TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/22 G310 2232011-1

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Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

G310 2232011-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Serbien, vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2020, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots zu Recht erkannt:

A)       In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, sodass es in vollständiger Neufassung zu lauten hat:

„I.      Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wird gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen.

II.      Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist.

III.    Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Am XXXX .2019 wurde anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle der unrechtmäßige Aufenthalts der Beschwerdeführer festgestellt. Am selben Tag wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

Mit rechtskräftiger Strafverfügung vom XXXX .2020, GZ. XXXX , der Landespolizeidirektion XXXX wurde gegen den BF wegen Überschreitung des erlaubten Aufenthaltes gemäß §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 iVm 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe von EUR 600,00 verhängt, wobei die gemäß § 37a Abs. 1 VStG eingehobene vorläufige Sicherheit in Höhe von EUR 400,00 angerechnet wurde.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den BF ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, mit den Anträgen, den bekämpften Bescheid zu beheben, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen. Begründend wird zusammengefasst ausgeführt, dass der BF von seinem Sohn und seiner italienischen Schwiegertochter finanziell unterstützt werde. Es handle sich beim BF daher um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen. Zum Zeitpunkt der Kontrolle sei der BF in Besitz von EUR 500,00 gewesen, somit habe er Unterhaltsmittel für die Dauer von zumindest zwei Wochen nachweisen können.

Der BF hat im Mai 2020 das Bundesgebiet verlassen.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vor, wo sie am 18.06.2020 einlangten.

Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Serbien, wo seine Ehefrau und Tochter leben. Der BF spricht serbisch und ist als LKW-Fahrer tätig. Er ist gesund und arbeitsfähig. In Österreich war er von 01.01.2014 bis 31.01.2014 als Arbeiter beschäftigt.

Sein Sohn hält sich in XXXX auf. Er ist mit einer italienischen Staatsbürgerin verheiratet und haben sie eine gemeinsame Tochter. Diese sieht der BF allerdings selten, da der Sohn von seiner Ehefrau getrennt lebt.

Der BF hat einen am 08.07.2015 ausgestellten serbischen Reisepass, welcher bis zum 08.07.2020 gültig ist. Zuletzt ist er am 17.11.2019 in das Gebiet der Schengenstaaten eingereist.

Während seines Aufenthaltes in Österreich seit November 2019 bis zu seiner Ausreise lebte er ohne Wohnsitzmeldung in der Wohnung seiner Schwiegertochter. Sein Sohn und dessen Familie haben ihn finanziell unterstützt.

Der BF wurde in Österreich noch nie strafgerichtlich verurteilt und hat bislang keinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt.

In Österreich ist der BF weder sprachlich, beruflich noch gesellschaftlich integriert.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten. Entscheidungsrelevante Widersprüche liegen nicht vor.

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf den im Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Belegt wird dies auch durch den im Akt in Kopie aufliegenden serbischen Reisepass.

Die Feststellungen zu den privaten und familiären Lebensverhältnissen des BF in Serbien und Österreich basieren auf seinen Angaben anlässlich der Einvernahme vor dem BFA und in der Beschwerde. Die Serbischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Staatsangehörigkeit plausibel. Die Arbeitsfähigkeit des BF kann aufgrund des Fehlens von Anhaltspunkten für gesundheitliche Beeinträchtigungen, seines bisherigen Berufs und aufgrund seines erwerbsfähigen Alters festgestellt werden. Die Beschäftigungszeiten in Österreich sind im Sozialversicherungsdatenauszug gespeichert.

Dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister ist zu entnehmen, dass der BF keinen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gestellt hat. Laut dem Zentralen Melderegister war er zuletzt von 13.12.2018 bis 23.09.2019 mit Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF wird durch die Einsicht in das Strafregister, in dem keine Verurteilungen aufscheinen, belegt.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für weitere familiäre, soziale oder berufliche Anbindungen des BF in Österreich.

Rechtliche Beurteilung:

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Die in der Beschwerde dargelegte Behauptung, von seiner Schwiegertochter, eine in Wien wohnhafte freizügigkeitsberechtigte italienische Staatsbürgerin, finanziell unterstützt zu werden, verschafft dem BF nicht die Stellung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen (vgl. etwa die noch zur Bestimmung des § 47 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 ergangenen Erkenntnisse des VwGH vom 15.03.2006, Zl. 2006/18/0011 und vom 25.02.2005, 2003/09/0051, wonach unter Verwandtschaft nur die leibliche Verwandtschaft (Blutsverwandtschaft) zu verstehen ist).

Aus den dargelegten Gründen kommt dem BF die Rechtsstellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht zu

Der Aufenthalt eines Fremden in Österreich ist gemäß § 31 Abs. 1a FPG nicht rechtmäßig, wenn kein Fall des § 31 Abs. 1 FPG vorliegt. Gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während ihres Aufenthalts Befristungen und Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthalts oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer eingehalten haben. Die übrigen Fälle des rechtmäßigen Aufenthalts nach § 31 Abs. 1 FPG (Aufenthaltsberechtigung nach dem NAG, Aufenthaltstitel eines anderen Vertragsstaates, asylrechtliches Aufenthaltsrecht, arbeitsrechtliche Bewilligung) kommen hier nicht in Betracht, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass einer dieser Tatbestände erfüllt sein könnte.

Der BF ist als serbischer Staatsangehöriger mit einem noch bis zum 08.07.2025 gültigen biometrischen Reisepass gemäß Art 1 Abs. 2 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs. 4 Z 20 FPG) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Zu den Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt des BF im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gehört weiters, dass er Dokumente vorzeigen kann, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben (Art 6 Abs. 1 lit c Schengener Grenzkodex [Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 9.3.2016 idgF]; Art 5 Abs. 1 lit c SDÜ [Schengener Durchführungsübereinkommen; vgl. § 2 Abs. 4 Z 6 FPG]). Außerdem darf er keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen und darf insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein (Art 6 Abs. 1 lit e Schengener Grenzkodex; Art 5 Abs. 1 lit e SDÜ).

Da sich der BF von 17.11.2019 bis 08.05.2020 im Schengenraum aufhielt und somit die Bedingungen für den visumfreien Aufenthalt nicht einhielt, hielt er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Das BFA ist somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Ein Ausspruch in Bezug auf § 57 AsylG 2005 hat seine Grundlage in § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005, wonach das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen hat, wenn sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung des BVwG über die gegen den Bescheid des BFA erhobene Beschwerde befand sich der BF allerdings nicht mehr im Bundesgebiet, weshalb die Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 weggefallen ist. Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 hat daher zu entfallen (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 23).

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs 2 BFA-VG).

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF durfte sich im Rahmen des visumfreien Aufenthalts maximal 90 Tage in 180 Tagen im Schengen-Raum aufhalten. Da er diesen Zeitraum überschritt, war sein Aufenthalt nicht rechtmäßig.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG iVm Art 8 EMRK zulässig ist, ist eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit dem Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Die Rückkehrentscheidung greift in das Privat- und Familienleben des BF ein. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass er ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat, da sein Sohn mit seiner Familie in Österreich lebt. Dem steht aber das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Das Gewicht des Privat- und Familienlebens des BF im Inland wird dadurch entscheidend gemindert, dass es zu einer Zeit entstand, zu der sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zumal der BF über keine über die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer hinausgehende Aufenthaltsgenehmigung in Österreich verfügte.

Der BF hat bis auf seinen in Österreich lebenden Sohn, der serbischer Staatsangehöriger ist, und dessen Familie im Bundesgebiet keine familiären oder privaten Anknüpfungen, zumal sich sein eigener Lebensmittelpunkt stets in Serbien befand, er in Österreich zuletzt 2014 für einen Monat erwerbstätig war und die deutsche Sprache nicht beherrscht. Es liegt zum Entscheidungszeitpunkt keine berücksichtigungswürdige Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht vor. Dagegen bestehen starke Bindungen an seinen Herkunftsstaat, wo der BF den Großteil seines Lebens verbrachte. Er ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut und sprachkundig; er verfügt auch über familiäre Bindungen, zumal seine Ehefrau und seine Tochter dort leben.

Seine strafrechtliche Unbescholtenheit vermag weder sein Interesse an einem längerfristigen Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, Zl. 2011/18/0253). Der BF kann die Beziehung zu seinem Sohn und seiner Familie wie schon bisher über diverse Kommunikationsmittel (wie Telefon oder Internet) und bei Besuchen in Serbien oder in anderen Staaten aufrecht halten. Sein Sohn kann ihn von Österreich aus auch in Serbien finanziell unterstützen.

Es sind keine Umstände hervorgekommen, weshalb es dem BF nicht möglich gewesen oder künftig nicht möglich sein sollte, zum Zweck eines beabsichtigten längerfristigen Aufenthalts in Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG zu stellen. Der Umstand, dass eine solche Antragstellung allenfalls nachweis-, gebühren- und quotenpflichtig ist, vermag daran nichts zu ändern. Es ist dem BF daher unbenommen, von Serbien aus einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen und der Verfahrensausgang auch dort abzuwarten.

Den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.

Im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm Art 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Abwägung hat sich somit insgesamt nicht ergeben, dass die familiären oder privaten Bindungen des BF in Österreich das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts überwiegen. Das BFA ging somit im Ergebnis zu Recht davon aus, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine Rückkehrentscheidung (auf Dauer oder vorübergehend) unzulässig erscheinen ließen.

Die Rückkehrentscheidung wurde im angefochtenen Bescheid zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt. Nunmehr ist zu berücksichtigen, dass der BF im Mai 2020 aus dem österreichischem Bundesgebiet ausgereist ist. Bei einer während des Beschwerdeverfahrens erfolgten Ausreise ist der Fall erstmals unter dem Blickwinkel des § 52 Abs. 1 Z 2 FPG zu beurteilen und allenfalls die Beschwerde mit Bezugnahme auf diese Bestimmung abzuweisen (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz 12 und 21). Seit der Ausreise des BF findet die Rückkehrentscheidung daher in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG ihre weitere Rechtsgrundlage, zumal das Rückkehrentscheidungsverfahren schon vor der Ausreise und daher jedenfalls vor Ablauf der in § 52 Abs. 1 Z 2 FPG vorgesehenen Frist eingeleitet wurde. Mit dieser Maßgabe ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides somit zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG festzustellen, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs. 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs. 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs. 3).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig. Es sind keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass - auch unter dem Gesichtspunkt des Privat- und Familienlebens des BF in Österreich - unter Berücksichtigung seiner konkreten Situation in Serbien die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre (vgl VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Daher ist dieser Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt IV. und V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG) oder der Drittstaatsangehörige wegen der Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt (§ 53 Abs. 2 Z 3 FPG). In diesen Fällen kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Gegenständlich fehlt es dem Bescheid an einer Begründung, insbesondere an der rechtlichen Beurteilung, des gegen den BF erlassenen fünfjährigem Einreiseverbotes sowie der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Stattdessen finden sich zu Spruchpunkt IV. Ausführungen zu § 55 FPG, wonach erwogen wird, dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, was sich aber nicht im Spruch des Bescheids wiederfindet.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

Dem Telos des § 60 AVG entsprechend muss die Begründung so gestaltetet sein, dass der Bescheidadressat über die für die Entscheidung der Behörde maßgebenden Erwägungen ausreichend und nachvollziehbar informiert wird, sodass er in der Lage ist, sie eventuell zu entkräften und Gegenargumente vorzubringen, und andererseits eine nachprüfbare Kontrolle ermöglicht werden. Der VfGH hat mehrfach betont, dass die Begründung des Bescheides aus diesem selbst hervorgehen muss und auch nicht dadurch beseitigt werden kann, dass die "Motivation" der Behörde aus den Verwaltungsakten erhellt werden kann. Ein Mangel in der Bescheidbegründung kann auch nicht durch - selbst umfangreiche - Ausführungen (einen Nachtrag) in der Gegenschrift behoben werden; diese Rechtsansicht lässt sich damit begründen, dass es der Partei mangels Kenntnis der Gründe bei Erhebung der Beschwerde unmöglich war, dazu Stellung zu nehmen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 14 zu § 60 mwN).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

Da der angefochtene Bescheid für die Spruchpunkte IV. und V. überhaupt keine rechtliche Beurteilung enthält, ist er insoweit rechtswidrig und die betroffenen Spruchpunkte daher ersatzlos aufzuheben.

Zu Punkt III. des neu gefassten Spruchs (Frist für die freiwillige Ausreise):

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG ist gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen. Entscheidungen, in denen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, sind gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht mit einer Frist für die freiwillige Ausreise zu verbinden.

Diese beträgt hier gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung, weil der BF keine besonderen Umstände, die er bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, vorgebracht und keinen Ausreisetermin bekanntgegeben hat.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck von der BF bei einer mündlichen Verhandlung kein Entfall der Rückkehrentscheidung möglich wäre, kann eine Beschwerdeverhandlung entfallen. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten Tatsachenbehauptungen der BF ausgegangen wird.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Interessenabwägung öffentliche Interessen rechtliche Beurteilung Resozialisierung Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2232011.1.00

Im RIS seit

22.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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