TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 W183 2229000-1

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Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W183 2229000-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch RA Mag. Peter Michael WOLF, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.01.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.07.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2019 Iran, stellte am 16.09.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 09.01.2020 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er zum Christentum konvertiert sei und im Zusammenhang damit von der Familie seiner Exfrau verfolgt werde.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 27.01.2020) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Unter Spruchpunkt VII. wurde ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot nach Österreich erlassen.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3.       Mit Schriftsatz vom 18.02.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ins Katechumenat aufgenommen worden sei und regelmäßig Gottesdienste besuche. Die Einvernahme des Pfarrers werde beantragt.

4.       Mit Schriftsatz vom 24.02.2020 (eingelangt am 27.02.2020) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5.       Mit Schreiben vom 26.05.2020 wurden der Beschwerdeführer, zwei Zeugen sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.07.2020 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019“ sowie den „Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran – Situation der Christen, Stand 3/2019“ als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben.

Mit Schriftsatz vom 08.07.2020 legte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers diverse Unterlagen betreffend Integration, sowie eine Bestätigung der zuständigen Pfarre betreffend Katechumenat und Gottesdienstbesuche vor. Die Unterlagen wurden dem BFA zum Parteiengehör gebracht.

6.        Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.07.2020 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran, Gesamtaktualisierung am 19.06.2020 zum Parteiengehör. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

Eine Strafregisterabfrage wurde am Tag der Verhandlung durchgeführt. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus Teheran und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Azeri an, spricht Azeri (Muttersprache), Farsi und kaum Deutsch, besuchte zwölf Jahre lang die Schule und arbeitete in Iran im Automobilbereich.

Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat zwei Kinder, die in Iran bei der Mutter leben. In Iran leben die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers. Zu diesen hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt. Das Verhältnis ist gut.

Der Beschwerdeführer reiste legal aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 16.09.2019 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht. Er besaß ein im Jahr 2018 ausgestelltes Visum für Österreich, welches er aber nicht für seine Einreise geltend machte.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer lebt hier in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen. Lediglich in der Pfarre ist der Beschwerdeführer ehrenamtlich engagiert; auch besucht er seit kurzem einen Sportverein. Die sozialen Kontakte beschränken sich auf die Pfarre und andere Heimbewohner. Diese sozialen Kontakte entstanden zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer spricht kaum Deutsch.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Moslem auf. Seine Familie hat mit seinen christlichen Aktivitäten kein Problem.

In Iran wandte sich der Beschwerdeführer nicht dem Christentum zu und missionierte nicht. Dem Beschwerdeführer wird dies auch nicht von iranischen Behörden oder Privatpersonen unterstellt. Dem Beschwerdeführer droht keine Verfolgung durch die Familie seiner Exfrau.

In Österreich besucht der Beschwerdeführer seit Oktober 2019 regelmäßig die Messen einer katholischen Kirche und engagiert sich dort, indem er vorwiegend älteren Personen im Rahmen kirchlicher Feiern behilflich ist. Er besucht seit Jänner 2020 einen Taufvorbereitungskurs. Bislang steht kein Termin für eine Taufe fest. Der Beschwerdeführer meldete nicht seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Der Beschwerdeführer verfügt über kein tiefergehendes Wissen zum Christentum, sondern lediglich über ein paar Grundkenntnisse zum Christentum.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert und die christliche Glaubensüberzeugung ist aktuell nicht derart ernsthaft, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich nicht Bescheid. Von den Verwandten und Freunden des Beschwerdeführers, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus.

Dem Beschwerdeführer droht in Iran keine Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit.

Der Beschwerdeführer brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

1.3.     Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 19. Juni 2020 (LIB 2020) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. Zum Beispiel haben im November 2019 Proteste gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 4.5.2020).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. Im September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte (EDA 4.5.2020; vgl. AA 4.5.2020b). 2019 gab es einen Anschlag auf einen Bus der Revolutionsgarden in der Nähe der Stadt Zahedan (AA 4.5.2020b).

In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 4.5.2020). In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Die iranischen Behörden haben seit einiger Zeit die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran erhöht (AA 4.5.2020b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 4.5.2020b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 4.5.2020).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 4.5.2020b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften (EDA 4.5.2020). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 10.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (4.5.2020b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 4.5.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (4.5.2020): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 4.5.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 4.5.2020

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 10.2019). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“ (ÖB Teheran 10.2019, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2020; vgl. AA 26.2.2020). Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 26.2.2020). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019). Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2020).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 26.2.2020). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 10.2019).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 10.2019).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit „Konversion“ vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese „Konversion“ ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen (Open Doors 2020).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 15,7 Mio. Rial im Monat (ca. 110 Euro). Das durchschnittliche monatliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 54,6 Mio. Rial (ca. 400 Euro) (AA 26.2.2020). Angesichts der immer schärferen US-Sanktionen gegen Iran und des dramatischen Währungsverfalls hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtert (ÖB Teheran 10.2019; vgl. BTI 2020). Die Weltbank erwartet in den Jahren 2018-2020 eine anhaltende Rezession, der Internationale Währungsfonds sogar einen Rückgang des BIP. Das Budget wird durch die sinkenden Erdölexporte erheblich belastet werden, weshalb ein Sinken der öffentlichen Ausgaben zu erwarten ist (ÖB Teheran 10.2019).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 26.2.2020)

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 21.4.2020

?        AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Iran: 2019 [MDE 13/1829/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2026069.html, Zugriff 14.5.2020

?        BTI – Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 Country Report — Iran, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_IRN.pdf, Zugriff 6.5.2020

?        DIS/DRC – Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 20.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 20.4.2020

?        Open Doors (2020): Weltverfolgungsindex 2020 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 20.4.2020

?        US DOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011176.html, Zugriff 20.4.2020

Zur Situation der Aseris:

Die Volksgruppe der Aseris macht 24% der Gesamtbevölkerung Irans aus (vgl. GIZ 12.2019c). Es sind keine Rechtsverletzungen gegen Mitglieder ethnischer Minderheiten aus rein ethnischen Gesichtspunkten bekannt (ÖB Teheran 10.2019). Von Diskriminierungen im Alltag (rechtlich, wirtschaftlich und/oder kulturell, z.B. Zugang zu Wohnraum, Wasser und Bildung) wurde jedoch betreffend u.a. Angehöriger der arabischen Gemeinschaft der Ahwazi, Aseris, Belutschen, Kurden und Turkmenen berichtet. Der Gebrauch ihrer jeweiligen Muttersprache in Behörden und Schulen ist weiterhin verboten, trotz entsprechender Zusagen von Präsident Rohani während seines Wahlkampfes im Jahr 2013. Menschen, die sich für Minderheitenrechte einsetzen, können bedroht, festgenommen und bestraft werden (ÖB Teheran 10.2019, vgl. FH 4.3.2020).

Der Vielvölkerstaat Iran verfolgt gegenüber ethnischen Minderheiten grundsätzlich eine auf Ausgleich bedachte Politik, v.a. die Aseris sind in Staat und Wirtschaft sehr gut integriert (AA 26.02.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (26.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027998/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Iran_%28Stand_Februar_2020%29%2C_26.02.2020.pdf, Zugriff 22.4.2020

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025928.html, Zugriff 22.4.2020

?        GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 22.4.2020

?        ÖB Teheran – Österreichische Botschaften (10.2019): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019927/IRAN_%C3%96B-Bericht_2019_10.pdf, Zugriff 22.4.2020

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)

Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Iran vom 19. Juni 2020 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente, die Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung und die Strafregisterabfrage vom 14.07.2020.

2.2.    Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1.  Zur Person des Beschwerdeführers

Aufgrund der beim BFA vorgelegten unbedenklichen Personendokumente steht die Identität des Beschwerdeführers fest. Dies hat auch das BFA seiner Entscheidung unterstellt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer – betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war der Beschwerdeführer diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.

Die Feststellung zur legalen Ausreise ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers (AS 123). So gab er vor dem BFA durchgängig an, legal ausgereist zu sein. Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab er an, dass die legale Ausreise nur deshalb möglich gewesen sei, weil die Grenzkontrollen informiert gewesen seien. Da er dies bislang nie vorbrachte, ist diese Aussagen als reine Schutzbehauptung zu werten. Auch ist zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 2018 ein Visum ausgestellt wurde (VH, S. 8). Er hat somit bereits einmal eine legale Ausreise angestrebt, obwohl er angeblich damals bereits Probleme gehabt habe. Warum er im Jahr 2018 nicht die Ausreise antrat, konnte der Beschwerdeführer nicht schlüssig erklären und blieb äußerst oberflächlich.

Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers und der Bestätigung durch den Pfarrer. Dass der Beschwerdeführer bislang erst einen Deutschkurs auf A1 Niveau besuchte, ergibt sich aus der entsprechenden Bestätigung vom 20.12.2019. Auch gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, erst über wenig Deutschkenntnisse zu verfügen.

2.2.2.  Zum Fluchtvorbringen

2.2.2.1. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen in Iran

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:

Der Beschwerdeführer gab an, seit 2015, also bereits in Iran, Christ gewesen zu sein (AS 124). Dieser Umstand ist aber vor dem Hintergrund des insbesondere bei der Einvernahme im Jänner 2020 und auch aktuell nur sehr oberflächlichen Wissens zum Christentum und den vagen Ausführungen zum Praktizieren nicht glaubwürdig. So weiß er beispielsweise nichts über die unterschiedlichen Zweige im Christentum und welchem Zweig die angeblich besuchte Hauskirche in Iran angehört hat (AS 125); auch kennt er den Papst nicht (AS 126). Die Ausführungen zu den Unterschieden zwischen Katholiken und Protestanten bewegen sich auf einer banalen, sehr oberflächlichen Ebene (vgl. AS 125). Auch in der mündlichen Verhandlung beschränkten sich die Ausführungen zu seinen Hauskirchenbesuchen auf oberflächliche Angaben (vgl. VH, S. 6). Darüber hinaus ist festzuhalten, dass man, um solche Angaben machen zu können, keinesfalls tatsächlich eine Hauskirche besucht oder sich anderweitig näher mit dem Christentum befasst haben muss. Der Beschwerdeführer hat nunmehr schon rund ein Jahr lang am Leben einer katholischen Gemeinde in Österreich teilgenommen, sodass es überhaupt keine Schwierigkeit darstellen konnte, den Gegenstand von kirchlichen Veranstaltungen genauso einleuchtend wie nichtssagend anzugeben, ohne jemals im Iran Hauskirchensitzungen besucht zu haben. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer auch an, in Iran selbst nie Hauskirchen organisiert zu haben oder eine leitende Position eingenommen zu haben (VH, S. 8). Auch könne er nicht sagen, wie oft er dabei war. Dass er, wie er behauptet, aber oft anwesend gewesen wäre, kann nicht überzeugen, weil er nur allgemeine Ausführungen zu den Inhalten dieser Hauskirchensitzungen machen kann (VH, S. 8: über Jesus reden, diskutieren). Er gibt sogar in der Folge selbst zu, dass er sich erst seit er in Österreich ist, besser auskennt und auch Gebete besser kennenlerne (VH, S. 9). Diese müsste er aber bei Wahrunterstellung seines Vorbringens auch schon aufgrund seiner Aktivitäten in Iran kennen.

Ein großes Interesse am Christentum bereits in Iran ist nicht glaubwürdig vorgebracht worden, weil der Beschwerdeführer sich etwa nicht für unterschiedliche Zweige interessiert hat. Eine Missionstätigkeit übte der Beschwerdeführer gleichfalls nicht aus. Es ist also nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den iranischen Behörden in irgendeiner Weise als Gefährdung aufgefallen wäre.

Dass der Beschwerdeführer eine Kirche der Armenier besucht hätte ist vor dem Hintergrund der Gegebenheiten in Iran nicht anzunehmen, weil gerade die geborenen Christen in Iran sich selbst nicht durch Konvertiten gefährden würden. Angesichts der in Iran üblichen behördlichen Überwachungsmethode, Informanten in Hauskirchen einzuschleusen, widerspricht es ganz grundsätzlich jeglicher Vernunft und allgemeinen Erfahrung, dass eine Person muslimischen Glaubens bereits nach kurzer Zeit zu einer Hauskirche mitgenommen wird.

Eine tatsächliche Hinwendung zum Christentum und daraus folgende Verfolgung durch die Familie der Exfrau ist insofern nicht nachvollziehbar, als der Beschwerdeführer erst im Jahr 2019 ausreiste. Hätte er sich tatsächlich intensiv mit dem Christentum befasst und wäre die Exschwiegerfamilie eine konkrete, ernsthafte Bedrohung, hätte es schon Vorfälle in Iran geben müssen, die ihn zu einer früheren Ausreise veranlasst hätten. Dass die Familie der Exfrau ihn verfolgt ist weiters auch deshalb nicht anzunehmen, weil der Beschwerdeführer auf die Frage, wer von seinen christlichen Aktivitäten wisse, einen armenischen Freund und seine Familie nennt. Von diesen geht aber keine Gefahr aus, weil er selbst sagte, dass seine Familie nichts dazu sage (AS 128). Gerade bei dieser Frage und bei Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr hätte der Beschwerdeführer die Familie der Exfrau nennen müssen. Auch Fragen, ob es Probleme mit Behörden gegeben habe oder ob er in Haft gewesen sei, verneinte der Beschwerdeführer (AS 129). Er sagte bloß, wegen der Religion verfolgt worden zu sein. Generell ist anzumerken, dass bei Fluchtvorbringen geschiedener Asylwerber häufig das Argument eines religionsfanatischen bzw. den Sepah oder ähnlichen Organisationen zuordenbaren Angehörigen des Expartners bemüht wird. Dieses Vorbringen ist aber als reine Schutzbehauptung zur Steigerung der Gefährdung zu werten.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte angebliche Vorfall mit Freuden des Exschwagers in einem Park in Iran, wo er geschlagen worden sei, ist gänzlich unglaubwürdig. Einerseits weiß der Beschwerdeführer nicht, wann genau dieser Vorfall gewesen sein soll (AS 131). Dann gab er an, dass der Vorfall 1394 (iranischer Kalender) gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung gab er das Jahr 2015/2016 an (VH, S. 7; angemerkt: das ist auch das Jahr, in dem die Scheidung war. Dann sei aber nichts mehr passiert (VH, S. 6, 7; Probleme habe es bis 2018 gegeben). Seit 2015/2016 wisse auch angeblich die Familie der Exfrau von seinem christlichen Interesse. Bis zu seiner Ausreise im Jahr 2019 sind aber mehrere Jahre vergangen. Dieser einzelne und lange zurückliegende Vorfall kann also nicht fluchtauslösend gewesen sein. In der mündlichen Verhandlung wird als Begründung für die mangelnden Bedrohungen in diesem Zeitraum einstudiert (weil zweimal gleichlautend) angegeben, dass er wenig das Haus verlassen habe und eine vertrauenswürdige Person gesucht habe (VH, S. 7). Außerdem besteht ein Widerspruch in den Angaben zu der vorgelegten Ambulanzkarte (AS 153), welche eine Verletzung dokumentieren soll, und dem Parkvorfall. Der Beschwerdeführer sagte, dass der Vorfall im Park ungefähr im Jahr 2016 gewesen sei, auf der Ambulanzkarte aus dem Jahr 2019 steht jedoch, dass sich der Vorfall vor 3 ½ Monaten ereignet habe. Dass es sich bei der Verletzung laut Ambulanzkarte um jene aus dem Vorfall im Park in Iran handelt sagte der Beschwerdeführer selbst (AS 132). Zeitlich ist dies aber nicht in Einklang zu bringen und sind die Angaben inkonsistent. Später gab der Beschwerdeführer auch zu Protokoll, dass vor Verlassen des Iran nichts passiert sei (AS 132).

Ein weiterer Umstand, der gegen eine Verfolgung in Iran spricht, ist die legale Ausreise des Beschwerdeführers unter Verwendung seines Reispasses. Erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer als Schutzbehauptung und gesteigert an, dass die Grenzposten eingebunden gewesen seien. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich durch seinen Schwager verfolgt, wäre es unwahrscheinlich, dass er aus Iran hätte ausreisen können.

Aus einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers ist vielmehr zu schließen, dass er sich nach seiner Scheidung und dem Verlust des Arbeitsplatzes, was beides bereits Jahre vor der tatsächlichen Ausreise aus Iran passierte (ca. 2016; AS 129), in Europa ein wirtschaftlich besseres Leben aufbauen wollte. Seltsam mutet auch an, dass der Beschwerdeführer sein Scheidungsdatum nicht kennt, weil er angeblich in seiner Abwesenheit geschieden wurde (VH, S. 5). Eine Überprüfung ist somit nicht möglich. Bereits im Jahr 2018 versuchte er offenbar mit einem Visum, dessen Existenz er beim BFA verschwieg, auszureisen (AS 132). Unglaubwürdig gab er auf Vorhalt an, dass er „vielleicht“ um ein Visum angesucht habe. Der Beschwerdeführer ist auch offenbar froh, nun keinen Unterhalt mehr für seine Kinder zu zahlen (vgl. AS 124: „Seit ich in Europa bin zahle ich natürlich keinen Unterhalt“).

Auch der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (gleichgültige Erzählweise, knappe Antworten, emotionsloser Ausdruck) lässt nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen.

2.2.2.2. Zu den vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Aktivitäten

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen muss, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (vgl. VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260 unter Bezugnahme auf VfGH 27.02.2018, E 2958/2017).

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Feststellungen zu den christlich-religiösen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich aus den von ihm vorgelegten Bestätigungen (Schreiben des Pfarrers), der Zeugenaussage des Pfarrers und der Taufkursdurchführenden sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung prüfte das erkennende Gericht die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Konversion entsprechend den in der Folge unter Punkt 3.1.1. zitierten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes und befragte den Beschwerdeführer zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, seinem Wissen in Bezug auf das Christentum, seinen Gottesdienstbesuchen und sonstigen religiösen Aktivitäten und einer allfälligen Verhaltens- und Einstellungsänderung. Die Befragung widmete sich der Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Ausübung des Glaubens als auch auf die persönliche, innere Beziehung zum Christentum.

Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht diente insbesondere dazu, einen Eindruck vom persönlichen Empfinden des Beschwerdeführers zu seiner neuen Religion zu gewinnen. Gerade darin konnte der Beschwerdeführer aber keinen emotionalen Bezug glaubwürdig darlegen. Die Erzählweise war knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpfte sich in Stehsätzen, welche dem erkennenden Gericht aus vergleichbaren Verfahren nahezu wortgleich bekannt sind. Eine individuelle Motivation und Bezugsebene zum Christentum konnte beim Beschwerdeführer demnach nicht festgestellt werden.

Zu berücksichtigen ist im Falle des Beschwerdeführers, dass er erst seit Oktober 2019 Gottesdienste in Österreich besucht und die Taufvorbereitung im Jänner 2020 begann. Bislang wurde er nicht getauft. Es ist somit erst von einer beginnenden Auseinandersetzung mit dem Christentum auszugehen und kann noch keine Verinnerlichung von christlichen Praktiken angenommen werden. Eine offizielle und öffentliche Bekundung des christlichen Glaubens ist mangels Taufe nicht erfolgt.

Vage führte der Beschwerdeführer aus, dass Katholiken nette Menschen seien und er schaue mal, wie es ihm mit der Kirche gehe (AS 124). Sehr unpersönlich beantwortete er auch Fragen zur Motivation für seinen Glaubenswechsel. Er habe gelesen und recherchiert (AS 126). Auch in der Verhandlung sagte er bloß, er habe gelesen und Interesse bekommen (VH, S. 9). Was er gelesen habe, was ihn interessiere führte der Beschwerdeführer aber nicht aus und ist es somit nicht möglich, Einblick in die Motivation für den Glaubenswechsel zu bekommen. Ebenso verhält es sich mit einer allfälligen Verhaltensänderung, welche der Beschwerdeführer bloß in einer nicht weiter konkretisierten Ruhe sieht (VH, S. 12). Auch bei der „Ruhe“ handelt es sich um ein stereotypes Vorbringen.

Phrasenhaft wirkte die Kritik am Islam und handelte es sich um regelmäßig in Asylverfahren wiederkehrende Aussagen wie Lüge und Kriege (AS 126). In der mündlichen Verhandlung nannte er pauschal den Umgang mit Männern und Frauen (VH, S. 6). Warum ihm das als Mann so wichtig ist, konnte er nicht plausibel begründen.

Der Beschwerdeführer konnte nur inhaltsleere, floskelhafte Aussagen zu seinem neuen Glauben tätigen (Ruhe, Liebe), er konnte diese stereotypen Aussagen aber nicht auf seine Person bezogen näher erläutern. Was es für ihn persönlich bedeutet, Christ zu sein, konnte der Beschwerdeführer beim BFA nicht beantworten und flüchtete er in allgemeine Ausführungen (vgl. AS 128).

Der Beschwerdeführer konnte nicht nachvollziehbar darlegen, warum er konkret den Glaubenszweig des Katholizismus wählte und warum speziell die Glaubenslehren dieser Richtung für ihn persönlich wesentlich sind und zum behaupteten Glaubenswechsel veranlassten. Er beschränkte sich darauf, das nette Verhalten der Menschen anzugeben (VH, S. 10).

Aus der Einvernahme in Verbindung mit den Zeugenaussagen und dem Bestätigungsschreiben ergibt sich, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Gottesdienste besucht und auch ehrenamtlich mithilft, etwa bei der Betreuung älterer Personen. Dass der Beschwerdeführer gerne die Gemeinde besucht (VH, S. 10), ist nicht verwunderlich, da sie ihm eine Art von sozialem Halt bietet, dies ist aber für sich kein religiöses Motiv oder das überzeugte Ausleben einer Glaubenslehre. Auch versteht er nicht, was gepredigt wird (AS 127).

Ein Austausch über diese oberflächlichen Bekanntschaften hinaus und insbesondere ein Austausch mit der Glaubensgemeinschaft in religiösen, glaubensmäßigen Belangen wurde damit nicht dargelegt. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer mangels guter Deutschkenntnisse noch kaum mit den anderen Gemeindemitgliedern kommunizieren kann. Es ist somit nicht hervorgekommen, dass das Praktizieren des Glaubens innerhalb einer Gemeinschaft, was auch eine christliche Lebensweise kennzeichnet, für den Beschwerdeführer zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Glaubensausübung wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer über ein ansatzweises Grundwissen zum Christentum verfügt und etwa die Sakramente nennen kann. Dieses Wissen alleine ist jedoch nicht ausreichend, um von einem inneren Glaubenswandel sprechen zu können.

In Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Wissensfragen zum Christentum und zu der vom Beschwerdeführer gewählten Glaubensrichtung verlangt das Bundesverwaltungsgericht bewusst keine tiefgehenden, theologisch-wissenschaftlichen Kenntnisse und soll diesem Aspekt kein überzogenes Gewicht beigemessen werden. Von einer Person, welche sich im Erwachsenenalter und unter Kenntnis der grundsätzlichen Gefahrenlage, die eine Konversion für sie und ihre Familie mit sich bringen kann, bewusst für einen neuen Glauben entscheidet, kann aber verlangt werden, dass sie sich mit den Wesensmerkmalen dieses Glaubens auseinandergesetzt hat und über ein entsprechendes Grundwissen zum Christentum sowie der gewählten Glaubensrichtung verfügt. Schließlich handelt es sich bei einer Konversion um den Beitritt zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, welche auf einer religiösen Lehre mit spezifischen Geboten bzw. Verboten und Praktiken basiert, und nicht lediglich um einen Lebenswandel hin zu einem besseren oder ruhigeren Lebensgefühl, welches auch unabhängig vom Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft erreicht werden kann. Folglich sollte ein Konvertit nachvollziehbar sowohl die persönlich-individuelle Ebene des Konversionsprozesses beschreiben als auch die Charakteristika der neuen Religion in objektiver Hinsicht anführen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei den Wissensfragen als Maßstab die Glaubensinhalte jener Religionsgemeinschaft herangezogen, der der Beschwerdeführer angehört (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0350).

Obwohl sich der Beschwerdeführer eigenen Angaben zufolge bereits seit 2015 mit dem Christentum befasst, war er nicht in der Lage, grundlegende Fragen zum Christentum zu beantworten. Dies bezieht sich etwa auf das Osterfest (AS 127). In der mündlichen Verhandlung gab er auch an, nicht zu wissen, was man zu Ostern tun solle (VH, S. 14) und das, obwohl es sich bei Ostern um das wichtigste Fest der Katholiken handelt. Maria Himmelfahrt setzt er mit Muttertag gleich (VH. S. 13). Was die Dreifaltigkeit bedeutet, konnte er ebenfalls nicht erklären und nannte nur stichwortartig die drei Gestalten (AS 127).

Befragt nach einer Lieblingsstelle in der Bibel gab der Beschwerdeführer vor dem BFA und in der VH an, jene über Wein und Brot (AS 126; VH, S. 13). Dies sagt jedoch nichts über den persönlichen Bezug des Beschwerdeführers zur Bibel aus und ist dies eine Angabe, welche gemacht werden kann, auch ohne sich näher mit der Bibel und der christlichen Glaubenslehre auseinandergesetzt zu haben.

Im Ergebnis ist bei einer Gesamtbetrachtung aller Beweismittel und insbesondere aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung in Bezug auf das Christentum nicht ableitbar. Der Beschwerdeführer hat sich im Zusammenhang mit der Ausübung seines Glaubens auf außenwirksame Akte (Gottesdienstbesuche, Taufkurs) beschränkt, lässt aber eine tatsächliche, tiefergehende Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten im Sinne einer nachhaltigen, persönlichen Hinwendung vermissen, sodass in weiterer Folge auch nicht von der Weitergabe von Glaubensinhalten und dem Verbreiten der christlichen Glaubenslehre ausgegangen werden kann. Dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran missionieren würde, hat er selbst nicht behauptet. Eine solche Tätigkeit erscheint aber auch aufgrund des geringen Wissens und mangels persönlicher Identifikation mit dem christlichen Glauben ausgeschlossen.

Dass Privatpersonen in Iran mit den christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich ein ernsthaftes Problem haben, ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer hat es auch nicht behauptet.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer keine weiteren Fluchtgründe vorbrachte, ergibt sich aus seiner Einvernahme, wo er von sich aus keine weiteren Gründe nannte, welche asylrelevant wären. Eine Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit verneinte der Beschwerdeführer explizit (VH, S. 8).

2.2.3.  Zur Situation in Iran

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den unter Punkt 1.3. genannten Länderberichten samt den darin zitierten Quellen. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten)

3.1.1.  Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen;“

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. etwa VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 23.01.2019, Ra 2018/19/0453 und Ra 2018/19/0260). Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Iran mit dem Christentum in Berührung gekommen ist (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675); ebenso wenig, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230). Die Behauptung eines „Interesses am Christentum“ reicht zur Darlegung einer inneren Glaubensüberzeugung nicht aus (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453).

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 29.05.2019, Ra 2019/20/0230; 07.05.2018, Ra 2018/20/0186). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vol

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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