TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/5 W154 2236455-1

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Veröffentlicht am 05.11.2020
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Entscheidungsdatum

05.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
SDÜ Art5 Abs1 litc
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W 154 2236455-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit: Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2020, Zahl: 780360600/201014053, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 16.10.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF am 16.10.2020, um 22:00 Uhr, durch persönliche Übergabe zugestellt, wobei der BF die Unterschriftsleistung auf der Übernahmebescheinigung verweigerte.

Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr dabei auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der BF am 3.9.2020 im Zuge einer Personenüberprüfung angehalten worden sei, dabei sei festgestellt worden, dass er sich nicht rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufgehalte. Infolge sei ihm die Möglichkeit gegeben worden, sich unverzüglich nach Polen zu begeben, da er über einen Aufenthaltstitel in diesem Land verfüge. Dazu sei ihm eine Frist von einer Woche eingeräumt worden. Des Weiteren sei ihm mitgeteilt worden, dass gegen ihn eine Rückkehrentscheidungen erlassen werde, sollte er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Da der BF dieser Aufforderung nicht nachgekommen sei, sei gegen ihn ein Festnahmeauftrag erlassen worden. Am 16.10.2020 sei er vom Beamten der LPD Wien an einem näher bezeichneten Ort angetroffen worden. Er habe sich mit einem polnischen Aufenthaltstitel ausgewiesen. Er sei in Österreich nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels, konnte oder wollte keine Angaben zu seiner Unterkunft im Bundesgebiet machen und verhielt sich auch sonst der Behörde gegenüber sehr unkooperativ. Es bestehe die Gefahr, dass er nach einer Entlassung untertauche, um seine Abschiebung zu verhindern. Er sei weder legal beruflich, noch anderwärtig nennenswert integriert und weise keine wesentlichen sozialen Bindungen zum Bundesgebiet auf. Des Weiteren sei beabsichtigt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidungen zu erlassen.

Der Sicherungsbedarf sei aufgrund des Gesamtverhaltens des BF zu bejahen gewesen. Verhältnismäßigkeit und Haftfähigkeit des BF stünden der Anhaltung in Schubhaft ebenfalls nicht entgegen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels sei aufgrund der finanziellen Situation des BF und aufgrund des vertrauensunwürdigen Gesamtverhaltens des BF in der Vergangenheit zu versagen gewesen.

Gegen den Bescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung am 29.10.2020 Beschwerde und begründete diese insbesondere mit dem Nichtvorliegen von Fluchtgefahr und nahm insbesondere darauf Bezug, dass sich der BF im Zuge der im September 2019, September 2020 und Oktober 2020 stattgefundenen Aufgriffe durch die LPD Wien kooperativ verhalten habe und sich mit einem gültigen Reisepass bzw. gültigen polnischen Aufenthaltstitel ausgewiesen habe, wodurch seine Identität der Behörde gegenüber zweifelsfrei geklärt werden konnte. Hinsichtlich der Kooperationsbereitschaft wäre - so die Beschwerde - jedenfalls das Gesamtverhalten zu beurteilen gewesen und nicht lediglich ein kurzer Moment während der nach der Festnahme stattgefundenen Einvernahme. Darüber hinaus hat der BF eine in Wien lebende Tante, mit der sei er auch in Kontakt und habe bei dieser auch Unterkunft genommen. Der BF verfüge daher sehr wohl über nennenswerte soziale Kontakte in Österreich.

In der Beschwerde wurde beantragt, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig erfolgt seien sowie dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen, weiters eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie der belangten Behörde die Kosten im gesetzlichen Ausmaß aufzuerlegen.

Am 30.10.2020 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete in Folge eine Stellungnahme. Darin führte sie im Wesentlichen aus:

„Herr XXXX (BF) hat bereits im Jahr 2008 einen Asylantrag im Bundesgebiet gestellt. Dieser wurde am 07.11.2008 gem. § 5 AsylG in 2. Instanz rechtskräftig zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Ausweisung nach Polen erlassen.

Am 11.06.2019 ist der BF selbstständig nach Polen ausgereist.


Am 06.09.2019 ist er von der LPD Wien angehalten worden und wurde sein russischer Reisepass sowie sein gültiger polnischer Aufenthaltstitel sichergestellt. Am 28.09.2019 reiste der BF mit Hilfe des Verein Menschenrechte Österreich freiwillig nach Polen aus.

Der BF wurde neuerlich am 21.07.2020 von der LPD Wien angetroffen und festgenommen. Anschließend wurde er von ha. einvernommen. Es wurde ihm wieder die Möglichkeit gegeben freiwillig nach Polen auszureisen.

Am 03.09.2020 wurde er neuerlich von der LPD Wien festgenommen und von ha. niederschriftlich einvernommen. Es wurde ihm neuerlich gem. § 52 Abs. 6 FPG die Möglichkeit gegeben freiwillig nach Polen auszureisen.

Aufgrund seines unbekannten Aufenthaltes wurde am 22.09.2020 ein Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG ausgeschrieben.

Zuletzt wurde er am 16.10.2020, um 09:08 Uhr von der LPD Wien aufgrund des ausgeschriebenen Festnahmeauftrages festgenommen und ins PAZ Hernalser Gürtel eingeliefert.

Am 16.10.2020, um 17:30 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen.

Am 16.10.2020, um 22:00 Uhr wurde dem BF der Schubhaftbescheid persönlich zugestellt, jedoch hat er die Unterschrift bei der Übernahme verweigert.

Am 17.10.2020 hat der BF in seiner Zelle die WC Schüssel zerschlagen und die Zelle somit geflutet. Weiters hat er laut herumgeschrien. Da der BF Kampfsportfähigkeiten (Boxen) hat wurden WEGA-Beamte angefordert. Er konnte in die Sicherheitszelle verbracht werden.

Am 19.10.2020 wurde gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen.

Am 30.10.2020, um 07:22 Uhr langte ha. die Schubhaftbeschwerde ein.

Der BF wird am 03.12.2020 mit dem Charter nach Russland abgeschoben werden.

Der Beschwerde ist entgegen zu halten, dass dem BF bereits mehrmals die Möglichkeit gegeben wurde freiwillig nach Polen auszureisen. Im Jahr 2019 hat er dies auch zweimalig durchgeführt. Jedoch wurde er nun im Juli sowie im September 2020 aufgefordert das Bundesgebiet gem. § 52 Abs. 6 FPG zu verlassen und ist er dem trotz zweimaliger Aushändigung der Information zur Verpflichtung der Ausreise nicht nachgekommen. Am 16.10.2020 wurde er neuerlich aufgegriffen. Es wurde versucht den BF niederschriftlich einzuvernehmen, jedoch hat er dies verweigert und den Raum während der Einvernahme verlassen. Weiters hat er auch durch Zerstörung eines WC sowie lauten Schreien aggressives Verhalten in der Zelle im PAZ Hernalser Gürtel gezeigt. Anschließend wurde er in eine Sicherheitszelle verbracht. Er ist immer wieder nach Österreich eingereist bzw. ist im Bundesgebiet verblieben, obwohl im bewusst war, dass er sich nicht länger als 90 innerhalb von 180 Tagen im Bundesgebiet aufhalten darf. Weiters war ihm bewusst, dass er ausreichend Barmittel sowie eine ordentliche Meldeadresse in Österreich haben muss. Er konnte auch nicht nachweisen, wann er nun tatsächlich nach Österreich eingereist ist.

Der BF ist im Besitz eines gültigen Reisepasses und wird er nun aufgrund der durchsetzbaren Rückkehrentscheidung am 03.12.2020 nach Russland abgeschoben.

Es ist somit weiterhin der Sicherungsbedarf gegeben.“

Am Ende der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde, sowie die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

Der gewillkürten Vertretung des BF wurde in Folge die Möglichkeit eingeräumt, sich zur Stellungnahme der belangten Behörde im Zuge des Parteiengehörs zu äußern. Diesbezüglich merkte die Vertretung des BF an, dass ihr die Stellungnahme der Behörde seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtzeitig übermittelt worden sei und sie sich in der verbleibenden Zeit außerstande sehe, mit dem BF diesbezüglich in Kontakt zu treten. Des Weiteren wurde unter Heranziehung höchstgerichtlicher Judikatur zum Einlangen der Beschwerde Stellung genommen und das erkennenden Gericht auf die Entscheidungsfrist hingewiesen. Hinsichtlich der freiwilligen Ausreise des BF nach Polen führte die gewillkürte Vertretung aus, dass die Nichtausreise des BF der angespannten Reisesituation aufgrund der Covid-19-Pandemie geschuldet gewesen sei. Des Weiteren wurde die tatsächliche Durchführung der Abschiebung des BF am 3.12.2020 in Zweifel gezogen.

Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes gesetzte Nachfrist zur Erstattung einer weiteren Stellungnahme verstrich ungenützt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, seine Identität steht fest.

Der BF verfügt über einen aufrechten Aufenthaltstitel in Polen.

Mit Bescheid des BFA vom 19.10.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Abschiebung des BF in die Russische Föderation wurde als zulässig festgestellt. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebenden Wirkung aberkannt. Das Verfahren befindet sich gegenwärtig in der Rechtsmittelfrist.

Der BF ist mittellos, ging bislang keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach und ist sozial nicht verankert. Der BF war von 24.6.2008 bis 4.9.2008 in Bundesbetreuung und von 13.9.2019 bis 4.11.2019 bei einer Verwandten behördlich gemeldet, darüber hinaus war er trotz seiner unzähligen Aufenthalte in Österreich nicht meldeamtlich registriert und hielt sich im Verborgenen auf und war für die Behörden nicht greifbar. Er verfügt über keine familiären oder verfestigten verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich. Er besitzt gegenwärtig keine aufrechte Meldeadresse außerhalb des Polizeianhaltezentrums.

Die Vertrauenswürdigkeit des BF ist insgesamt beeinträchtigt.

Der BF ist haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des Gerichtsaktes.

Dass der BF nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus einer IZR Abfrage.

Die Feststellung zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung, dass der BF über einen aufrechten polnischen Aufenthaltstitel verfügt, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Entscheidung des BFA bezüglich einer Rückkehrentscheidung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung zur finanziellen Situation sowie der beruflichen, familiären und sozialen Verankerung des BF in Österreich ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung betreffend die amtlichen Wohnsitzmeldungen des BF ergibt sich aus einer Anfrage an das Zentrale Melderegister sowie dem Verwaltungsakt.

Zur Feststellung der beeinträchtigten Vertrauenswürdigkeit des BF: wie aus dem Verwaltungsakt ersichtlich wurde der BF bereits am 3.9.2020 aufgefordert, sich nach Polen, wo er über einen Aufenthaltstitel verfügt, zu begeben. Der BF hat sich dieser behördlichen Anordnung unbegründet widersetzt und ist im Bundesgebiet verblieben. Wenn die Beschwerde dies mit der herrschenden Pandemie zu rechtfertigen versucht, ist dem entgegenzuhalten, dass es in den letzten Monaten keine Einschränkungen der Reisefreiheit bezüglich Polens gegeben hat. Dies wurde von Seiten der Beschwerde auch nicht ins Treffen geführt. Auch finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, dass dies dem BF aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre.

Der BF hat sich weiters – wie aus dem Verfahrensakt ersichtlich - durch ungebührliches Verhalten in der Einvernahme am 16.10.2020 der Behörde gegenüber als äußerst kooperativ erwiesen, dies zum einen durch unmäßige verbale Äußerungen zum anderen durch sein Verhalten, indem er durch Aufstehen und Verlassen des Einvernahmeraumes schlichtweg eine Einvernahme seitens der Behörde unmöglich machte. Der BF hat auch wiederholt seine Unterschrift in Bezug auf die Übernahme behördlicher und gerichtlicher Schriftstücke verweigert. Der BF ist auch in Vollziehung der Schubhaft durch ungebührliches und aggressives Verhalten aufgefallen, so hat er einmal die Matratze in seiner Zelle beschädigt, ein anderes Mal hat er in seiner Zelle durch massive Beschädigung der sanitären Einrichtung eine Überflutung des Raumes herbeigeführt. Durch sein aggressives Verhalten war es sogar notwendig, eine Spezialeinheit der Polizei zu rufen und den BF in einer Sicherheitszelle unterzubringen.

Die Haftfähigkeit resultiert aus der Tatsache, dass sich im gesamten Verfahren keine Anzeichen ergeben haben, wonach beim BF Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dies hat der BF weder in seiner Einvernahme vom 16.10.2020 noch in der Beschwerde behauptet. Darüber hinaus ist es notorisch, dass im Falle gesundheitlicher Probleme eine engmaschige gesundheitliche Kontrolle im Rahmen der Schubhaft durchgeführt wird. Falls Haftuntauglichkeit eintritt, wäre der BF jedenfalls sofort aus der Schubhaft zu entlassen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

3.2. § 52 Abs. 6 FPG bestimmt: „Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.“

§ 31 Abs. 1 Z 3 FPG normiert, dass sich ein Fremder rechtmäßig bis zu drei Monaten (Art. 21 Schengener Durchführungsübereinkommen; SDÜ) im Bundesgebiet aufhält, wenn er Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist, sofern er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgeht.

Artikel 21 SDÜ lautet:

„(1) Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich auf Grund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen, soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c und e aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen.

(2) Das gleiche gilt für Drittausländer, die Inhaber eines von einer der Vertragsparteien ausgestellten vorläufigen Aufenthaltstitels und eines von dieser Vertragspartei ausgestellten Reisedokuments sind.

(3) Die Vertragsparteien übermitteln dem Exekutivausschuß die Liste der Dokumente, die sie als Aufenthaltserlaubnis oder vorläufigen Aufenthaltstitel und als Reisedokument im Sinne dieses Artikels ausstellen.

(4) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten unbeschadet des Artikels 22“

Art. 5 SDÜ lautet:

„(1) Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten kann einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden, wenn er die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

a)

Er muß im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein, die von dem Exekutivausschuß bestimmt werden.

b)

Er muß, soweit erforderlich, im Besitz eines gültigen Sichtvermerks sein.

c)

Er muß gegebenenfalls die Dokumente vorzeigen, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.

d)

Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.

e)

Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen.

(2) - (3) ...

Der BF ist Drittstaatsangehöriger und besitzt zwar einen aufrechten Aufenthaltstitel für Polen. Wie sich im Verfahren ergeben hat, ist der BF unabhängig von seiner tatsächlichen Aufenthaltsdauer in Österreich bereits gemäß Art. 5 (1) lit c SDÜ aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

3.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.4. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 16.10.2020:

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich in § 76 Abs. 3 FPG (wie oben unter 3.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr mit § 76 Abs. 3 Z 9 FPG. Dabei ist die belangte Behörde vom Fehlen einer Verankerung des BF in ausgegangen. Demgemäß ist der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Wie das Verfahren ergeben hat, kommt das Bundesamt dabei zutreffend zum Ergebnis, dass es für substanzielle familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung keinen stichhaltigen Hinweis gab. Zum anderen stützte sich die belangte Behörde auf die Vertrauensunwürdigkeit des BF, die sich nicht zuletzt aus dessen Missachtung der österreichischen Rechtsordnung und dessen unkooperativen Verhaltens den österreichischen Behörden gegenüber – wie oben dargelegt - manifestiert. Daraus haben sich ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie ein erhöhter Sicherungsbedarf ergeben.

Die belangte Behörde kam zutreffend zu der Auffassung, dass der BF über keine substantiellen Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zum Ende des Verfahrens bzw. zur Abschiebung den Behörden nicht entziehen werde.

Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des BF insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anordnung der Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des BF weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, dies bereits aufgrund mangelnder Vertrauenswürdigkeit des BF wie oben ausgeführt.

Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des BF.

Das erkennende Gericht geht auch davon aus, dass die angeordnete Schubhaft bereits aufgrund des unmäßigen und aggressiven Verhaltens des BF während der Schubhaft sowie des Untertauchens des BF in der Vergangenheit das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass der zügige rechtskräftige Abschluss des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und daran anschließend die rasche Außerlandesbringung des BF als wahrscheinlich anzusehen ist.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung des BF in Schubhaft ab 16.10.2020 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Voraussetzungen nach § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegen weiterhin vor.

Für die Durchsetzung einer Abschiebung ist die Anwesenheit des BF erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine feststellbaren (legalen) beruflichen und substantiellen familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den BF im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall eine zur Anordnung einer Schubhaft hinreichende Fluchtgefahr seitens des BF gegeben ist.

Im Falle des BF kann daher auch weiterhin aufgrund seines bereits geschilderten Vorverhaltens mit der Verhängung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden.

Es liegt somit auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch weiterhin als verhältnismäßig. Von der Möglichkeit einer Abschiebung im Rahmen der gesetzlichen Fristen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszugehen. Hinweise für eine Haftunfähigkeit des BF sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen.

Es ist daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind.

Zu Spruchpunkt III. (Kostenbegehren):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz (ein solcher wurde im Übrigen in der Beschwerde auch nicht beantragt), die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu Spruchteil B) (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr gelinderes Mittel illegale Einreise Kostenersatz Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2236455.1.00

Im RIS seit

23.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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