelsäulenfunktion sowie Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite (wie Lähmungserscheinungen an den unteren Extremitäten) ergeben sich bei bekannter Spinalkanalstenose der Lendenwirbelsäule auch Therapieoptionen im Sinne eines von orthopädischer Seite angedachten operativen Vorgehens. Der operative Eingriff, welcher eine Sanierung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit bekannter Spinalkanalstenose zum Ziel hat, ist insgesamt als Routineeingriff anzusehen und zumutbar. Die von der BF berichtete Angst vor einem operativen Eingriff wäre mittels Intensivierung psychotherapeutischer und fachärztlicher sowie Adaptierung medikamentöser Maßnahmen behandelbar. Diese Behandlungen sind zumutbar.

3. Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Im Rahmen der klinischen Untersuchung ließen sich grobklinisch eine unauffällige Herzfunktion sowie eine unauffällige Lungenfunktion bei Fehlen maßgeblicher Dekompensationszeichen objektivieren. Eine arterielle Verschlusserkrankung ab Stadium II/B ist nicht befundbelegt und lässt sich im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht erheben. Eine Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen, eine hochgradige Rechtsherzinsuffizienz, eine Lungengerüsterkrankung unter Langzeitsauerstofftherapie, eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung im Stadium IV mit Langzeitsauerstofftherapie sowie ein Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie liegen nicht vor und lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht objektivieren. Ein mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nicht benützt werden. Zusammenfassend liegen bei gutem Allgemeinzustand und sehr gutem Ernährungszustand keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor.

4. Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule konnten im Rahmen der klinischen Untersuchung geringe Störungen der Sensibilität im Bereich der linken unteren Extremität objektiviert werden. Maßgebliche motorische Defizite wie Lähmungserscheinungen sind befundmäßig nicht belegt und liegen nicht vor. Insgesamt liegen keine erheblichen Einschränkungen neurologischer Fähigkeiten bzw. Funktionen vor.

Der aktuellste nervenärztliche Befundbericht des behandelnden Nervenfacharztes XXXX vom 11. April 2019 beschreibt als Diagnosen eine Depressio, Angst- und Panikattacken, Schlafstörungen sowie eine Lumboischialgie bei lumbaler Vertebrostenose. Ein Befundbericht der psychiatrischen Ambulanz Kaiser Franz Josef Spital nach Ambulanzbesuch vom 2. Juli 2019 führt eine somatoforme Störung, eine Depression, Angststörung sowie eine Abhängigkeit von Schmerz- und Beruhigungsmitteln an. Auch Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule sind belegt. Die Notwendigkeit weiterer therapeutischer Maßnahmen im Sinne einer Psychotherapie sowie einer Anpassung der Medikation wurden besprochen. Die Entlassung konnte in einem insgesamt stabilen Zustand erfolgen. Hinsichtlich des psychiatrischen Status sind keine Denkstörungen und keine produktive Symptomatik bei leicht gedrückter Stimmungslage beschrieben.

Mithilfe des zuletzt absolvierten Rehabilitationsaufenthaltes im Oktober und November 2018 konnten deutliche therapeutische Fortschritte mit deutlicher Besserungstendenz erreicht werden. Laut des behandelnden Nervenfacharztes XXXX wurde 2019 eine Neueinstellung bzw. Adaptierung der nervenärztlichen Medikation empfohlen. Dazu erfolgte eine Zuweisung in die psychiatrische Ambulanz des Kaiser Franz Josef Spitals. Laut des vorliegenden Ambulanzberichtes vom 02.07.2019 konnte die BF mittels eines psychoedukativen Gespräches stabil entlassen werden. Regelmäßige psychotherapeutische Maßnahmen sowie Übungen zur Behandlung der Wirbelsäulenleiden wurden empfohlen und eine Anpassung der Medikation durchgeführt. Bei Entlassung aus der Ambulanz zeigte sich ein nahezu unauffälliger psychischer Befund bei psychomotorisch ruhigem Zustand, leicht gedrückter Stimmungslage und unauffälligem Duktus, ohne Hinweis auf produktive Symptomatik bei orientiertem Zustandsbild.

Im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung wurde von der BF angeführt, dass monatliche nervenärztliche Kontrollen erfolgen (monatlich abwechselnd beim Nervenfacharzt XXXX sowie im Kaiser Franz Josef Spital in der psychiatrischen Ambulanz). Vom behandelnden niedergelassenen Nervenfacharzt XXXX liegen Befundberichte vom 30. Januar 2016, vom 6. Januar 2017 sowie vom 11. April 2019 vor. Zudem läuft laut Aussagen der BF alle 2 Wochen eine Psychotherapie. Weiters werden derzeit einmal pro Monat eine orthopädische Kontrolle und zur Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden jeden 2. Tag eine physikalische Therapie bei der Wiener Gebietskrankenkasse absolviert. Eine stationäre Aufnahme an einer psychiatrischen Spitalsabteilung erfolgte bisher nicht.

Aus gutachterlicher Sicht konnte mittels des zuletzt durchgeführten rehabilitativen Aufenthaltes im Herbst 2018 eine Besserung der psychischen Leiden erreicht werden. Hinsichtlich der Psychotherapie ergeben sich Therapiereserven im Sinne einer Intensivierung der Maßnahmen (zum Beispiel wöchentliche Therapiesitzungen). Zudem ergeben sich weitere Therapiereserven im Sinne eines möglichen stationären Aufenthaltes an einer psychiatrischen Spitalsabteilung. Auch eine neuerliche Rehabilitation wäre bei zuletzt belegter Besserungstendenz sinnvoll und möglich.

Als nervenärztliche Diagnosen sind vom behandelnden Facharzt XXXX in seinem aktuellsten Befundbericht vom 11. April 2019 eine Depressio, Angst- und Panikattacken, eine Schlafstörung sowie Beschwerden in der Lendenwirbelsäule beschrieben. Eine Agoraphobie sowie eine Klaustrophobie ist in den Berichten des behandelnden Nervenfacharztes XXXX nicht angeführt. Im vorliegenden Ambulanzbericht der psychiatrischen Abteilung des Kaiser Franz Joseph Spitals vom 2. Juli 2019 (dies ist der aktuellste nervenärztliche Befund) sind eine somatoforme Störung, eine Depressio, eine Angststörung, eine Opioidabhängigkeit, ein schädlicher Sedativa-Missbrauch sowie Wirbelsäulenbeschwerden angeführt. Im Kurzarztbrief der Reha-Klinik für seelische Gesundheit in Klagenfurt vom 28. März 2017 ist an 1. Stelle eine somatoforme Schmerzstörung, an 2. Stelle eine Angst und depressive Störung, an 3. Stelle eine Panikstörung und an 4. Stelle eine Klaustrophobie angeführt. Im ärztlichen Entlassungsbericht des Zentrums für seelische Gesundheit BBRZ (ambulante Rehabilitation) vom 1. März 2018 sind eine rezidivierende depressive Störung (gegenwärtig mittelgradige Episode), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Agoraphobie mit Panikstörung, psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika (schädlicher Gebrauch) sowie psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide (schädlicher Gebrauch) angeführt. In den rezenten nervenärztlichen Befunden aus 2019 ist eine Klaustrophobie bzw. eine Soziophobie nicht als führende Diagnose angeführt. Auch belegen die nervenärztlichen Befunde keine kontinuierliche und vor allem engmaschige nervenärztliche Behandlung. Zudem beschreiben die rezenten Befunde eine Stabilisierung des psychischen Leidens mittels rehabilitativer Maßnahmen sowie Behandlungsreserven im Sinne einer Intensivierung der Psychotherapie sowie Adaptierung der medikamentösen Therapie, dies auch unter Berücksichtigung des erhöhten Gebrauches von Beruhigungs- und Schmerzmitteln. Aus gutachterlicher Sicht bestehen auch hinsichtlich der Angst- und Panikstörung deutliche Therapiereserven. Die Angst- und Panikstörung erreicht kein derart erhebliches Ausmaß, welches zu einer derart schweren und unüberwindbaren Angst führt, welches die BF auf erhebliche Weise hindert, am alltäglichen Leben teilzunehmen. Dies auch im Hinblick darauf, dass die BF in der Lage ist, empfohlene ärztliche Kontrollen sowie Behandlungsmaßnahmen regelmäßig und in insgesamt höherer Frequenz wahrzunehmen (so derzeit jeden 2. Tag Physiotherapie, zahlreiche Arztbesuche). Auch unter Berücksichtigung des nahezu unauffälligen psychiatrischen Entlassungsbefundes, welcher im Bericht der psychiatrischen Ambulanz des Kaiser Franz Josef Spitals am 2. Juli 2019 beschrieben ist (die Stimmungslage ist leicht gedrückt, es bestehen keine Denkstörungen und die BF ist psychomotorisch ruhig) sind die nervenärztlichen Leiden insgesamt als mittelgradig einzustufen und es ergeben sich Therapiereserven. Zusammenfassend liegen unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde sowie der nunmehr durchgeführten Untersuchung und Anamneseerhebung aus gutachterlicher Sicht keine erheblichen Einschränkungen psychischer oder intellektueller Funktionen vor.

5. Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems ist nicht befundbelegt und liegt nicht vor.

6. Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit liegt nicht vor.

7. Stellungnahme zu den im Rahmen des Verfahrens vorgelegten und nachgereichten Befunden und Unterlagen:

Der ärztliche Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums Gars am Kamp vom 21. November 2018 führt als Hauptdiagnose eine posttraumatische Belastungsstörung an. Als Nebendiagnosen werden eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine generalisierte Angststörung sowie eine Claudicatio spinalis bei Vertebrostenosen der Lendenwirbelsäule angeführt. Der vorliegende Bericht des niedergelassenen Nervenfacharztes XXXX vom 11.04.2019 führt eine Depressio, Angst- und Panikattacken, eine Schlafstörung sowie Beschwerden infolge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule an. Der vorliegende Bericht der psychiatrischen Ambulanz des Kaiser Franz Josef Spitals vom 02.07.2019 (dies ist der aktuellste nervenärztliche Befund) dokumentiert eine somatoforme Störung, weiters eine Depression sowie eine Angststörung und einen schädlichen Gebrauch von Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Als zusätzliche Ursache für die psychische Beschwerdesymptomatik ist laut diesem Befund auch die Beschwerdesymptomatik im Bereich der Wirbelsäule auszumachen. Die rezenten Befunde (z.B. vorläufiger Entlassungsbericht Franziskus Spital vom 12. März 2019) belegen, dass bei degenerativen Veränderungen mit Beschwerden in der Wirbelsäule physikalische und konservative Therapiemaßnahmen eine Besserung der Schmerzsymptomatik bewirken und auch von ärztlicher Seite empfohlen werden. Als weitere Maßnahme zur Reduktion der Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule wäre eine CT-gezielte Wurzelinfiltration möglich. Diese war laut ärztlichen Befundbericht des Franziskus Spitals vom 12. März 2019 während des stationären Aufenthaltes im März 2019 aus bautechnischen Gründen nicht möglich und wurde bisher nicht durchgeführt. Bei befundbelegter Vertebrostenose im Bereich der Lendenwirbelsäule belegen die Berichte zudem, dass ein operativer Eingriff von orthopädischer Seite empfohlen wird. Durch diesen Eingriff ist eine Reduktion der Schmerzsymptomatik zu erwarten. Zwar belegen die Befunde, ebenso wie die nunmehrige Anamneseerhebung, dass die BF vor einem operativen Eingriff Angst habe, jedoch vermögen intensivierte und engmaschige psychotherapeutische Maßnahmen eine Reduktion der Angst zu erreichen, wodurch ein operativer Eingriff möglich wäre. Die rezenten nervenärztlichen Befunde empfehlen eine Anpassung bzw. Neueinstellung der Medikation sowie eine Weiterführung bzw. Intensivierung psychotherapeutischer Maßnahmen.

Während der Rehabilitationsaufenthalt in der Reha-Klinik für seelische Gesundheit in Klagenfurt im Februar und März 2017 nicht den gewünschten Erfolg brachte (die BF erhielt in diesem Zeitraum von ihrem Arbeitgeber die Kündigung) und die ambulante Rehabilitation im Zentrum für seelische Gesundheit BBRZ im Februar 2018 vorzeitig beendet werden musste, führte die zuletzt durchgeführte Rehabilitation in Gars am Kamp im Oktober und November 2018 zu deutlichen therapeutischen Fortschritten und zu einer Besserung des Zustandsbildes.

Ein urologischer Befundbericht belegt eine Mischinkontinenz ohne Restharnbildung bei unauffälliger Sonografie von Niere und Blase und empfiehlt konservative Therapiemaßnahmen. Befundmäßig dokumentiert ist ein Zustand nach Resektion des rechten Schilddrüsenlappens bei sehr guter Einstellung mittels medikamentöser Therapie.

8. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen:

Laut Schreiben der BF vom 12. August 2019, werden diverse Befunde, Atteste und Arztbriefe in Bezug auf ihre Krankheiten nachgereicht. Am 19. August 2019 habe sie noch einen Termin beim Psychiater und werde den Befund ebenso nachreichen. Die vorliegenden Krankheiten, die Panikattacken und Angstzustände machen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel leider unmöglich. Die Zusatzeintragung würde der BF psychisch und gesundheitlich sehr helfen und das Leben für sie und ihre Familie erleichtern. Weiters vorliegend ist ein E-Mail vom 17. Juni 2019. Angeführt wird, dass es der BF aufgrund der Angst vor engen Räumen, vielen Menschen und lauten Orten nicht möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Sie habe Befunde geschickt, die eine Klaustrophobie, generalisierte Angststörung, Agoraphobie mit Panikstörung und Panikattacken bestätigen. Sie sei aufgrund verschiedenster Arzt- und Therapietermine oft in Wien unterwegs, es sei ihr nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und sie sei auf den Transport mit dem Auto angewiesen. Nur dort fühle sie sich sicher. Einmal pro Woche laufe eine Psychotherapie, zweimal pro Woche eine physikalische Therapie, fast wöchentlich eine Kontrolle beim Orthopäden sowie einmal pro Monat beim Neuropsychiater. Zudem sei sie oft beim praktischen Arzt, der weit entfernt sei. Oft passiere es, dass sie sehr lange einen Parkplatz suchen müsse. Dadurch verfalle sie in Stress, Panik und Angst, wenn sie keinen Parkplatz finde. Dies sei schlecht für ihre Krankheiten. Vorliegend ist auch ein Schreiben per E-Mail vom 18. März 2019. Sie habe eine schriftliche Diagnose, dass eine posttraumatische Belastungsstörung, eine Agoraphobie mit Panikstörungen/-Attacken sowie eine generalisierte Angststörung vorliegen. Sie habe Angst vor vielen Menschen, kleinen Räumen, engen, lauten und überfüllten Räumen. Am 8. März 2019 sei sie mit der Rettung ins Spital gefahren worden, da sie sich nicht bewegen habe können und eine Panikattacke hatte. Sie sei 5 Tage im Franziskusspital gewesen aufgrund akuter Rückenschmerzen. Eine Operation sei erforderlich, infolge der großen Angst sei dies nicht zumutbar für die BF. Im Bereich der Wirbelsäule bestehen nicht nur Probleme in der Lendenwirbelsäule, sondern auch Probleme in der Halswirbelsäule. Dort bestehen aufgrund eines Cervikalsyndroms Schmerzen und in die Arme ausstrahlende Verspannungen.

Hinsichtlich der Wirbelsäulenbeschwerden ließen sich im Rahmen der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung keine maßgeblichen funktionellen Einschränkungen der Wirbelsäule objektivieren. Maßgebliche motorische Defizite wie Lähmungserscheinungen liegen nicht vor. Unter Berücksichtigung des beschriebenen Cervikalsyndroms mit Verspannungen, welche in die Arme ausstrahlen, konnten in der klinischen Untersuchung keine maßgeblichen funktionellen Einschränkungen der Gelenke der oberen Extremitäten objektiviert werden. Greif- und Haltefunktion war beidseits ungestört möglich. Die berichteten psychischen Leiden wurden auf Basis der vorliegenden Befunde berücksichtigt (siehe Beurteilung unter Punkt 4).

9. Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

a. Bei Vorliegen eines guten Allgemeinzustandes, Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen der Gelenke der unteren Extremitäten und Fehlen erheblicher Einschränkungen der Wirbelsäulenfunktion mit Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite wie Lähmungserscheinungen an den unteren Extremitäten sowie ohne Hilfsmittelverwendung unauffälligem, flüssigem und sicherem Gangbild ist die BF in der Lage, zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel größere Entfernungen zurückzulegen.

b. Zugangsmöglichkeit sowie Ein- und Aussteigemöglichkeit sind nicht auf erhebliche Weise erschwert.

c. Das Überwinden von Niveauunterschieden beim Aus- und Einsteigen ist nicht auf erhebliche Weise erschwert.

d. Erhebliche Schwierigkeiten beim Stehen liegen nicht vor.

e. Erhebliche Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche bestehen nicht.

f. Erhebliche Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt liegen nicht vor. Ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten sind gegeben.

g. Im Rahmen der nunmehr durchgeführten Anamneseerhebung werden von der BF hinsichtlich des Bewegungs- und Stützapparates keine erheblichen Schmerzen beim Gehen, Sitzen und Stehen berichtet. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik bei diagnostizierter somatoformer Schmerzstörung sowie degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ist mittels konservativer und heilgymnastischer Maßnahmen, ebenso wie medikamentöser Therapie eine Besserung der Beschwerdesymptomatik zu erreichen. Bei unauffälliger Mobilität ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mit einer derart erheblichen Schmerzsymptomatik verbunden, welche deren Benützung auf erhebliche Weise erschweren würde. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik in der Wirbelsäule bestehen zudem Therapiereserven im Sinne einer Durchführung einer CT-gezielten Infiltration sowie eines möglichen operativen Eingriffes zur Sanierung der degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Die aus gutachterlicher Sicht objektivierbare Schmerzsymptomatik, welche mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden ist, ist zumutbar.

h. Bei ohne Hilfsmittelverwendung unauffälligem Gangbild sowie unauffälliger Mobilität sind behinderungsbedingt keine Hilfsmittel erforderlich.

10. Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 05.03.2019 inkl. Stellungnahme vom 02.05.2019 abweichenden Beurteilung:

Aus gutachterlicher Sicht ergibt sich keine abweichende Beurteilung zum Sachverständigengutachten vom 5. März 2019 sowie zur Stellungnahme vom 2. Mai 2019.

11. Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

Nachsatz hinsichtlich der ab 18. Juni 2019 geltenden Neuerungsbeschränkung:

Anlässlich der nunmehr durchgeführten klinischen Untersuchung wurden keine neuen Befunde vorgelegt und es konnten keine allfälligen neuen Funktionseinschränkungen festgestellt werden, welche erst nach dem 18. Juni 2019 entstanden sind.“

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.05.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

12. Das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes blieb unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin beantragte am 04.12.2018 die Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Am 03.05.2019 wurde ihr ein befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1)       Somatoforme Störung bei Depressio, Angst- und Panikstörung mit schädlichem Gebrauch von Schmerz- und Beruhigungsmitteln: insgesamt mittelgradiges Ausmaß, Stabilisierungstendenz mittels zuletzt durchgeführter rehabilitativer Maßnahmen und bestehenden Behandlungsreserven (Intensivierung der psychotherapeutisch-fachärztlichen Maßnahmen, Adaptierung der Medikation);

2)       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule bei rezidivierendem Cervikalsyndrom sowie rezidivierender Lumboischialgie bei Spinalkanalstenose L4/L5: insgesamt mäßiggradiges bis mittelgradiges Ausmaß, Fehlen maßgeblicher Einschränkungen der Wirbelsäulenfunktion, maßgeblicher motorischer Defizite sowie Lähmungserscheinungen, geringe Störungen der Sensibilität an der linken unteren Extremität;

3)       Varikosis der unteren Extremitäten bei Zustand nach Venenoperation links: leichtgradiges Leiden, Fehlen von Komplikationen, von thromboembolischen Ereignissen, eines posttrombotischen Syndroms und von Geschwüren;

4)       Zustand nach Entfernung des rechten Schilddrüsenlappens: leichtgradiges Leiden, medikamentös kompensierbar bei Fehlen von Komplikationen;

5)       Tinnitus: insgesamt mäßiggradiges Ausmaß, wechselnde Lokalisation und Intensität der Ohrgeräusche bei bestehenden Therapiereserven (Infusionstherapie, stationäre Aufnahme, Etablierung technischer Maßnahmen);

6)       Mischinkontinenz: insgesamt leichtgradiges Ausmaß, Fehlen einer Restharnbildung bei unauffälliger Sonographie von Niere und Blase mit bestehenden Therapiereserven (Etablierung einer medikamentösen Therapie, Intensivierung urologischer Kontrollen).

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 28.04.2020 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten oder der Wirbelsäule, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. In Hüftgelenken, Kniegelenken, Sprunggelenken sowie in den Füßen zeigten sich unauffällige Funktionsverhältnisse. Relevante motorische Defizite oder Lähmungserscheinungen an den unteren Extremitäten liegen – abgesehen von geringen Störungen der Sensibilität im Bereich der linken unteren Extremität – nicht vor. Es bestehen auch keine maßgeblichen Einschränkungen der Wirbelsäulenfunktion, zumal konservative und rehabilitative Maßnahmen zu einer Besserung der Beschwerden führten.

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Bei der Beschwerdeführerin besteht eine unauffällige Herz- und Lungenfunktion ohne maßgebliche Dekompensationszeichen. Die nur leichtgradige Mischinkontinenz bewirkt ebenfalls keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, zumal auch insoweit Therapiereserven zur Verfügung stehen.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine erheblichen psychischen, neurologischen oder intellektuellen Einschränkungen. Die Beschwerdeführerin weist eine somatoforme Störung bei Depressio sowie Angst- und Panikstörung auf. Hinsichtlich des psychischen Leidens ist mittels des zuletzt durchgeführten rehabilitativen Aufenthalts im Herbst 2018 eine Besserung eingetreten. Insbesondere die Angst- und Panikstörung erreicht derzeit kein derart erhebliches Ausmaß, das zu einer schweren und unüberwindbaren Angst führt und die Beschwerdeführerin daran hindern würde, am alltäglichen Leben teilzunehmen und öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zudem bestehen Therapiereserven im Sinne einer Intensivierung der Psychotherapie (z.B. wöchentliche Therapiesitzungen), eines möglichen stationären Aufenthalts an einer psychiatrischen Spitalsabteilung oder einer neuerlichen Rehabilitation.

Ebenso wenig liegt bei der Beschwerdeführerin eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin trotz der bei ihr bestehenden Funktionseinschränkungen in der Lage ist, kurze Wegstrecken entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Ihr Gangbild stellt sich ohne Hilfsmittelverwendung unauffällig, flüssig und sicher dar. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden sind der Beschwerdeführerin möglich. Es bestehen weder erhebliche Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche noch bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. Eine ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten sind gegeben. Bei unauffälliger Mobilität ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mit erheblichen Schmerzen verbunden. Hinsichtlich der Schmerzsymptomatik bei somatoformer Schmerzstörung und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ist zudem mittels konservativer und heilgymnastischer Maßnahmen sowie medikamentöser Therapie eine Besserung erreichbar.

Der sichere und gefährdungsfreie Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln – auch während der Fahrt – ist gewährleistet.

Insgesamt spricht bei Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht nichts dagegen, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet wird.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur gegenständlichen Antragstellung sowie zur Ausstellung eines Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen sowie zum Nichtvorliegen erheblicher – die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender – Funktionseinschränkungen gründen sich auf das im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 28.04.2020.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die von der Beschwerdeführerin im Zuge des Verfahrens vorgelegten bzw. nachgereichten Befunde.

Im Gutachten des befassten Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum der Beschwerdeführerin – entgegen ihrem Vorbringen in der Beschwerde – aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und zumutbar ist.

Anhand der Art und Schwere der festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten dem Gutachten zufolge weder erhebliche Einschränkungen der unteren und oberen Extremitäten oder der Wirbelsäule, der körperlichen Belastbarkeit, der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems objektiviert werden. Bei seinen Einschätzungen konnte sich der Sachverständige auf den von ihm erhobenen klinischen Untersuchungsbefund einschließlich des festgestellten Gangbildes sowie auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismittel stützen.

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde waren nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese vom befassten Sachverständigen in seinem Gutachten gehörig gewürdigt und mittels einer ebenso schlüssigen wie ausführlichen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden.

Unter Berücksichtigung der objektivierbaren Funktionseinschränkungen und der damit verbundenen subjektiven Beschwerden ist die Beschwerdeführerin den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zufolge in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Diesbezüglich wurde ausführlich dargelegt, dass der Beschwerdeführerin bei Vorliegen eines guten Allgemeinzustandes, Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen der Gelenke der unteren Extremitäten, Fehlen erheblicher Einschränkungen der Wirbelsäulenfunktion, Fehlen maßgeblicher motorischer Defizite an den unteren Extremitäten bei unauffälligem, flüssigem und sicherem Gangbild das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln möglich sind. Die aus gutachterlicher Sicht objektivierbare – nicht erhebliche – Schmerzsymptomatik, welche mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden ist, wurde sowohl angesichts des berichteten Ausmaßes als auch mit Blick auf bestehende Therapiereserven vom Sachverständigen für zumutbar erachtet. Im Gutachten erfolgte auch eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem – von der Beschwerdeführerin betonten – psychischen Gesundheitszustand, wobei unter Verweis auf die mittels Rehabilitation bereits erzielte Besserung des Leidens und das Bestehen deutlicher Therapiereserven erhebliche Einschränkungen psychischer Funktionen, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich machen würden, schlüssig verneint wurden.

Im Ergebnis gelangte der Sachverständige in nachvollziehbarer Weise zu dem Ergebnis, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus medizinischer Sicht nicht gegeben ist, zumal das Ausmaß bzw. die Auswirkungen der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Leidenszustände im Rahmen der klinischen Untersuchung und anhand der Befundlage in der von der Beschwerdeführerin subjektiv empfundenen Form nicht objektiviert werden konnten.

Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffenen Einschätzungen des Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten vom 28.04.2020 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Sie hat sich zu diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs auch nicht mehr geäußert, sondern dieses unwidersprochen zur Kenntnis genommen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den vorliegenden Sachverständigenbeweis für schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Er wird der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung einer fachkundigen Laienrichterin ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(…)“

„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(…)“

„§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

3.3.1. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

„§ 1. …

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

…“

3.3.2. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) – soweit im gegenständlichen Fall relevant – insbesondere Folgendes ausgeführt:

„Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung‘ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich‘ und ‚schwer‘ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat. (…)“

3.4.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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