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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen über das Pflegegeld mangels LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. H L stellt mit Schriftsatz vom 16. September 1994 den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge §4 Abs4 des Bundesgesetzes, mit dem ein Pflegegeld eingeführt wird (im folgenden: BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, als verfassungswidrig aufheben und den Bund verpflichten, die ihr entstandenen Prozeßkosten zu ersetzen.
1.2. Zur Zulässigkeit des Antrages wird im wesentlichen vorgebracht: Der Antragstellerin sei Pflegegeld der Stufe 2 bescheidmäßig zuerkannt worden, tatsächlich werde ihr Pflegegeld der Stufe 3 ohne Rechtsanspruch ausbezahlt. Darüber habe sie nur eine Mitteilung erhalten. Sie sei der Ansicht, daß ihr Pflegegeld einer noch höheren Stufe zustünde, könne jedoch einen entsprechenden Bescheid des Sozialversicherungsträgers aufgrund der angefochtenen Bestimmung, die einen Rechtsanspruch für die Stufen 3 bis 7 ausschließe, nicht erwirken.
1.3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung des Individualantrages begehrte.
2. Der Antrag ist unzulässig.
2.1. §4 Abs4 BPGG lautet:
"(4) Ab 1. Juli 1993 besteht ein Rechtsanspruch auf das Pflegegeld in Höhe der Stufen 1 und 2, ab dem 1. Jänner 1997 auch auf das Pflegegeld in Höhe der Stufen 3 bis 7; in der Zeit ab 1. Juli 1993 bis zum 31. Dezember 1996 ist bei Vorliegen der Voraussetzungen der Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und einer höheren Stufe vom zuständigen Sozialversicherungsträger oder vom Bund (Entscheidungsträger gemäß §22) als Träger von Privatrechten zu gewähren. Ein Rechtsanspruch auf diesen Differenzbetrag besteht nicht. Im übrigen sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf den Differenzbetrag zwischen der Stufe 2 und einer höheren Stufe des Pflegegeldes mit der Maßgabe anzuwenden, daß keine Bescheide, sondern lediglich Mitteilungen zu ergehen haben und der Rechtsweg ausgeschlossen ist."
Gemäß ArtI Z2 iVm ArtIII des Bundesgesetzes, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird, BGBl. Nr. 131/1995, ist §4 Abs4 BPGG mit Ablauf des 30. Juni 1995 außer Kraft getreten. Seit 1. Juli 1995 sind somit für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ausschließlich die Abs1 bis 3 des Art4 BPGG maßgeblich, die bei Zutreffen der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Pflegegeld für alle Stufen vorsehen. Der Rechtsanspruch auf Pflegegeld in der Höhe der Stufen 3 bis 7 für die Zeit vor dem 1. Juli 1995 ist gemäß ArtII Abs1 letzter Satz, BGBl. Nr. 131/1995, weiterhin ausgeschlossen.
2.2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, VfGH 14.6.1994 V84/93).
2.3. Der angegriffene §4 Abs4 BPGG sieht insgesamt 7 Stufen an Pflegegeld vor, räumt jedoch nur für die Stufen 1 und 2 einen Rechtsanspruch ein; für die Stufen 3 bis 7 wird das Vorliegen eines Rechtsanspruches bis zum Ablauf des 31. Dezember 1996 ausdrücklich ausgeschlossen.
Die Antragstellerin bringt selbst vor, daß ihr Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 bescheidmäßig zuerkannt worden sei. In welche Rechtssphäre der Antragstellerin die angefochtene Regelung insoweit eingreifen könnte, ist nicht dargelegt.
Hinsichtlich der Stufen 3 bis 7 bestimmt die angegriffene Regelung ausdrücklich, daß ein Rechtsanspruch nicht zuerkannt wird; insofern findet sich somit keine Rechtssphäre, in die die bekämpfte Regelung eingreifen und die Antragstellerin in Rechten verletzen könnte.
Der Antrag war daher schon deshalb zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Behinderte, PflegegeldEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:G257.1994Dokumentnummer
JFT_10048998_94G00257_00