Entscheidungsdatum
23.10.2020Norm
AsylG 2005 §55Spruch
W109 2006507-2/17E
W109 2006507-3/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Paul DELAZER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 05.07.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.09.2020, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides vom 05.07.2019 gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005, § 8 Abs. 4 AsylG 2005, § 9 Abs. 4 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung vom 23.07.2019 in ihren Spruchpunkten I. bis III. bestätigt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Paul DELAZER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 07.07.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.09.2020, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 52 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG, Art. 8 EMRK eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
II. XXXX wird gemäß § 55 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 03.10.2012 stellte der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, einen Antrag auf internationalen Schutz den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 27.02.2014 (in der Folge: Zuerkennungsbescheid) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abwies. Außerdem wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.02.2015 erteilt. Diesbezüglich führte die belangte Behörde begründend aus, die Kernfamilie lebe in einem von den Taliban kontrollierten Gebiet. Die Herkunftsprovinz sei immer wieder Schauplatz schwerer Anschläge. Aufgrund seiner Minderjährigkeit könne der Beschwerdeführer sich nicht alleine nach Kabul begeben, ihm fehle dort das notwendige soziale Netz, dessen er als Minderjähriger bedürfe.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Zuerkennungsbescheides, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten abgewiesen worden war, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2016 abgewiesen.
Mit Bescheiden vom 21.04.2015 und vom 02.03.2017wurde dem Beschwerdeführer auf seine Verlängerungsanträge hin jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 26.02.2017 und bis zum 26.02.2019 erteilt. Begründend wurde jeweils ausgeführt, die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung würden vorliegen, da dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben worden sei, könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG eine nähere Begründung entfallen.
Am 31.01.2019 brachte der Beschwerdeführer abermals einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
2. Mit Bescheid vom 05.07.2019 (in der Folge: Ausgangsbescheid) erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer – nach Gewährung von schriftlichem Parteiengehör zum eingeleiteten Aberkennungsverfahren – den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 03.06.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab und entzog dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 die mit Bescheid vom 19.07.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt V.).
Begründend führte die belangte Behörde hinsichtlich Spruchpunkt I. aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen, die subjektive Lage habe sich geändert. Der Beschwerdeführer sei nunmehr volljährig, habe sich Bildung und Berufserfahrung angeeignet. Er verfüge über Angehörige in Pakistan. 2017 habe der Beschwerdeführer bereits die Volljährigkeit erreicht, er sei zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt gewesen, die Behörde sei in diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass er aufgrund der geringen Lebenserfahrung und nicht ausreichender beruflicher Entwicklung in diesem Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen sei, sich im Herkunftsland eine Existenzgrundlage zu schaffen. Die Voraussetzungen würden nicht mehr vorliegen, weil der Beschwerdeführer nicht mehr minderjährig und somit selbständiger, junger gesunder und arbeitsfähiger Mann sei. Er habe mittlerweile ein Alter von 26 und an Lebenserfahrung und Reife gewonnen. Er habe trotz Analphabetismus im Herkunftsstaat den Pflichtschulabschluss absolviert, die Landessprache in Wort und Schrift erlernt und den Lehrberuf des Kochs ergriffen. Er habe zwei Jahre die Berufsschule absolviert, jedoch die Lehrausbildung nicht fortgeführt, aktuell arbeite er als Hilfskoch und Kellner, sei selbsterhaltungsfähig und führe ein eigenständiges Leben ohne Unterstützungsleistungen. Die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten würden ihm im Fall einer Rückkehr und Ansiedelung im Herkunftsstaat von maßgeblichem Nutzen sein. Seine Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Fähigkeit, außerhalb des Familienverbandes zu leben, habe der Beschwerdeführer bereits bewiesen. Kontakte zu in Afghanistan aufhältigen Angehörigen könne der Beschwerdeführer über die Mutter auffrischen. Der Beschwerdeführer könne auf zahlreiche Netzwerke zurückgreifen, auf den Zusammenhalt und die Clanstruktur der Volkgruppe der Paschtunen sei hinzuweisen. Die Herkunftsprovinz sei volatil, der Beschwerdeführer könne sich jedoch in Mazar-e Sharif niederlassen. Der Beschwerdeführer spreche Pashtu und sei mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten vertraut.
Am 16.07.2019 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 sei nicht erfüllt. Es sei in Sachverhalt und Sicherheitslage zu keiner Änderung gekommen. Die von der Behörde zitierte Judikatur beziehe sich auf abgelehnte Anerkennungsfälle und sei daher gegenständlich ohne Bedeutung. Es habe eine Interessenabwägung stattzufinden, ein öffentliches Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers sei nicht geltend gemacht worden. Der Beschwerdeführer habe sich vollkommen an die in Österreich herrschende Ordnung gehalten, habe die Sprache gelernt, eine Ausbildung gemacht und Arbeit gefunden, bezahle Steuern, sei krankenversichert, polizeilich gemeldet und verfüge über eine ortübliche Wohnung. Der Beschwerdeführer sei bereits seit sieben Jahren im Bundesgebiet aufhältig und habe ein Drittel seines Lebens hier verbracht. Die Aberkennung sei zu Unrecht erfolgt, auch weil die Fünf-Jahres-Frist aus verfassungsrechtlichen Erwägungen auch im Rahmen des § 9 AsylG 2005 zu beachten sei. Zudem wird vorgebracht, die Nummerierung der Spruchpunkte in Spruch und Begründung würden nicht korrespondieren, der eigentliche Spruchpunkt IV. sei im Spruch vergessen worden.
Mit Bescheid vom 23.07.2019 (in der Folge: Beschwerdevorentscheidung), dem Beschwerdeführer zugestellt am 26.07.2019, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl „ XXXX “ den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog dem Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 die mit Bescheid vom 27.02.2014 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten und wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 31.01.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab und (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt VI.). In der Adresszeile des Bescheides sowie in der Zustellverfügung werden der Beschwerdeführer, sein Geburtsdatum, seine Staatsangehörigkeit und sein Vertreter genannt. In der Bescheidbegründung werden Name und Geburtsdatum des Beschwerdeführers festgestellt. Begründend führte die belangte Behörde außerdem aus, aufgrund der Vorbemerkung in der Beschwerde bezüglich äußerer Mängel des Bescheides werde der Bescheid behoben und eine Beschwerdevorentscheidung getroffen. Zudem gibt die belangte Behörde im Wesentlichen die Begründung des Ausgangsbescheides wieder.
Mit Vorlageantrag, einlangend am 30.07.2019, beantragte der Beschwerdeführer, die Beschwerde dem zuständigen Bundesverwaltungsgericht vorzulegen. Ergänzend wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe keine der in § 14 VwGVG genannten Möglichkeiten (aufheben, abändern, zurückweisen, abweisen) ergriffen, sondern einen neuen inhaltsgleichen Bescheid erlassen. Die Behörde habe neue Beweismittel (Kurzinformation vom 04.06.2019) verwendet, zu denen kein Parteiengehör gewährt worden sei. Zudem führt der Beschwer deführer aus, gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 könne eine Veränderung der Sicherheitslage im Herkunftsstaat nur dann zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten führen, wenn diese innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolge. Aus verfassungsrechtlichen Gründen habe diese Frist auch für den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gelten.
Mit Teilerkenntnis vom 25.09.2019 behob das Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt IV. der Beschwerdevorentscheidung vom 23.07.2019 wegen Rechtswidrigkeit infolge von Unzuständigkeit ersatzlos, gab der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkt IV. und V. des Ausgangsbescheides statt und änderte die Beschwerdevorentscheidung in ihren Spruchpunkten IV. und V. dahingehend ab, dass der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt IV. und V. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese ersatzlos behoben wurden.
Mit gegenständlich ebenso angefochtenem Bescheid vom 07.07.2020, zugestellt am 09.07.2020, (in der Folge: nachgeholter Bescheid) erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.) und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde aus, das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich sei schwach ausgeprägt und würde vom öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, jedenfalls in den Hintergrund treten.
Am 15.07.2020 langte die vollinhaltliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den nachgeholten Bescheid vom 07.07.2020 bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, die Begründung des Bescheides sei dürftig, der Beschwerdeführer lebe seit acht Jahren in Österreich, gehe einer geregelten Vollzeitarbeit nach, finanziere seinen Lebensunterhalt selbst, beherrsche Deutsch auf dem Niveau B1, habe soziale Kontakte und sei weder strafrechtlich noch verwaltungsstrafrechtlich jemals in Erscheinung getreten. Die Bescheidbegründung bestehe aus Stehsätzen, der Beschwerdeführer habe sich vorbildlich in die österreichische Gesellschaft eingefügt und gebe es tatsächlich kein öffentliches Interesse an einer Außerlandesschaffung des Beschwerdeführers. Legal in Österreich lebende könnten mit einer Aufenthaltsverfestigung rechnen, nach achtjährigem Aufenthalt dürfe eine Rückkehrentscheidung nur mehr erlassen werden, wenn eine gerichtlich strafbare Handlung vorliege, die streng bestraft worden sei.
Am 01.09.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrsituation und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
– Zeugnisse und andere Schulunterlagen
– Teilnahmebestätigungen für Workshops und andere Bildungsangebote
– ÖIF Deutsch-Prüfungszeugnis für das Niveau B1 vom 12.06.2014
– Lohnbestätigungen des Arbeitgebers
– Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers
– Arbeitsbestätigung
– Lohnzettel
– Meldezettel
– Medizinische Unterlagen
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch Dari, Urdu, etwas Englisch und Deutsch zumindest auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Er spricht fließend Deutsch.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer leidet an Polyarthralgie (Gelenksschmerzen) mit unklarer Ursache. Die diagnostische Abklärung hat er zuletzt nicht mehr weiterverfolgt.
Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Kunar, Distrikt Sarkani, wo er bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte. Er hat im Herkunftsstaat eine Koranschule besucht und in der familieneigenen Landwirtschaft als Hirte mitgearbeitet. Im Jahr 2011 reiste der Beschwerdeführer über den Iran aus dem Herkunftsstaat aus. In das Bundesgebiet reiste der Beschwerdeführer spätestens am 03.10.2012 ein.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2014, zugestellt am 28.02.2014, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AslyG bis zum 20.07.2012 erteilt. Mit Bescheid vom 21.04.2015 und vom 02.03.2017 wurde dem Beschwerdeführer jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zuletzt bis zum 26.02.2019 erteilt.
Im Bundesgebiet besuchte der Beschwerdeführer im Schuljahr 2012/2013 zunächst ehrenamtlich geführten Unterricht an einem Gymnasium und im Schuljahr 2013/2014 schließlich als außerordentlicher Schüler den schulanalogen Unterricht mit intensivem Deutschunterricht und Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss. Anschließend war der Beschwerdeführer im Rahmen eines Lehrverhältnisses für den Beruf Koch tätig und schloss zwei Jahre (Schuljahre 2015/2016 und 2016/2017) der Berufsschule erfolgreich ab. Seit März 2018 ist der Beschwerdeführer – mit einer Unterbrechung von 15.03.-14.05.2020 – als Pizzabäcker in einer Pizzeria beschäftigt, wo er monatlich zwischen etwa EUR 1.300,-- bis 1.400,-- verdient. Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über einen Freundes- und Bekanntenkreis. Er bezieht seit dem Jahr 2016 keine Grundversorgung mehr und bestreitet seinen Lebensunterhalt seither – mit einer Unterbrechung von 15.03. – 14.05.2020, als er Arbeitslosengeld bezog, weil sein Arbeitgeber seine Pizzeria geschlossen halten musste – aus eigenem Erwerbseinkommen.
Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben; die Mutter und der Bruder sind im Herkunftsdorf aufhältig, ebenso leben weitere Verwandte im Herkunftsdorf.
1. 2. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Die Provinz Kunar gehört zu den stark vom Konflikt betroffenen Provinzen des Herkunftsstaates, es sind zahlreiche Terrororganisationen in der Provinz aktiv, darunter IS, Al-Quaida und die Taliban. Es kommt Kämpfen zwischen unterschiedlichen aufständischen Gruppierungen, die afghanischen Sicherheitskräfte führen Operationen und Luftangriffe durch. Die meisten Distrikte der Provinz gelten als umkämpft, so auch der Herkunftsdistrikt. Dort sind die Taliban präsent.
Im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in die Herkunftsprovinz droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen oder durch Übergriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Mazar-e Sharif steht unter Regierungskontrolle, Kampfhandlungen finden im Wesentlichen nicht statt. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.
Für den Fall der Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif kann nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Afghanistan ist von der COVID-19-Pandemie betroffen, dies gilt insbesondere für die Provinz Balkh. Es gibt landesweit Beschränkungen von Mobilität, sozialen und geschäftlichen Aktivitäten sowie Regierungsdiensten. In größeren Städten wird auf die Einhaltung der Maßnahmen stärker geachtet. Der Flugverkehr wurde, wenn auch eingeschränkt, wiederaufgenommen. Der Verkehr in den Städten hat sich wieder normalisiert, Restaurants und Parks sind wieder geöffnet. Die Nahrungsmittelpreise steigen, aufgrund der Maßnahmen gibt es weniger Gelegenheitsarbeit.
Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.
Seine medizinische Versorgung ist gewährleistet.
Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu Identität, Herkunftsort, Staatsangehörigkeit, Lebenswandel und Lebensverhältnissen im Herkunftsstaat, Volksgruppen- und Religionsangehörigkeit und Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben im gesamten Verfahren, die auch die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht ihren Entscheidungen zugrunde legte. Hinweise darauf, dass diese nicht zutreffen würden, sind auch im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen. Zu seinen Deutschkenntnissen hat der Beschwerdeführer ein „Prüfungszeugnis Deutsch-Test für Österreich“ des ÖIF (AS 33) vorgelegt, aus dem Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen hervorgehen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.09.2020 konnte sich der Beschwerdeführer jedoch fließend auf Deutsch verständigen.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf den im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten medizinischen Unterlagen. Im Hinblick auf die weitere diagnostische Abklärung geht aus dem jüngsten vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Befund von Mai 2020 (Beilage zu OZ 14) hervor, dass eine Abklärung an der endokrinologischen Ambulanz dringlich empfohlen werde. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.09.2020 gab der Beschwerdeführer zudem an, er habe überall im Körper Schmerzen und könne nicht mehr Kartoffeln schälen, bis vor drei Monaten sei es ihm nicht so schlecht gegangen (OZ 14, S. 5). Der Beschwerdeführer verweist jedoch lediglich auf die in der Vergangenheit erfolgten Arztbesuche wobei der Umstand, dass der Beschwerdeführer der Empfehlung einer Abklärung an der endokrinologischen Ambulanz nicht gefolgt ist, keine aktuelleren Befunde vorlegen kann und auch keine weiter geplanten Arztbesuche oder Behandlungen anführt und weiter seinem Beruf nachgeht, weiterhin arbeitsfähig ist und seine Angaben lediglich dazu dienen, seine gesundheitliche Situation ungünstiger darzustellen, als sie eigentlich ist.
Die Feststellung zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer, sowie zur Zuerkennung und zur Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung beruhen auf den im Akt einliegenden diesbezüglichen Bescheiden des Bundesasylamtes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Die Feststellungen zum Lebenswandel des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung am 01.09.2020, sowie den in dieser Verhandlung vorgelegten Unterlagen (Beilagen zum Verhandlungsprotokoll). Dass der Beschwerdeführer einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut hat, hat dieser plausibel in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.09.2020 angegeben. Dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2016 keine Grundversorgung mehr bezieht, geht aus dem im Akt einliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem hervor, die durch COVID-19-bedingte vorrübergehende Schließung der Pizzeria war vor dem Hintergrund der allgemein bekannten Schließung von unter anderem der Gastronomie im genannten Zeitraum offensichtlich und glaubhaft.
Dass sein Vater verstorben ist, hat der Beschwerdeführer im Lauf des Verfahrens gleichbleibend angegeben und haben sowohl die belangte Behörde als auch das Bundesverwaltungsgericht diese Angaben ihren Entscheidungen erkennbar zugrunde gelegt. Im Hinblick auf seine Angehörigen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.09.2020 – wie im Übrigen weitgehend im Lauf des Verfahrens – angegeben, er habe keine Informationen, welche Familienangehörigen sich noch in Afghanistan aufhalten würden. Kontakt habe es zuletzt in Griechenland acht oder neun Jahre zuvor gegeben. Er habe jedoch nur im Herkunftsdorf gelebt und auch nur dort Verwandte gehabt (OZ 14 bzw. 4, S. 6). Damit geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Angehörigen des Beschwerdeführers unverändert im Herkunftsdorf aufhältig sind.
2.2. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.18. Kunar, sowie aus der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QD, Abschnitt Kunar, S. 105-106 und dem EASO COI Report: Afghanistan, Security Situation vom Juni 2019, Kapitel 2.19 Kunar, S. 186 ff. Aus letzterem geht hervor, dass der Distrikt Sarkani umkämpft ist und die Taliban dort präsent sind. Auf dieser Berichtslage hinsichtlich der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz beruht auch die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in die Herkunftsprovinz die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen Aufständischen und Regierungstruppen oder durch Übergriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden. Diese Feststellung stimmt auch mit der Einschätzung von EASO überein, der hinsichtlich der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers von einem hohen Gewaltniveau ausgeht (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15 (c) QD, Abschnitt Kunar, S. 106).
Die Feststellung, dass Mazar-e Sharif unter Regierungskontrolle steht und von Kampfhandlungen im Wesentlichen nicht betroffen ist, basiert auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security Situation vom Juni 2019 (Kapitel 2. Regional description of the security situation in Afghanistan, Unterkapitel 2.5. Balkh (S. 96 ff.). Insbesondere führt der Bericht Mazar-e Sharif als unter Regierungskontrolle stehend an und verzeichnet keine offene Präsenz der Taliban (siehe Tabelle S. 99). Auch Vertreibungen aus Mazar-e Sharif sind nicht verzeichnet (Unterkapitel 2.5.3.2. Displacement, S. 100).
Die Feststellung zum Flughafen basiert auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Inernationaler Flughafen Mazar-e Sharif sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019, Kapitel 2. Internal Mobility, Unterkapitel 2.1 Airports and Flight Connections, S. 18, insbesondere Unterkapitel 2.1.3 Mazar-e Sharif, S. 19). Die EASO Country Guidance bestätigt, dass für den Flughafen von Mazar-e Sharif 9 km von der Stadt entfernt keine Zwischenfälle bekannt sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and Admittance, S. 130).
Aufgrund der in den oben zitierten Berichten enthaltenen Informationen zur Sicherheitslage in Mazar-e Sharif kann für den Fall der dortigen Niederlassung des Beschwerdeführers auch nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.
Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie im Herkunftsstaat beruhen auf dem Länderinformationsblatt, insbesondere auf den am 21.07.2020 und am 29.06.2020 eingefügten Informationen.
Die Feststellung zur möglichen Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage.
Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, ethnischer und sprachlicher Hintergrund, Religion, das Vorhandensein von Identitätsdokumenten, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 135 ff.). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).
Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig und spricht mit Paschtu und Dari die im Herkunftsstaat verbreitetsten Sprachen. Er gehört als Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zur im Herkunftsstaat mit 80 bis 89,7 % der Gesamtbevölkerung mehrheitlich vertretenen Religionsgemeinschaft (Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit) und als Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen zur größten Volksgruppe des Herkunftsstaates (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.1. Paschtunen)). Insbesondere wird hinsichtlich dieser Volksgruppe nicht von spezifischen Diskriminierungen oder Gefahren berichtet. Zudem hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet mehrere Jahre Berufserfahrung sammeln können, eine Berufsausbildung begonnen, auch wenn er sie nicht abgeschlossen hat, sowie mehrere Jahre die Schule besucht. Außerdem konnte er sich im Bundesgebiet eine selbstständige Existenzgrundlage aufbauen. Auch hat der Beschwerdeführer angegeben, dass ihm zusätzlich zum Einkommen eine Unterkunft mietfrei zur Verfügung gestellt wird, für die er lediglich Betriebskosten im Ausmaß von EUR 100,-- zu zahlen hat (OZ 7, Mail vom 15.06.2020). Damit ist mit Blick auf sein Monatseinkommen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch Ersparnisse bilden konnte, die ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat als Startkapital dienen können. Auf die finanzielle Unterstützung eines sozialen Netzwerkes ist der Beschwerdeführer damit nicht angewiesen, wobei der Beschwerdeführer auch im Bundesgebiet offenkundig beim Aufbau eines sozialen Netzwerkes Erfolg hat. Damit ist davon auszugehen, dass ihm auch die soziale Einbettung in Mazar-e Sharif gelingen kann. Zudem kann der Beschwerdeführer zur Anfangsunterstützung Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen und seine Rückkehr und Unterstützung allenfalls bereits vom Bundesgebiet aus vorbereiten. Auch hat der der Beschwerdeführer die ersten 15 Jahre seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht und ist daher zweifellos mit Sitten und Gebräuchen des Herkunftsstaates vertraut.
Im Hinblick auf die Beschränkungen des wirtschaftlichen Lebens in den afghanischen Großstädten, die auch Mazar-e Sharif zweifellos betreffen, ist auszuführen, dass sich aus den bereits weiter oben zitierten Berichten im Hinblick auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ergibt, dass es sich hierbei um lediglich vorrübergehende Maßnahmen handelt, die der Beschwerdeführer allenfalls durch Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe und Rückgriff auf seine Ersparnisse überbrücken kann. Zudem ist anzumerken, dass diese Maßnahmen alle Einwohner Mazar-e Sharifs gleichermaßen betreffen, weswegen nicht ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer im Fall der Niederlassung in Mazar-e Sharif in größerem Maße davon betroffen wäre, als seine Landsleute.
Im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage ist den vorliegenden Berichten zwar zu entnehmen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse (Nahrung, Wohnung, Trinkwasser) zwar häuft schwierig bzw. eingeschränkt ist. Sie ist jedoch grundsätzlich sichergestellt, wie dem Länderinformationsblatt entnommen werden kann (Kapitel 20. Grundversorgung). Auch die jüngsten Informationen des Länderinformationsblattes vom 21.07.2020 und vom 29.06.2020 berichten zwar von schwerwiegenden Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage und einem Anstieg der Lebensmittelpreise. Die Versorgung ist jedoch nach wie vor auf grundlegendem Niveau sichergestellt.
In einer Zusammenschau der zu erwartenden individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif ist daher im Hinblick auf Unterkunft, grundlegende Versorgung und Lebensgrundlage (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedelungsalternative in Kabul, Buchstabe b) Die Zumutbarkeit von Kabul als interner Schutzalternative, S. 128 – 129) davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer sich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten wird ansiedeln und eine Lebensgrundlage wird aufbauen können. Entsprechende Feststellungen wurden getroffen.
Im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung ist auszuführen, dass diese den vorliegenden Informationen zufolge grundsätzlich gewährleistet. So ist dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt ist. Für Mazar-e Sharif wird von einigen Krankenhäusern berichtet (Kapitel 21. Medizinische Versorgung). Zwar ist im Hinblick auf die COVID-19 Pandemie mit einer erheblichen Zusatzbelastung der bereits zuvor mangelhaften medizinischen Versorgung in Afghanistan zu rechnen. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass eine schwere bzw. lebensbedrohliche Erkrankung nicht ersichtlich ist und er seine Behandlung im Bundesgebiet nicht weiter fortgesetzt hat. Zudem ist die Gesundheitsversorgung in Mazar-e Sharif – wie bereits ausgeführt – grundsätzlich gewährleistet. Zur COVID-19-Pandemie selbst ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer mit Anfang 20 und ohne relevante Vorerkrankungen nicht zur Risikogruppe gehört und folglich in seinem Fall ein schwerer Krankheitsverlauf mit Behandlungsbedarf im Krankenhaus im Fall einer Ansteckung im Herkunftsstaat nicht wahrscheinlich ist. Entsprechend wurde festgestellt, dass seine medizinische Versorgung gewährleistet ist.
Die Feststellung zur Rückkehrhilfe beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Bescheidadressaten und Zulässigkeit der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III.
Der Bescheidadressat ist notwendiges Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal (Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 [Stand 01.07.2005, rdb.at], Rz 34 ff.).
Der Adressat eines Bescheides muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig bezeichnet sein, wobei die Bezeichnung mit dem in der richtigen Form gebrauchten Namen zu erfolgen hat. Für die Gültigkeit eines Bescheides reicht es allerdings, dass der Adressat der Erledigung insgesamt eindeutig entnommen werden kann. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn bei schriftlichen Ausfertigungen aus Spruch, Begründung und Zustellverfügung im Zusammenhang mit den anzuwendenden Rechtsvorschriften eindeutig erkennbar ist, welchem individuell bestimmten Rechtsträger gegenüber die Behörde einen Bescheid erlassen wollte. Entscheidend ist, dass für die Beteiligten des Verfahrens als Betroffene des Bescheides sowie für die Behörde und in weiterer Folge für den Verwaltungsgerichtshof die Identität des Bescheidadressaten zweifelsfrei feststeht (VwGH 24.05.2012, 2008/03/0173).
Verfahrensgegenständlich ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer namentlich in der Adresszeile des Bescheides, in der Zustellverfügung und in den Feststellungen des Bescheides genannt wird, eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer Adressat der Erledigung ist, selbst wenn im Spruch der Beschwerdevorentscheidung – offenkundig durch einen Ausbesserungsfehler im Zuge der Verwendung eines Bescheidmusters – eine andere Person als Bescheidadressat genannt wird. Die Beschwerdevorentscheidung ist folglich im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wirksam erlassen worden.
Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 VwGVG ist sinngemäß anzuwenden.
Zum mit Vorlageantrag ergänzend vorgebrachten Einwand des Beschwerdeführers, dass die belangte Behörde mit ihrer Beschwerdevorentscheidung keine der in § 14 Abs. 1 VwGVG vorgesehenen Möglichkeiten („den angefochtenen Bescheid […] aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen“) ergriffen habe, ist eingangs auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge die Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid endgültig derogiert (VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0185), bzw. dass die Beschwerdevorentscheidung an die Stelle des Ausgangsbescheides tritt (VwGH 06.05.2019, Ra 2016/11/0091). Demnach hat die belangte Behörde den Ausgangsbescheid mit ihrer Beschwerdevorentscheidung ersetzt.
Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits – allerdings im Hinblick auf die Abweisung einer Beschwerde durch das Verwaltungsgericht – ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht mit der Abweisung der Beschwerde den Spruch des mit Beschwerde bekämpften Bescheides der vor ihm belangten Behörde übernimmt (VwGH 24.01.2019, Ra 2018/09/0168). Im Umkehrschluss ist demnach eine Wiederholung des Spruches des Ausgangsbescheides als Abweisung der Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG zu verstehen.
Nun hat die belangte Behörde verfahrensgegenständlich – wie ein Vergleich der jeweiligen Spruchpunkte erhellt – die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid im Sinne der obigen Judikatur gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen, indem sie die Spruchpunkt I. bis III. des Ausgangsbescheides in ihrer Beschwerdevorentscheidung wiederholt. Die Ausführungen, die Behörde habe einen „neuen Bescheid“ erlassen und nicht ausgesprochen habe, ob der Beschwerde stattgegeben worden sei oder nicht, bzw. ob der Bescheid abgeändert oder aufgehoben werde oder nicht, vermögen damit hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. der Beschwerdevorentscheidung insofern ein rechtswidriges Vorgehen der belangten Behörde nicht darzutun.
3.2. Zur Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen.
§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m.w.N.).
Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. in Beschwerdevorentscheidung und Ausgangsbescheid lediglich auf § 9 Abs. 1 AsylG 2005, ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. Aus den Feststellungen der belangten Behörde denen zufolge „die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten […] zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr vor[liegen]“ und sich die „subjektive Lage […] im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt […] geändert“ (Ausgangsbescheid S. 6, AS 190; Beschwerdevorentscheidung S. 7, AS 535) habe, ergibt sich jedoch klar, dass die belangte Behörde sich auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stützt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen Entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).
In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
3.2.1. Zur Frist des § 7 Abs. 3 AsylG 2005
Der Beschwerdeführer führt wiederholt im Wesentlichen aus, die „5-Jahres-Frist“ des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 müsse aus verfassungsrechtlichen Gründen auch für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gelten.
Gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einem Fremden, der nicht im Sinne des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 straffällig geworden ist, den Status eines Asylberechtigten nicht gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat.
Sowohl subsidiär Schutzberechtigten als auch Asylberechtigten werde – so der Beschwerdeführer – im Hinblick auf eine drohende Gefahr Schutz gewährt und Integration angeboten. Es gebe keinen Grund, nach einem Zeitraum von fünf Jahren wegen einer Änderung der Situation im Herkunftsstaat den Status aufzuheben. Auch subsidiär Schutzberechtigte seien schutzbedürftig und müsse auch ihnen irgendwann die Möglichkeit gegeben werden, sich an einem sicheren Aufenthaltsstatus zu erfreuen. Die „5-Jahres-Frist“ korrespondiere auch mit § 9 Abs. 5 BFA-VG und § 45 NAG. All diesen Bestimmungen sei gemeinsam, dass nach einer Zeit von fünf Jahren der Aufenthalt gefestigt werde. Warum ausgerechnet beim subsidiär Schutzberechtigten eine derartige Aufenthaltsverfestigung nicht Platz greifen solle, sei nicht nachvollziehbar, vielmehr sei die Aufenthaltsverfestigung an der Bestimmung der Gleichbehandlung aller Fremden untereinander zu messen.
Hierzu ist anzumerken, dass der Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dass der Status subsidiär Schutzberechtigter und deren Aufenthaltsrecht von vornherein provisorischer Natur ist und dabei davon ausgegangen werde, dass jene Umstände, die typischerweise subsidiären Schutz rechtfertigen würden, eher vorübergehenden Charakter hätten und rascher beendet sein könnten, als dies im Allgemeinen bei systematischer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannte Gründen angenommen werden könne (VfGH 10.10.2018, E 4248/2017 ua).
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat die Unterschiede im Hinblick auf das Einreise- und Aufenthaltsrecht von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten bereits wiederholt in seiner Judikatur betont. So ist im Fall des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zusätzlich die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung vorgesehen, mit der gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 FPG ein rechtmäßiger Aufenthalt verbunden ist. Das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Asylberechtigten wird dagegen unmittelbar kraft Gesetz bestimmt und hat eine Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nicht zu erfolgen (VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007). Auch hat der Verwaltungsgerichthof bereits betont, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten als vorrübergehendes, verlängerbares Einreise- und Aufenthaltsrecht konzipiert ist und von der zusätzlich gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zu erteilenden Berechtigung zu unterscheiden ist (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).
In einer Differenzierung zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten erkennt der Verfassungsgerichtshof keine unsachliche Ungleichbehandlung, zwischen diesen Gruppen bestünden Unterschiede im ausreichenden Maß. Beide Personengruppen seien zwar in im Wesentlichen vergleichbaren Lebenssituationen, subsidiär Schutzberechtigten würde jedoch von vornherein ein nur vorrübergehendes Aufenthaltsrecht erhalten, welches bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen verlängert werden könne. Dem gegenüber würden Asylberechtigte ein zunächst auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsrecht erhalten, dass ex lege zu einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung werde, sofern kein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde (VfGH 10.10.2018, E 4248/2017 ua).
Angesichts dieser bereits in der Rechtsprechung insbesondere des Verfassungsgerichtshofes herausgearbeiteten Unterschiede insbesondere im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten ist eine Anwendung der in § 7 Abs. 3 AsylG 2005 vorgesehenen Frist auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 nicht geboten und hegt das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die diesbezügliche Ungleichbehandlung von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten auch keine Bedenken.
Eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 ist damit auch nach mehr als fünf Jahre nach der Zuerkennung des Status zulässig, wenn der Fremden nicht im Sinne des § 2 Abs. 3 AsylG 2005 straffällig geworden ist.
3.2.2. Zur Sachverhaltsänderung
Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Eine solche Änderung der Umstände kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Bei der Frage, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, kommt es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses an. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegeben Situation gelegen sein können, darstellen. Bei einem Fremden, dem als Minderjähriger subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, kann das Erreichen der Volljährigkeit eine Rolle spielen, etwa dadurch, dass im Lauf des fortschreitenden Lebensalters in maßgeblicher Weise Erfahrungen in diversen Lebensbereichen hinzugewonnen werden (VwGH 29.11.2019, Ra 2019/14/0449).
Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Bescheid vom 02.03.2017, zugestellt am 06.03.2017, eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt, weswegen fallgegenständlich Änderungen im Hinblick auf diesen Zeitpunkt relevant sind.
Die belangte Behörde führt hinsichtlich der Sachverhaltsänderung aus, der Beschwerdeführer sei volljährig, habe sich Bildung angeeignet und Berufserfahrung, sowie Lebenserfahrung gesammelt. Er sei mittlerweile 26 Jahre alt, habe trotz Analphabetismus im Herkunftsstaat den Pflichtschulabschluss absolviert und die Landessprache in Wort und Schrift erlernt. Er sei selbsterhaltungsfähig und führe ein Leben ohne Unterstützungsleistungen. Mutter und Bruder würden in Pakistan leben. Zunächst ist anzumerken, dass sich die Ausführungen der Behörde, der Beschwerdeführer sei mittlerweile 26 Jahre alt und habe den Pflichtschulabschluss absolviert, als aktenwidrig erweisen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bringt die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen durch ihre Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Hinsichtlich der von der belangten Behörde ins Treffen geführten nunmehrigen Volljährigkeit des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass die Tatsache der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers bereits im Zeitpunkt des Bescheides vom 21.04.2015, mit denen die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers verlängert wurde, weggefallen war und die belangte Behörde mit ihrem Bescheid (sowie dem nachfolgenden Verlängerungsbescheid) im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch zum Ausdruck brachte, dass sie – trotz Volljährigkeit des Beschwerdeführers – vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen ausgegangen war. Der Verwaltungsgerichtshof stellt allerdings in seiner bereits oben zitierten Rechtsprechung nicht auf das „formale“ Kriterium der Volljährigkeit ab, sondern darauf, dass im Lauf des fortschreitenden Lebensalters in maßgeblicher Weise Erfahrungen in diversen Lebensbereichen hinzugewonnen wird.
Seit dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 02.03.2017, zugestellt am 06.03.2017, zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt wurde, sind dreieinhalb Jahre vergangen, in denen der Beschwerdeführer – ein mittlerweile 23 Jahre alter Mann – zweifellos im Prozess persönlicher Reifung fortgeschritten ist. Zudem konnte er sich nunmehr dauerhaft beruflich etablieren, zwei Jahre Berufserfahrung (außerhalb eines Ausbildungsverhältnisses) sammeln und ist dadurch, dass er seinen Unterhalt nunmehr aus eigenem Einkommen bestreitet, selbsterhaltungsfähig. Auch seine Anpassungsfähigkeit, seine Unabhängigkeit und seine Kompetenz, sein Leben selbstständig zu führen und seine Existenz aufzubauen, hat der Beschwerdeführer im Bundesgebietes damit unter Beweis gestellt. Diese Entwicklung ist zudem nachhaltig.
Damit liegt eine im Sinne der oben zitierten Judikatur wesentliche Sachverhaltsänderung hinsichtlich der in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Umstände vor. Ein Eingehen auf Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer nichtvorliegenden nachhaltigen und wesentlichen Verbesserung der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz erübrigt sich sohin.
3.2.3. Zu den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005
Nachdem eine Sachverhaltsänderung bejaht wurde, ist als weitere Voraussetzung für die Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu prüfen, ob die Rückkehr des Betroffenen in den Herkunftsstaat in der jetzigen Situation ohne Beeinträchtigung seiner in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 geschützt Rechte möglich ist (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381).
Dabei sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind. Es sind viel mehr im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einzubeziehen, auch wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496).
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit. a und b), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher, etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand von Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei – obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt – nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens – den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet – nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist.