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19/07 Diplomatischer und konsularischer VerkehrNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde des Dr. EW, Rechtsanwalt in L,gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 16. Oktober 1978, Zl. VerkR-11023/1-1978-II/Schw, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmung erstattete am 9. Februar 1978 der Polizeiinspektor der Bundespolizeidirektion Wels, Wachzimmer Perchaul, EP, die Anzeige, der Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens sei am 31. Jänner 1978 gegen.7.40 Uhr in Wels auf der Dr. Groß-Straße Richtung Westen gefahren. Obwohl die Ampelanlage auf der Kreuzung mit der Dr. Schauerstraße gelbes nicht blinkendes Licht gezeigt habe, sei er mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h in die Kreuzung eingefahren. Beim Aufleuchten des gelben Lichtes, dem blinkendes grünes Licht vorausgegangen sei, wäre das Fahrzeug noch ca. 15 m von der Kreuzung entfernt gewesen. Als Fahrzeuglenker wurde der Beschwerdeführer ermittelt, der sich laut Bericht eines Beamten des Wachzimmers Mozartstraße der Bundespolizeidirektion Linz vom 24. März 1978 damit rechtfertigte, das Fahrzeug gelenkt zu haben, sich aber keiner Schuld bewußt zu sein, zumal er noch bei grünblinkendem Licht in die Kreuzung eingefahren sei.
Nach Abtretung des Verfahrens gemäß § 29 a VStG 1950 an die Bundespolizeidirektion Linz verhängte diese mit Strafverfügung vom 7. April 1978 über den Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von S 400,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 48 Stunden). Gegen diese erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch.
Im Verwaltungsstrafverfahren verantwortete sich der Beschwerdeführer am 5. Juni 1978 damit, er sei noch bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren. Er glaube, daß sich der Anzeiger geirrt habe und ersuche deshalb um Einstellung des Verfahrens.
In der daraufhin eingeholten schriftlichen Stellungnahme hielt der Anzeiger seine in der Anzeige festgehaltenen Angaben vollinhaltlich aufrecht und erklärte, der Beschwerdeführer hätte, da sich. der Personenkraftwagen bei Aufleuchten des gelben Lichtes noch ca. 15 m vor der Kreuzung befunden habe, ohne weiteres rechtzeitig anhalten können. Er habe dies unmittelbar an der Kreuzung stehend genau wahrnehmen können.
Hiezu brachte der Beschwerdeführer am 12. Juli 1978 ergänzend vor, er sei in einem Lehrgang beim ÖAMTC zusammen mit Richtern und Staatsanwälten besonders auf die Schätzung von Geschwindigkeiten und Entfernungen und die Wiedergabe von zeitschnellen Augenblickssituationen geschult worden, weshalb er sich zutraue, mit Sicherheit sagen zu können, nicht bei Gelblicht, sondern bei grünblinkendem Licht in die Kreuzung eingefahren zu sein.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 8. September 1978 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 31. Jänner 1978 um 7.40 Uhr in Wels, Kreuzung Dr. Groß-Straße - Dr. Schauerstraße als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Personenkraftwagens das Gelblicht der Ampelanlage nicht beachtet und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 1 StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. wurde über ihn eine Geldstrafe von S 400,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Sachverhalt sei auf Grund der Wahrnehmungen des anzeigenden Wachebeamten einwandfrei erwiesen. Obwohl die Verkehrsampel gelbes nicht blinkendes Licht gezeigt habe, als der Beschwerdeführer bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h noch 15 m entfernt gewesen sei, habe er nicht angehalten, sondern die Kreuzung durchfahren. Seiner Verantwortung könne kein Glauben geschenkt werden, weil er sich einerseits im Verwaltungsstrafverfahren als Beschuldigter so verteidigen könne, wie dies für ihn am günstigsten sei, und andererseits die Angaben des Meldungslegers in der Anzeige und in dessen schriftlicher Stellungnahme zweifelsfrei die angelastete Übertretung erkennen ließen.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer neuerlich auf seine bisherige Verantwortung, wonach ein Irrtum des Wachebeamten nicht ausgeschlossen werden könne. Des weiteren machte er geltend, er sei gemäß BGBl. Nr. 318/1969 der Strafbarkeit der Gerichts- und Verwaltungsbehörden entzogen, da er mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 1. Jänner 1978 zum dänischen Honorarkonsul für Oberösterreich bestellt worden sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. Oktober 1978 wurde der Berufung von der belangten Behörde gemäß § 51 VStG 1950 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 (in Verbindung mit § 24 VStG 1950) keine Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, daß der Einwand des Beschwerdeführers, auch ein Sicherheitswachebeamter könne irren, da eben Menschen nicht irrtumsfrei seien, ebenso für den Beschwerdeführer gelte. Nach der ständigen. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse einem im Straßenverkehrsüberwachungsdienst stehenden Beamten zugetraut werden, diesbezügliche Vorgänge richtig beobachten zu können. Außerdem habe der Meldungsleger seine Angaben unter der erhöhten Wahrheitspflicht des Dienstes gemacht, weshalb die Berufungsbehörde seine Angaben als wahren Sachverhalt. ihrer Entscheidung zugrunde lege. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei gemäß dem Wiener Übereinkommen über konsularische. Beziehungen der Strafbarkeit der Verwaltungsbehörde entzogen, sei festzustellen, daß dies nach Art. 43 nur insoweit der Fall sei, als Konsuln in bezug auf die von ihnen in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen der Jurisdiktion der Behörden des Empfangsstaates nicht unterworfen seien. Beim Lenken eines privaten Personenkraftwagens im Straßenverkehr könne jedoch diese Bestimmung nicht zur Anwendung gelangen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, nicht wegen der Verwaltungsübertretung nach § 38 Abs. 1 StVO schuldig erkannt und bestraft zu werden. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die. Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 43 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969 (Geltung für Dänemark laut Kundmachung BGBl. Nr. 312/1974), sind u. a. Konsuln in bezug auf die von ihnen in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen der Jurisdiktion der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Empfangsstaates nicht unterworfen. Gemäß Art. 58 Abs. 2 dieses Übereinkommens gilt u. a. Art. 43 auch für Honorarkonsuln.
Der Beschwerdeführer rügt die Nichtanwendung dieser Bestimmungen mit der Begründung, die belangte Behörde habe es trotz Vorbringens im Verwaltungsstrafverfahren, er sei zufolge des Übereinkommen der Jurisdiktion entzogen, zumal er mit Entschließung des Bundespräsidenten vom 1. Jänner 1978 zum dänischen Honorarkonsul für Oberösterreich bestellt worden sei, unterlassen, den Sachverhalt der entsprechenden Prüfung zu unterziehen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Ohne nähere Ausführungen habe die belangte Behörde lediglich in der Begründung die rechtliche Auffassung zum Ausdruck gebracht, er habe zur Tatzeit sein Fahrzeug als Privatmann im Straßenverkehr gelenkt.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der angefochtene Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil eine solche im Sinne des § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 nur dann vorliegt, wenn die Behörde das Gesetz, das sie auf den von ihr angenommenen Sachverhalt zur Anwendung bringt, falsch auslegt, nicht aber, wenn der von ihr angenommene Sachverhalt zur Wirklichkeit im Widerspruch steht. (Vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 16. November 1978, Zl. 2317/77, und die dort zitierte weitere Judikatur.)
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers kommt jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.
Gemäß § 37 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen .....
Gemäß § 39 Abs. 2 AVG 1950 hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen .....
Gemäß § 60 AVG 1950 sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung ausgeführt, der Jurisdiktion gemäß dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 318/1969 entzogen zu sein, zumal er zum dänischen Honorarkonsul für das Land Oberösterreich bestellt und diese Bestellung am 1. Jänner 1978 vom. Bundespräsidenten bestätigt worden sei. Die belangte Behörde hat auch auf Grund der Berufungsausführungen erkannt, in welche Richtung sich der Beschwerdeführer verantwortete. Sie hat nämlich unter Anführung des Art. 43 des Wiener Übereinkommens dargelegt, daß Konsuln nur in bezug auf die von ihnen in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen der Jurisdiktion der Verwaltungsbehörden entzogen seien, daß aber beim Lenken eines privaten Personenkraftwagens im Straßenverkehr diese Bestimmung nicht zur Anwendung gelangen könne. Sie ging somit, ohne hiefür eine Begründung zu geben, davon aus, der Beschwerdeführer habe das Fahrzeug „privat“ gelenkt. Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers hätte es aber eines Ermittlungsverfahrens darüber bedurft, ob der Beschwerdeführer bei Setzung des inkriminierten Verhaltens in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben begriffen war oder nicht, und wären sodann die sich daraus ergebenden erforderlichen Feststellungen zu treffen gewesen.
Des weiteren ist das Verfahren insofern mangelhaft geblieben, als bisher unterlassen wurde, den einzigen Belastungszeugen, nämlich den Meldungsleger, als Zeugen zu vernehmen. Hat sich doch der Beschwerdeführer von Anfang an widerspruchsfrei damit verantwortet, noch bei blinkendem Grünlicht in die Kreuzung eingefahren zu sein und auch für die Richtigkeit seiner Behauptung eine Begründung gegeben. Sowohl die Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers als auch die des Meldungslegers in der Anzeige und im ergänzenden Bericht sind in sich schlüssig. In einem solchen Fall berechtigt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG 1950) die Behörde nicht, davon auszugehen, daß allein die Eigenschaft eines nicht als Zeugen vernommenen Anzeigers als Organ der öffentlichen Sicherheit (Meldungsleger) schon ausreicht, einen leugnenden Beschuldigten der ihm zur Last gelegten Tat (Übertretung einer Verwaltungsvorschrift) als unwiderlegbar überführt und damit als schuldig ansehen zu können. (Vgl. z. B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Zl. 695/77, auf welches ebenso wie hinsichtlich der übrigen zitierten nichtveröffentlichten Entscheidungen auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird.)
Alle diese Erwägungen zeigen somit, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Aufklärung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965 aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am 11. September 1979
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1979:1979000989.X00Im RIS seit
12.01.2021Zuletzt aktualisiert am
12.01.2021