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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §64 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der K in H, vertreten durch Mag. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Februar 1997, Zl. VerkR-391.829/14-1997/Vie, betreffend Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 10. November 1994 auf (Wieder-)Erteilung einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B (nach einer im Jahre 1993 erfolgten Entziehung) gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 abgewiesen.
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging bei Erlassung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß der Beschwerdeführerin die körperliche und geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B fehle. Sie stützte sich dabei im wesentlichen auf ein Gutachten der ärztlichen Amtssachverständigen vom 23. Dezember 1996, dem im wesentlichen eine am 25. November 1996 erfolgte Untersuchung der Beschwerdeführerin zugrundelag. Die Gutachterin kam dabei zu der Beurteilung, daß die Beschwerdeführerin seit einigen Jahren an einer neurologischen Erkrankung (Multiple Sklerose) leide, welche hauptsächlich zu Lähmungserscheinungen besonders der unteren Extremitäten sowie der linken oberen Extremität geführt habe, weshalb die Beschwerdeführerin seit ungefähr drei Jahren mehr oder weniger auf den Rollstuhl angewiesen sei. Es sei zwar durch zielstrebige Übungen in letzter Zeit zu einer Besserung des Allgemeinbefundes gekommen, wobei das Gehen von einer Strecke von 62 m mit etwas Unterstützung bereits möglich wäre. Es komme jedoch nach Anstrengung derzeit immer wieder zu massiven Unruhebewegungen ballistischer Form, vor allem der linken Körperhälfte, besonders des linken Armes, die sich meist erst nach längerem Sitzen etwas beruhigten. Bei der in Rede stehenden Grunderkrankung sei immer wieder mit Veränderungen und Schwankungen des Gesundheitszustandes zu rechnen. Auf Grund der derzeit noch immer wieder mehr oder weniger massiv auftretenden Unruhebewegungen auch bei geringen Anstrengungen sei die Beschwerdeführerin derzeit zum Lenken von Fahrzeugen der Gruppe B nicht geeignet. Dieses Gutachten wurde von der belangten Behörde als schlüssig und nachvollziehbar gewertet.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst nicht zu erkennen, wieso die im Gutachten attestierte Nichteignung auch hinsichtlich der geistigen Eignung der Beschwerdeführerin anzunehmen wäre. Von psychischen Krankheiten oder geistigen Behinderungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Z. 1 und § 31 KDV 1967 ist im Gutachten keine Rede; ebensowenig wird darin die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung der Beschwerdeführerin in Frage gestellt. Für den Erfolg der Beschwerde ist somit maßgeblich, ob die belangte Behörde von der körperlichen Nichteignung der Beschwerdeführerin ausgehen konnte.
Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang zunächst, die Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpfe sich in der Wiedergabe gutächtlicher Äußerungen (außer dem amtsärztlichen Gutachten vom 23. Dezember 1996, auf das sich die Behörde ausdrücklich stützte, wird auch ein Vorgutachten vom 13. März 1995 wiedergegeben, ohne daß die Behörde daraus Konsequenzen gezogen hat und im Lichte des § 67 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 auch hätte ziehen dürfen) und der Aussage, es bedürfe keiner näheren Erörterung, daß der bei der Beschwerdeführerin festgestellte gesundheitliche Zustand die Verkehrssicherheit zu beeinträchtigen geeignet sei.
Es trifft zu, daß dies einen Mangel der Begründung des angefochtenen Bescheides darstellt. Dieser Mangel ist aber nicht in dem Sinn wesentlich, daß er zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen müßte. Auf Grund der Aktenlage ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin von vornherein zum Lenken eines Kraftfahrzeuges nur die Hände, nicht aber auch die Beine einsetzen könnte, sie also bestenfalls im Sinne des § 69 Abs. 1 KFG 1967 bedingt, allenfalls nur beschränkt geeignet sein könnte. Wenn nun die gesamte Lenktätigkeit mit den Händen zu erfolgen hat, kann der zeitweilige Ausfall einer Hand infolge nicht kontrollierbarer Bewegungen zur Unfähigkeit zum Lenken führen. Geringe Anstrengungen, die diesen Zustand auslösen können, können auch beim Lenken von Kraftfahrzeugen - etwa bei der Betätigung des Lenkrades oder dem Ziehen und Lockern der Handbremse - Platz greifen. Ergibt sich demnach, daß die Beschwerdeführerin während eines Lenkvorganges plötzlich lenkunfähig werden kann und daß sie die Fähigkeit hiezu erst nach einem längeren Ruhezustand wiedererlangt, ist die Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Der Hinweis auf die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren beigebrachten Befunde geht deswegen fehl, weil sich die von der Beschwerdeführerin darin hervorgehobenen, für ihre Eignung sprechenden Aussagen auf andere gesundheitliche Faktoren beziehen ("organisches Psychosyndrom", "Reaktionsverhalten", "Sensomotorik").
In ihrer Rüge, die ärztliche Sachverständige hätte keine rechtliche Beurteilung vornehmen dürfen, übersieht die Beschwerdeführerin, daß der ärztliche Sachverständige gemäß § 69 Abs. 1 KFG 1967 sehr wohl auszusprechen hat, ob der zu Begutachtende u.a. "nicht geeignet" ist.
Wenn die Behörde auf Grund eines amtsärztlichen Gutachtens bzw. wenn der ärztliche Sachverständige auch ohne Einholung eines verkehrspsychologischen Befundes (einer kraftfahrspezifischen Untersuchung) zum Ergebnis kommen konnte, die Nichteignung sei bereits auf Grund der festgestellten körperlichen Verfassung anzunehmen, erübrigte sich die zusätzliche Einholung eines solchen Befundes bzw. die Durchführung einer weiteren Untersuchung.
Dafür, daß es der Beschwerdeführerin verwehrt worden wäre, ein Gegengutachten zum amtsärztlichen Gutachten vom 23. Dezember 1996 beizubringen, besteht nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt. Abgesehen davon kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß dieser behauptete Verfahrensmangel - läge er vor - wesentlich wäre, war die Beschwerdeführerin zum damaligen Zeitpunkt offenkundig noch gar nicht im Besitz eines derartigen Gegengutachtens. Sollte die Beschwerdeführerin Verbesserungen ihrer relevanten gesundheitlichen Verfassung nachzuweisen vermögen, stünde im übrigen einer neuerlichen Antragstellung auf Erteilung einer Lenkerberechtigung nicht das rechtliche Hindernis der - durch den angefochtenen Bescheid - rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen.
Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110075.X00Im RIS seit
19.03.2001