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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des G in P, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 6. März 1995, Zl. Senat-MD-93-751, betreffend Übertretungen des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer als verantwortlichem Beauftragten einer Aktiengesellschaft zur Last gelegt, in einer bestimmten Filiale der Gesellschaft, die Anfang 1993 an näher bezeichneten Tagen bis 20.00 Uhr offen gehalten worden sei, sechs namentlich genannte Arbeitnehmerinnen bis jeweils 20.30 Uhr beschäftigt und dadurch gegen § 9 Abs. 1 und § 3 des Bundesgesetzes über die Nachtarbeit der Frauen, BGBl. Nr. 237/1969 in der geltenden Fassung, (FrNArbG) verstoßen zu haben. Über den Beschwerdeführer wurden sech Geldstrafen von je S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 36 Stunden) verhängt.
In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend. Er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 3 Abs. 1 FrNArbG dürfen Dienstnehmerinnen während der Nacht (Abs. 2 und 3) nicht beschäftigt werden. Nach dem Abs. 2 gilt als Nacht im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr einschließt. Abs. 3 ermächtigt das Arbeitsinspektorat, unter näher angeführten Voraussetzungen zuzulassen, daß als Nacht ein Zeitraum von mindestens zehn aufeinanderfolgenden Stunden, der die Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr einschließt, gilt. § 3 Abs. 1 FrNArbG erfuhr durch die arbeitszeitrechtliche Sondervorschrift (VfSlg. 13321/1992) des § 8a Öffnungszeitengesetz 1991 (Wiederverlautbarungskundmachung BGBl. Nr. 50/1992 - im folgenden: ÖZG) eine Änderung. Nunmehr dürfen Dienstnehmerinnen nach 20.00 Uhr für Abschlußarbeiten herangezogen werden, wenn die Verkaufsstelle zulässigerweise erst ab 20.00 Uhr oder zu einem späteren Zeitpunkt schließt. Die zulässige Dauer dieser durch Dienstnehmerinnen durchzuführenden Abschlußarbeiten endet spätestens 15 Minuten nach dem Schließen der Verkaufsstelle. § 9 FrNArbG stellt einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 (idF des § 8a ÖZG) unter Strafsanktion.
Im Beschwerdefall ist in erster Linie strittig, wie der Begriff "Schließen der Verkaufsstelle" in § 8a ÖZG zu verstehen ist.
Die belangte Behörde setzt ihn mit dem Begriff "Ende der Ladenöffnungszeit" des § 8 ÖZG gleich und beruft sich dazu auf eine nicht näher ausgeführte "Intention des Gesetzgebers" und auf die andernfalls gegebene Gefahr eines Unterlaufens des Schutzzweckes der Regelungen über die Nachtarbeit der Frauen.
Der Beschwerdeführer steht auf dem Standpunkt, es handle sich hier um zwei verschiedene Begriffe. "Ende der Ladenöffnungszeit" in § 8 ÖZG bedeute das Ende der für eine Verkaufsstelle geltenden, im voraus festgelegten und gemäß § 6a ÖZG kundgemachten Ladenöffnungszeit, mithin jenen Zeitpunkt, ab dem der Eingang geschlossen gehalten wird und Kunden nicht mehr eingelassen werden. Hingegen sei mit dem Begriff "Schließen der Verkaufsstelle" in § 8a ÖZG jener Zeitpunkt gemeint, zu dem die Bedienung des letzten noch im Laden vorhandenen Kunden im Sinne des § 8 Abs. 1 ÖZG beendet sei und damit die Verkaufsstelle durch Schließen auch des Ausganges tatsächlich geschlossen werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Auffassung für zutreffend. Dafür spricht zunächst die Verwendung unterschiedlicher Begriffe in den in einem engen Zusammenhang stehenden §§ 8 und 8a ÖZG. Es ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber, hätte er den Beginn des 15-minütigen-Zeitraumes rechtmäßiger Heranziehung von Dienstnehmerinnen zu Abschlußarbeiten mit dem Ende der jeweils geltenden Ladenöffnungszeit (§§ 6a, 8) gleichsetzen wollen, dies auch durch die Verwendung des Begriffes "Ende der Ladenöffnungszeit" anstelle der Formulierung des § 8a ÖZG zum Ausdruck gebracht hätte. Dafür spricht gerade auch die vergleichbare Sonderbestimmung des § 4 Abs. 4 FrNArbG, wonach die Zeit, während der weibliches Ladenpersonal in Betrieben des Zuckerbäckergewerbes mit Abschlußarbeiten beschäftigt werden darf, mit dem Ende der jeweils geltenden Ladenschlußzeit beginnt. Ein Grund dafür, daß trotz Verwendung unterschiedlicher Begriffe in den §§ 8 und 8a ÖZG darunter dennoch jeweils dasselbe gemeint sei, ist nicht ersichtlich.
Für die dargelegte Auffassung spricht auch folgende Überlegung: Abschlußarbeiten (Kassaschluß, Abrechnen, Versorgen verderblicher Lebensmittel, Aufräumen etc.) können vielfach erst nach dem Verlassen der Verkaufsstelle durch die Kunden durchgeführt werden. Wenn nun § 8 Abs. 1 ÖZG das Fertigbedienen von Kunden nach dem Ende der Ladenöffnungszeit für zulässig erklärt, verbietet sich mit Rücksicht auf die Tatsache, daß ein erheblicher Teil der im Einzelhandel beschäftigten Dienstnehmer Frauen sind, die Annahme, daß der 15-minütige-Zeitraum für Abschlußarbeiten sofort mit dem Ende der kundgemachten Ladenöffnungszeit beginne, weil dann Abschlußarbeiten von Dienstnehmerinnen vielfach überhaupt nicht mehr durchgeführt werden dürften. Eine derartige Regelung gewollt zu haben, kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Sie stünde in einem auffallenden Widerspruch zur Regelung des § 4 Abs. 4 FrNArbG, wonach für Abschlußarbeiten in Zuckerbäckerbetrieben im Anschluß an die jeweils geltende Ladenschlußzeit eine halbe Stunde eingeräumt ist. Die hier vertretene Auffassung ermöglicht, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, für alle übrigen dem ÖZG unterliegenden Verkaufsstellen eine der besagten Regelung im wesentlichen gleichwertige flexible Lösung. Im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde ist ein Unterlaufen des Schutzzweckes der Regelungen über die Frauennachtarbeit nicht zu befürchten, weil zum einen die Dauer zulässiger Abschlußarbeiten von vornherein mit 15 Minuten limitiert ist und zum anderen auch der Zeitraum zwischen dem Beginn dieser Frist und dem Ende der Ladenöffnungszeit infolge Sperre des Einganges begrenzt ist (auf die für das Fertigbedienen der bereits in der Verkaufsstelle befindlichen Kunden erforderliche Zeit).
Infolge ihrer unzutreffenden Rechtsansicht hat es die belangte Behörde verabsäumt, den jeweiligen Zeitpunkt des tatsächlichen Schließens der gegenständlichen Verkaufsstelle nach Bedienung des letzten Kunden zu ermitteln. Damit ist der maßgebende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, es sei deshalb Verfolgungsverjährung eingetreten, kann allerdings nicht geteilt werden. Ihm wurde angelastet, die Verkaufsstelle jeweils bereits um 20.00 Uhr geschlossen und mithin durch die Beschäftigung der Dienstnehmerinnen bis 20.30 Uhr die zulässige Dauer von Abschlußarbeiten jeweils um 15 Minuten überschritten zu haben. Dieser Vorwurf umfaßt auch die Fälle des Überschreitens der 15-minütigen-Frist für Abschlußarbeiten um weniger als 15 Minuten.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995110153.X00Im RIS seit
07.06.2001