TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/5 G310 2229317-1

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Veröffentlicht am 05.06.2020
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Entscheidungsdatum

05.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G310 2229317-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA. Rumänien, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.02.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.09.2019 festgenommen und in weiterer Folge am XXXX.09.2019 in Untersuchungshaft genommen.

Mit den Urteilen des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2019, XXXX, und vom XXXX.2019, XXXX, erfolgten zwei strafgerichtliche Verurteilungen des BF, zuletzt zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe. Den unbedingten Teil der verhängten Freiheitsstrafe verbüßte der BF in der Justizanstalt XXXX; die Entlassung erfolgte am XXXX.04.2020.

Mit Schreiben vom 03.10.2019 wurde der BF zwecks Prüfung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Der BF erstattete am 09.10.2019 eine entsprechende Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein zweijähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit den strafgerichtlichen Verurteilungen begründet sowie dem Umstand, dass der BF innerhalb kürzester Zeit zwei Mal aufgrund derselben strafrechtlichen Delikte verurteilt worden war. Aufgrund der raschen Rückfälligkeit des BF wurde die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe der ersten Verurteilung widerrufen.

Gegen den oben angeführten Bescheid des BFA richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, den Bescheid in Spruchpunkt I. aufzuheben, in eventu das ausgesprochene Aufenthaltsverbot zu beheben, in eventu zu verkürzen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, zu prüfen, ob durch das persönliche Verhalten des BF, der seit 2006 im Bundesgebiet lebt, die öffentliche Sicherheit der Republik nachhaltig und maßgeblich gefährdet werde. Auch habe man das Privat- und Familienleben des BF nicht ausreichend berücksichtigt.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 06.03.2020 einlangten.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX in Rumänien geboren, ist XXXX Jahre alt und hält sich seit Jänner 2006 im Bundesgebiet auf. Am 16.06.2017 wurde dem BF eine unbefristete Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer) ausgestellt.

Der BF ist rumänischer Staatsbürger. Er spricht Rumänisch und einwandfrei Deutsch. In Österreich lebte der BF vor seiner Inhaftierung in einer Wohnung. Weiters leben noch die Mutter und der Bruder des BF im Bundesgebiet. Er ist gesund und arbeitsfähig, ledig und frei von Sorgepflichten. In Rumänien leben ein Onkel und sein Vater, zu denen kein Kontakt besteht.

Der BF besuchte in Österreich die dritte und vierte Klasse der Volksschule in XXXX, die Hauptschule in XXXX und ein Jahr die Polytechnische Schule. Danach absolvierte der BF eine Lehre als Maler und Beschichtungstechniker in XXXX bei XXXX .

Der BF war von 06.08.2012 bis 05.08.2015 als Arbeiterlehrling, danach von 06.08.2015 bis 09.09.2015 als Arbeiter beschäftigt. Danach stand der BF in Arbeitslosengeldbezug. Bei seinem letzten Arbeitgeber war der BF von 11.03.2019 bis 18.03.2019 sowie von 27.06.2019 bis 26.08.2019 beschäftigt.

Der BF wurde im Bundesgebiet bislang zwei Mal strafgerichtlich verurteilt:

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde der BF wegen der Vergehen der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 iVm Abs 2 Z1, Z2 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier (4) Monaten verurteilt, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Zusätzlich wurde gemäß §§ 50, 50 Abs 2 StGB für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und der Privatbeteiligten (Opfer) gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StGB ein Betrag von EUR 1.000,-- zugebilligt.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Zeitraum von 2016 bis XXXX.09.2019 sein Opfer (Exfreundin) widerrechtlich beharrlich verfolgte, in wiederholten Angriffen die räumliche Nähe des Opfers an ihrer Wohnadresse aufsuchte und durch Übermittlung von Nachrichten von insgesamt 13 Accounts und bis zu 30 Anrufen täglich Kontakt zum Opfer herstellte. Am XXXX.06.2019 bedrohte er sein Opfer mit einer Verletzung am Körper, indem er Gegenstände gegen ihr Fenster warf und sinngemäß sagte, sie solle herunter kommen und er würde ihr wehtun. Weiters drohte er dem neuen Freund seiner Exfreundin via Facebook-Mitteilung, dass er ihn töten würde, wenn dieser bei seiner Exfreundin „landen“ würde.

Bei der Strafzumessung wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis sowie die Tatbegehung teilweise vor Vollendung des 21. Lebensjahres als mildernd, der sehr lange Deliktszeitraum sowie das Zusammentreffen zweier Vergehen hingegen als erschwerend gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2019, XXXX, erfolgte eine Verurteilung wegen des Vergehens des der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z2 StGB sowie wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 105 Abs 1 StGB – ausgehend von einem Strafrahmen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe – zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf (5) Monaten. Zudem erfolgte ein Privatbeteiligtenzuspruch gemäß § 369 Abs 1 StGB, das auf dem Anerkenntnis des BF gründet. Aufgrund des bereits seit Jahren erfolgten Stalkings war nachvollziehbar, dass das Opfer, das nach der Erstverurteilung des BF am 30.10.2019 auf ein Ende der Kontaktaufnahmen durch den BF gehofft hatte, durch die neuerlichen Kontaktversuche des BF psychisch derart stark beeinträchtigt wurde, dass ein Zuspruch in der Höhe von EUR 500,00 erfolgte.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am XXXX.2019 in XXXX seine Exfreundin widerrechtlich beharrlich verfolgte, indem er in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt – in Bezug auf das rechtskräftige Urteil zu AZ XXXX – durch Übermittlung von insgesamt drei Nachrichten über Facebook an ihre über den Sachverhalt informierte Freundin, sohin über Dritte, Kontakt zu ihr herstellte und seine Exfreundin durch gefährliche Drohung, nämlich durch Androhung der Einschränkung der persönlichen Freiheit, zu einer Unterlassung zu nötigen versuchte, indem er sie mittels an die Freundin mit Weiterleitungsvorsatz übermittelten Nachrichten zur Abstandnahme von der Verwendung seines Namens „XXXX“ und mit der Ankündigung, dass er sonst zurückkommen werde und dass er „zwei Gesichter, die er nach Bedarf nutze“, habe, zu veranlassten trachtete.

Das reumütige Geständnis und der teilweise Versuch wurden bei der Strafbemessung mildernd gewertet, die einschlägige Vorstrafe und der besonders rasche Rückfall innerhalb der Probezeit sowie das Zusammentreffen von zwei Vergehen als erschwerende Umstände.

Aufgrund der Gefährlichkeit des Täters in Bezug auf sein durch die einschlägige Vorstrafe bereits getrübtes Vorleben sowie der Tatsache, dass er sich trotz des bereits verbüßten Haftübels nur elf (11) Tage nach der letzten Verurteilung und der ihm im Rahmen dieser Verurteilung gewährten Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht nicht davon abhalten ließ, neuerlich einschlägig straffällig zu werden, war jedenfalls eine unbedingte Freiheitsstrafe zu verhängen.

Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB wurde die dem BF mit Urteil des LG XXXX vom XXXX.2019, AZ XXXX, gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Aufgrund der besonders ungünstigen spezialpräventiven Prognose war der Widerruf der dem BF gewährten bedingten Strafnachsicht geboten, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und ihm das massive Unrecht seiner Tat deutlich zu machen, weil der Angeklagte trotz verspürten Haftübels innerhalb kürzester Zeit neuerlich einschlägig straffällig wurde.

Den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe verbüßte der BF in der Justizanstalt XXXX. Seit XXXX.04.2020 befindet sich der BF im PAZ XXXX.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG im Zusammenhang mit dem Vorbringen des BF anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA am 28.11.2019, seiner Stellungnahme vom 09.10.2019 und in der Beschwerde.

Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf seinen entsprechenden Angaben. Die Feststellungen zu seinem Privat- und Familienleben ergeben sich aus seiner Stellungnahme, seinen Angaben anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme, seiner Stellungnahme an das BFA und den Ausführungen in der Beschwerde.

Der durchgehende Aufenthalt des BF und seine beruflichen Tätigkeiten im Bundesgebiet sind auf seine Angaben, die Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister, die vom BF vorgelegten Unterlagen und den Versicherungsdatenauszug zurückzuführen. Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme hervorgekommen sind. Die Ausstellung der Anmeldebescheinigung geht aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister hervor.

Seine guten Deutschkenntnisse wurden seitens des BFA anlässlich seiner Einvernahme am 28.11.2019 festgestellt und ist dies in Anbetracht des langjährigen Aufenthalts, seiner Schulausbildung und der Erwerbstätigkeit im Inland plausibel. Die Rumänischkenntnisse basieren auf seiner Herkunft und Staatsangehörigkeit. Auch konnten die Strafverhandlungen ohne Beziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF, die zugrundeliegenden Taten und die Erschwerungs- und Milderungsgründe ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Strafurteilen, der Vollzugsinformation und dem Strafregister.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Der BF ist als Staatsangehöriger von Rumänien EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Gemäß Art 28 Abs. 3 lit a Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG) darf gegen Unionsbürger, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat hatten, eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden. Nach dem Erwägungsgrund 24 dieser Richtlinie sollte gegen Unionsbürger, die sich viele Jahre im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten haben, nur unter außergewöhnlichen Umständen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisung verfügt werden.

Mit der Bestimmung des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG soll Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie umgesetzt werden. Hierzu judizierte der EuGH bereits, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf „außergewöhnliche Umstände“ begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen „besonders hohen Schweregrad“ aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/02148 mit Verweis auf EuGH (Große Kammer) 23.11.2010, Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff; daran anknüpfend auch EuGH (Große Kammer) 22.5.2012, P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegende(r) Merkmale" bedarf).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Da sich der BF schon mehr als zehn Jahre kontinuierlich in Österreich aufhält, ist der qualifizierte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG (Art 28 Abs. 3 lit. a Freizügigkeitsrichtlinie) heranzuziehen. Auch der Vollzug der Freiheitsstrafe lässt die hier geknüpften Integrationsbande nicht abreißen, sodass der durchgehende Aufenthalt dadurch nicht unterbrochen wird (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16, C-424/16).

Die Art und Schwere der begangenen strafbaren Handlungen zeigen, dass es dem BF jedenfalls zu den Tatzeitpunkten an einer Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten fehlte. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass der BF sein strafbares Verhalten steigerte, indem er seine Straftat innerhalb kürzester Zeit (14 Tage) wiederholte und sich durch die Verhängung von einer bedingten Freiheitsstrafe und einer unbedingten Geldstrafe nicht von weiterer Delinquenz abhalten hat lassen.

Dennoch darf nicht übersehen werden, dass sich der BF im Rahmen seiner zweiten strafgerichtlichen Verurteilung erstmals in Haft befand und dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirkung zuzubilligen ist.

Die vom BF über Jahre hindurch verübten Malversationen haben große, insbesondere gesundheitliche Auswirkungen auf sein Opfer (Ex-Freundin), das ua. an Panikattacken leidet. Sein Opfer sah sich sogar gezwungen, den Wohnort zu wechseln, um vor dem BF sicher zu sein, dieser jedoch forschte sein Opfer erneut aus und bedrohte es. So gab der BF im Rahmen seiner mündlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.11.2019 nach seiner Inhaftierung (U-Haft) am 11.11.2019 an, dass „er kein Krimineller sei und es nur ein Streit mit seiner Exfreundin gewesen sei“. Das Unrecht seiner verübten Taten ist ihm demnach offensichtlich nicht bewusst. Weiters ist zu berücksichtigen, dass eine zunächst gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen werden musste.

Jedoch ist zu beachten, dass der BF sich bereits seit seinem 10. Lebensjahr (2006) im Bundesgebiet aufhält, bis zu seiner Inhaftierung einen eigenen Haushalt in XXXX geführt hat, seine Mutter und sein Bruder im Bundesgebiet leben, er hier seine Schul- und Berufsausbildung (Malerlehre von 2012-2015) absolviert hat, sozial und beruflich gut integriert ist und seit seinem Lehrabschluss im Jahr 2015 bis zu seiner Inhaftierung am 11.11.2019 teilweise erwerbstätig war. Der BF ist ledig und hat keine Sorgepflichten.

Der BF beteuerte in seiner Stellungnahme an das BFA, sich zukünftig um einen ordentlichen Lebenswandel zu bemühen. Er steht in Kontakt zu seiner Mutter, die mit seinem Bruder (25 Jahre alt) in einem gemeinsamen Haushalt in XXXX lebt. Deswegen ist insgesamt betrachtet von einem stabilen sozialen und familiären Umfeld auszugehen.

Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG („nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich“) ist daher trotz dem Umstand, dass der BF bereits insgesamt zweimal strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht erfüllt, auch wenn er einen Gesinnungswandel hin zu einem rechtstreuen Verhalten noch nicht in Freiheit unter Beweis gestellt hat (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2018/21/0004). Trotz aller Aspekte kann noch nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der von ihm begangenen Straftaten gesprochen werden (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248).

Eine Prüfung, ob der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF verhältnismäßig wäre, muss daher mehr nicht vorgenommen werden.

Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF im Ergebnis nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde aufzuheben. Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des dem BF gewährten Durchsetzungsaufschubs.

Sollte der BF in Zukunft wieder straffällig werden, wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn neuerlich zu prüfen sein.

Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0022; 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2229317.1.00

Im RIS seit

22.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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