Entscheidungsdatum
09.11.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W171 2236620-1/43E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2020,
Zl: XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
V. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Befreiung von der Eingabengebühr wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
? Der Beschwerdeführer (BF) reiste 2013 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 27.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz;
? Der Asylantrag wurde am 25.02.2014 in II. Instanz hinsichtlich §§ 3, 8 AsylG negativ entschieden und die Ausweisung zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 75 Abs. 20 AsylG an die Behörde I. Instanz zurückverwiesen;
? Durch ein Landesgericht (LG) vom 22.04.2014 (RK 26.04.2014) wurde der BF gemäß §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt;
? Der BF wurde mit Urteil eines LG vom 21.08.2014 (RK 21.08.2014), gemäß §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt;
? Im Juni 2015 wurde der BF von Norwegen und im Sept/Okt 2015 von Italien nach Österreich nach den Bestimmungen der Dublin- VO rücküberstellt.
? Am 11.09.2018 wurde der BF festgenommen und in eine Justizanstalt (JA) überstellt;
? Der BF wurde mit Urteil eines LG vom 01.10.2018 (RK 01.10.2018), gemäß § 27 (2a) 2. Fall SMG, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt;
? Durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde am 02.01.2018 eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren erlassen, wobei dem BF ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht gewährt, jedoch eine freiwillige Ausreise innerhalb von 2 Wochen zugestanden wurde;
? Gegen diese Entscheidung brachte der BF Beschwerde ein, welche am 05.08.2020 durch Erkenntnis des BVwG als unbegründet abgewiesen wurde;
? Gegen den BF besteht somit eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot;
? Die darin gewährte Möglichkeit der freiwilligen Ausreise bis zum 19.08.2020 wurde vom BF nicht genutzt und ist er seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen;
? Der BF wurde zuletzt am 05.07.2019 (rechtskräftig am 13.02.2020) von einem LG wegen § 269 (1) 1. Fall – Widerstand gegen die Staatsgewalt StGB und §§ 83 (1) - Körperverletzung, 84 (2) - schwere Körperverletzung StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten rechtskräftig verurteilt. Bei dieser Strafe handelte es sich um eine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf eine rechtskräftige Vorverurteilung.
? Am 26.08.2020 (zugestellt 31.08.2020) wurde dem BF eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt, wobei der BF die Annahme verweigerte;
? Dem BF wurde somit das Parteiengehör gewährt, jedoch hat dieser die Möglichkeit am weiteren Verfahren mitzuwirken verweigert;
? Am 28.08.2020 wurde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats eingeleitet;
? Gegen den BF wurde am 08.09.2020 ein Bescheid gemäß § 76 Abs. 2 Ziffer 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung erlassen und ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten im Wesentlichen die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1,3 u. 9 FPG erfüllt und sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.
? Der BF verweigerte die Übernahme des Schubhaftbescheides;
? Der BF wurde am 10.09.2020 der nigerianischen Delegation im PAZ vorgeführt und identifiziert. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde zugesagt;
? Dem BF wurde im Zuge der Identifizierung bei der Delegation die freiwillige Ausreise mit Unterstützung durch den Verein Menschenrechte Österreich (VMÖ) nahegelegt, jedoch hat der BF bis dato daran kein Interesse gezeigt.
? Der BF wurde nach der Entlassung aus der Strafhaft am 11.09.2020 in das Polizeianhaltezentrum überstellt;
? Der BF wurde am 06.10.2020 auf den Charter für den 22.10.2020 gemeldet;
? Er verweigerte am 19.10.2020 den vorgeschriebene Corona-Test trotz intensiver Bemühungen im Zuge des Abschiebegespräches, um seine Abschiebung zu verhindern;
? Der BF wurde bereits am 29.10.2020 für den nächsten geplanten Charter-Termin (12.11.2020) gemeldet;
? Mit Beschwerdeschrift, bei Gericht eingelangt am 05.11.2020 wurde im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit der laufenden Schubhaft vorgebracht. Der BF sei stets erreichbar gewesen, habe private u. familiäre Bindungen in Österreich und könnte bei einem namentlich genannten Freund wohnen. Eine Effektuierung der Abschiebung sei aufgrund der Coronakrise in nächster Zeit nicht zu erwarten und sei der BF in Schubhaft einem hohem Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Begehrt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Befreiung von der Eingabengebühr sowie der Ersatz der Aufwendungen gem. VwG-Aufwandersatzverordnung.
? Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 05.11.2020 vor und erstattete am 06.11.2020 eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde wie nachstehend nach einer kurzen Zusammenfassung des bisherigen Sachverhalts im Wesentlichen (verkürzt) ausgeführt:
„Der BF verfügte zuletzt lediglich über eine Postabgabestelle und war obdachlos gemeldet. Eine Meldeadresse liegt nicht vor und wurde auch im Zuge der Beschwerde wiederum nicht angegeben.
Es wurde im Zuge der Beschwerde eine mögliche Unterkunftnahme bei einem Herrn XXXX angeführt. Laut ZMR gibt es lediglich eine Person mit dem Namen in XXXX , XXXX . Zu dieser Person, XXXX , geb. XXXX liegen drei IFA Daten vor, wobei bei zwei Datensätze kein rechtmäßiger Aufenthalt vorliegt.
Sofern es sich bei dieser Person wirklich um diesen „Freund“ handelt, warum hat der BF dies nicht im bisherigen Verfahren angegeben und auch niemals dort Unterkunft genommen? Diese Angaben werden daher eher als Schutzbehauptung angesehen.
Zu den „intensiven privaten und familiären Bindungen“ muss angemerkt werden, dass der BF weder in den Gerichtsverfahren, noch im bisherigen Verfahren des BFA Angaben dazu gemacht hat. Lediglich einmal (im Zuge der Einvernahme beim BVwG) scheint eine angegebene Tochter XXXX auf, jedoch hat der BF dies in der Einvernahme auch nur erwähnt und hat oder wollte keine Angaben zu dieser gemachen.
Wie schon im angefochtenen Bescheid angeführt hat sich der BF dem Asylverfahren mehrmals entzogen und musste aufgrund der Dublin-III-VO zweimal nach Österreich rücküberstellt (Dublin-IN) werden. Der BF wurde auch im Zuge seiner Straftaten wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen. Außerdem verfügt die Partei dzt. über keine Meldeadresse (ausgenommen JA) und war auch vor der Festnahme und Einlieferung in die JA obdachlos (mit Postabgabestelle) und somit nicht greifbar, illegal im Bundesgebiet aufhältig.
Dem BF wurde das schriftliche Parteiengehör gewährt (wobei der BF die Annahme verweigerte), daher hat entgegen der Meinung des BF die ha. Behörde sehr wohl den Kontakt gesucht.
Der BF hat auch die Entgegennahme des erlassenen Schubbescheids, sowie den Corona-Test verweigert.
Auch zeigte sich der BF im Zuge des Abschiebegesprächs als nicht sehr kooperativ. Daraus ist erkennbar, dass der BF im Verfahren nicht mitwirken will bzw. wollte.
Dem BF wurde mehrmals die Ausreise mit Unterstützung durch den VMÖ nahegelegt, jedoch hat der BF dies bis dato nicht in Anspruch genommen.
Der BF hat durch die bewusste Verweigerung des Corona-Test abermals gezeigt, dass er alles versuchen wird, um seine Abschiebung zu verhindern.
Es ist daher unbestritten davon auszugehen, dass der BF weder freiwillig ausreisen wird, noch einer regelmäßigen Meldeverpflichtung (gelinderes Mittel) nachkommen wird, da dem BF bekannt ist, dass die ha. Behörde die schnellst mögliche Abschiebung organisieren wird.
Der BF ist auf den nächsten Charter am 12.11.2020 gemeldet und es ist davon auszugehen, dass der BF (sollte er die Abschiebung durch Verweigerung des Corona-Test nicht wieder verweigern) abgeschoben wird.
Da dieser Charter-Termin trotz derzeitiger COVID-19 Maßnahmen und Situation noch immer aufrecht ist, geht die ha. Behörde davon aus, dass eine Abschiebung durchgeführt wird. Der Zeitraum ist daher, entgegen der Meinung des BF, aus derzeitiger Sicht absehbar.
Die Schubhaft könnte der BF durch eine freiwillige Ausreise mittels VMÖ jederzeit beenden.
Im PAZ sind ganz genaue Schutzmaßnahmen bzw. Quarantänemaßnahmen vorhanden, um einen eventuelle Ansteckung zu verhindern. Nachdem die Schubhäftlinge in einer quasi eigenen „Blase“ leben, ist die Ansteckungsgefahr massiv verringert. Die Ansteckungsgefahr außerhalb des PAZ wird daher als eher größer angesehen. Daher ist der vorgebrachte Einwand einer Gefährdung im Zuge der Beschwerde als haltlos anzusehen.
Der BF spricht in seiner Beschwerde von einer Fortführung seines Verfahrens. Das Asylverfahren ist abgeschlossen und in II. Instanz rechtskräftig. Es liegt kein Hinweis einer Revision vor.
Auch die angeführte „ungeklärte Rechtslage der nicht einheitlichen Judikatur“ kann von der ha. Behörde nicht nachvollzogen werden und ist unverständlich. Bisher wurden alle Verfahren und Entscheidungen dem Gesetz entsprechend entschieden.
Es wird dem BF beigetreten, dass die Schubhaft nicht als Zusatzbestrafung anzusehen ist und die ha. Behörde hat dies auch im Bescheid nicht als solches angeführt bzw. beurteilt.
Aus dem erlassenen Bescheid zur Schubhaft geht eindeutig hervor, dass das bisher gezeigte Verhalten und der im Zuge des Ermittlungsverfahrens festgestellte Sachverhalt (mehrmals einem Verfahren entzogen, unkooperativ, Verweigerung der Mitwirkung im Verfahren und Corona-Test usw.) die Sicherung der Abschiebung unbedingt notwendig, verhältnismäßig und zumutbar ist und mit einem gelinderen Mittel nicht das Auslangen gefunden werden kann.
Der BF ist nicht das erste Mal in einer Strafhaft gewesen. Der BF hat daher schon mehrmals das Haftübel erlebt und zu keinem Umdenken oder Änderung in seinen bisherigen Verhalten geführt.
Es ist daher aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens die Sicherung der Abschiebung mittels Schubhaft als „ultima ratio“ anzusehen.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
1.1. Der BF reiste 2013 illegal in das Bundesgebiet ein und ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.
1.2. Er stellte am 27.08.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde negativ beschieden. Der BF hat keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurden ein rechtskräfiges Einreiseverbot und eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen.
1.3. Der BF leidet an keinen nennenswerten Erkrankungen und hat der Behörde bisher kein identitätsbezeugendes Dokument vorgelegt.
1.4. Er wurde in Österreich bisher viermal wegen der Begehung von strafbaren Handlungen (Verstöße gegen das SMG, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung) zu Haftstrafen verurteilt.
Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Seit dem 05.08.2020 besteht gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung.
2.2. Ein Heimreisezertifikat für den BF liegt bereits vor.
2.3. Der BF ist haftfähig.
Zum Sicherungsbedarf:
3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
3.2. Der BF ist nach Stellung seines Asylantrages wiederholt untergetaucht und war während des Verfahrens für die Behörde nicht greifbar. Er wurde einmal aus Norwegen und einmal aus Italien nach Österreich rücküberstellt.
3.3. Er ist nicht vertrauenswürdig.
3.4. Er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ.
3.5. Er hatte bisher in Österreich, ausgenommen in Haftanstalten, über eineinhalb Jahre zwischen 19.05.2015 und 21.10.2016 keine Meldeadresse und tauchte unter. Zuletzt war er obdachlos gemeldet und für die Behörde ebenso nicht greifbar.
3.6. Der BF hat durch die Verweigerung einer Coronatestung am 19.10.2020 eine Abschiebung seiner Person im Oktober 2020 verhindert.
Zur familiären/sozialen Komponente:
4.1. In Österreich bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen.
4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist im Besitz von € 492,25 (per 05.11.2020) an Barmitteln und weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf.
4.3. Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.
4.4. Der BF könnte bei einem namentlich genannten Freund wohnen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):
Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem gerichtlichen Vorakt sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellung zu 1.2. hinsichtlich des Bestehens einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung ergibt sich aus dem Akteninhalt. Weiters sind keine nennenswerten Erkrankungen des BF vorgebracht worden und ergeben sich solche auch nicht aus der aktenmäßig erfassten Krankengeschichte aus der JA Krems oder aus der aktuellen Anhaltedatei (1.3.). Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF im Wesentlichen gesund und haftfähig ist. Die strafgerichtlichen Verurteilungen waren dem Strafregister zu entnehmen (1.4.).
2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):
Die Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde dies seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen. Er hat die Möglichkeit der Ausreise innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Verfahrens nicht genützt (2.1.).
Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich aus dem Akteninhalt dem zu entnehmen war, dass ein auf den BF ausgestelltes Heimreisezertifikat dem BFA bereits seit Oktober vorliegt. Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Es war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen.
2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.6.):
Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (siehe zu 2.1.). Ebenso lässt sich den Behördenakten sowie dem gerichtlichen Vorakt entnehmen, dass der BF in all den Jahren dadurch, dass er zeitweise nicht gemeldet war, aber auch im Jahr 2015 zwei Mal aus dem europäischen Ausland nach Österreich rücküberstellt werden musste, er für die Behörde immer wieder nicht greifbar gewesen ist und nur im Rahmen von Haftaufenthalten zum BF Kontakt hergestellt werden konnte. Eine zuletzt eingetragene Obdachlosenmeldung führte ebenso nicht zur Greifbarkeit des BF. Der BF konnte bisher nicht nach Nigeria abgeschoben werden (3.2.).
Aus dem gesamten Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist. Dies zeigt sich etwa dadurch, dass der BF weder als kooperativ, noch als rückkehrwillig angesehen werden kann. Darüber hinaus hat er auch eine massive Straffälligkeit zu verantworten, was ebenso nicht zu seiner Vertrauenswürdigkeit beitragen konnte (3.3.).
Die fehlende Rückreisewilligkeit lässt sich aus dem Gesamtverhalten des BF klar entnehmen und hat er weder nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (innerhalb der zweiwöchigen Frist) noch sonst in irgendeiner Weise Anstrengungen unternommen, seiner Ausreisepflicht nachzukommen. Eine bereits vorbereitete Abschiebung verhinderte er durch die Verweigerung der Coronatestung (3.4.). Der BF ist auch unkooperativ indem er seiner Mitwirkungspflicht durch die Verweigerung der Übernahme von behördlichen Schriftstücken bzw. mit der Verweigerung des oben erwähnten Coronatests massiv und wiederholt verletzt hat.
Für den BF bestanden laut ZMR in den angegebenen Perioden keine Meldeadressen und zuletzt lediglich eine Obdachlosenmeldung. Er war daher bereits vor Abschluss des behördlichen Verfahrens zu diesen festgestellten Zeiten jedenfalls für die Behörde nicht greifbar und untergetaucht (3.5.).
Die Verhinderung einer für Ende Oktober angesetzten Abschiebung des BF durch die Verweigerung der Coronatestung ergibt sich konkret aus der Stellungnahme des BFA zum laufenden gerichtlichen Schubhaftverfahren.
2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):
Aufgrund der Aktenlage (behördlicher und gerichtlicher Schubhaftakt) ergibt sich, dass der BF über keinerlei familiäre oder anderweitige wesentliche soziale Kontakte in Österreich verfügt. Er hat in einem Vorverfahren zwar angegeben, in Österreich eine Tochter zu haben, war aber nicht in der Lage oder bereit seinerzeit weitere Angaben zu seiner Tochter zu machen. Im laufenden Schubhaftverfahren werden zwar private und familiäre Bindungen im Inland behauptet, doch abermals nicht einmal ansatzweise Näheres ausgeführt. Er hat zwar im Verfahren einen Namen eines Freundes genannt und auch seine Adresse angegeben. Dies reicht jedoch in keinster Weise hin, von einer nennenswerten sozialen Integration ausgehen zu können, wie es bei guter sozialer Integration sonst zu erwarten wäre. Er hat auch keine ausreichenden finanziellen Mittel zur dauerhaften Existenzsicherung und war nicht legal erwerbstätig. Ein diesbezüglich konträres Vorbringen enthält die Beschwerde nicht.
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde nunmehr eine Wohnmöglichkeit bei einem Freund bescheinigt. Da der BF glaubhaft ausgeführt hat, an der Adresse dieses Bekannten wohnen zu können, geht das Gericht diesbezüglich von eine Wohnmöglichkeit aus.
2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:
3.1.1. Gesetzliche Grundlage:
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Zur Judikatur:
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung besteht. Der BF hat in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, jedoch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten. Die Behörde konnte den BF auch bisher nach Durchsetzbarkeit seiner Rückkehrentscheidung nicht in sein Herkunftsland abschieben, da er über keinen gesicherten Wohnsitz verfügte und im Verfahren auch nicht mitgewirkt hat. Er lebte zum Teil ohne behördliche Meldung bzw. reiste weiter ins europäische Ausland. Er hat sich auch in keiner Weise bisher selbst bemüht seine Ausreise vorzubereiten und hat die Chancen für eine freiwillige Ausreise nicht genützt. Er kann daher nach Ansicht des Gerichtes nicht als kooperativ bzw. vertrauenswürdig angesehen werden, zumal er im Rahmen der bisherigen Verfahren an diesem wiederholt nicht mitgewirkt hat. Seine fehlende Ausreisewilligkeit ist bereits aus seinem bisherigen Gesamtverhalten ohne Not ableitbar. Lediglich einen möglichen gesicherten Wohnsitz konnte der BF im Beschwerdeverfahren vorweisen. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dennoch nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich der BF tatsächlich an der Adresse des Freundes für eine allfällige Abschiebung bereithalten und für die Behörde greifbar sein würde. Er hätte ohnehin auch schon bisher bei seinem Freund unterkommen können.
Wie die Vergangenheit zeigt, ist der BF höchst mobil und versuchte wiederholt in einem anderen europäischen Land Fuß zu fassen. Eine Belehrung über die Vorschriften der DublinVO im Zuge seiner ersten Rücküberstellung nach Österreich dürfte er auch nicht zugänglich gewesen sein. Die nunmehr glaubhaft dargelegte Möglichkeit der Unterkunftnahme ist daher aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit nicht geeignet, die Beurteilung des Sicherungsbedarfes zu Gunsten des BF zu verändern. Darüber hinaus kamen im Zuge des Verfahrens jedoch keinerlei weitere nennenswerten sozialen Kontakte des BF ans Tageslicht, wiewohl der BF bereits seit vielen Jahren (wenn auch sehr oft in Haftanstalten) in Österreich aufhältig ist. Der BF ist gesund und haftfähig.
Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso die Tatbestandsmerkmale der Zif. 1, 3 und 9 als erfüllt an.
3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer zwar nunmehr eine Wohnmöglichkeit ins Treffen führen konnte aber sonst keinerlei nennenswerten familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Der BF hat durch seine Ignoranz seiner Ausreiseverpflichtung und die begangenen massiven Straftaten gegen geltende Gesetze des Landes verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurden über ihn eine aufenthaltsbeendende Maßnahme getroffen. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF kundgetan. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des straffälligen BF. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal die Bemühungen des BFA den BF tatsächlich abzuschieben, im Rahmen des Verfahrens deutlich hervorgekommen sind. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, die sich mehrfach im Verfahren deutlich gezeigt hat. Hätte der BF im Oktober den Coronatest nicht verweigert, wäre die laufende Schubhaft bereits durch Abschiebung seit geraumer Zeit beendet worden. Der BF hat es sich daher selbst zuzuschreiben, dass die Schubhaft noch andauert. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht zuzumuten, die Zeit bis zur Abschiebung in Schubhaft zuzubringen.
3.1.5. Zur bezweifelten Effektuierbarkeit der Abschiebung:
3.1.5.1. Richtig ist, dass es bisher aufgrund der fehlenden Kooperation des BF noch nicht gelungen ist, diesen abzuschieben. Richtig ist aber auch, dass der BF der Behörde gegenüber derart unkooperativ ist, dass eine Außerlandesbringung bisher nicht durchgeführt werden konnte. Dies rechtfertigt es jedenfalls, dass die Behörde weiter die Abschiebung betreibt und die dafür benötigte Zeit in Anspruch nimmt.
Der nächste Abschiebecharterflug ist für den 12.11.2020 in Aussicht und sind im Verfahren keine Umstände bekannt geworden, weshalb dieser Flug nicht durchgeführt werden sollte. Das nicht näher begründete Vorbringen, dass eine Effektuierung der Abschiebung aufgrund der Pandemie nicht erfolgen werden könne, hat sich im Verfahren nicht ergeben. Aussichtslosigkeit konnte gerichtlicherseits daher nicht festgestellt werden.
Sich rechtswidrig zu verhalten und seiner Mitwirkungspflicht nicht nachzukommen, aber im Gegenzug die Dauer der Schubhaft sehr bald als unverhältnismäßig darzustellen ist zwar in derartigen Schubhaftverfahren gängige Praxis, vermag jedoch das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Es steht dem BF frei, durch Kooperation seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen und dadurch eine massive Verkürzung seiner Schubhaft aktiv zu unterstützen. Die laufende Schubhaft ist daher auch aus diesem Gesichtspunkt weiter verhältnismäßig.
3.1.5.2. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen unter Umständen zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt, etwa durch Mitwirkung bei einem notwendigen Coronatest – mit wenigen Tagen einzustufen.
3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ein evidentes Interesse daran hat, dass er im Inland verbleiben kann, nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder erfolgreich untertauchen würde. Auch hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.
3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.
3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängte Schubhaft. Von einem erhöhten Risiko der Ansteckung mit dem Coronavirus in Polizeianhaltezentren war gerichtlicherseits nicht auszugehen, da dafür jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt.
3.1.9. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Vorakt) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist.
Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:
Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Zu Spruchpunkt III. und IV. – Kostenbegehren:
Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.
Zu Spruchpunkt V.:
In gegenständlicher Beschwerde vom 05.11.2020 wurde beantragt, den BF von einer Entrichtung der Eingabengebühr zu befreien. Weitere Ausführungen sind der Beschwerdeschrift nicht zu entnehmen. Die Eingabengebühr wurde jedoch durch den Rechtsvertreter bereits zur Einzahlung gebracht und hat das Verfahren auch ergeben, dass der BF über einen höheren Bargeldbetrag im PAZ verfügt. Es war sohin nicht davon auszugehen, dass die Bezahlung der Eingabengebühr zu einer Gefährdung der Befriedigung der Grundbedürfnisse des BF führen könnte. Der Antrag war daher mangels Vorliegen einer Vermögenslosigkeit des BF abzuweisen.
Zu Spruchpunkt B. – Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
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ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2236620.1.00Im RIS seit
23.12.2020Zuletzt aktualisiert am
23.12.2020