TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/30 W266 2223201-1

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Veröffentlicht am 30.10.2020
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Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W266 2223201-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch RA Mag. Johannes Polt, gegen den Bescheid (in Form des Behindertenpasses) des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ, vom 9.8.2020, betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid dahigehend abgeändert, dass dessen Spruch wie folgt lautet:

„Der Antrag des XXXX vom 8.1.2019 auf Ausstellung eines Behindertenpasses wird gemäß § 40 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz abgewiesen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer war Inhaber eines vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge: belangte Behörde) ausgestellten Behindertenpasses.

Am 8.1.2019 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses und Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ein ärztliches Gutachten eingeholt worden wäre, welches dem Bescheid beigelegt sei und einen Bestandteil der Begründung bilde. Aufgrund dieses Gutachtens sei dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar und lägen somit die Voraussetzungen für die genannte Zusatzeintragung nicht vor.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer – unter Vorlage neuer Beweismittel – fristgerecht Beschwerde erhoben und bringt darin im Wesentlichen vor, dass die Voraussetzung für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ vorlägen. Der gesundheitliche Zustand habe sich nicht gebessert, sondern vielmehr verschlechtert. Der Grad der Behinderung betrage offenkundig mehr als 50 %. Aufgrund der Einschränkungen beim Ein- und Aussteigen sowie beim Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel sei die Sicherheit nicht gewährleistet. Aufgrund dieser Bewegungseinschränkungen sei keine ausreichende Beweglichkeit für einen sicheren Transport gegeben. Laut dem aktuellen Befundbericht des Dr. XXXX habe eine NNH Tumor OP stattgefunden und sei eine fortlaufende Kontrolle und Behandlung erforderlich. Die daraus resultierende Beeinträchtigung unter anderem im Zusammenhang mit Atemproblemen/Rheumabeschwerden und ständigen Schmerzen mache die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.

Der Beschwerdeführer leide zudem an einem Burn-out Syndrom und stehe in psychotherapeutischer Behandlung. Er müsse aufgrund seines Gesundheitszustandes eine Psychotherapie in Anspruch nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, insbesondere die im Akt erliegenden Befunde sowie Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Neurologie/Psychiatrie, eines aus dem Bereich der Unfallchirurgier/Orthopädie sowie Allgemeinmedizin und eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister, steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer ist österreichische Staatsbürger, am XXXX geboren und wohnhaft in 3580 Horn, Zwettler Straße 1g/2.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:

Neurostatus:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut. Größe 171 cm, Gewicht 95 kg, Alter: 31a

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein DS.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden. Gaenslen negativ.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschtuss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 213 möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird im Bereich der Oberschenkel lateral als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Knie links: Bewegungsschmerzen, sonst unauffällig.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist links bis 400 , rechts bis 60 0 mit endlagigen Schmerzen.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, Achsen physiologisch, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann, Klopfschmerz über der ges. Wirbelsäule, DS ISG bds Aktive Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 25 cm, F und s je 20 0

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität — Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit 2 Wanderstöcken, mit angelegtem Lendenstützmieder, das Gangbild ist hinkfrei, unauffällig.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers entsprechen der folgenden Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Seroneg. Spondylarthritis

Wahl dieser Position, da Beschwerden im Bereich von Stütz-und Bewegungsapparat. Unterer Rahmensatz, da unter immunmodulierender Therapie stabil, geringgradige funktionelle Einschränkung im Bereich der Lendenwirbelsäule und Iliosakralgelenke, und Beschwerden der Hüft- und Kniegelenke ohne Funktionsdefizit.

02.02.02

30

2

Depressio

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da weiter Therapieerfordernis.

03.06.01

20

und beträgt der Grad der Behinderung 30%.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da zu geringe funktionelle Relevanz.

Der Zustand nach 3 x OP Nasenscheidewand bzw. NNH Papillom rechts stellt jeweils kein behinderungsrelevantes Leiden dar, da kein funktionelles Defizit objektivierbar ist.

Es liegt bei Zustand nach Hörsturz keine Hörminderung vor, da eine solche nicht durch aktuelle Befunde belegt ist.

Änderungen im Vergleich zu den Vorgutachten vom 16.5.2019 und vom 21.2.2020:

Im Hinblick auf Leiden 1 wurde eine Neueinstufung vorgenommen, da nach erfolgreicher multimodaler Behandlung eine Stabilisierung festgestellt werden kann und eine erhöhte Krankheitsaktivität nicht mehr vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers am Antragsformular, sowie auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie/Neurologie und einer Fachärztin für Unfallchirurgie/Orthopädie und Allgemeinmedizin, welche auf einer persönlichen Untersuchung basieren. Diese sind in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

Leiden 1 (Seroneg. Spondylarthritis) wird von der Unfallchirurgin dem unteren Rahmensatz der Position 02.02.02 der EVO mit einem GdB in Höhe von 30% zugeordnet, da es unter immunmodulierender Therapie stabil ist, geringgradige funktionelle Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und Iliosakralgelenke und Beschwerden der Hüft- und Kniegelenke ohne Funktionsdefizit vorliegen.

Dies entspricht den in der EVO für diese Position und diesen Rahmensatz angeführten Kriterien: „Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika, Beispiel: Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik). 30 %: Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika.“ Im Vergleich dazu sind die Kriterien des Rahmensatzes in Höhe von 40%: „Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen, maßgebliche Einschränkungen im Alltag“. Insbesondere maßgebliche Einschränkungen im Alltag konnten weder der psychiatrische/neurologische Sachverständige noch die unfallchirurgische Sachverständige feststellen.

Die Sachverständige führt zur Einschätzung des Leidens 1 erläuternd aus, dass die Einstufung des Grades der Behinderung sich nach den, anhand einer ausführlichen unfallchirurgischen/orthopädischen Untersuchung feststellbaren, objektivierbaren Funktionsdefiziten unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde, insbesondere der bildgebenden Diagnostik, Laborbefunde und rheumatologischen Kontrolluntersuchungen richtet. Dabei konnten im Bereich der Lendenwirbelsäule geringgradige Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Die Diagnose der seronegativen Spondylarthritis wird durch die Hinweise im MRT mit Knochenmarködem im Bereich der Iliosakralgelenke und durch den Auslassversuch der Therapie mit Simponi bestärkt. Die immunmodulierende Therapie führt zu einer Stabilisierung, was sich auch in den vorgelegten Laborbefunden ausdrückt. Ein Fortschreiten mit zunehmender Bewegungseinschränkung konnte nicht festgestellt werden, vielmehr konnte eine Stabilisierung mit Verbesserung der Beweglichkeit und ohne Nachweis akut entzündlicher Schübe und Krankheitsaktivität festgestellt werden. Dass der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene Facharzt für Psychiatrie/Neurologie noch zu einem GdB des Leidens 1 in Höhe von 50% kam steht aus Sicht des erkennenden Senates nicht im Widerspruch mit der Beurteilung der unfallchirurgischen Sachverständigen, da deren Untersuchung vier Monate nach jener des Psychiaters/Neurologen stattfand und dieser von einer Besserungsmöglichkeit ausging, welche somit auch eingetreten ist.

Leiden 2 (Depressio) wird sowohl vom psychiatrischen/neurologischen Sachverständigen als auch von der unfallchirurgischen Sachverständigen der Position 03.06.01 mit dem unteren Rahmensatz und einem GdB in Höhe von 20% zugeordnet, da weitere Therapieerfordernis besteht. Auch dies entspricht den in der EVO für diese Position und diesen Rahmensatz enthaltenen Kriterien: „Depressive Störung – Dysthymie - leichten Grades; 20 %: Unter Medikation stabil, soziale Integration“.

Auch die Begründung des Gesamtgrades der Behinderung ist schlüssig und nachvollziehbar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:

02.01 Wirbelsäule

02.01.02

Funktionseinschränkungen mittleren Grades

30 – 40 %

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika, Beispiel: Band-scheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)

30 %: Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen

andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika

40 %: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen

maßgebliche Einschränkungen im Alltag

02.01.03

Funktionseinschränkungen schweren Grades

50 - 80%

50 %:

Radiologische Veränderungen und klinische Defizite

Maßgebliche Einschränkungen im Alltag

60%:

Chronischer Dauerschmerz mit episodischen Verschlechterungen

Einfache analgetische Therapie (NSAR) nicht mehr ausreichend

70 %:

Therapieresistente Instabilitätssymptomatik bei fortgeschrittenen Stadien eines Wirbelgleitens, Spinal-kanalstenose mit Claudicatio spinalis (kurze Wegstrecke), schwere Skoliose mit erforderlicher Mieder-versorgung oder OP-Indikation

Postlaminektomie-Syndrom

80 %:

Zusätzliche Beeinträchtigungen wie chronischer neurogener Dauerschmerz, Opionidindikation

Indikationen für invasive Therapieverfahren einschließlich Schmerzschrittmacher (SCS) und Schmerz-pumpen, Periduralkatheter

Lähmungserscheinungen mit Gangstörungen

Versteifung über mindestens mehrere Segmente

03.06 Affektive Störungen

Manische, depressive und bipolare Störungen

03.06.01

Depressive Störung – Dysthymie - leichten Grades

Manische Störung – Hypomanie - leichten Grades

10 – 40 %

Keine psychotischen Symptome, Phasen mindestens 2 Wochen andauernd

20 %:

Unter Medikation stabil, soziale Integration

30 %

Unter Medikation stabil, fallweise beginnende soziale Rückzugstendenz, aber noch integriert

40 %

Trotz Medikation in stabil, mäßige soziale Beeinträchtigung

Gemäß § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Daraus folgt:

Das eigeholte psychiatrisch/neurologische und das eingeholte unfallchirurgische/orthopädische Gutachten entsprechen den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und werden, aus den unter Punkt 2 näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.

Für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist gemäß § 40 Abs. 1 BBG neben den formalen Erfordernissen ein Grad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% Voraussetzung.

Die Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers betragen jedoch, wie festgestellt, 30% da diese, wie bereits oben unter Punkt 2. ausgeführt, von den Amtssachverständigen schlüssig und nachvollziehbar den oben genannten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurden.

Da beim Beschwerdeführer keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden konnten, und der Grad der Behinderung sohin entsprechend § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung iVm mit den Positionen 02.02.02 und 03.06.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung 30% beträgt, liegen nicht alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Der von der belangten Behörde bereits ausgestellte Behindertenpass ist demnach dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ, zurückzustellen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur („rather technical in nature“) sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt („the outcome depended on the written medical opinions“) unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten und als schlüssig erachteten Gutachten zweier medizinischer Sachverständiger, denen der Beschwerdeführer weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten ist. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

ZU B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W266.2223201.1.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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