Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags mangels LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Mit Schriftsatz vom 27. September 1994 stellten A und P P gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Deutsch Goritz gemäß dem in der Gemeinderatssitzung am 10.2.1993 ergangenen Beschluß, womit die Auflassung des öffentlichen Benutzungsrechtes des 'Stimpflweges' in der KG Deutsch Goritz von der Landesstraße L 206 bis zur Einmündung in den Gemeindeweg, Grundstück Nr. 214 KG Deutsch Goritz, verordnet wurde, ihrem gesamten Inhalte nach als gesetzwidrig aufheben."
2. Über den Antrag wurde erwogen:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtssprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).
2.2. Die Antragsteller räumen ausdrücklich ein, daß sie ein gerichtliches Feststellungsverfahren gegen die Eigentümer des "Stimpflweges" anstrengen oder die Einbringung einer Unterlassungsklage durch die Eigentümer provozieren könnten. Sie meinen jedoch, daß beide Verfahren in der Praxis langwierig und mit hohen Kosten verbunden seien. Überdies könne mit einer Antragstellung des Gerichtes an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung der Verordnung in der Praxis nicht gerechnet werden.
2.3. Dieses Vorbringen ist verfehlt: Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgrichtshofes zu Art140 Abs1 letzter Absatz B-VG ist es grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im folgenden gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. zB VfSlg. 8890/1980, 9394/1982, 9695/1983, 9926/1984, 10445/1985, 10785/1986, 11551/1987, 11759/1988, 11890/1988, 12046/1989, 12775/1991 und VfGH 11.3.1994, G73/93 ua.). Im Erkenntnis VfGH 11.3.1994, G73/93 ua., begründete der Gerichtshof diese Rechtsauffassung wie folgt:
"Wollte man wegen des Prozeßrisikos und der damit verbundenen Kostenfolgen oder wegen der damit verbundenen Zeitdauer grundsätzlich davon ausgehen, daß die Beschreitung des Gerichtsweges unzumutbar sei, so verlöre die in Art140 Abs1,
letzter Satz, B-VG ... enthaltene Einschränkung 'sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung ... für
diese Person wirksam geworden ist' ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 10785/1986, 11551/1987, 11759/1988, 11889/1988, 12046/1981 ua.).
Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es dabei auch nicht auf die Erfolgschancen des Antragstellers im Gerichtsvefahren, sondern bloß darauf an, daß sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985, 11889/1988). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter eines Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 9939/1984, 11454/1987). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 11890/1988, 12046/1989)."
2.4. Diese Überlegungen müssen auf den hier maßgebenden
Artikel 139 Abs1 letzter Satz B-VG übertragen werden, da diese Bestimmung mit Art140 Abs1 letzter Satz B-VG korrespondiert. Dies gilt umsomehr, als gemäß Art89 Abs2 B-VG bereits jedes erstinstanzliche Gericht beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung einer Verordnung zu stellen hat, wenn es gegen die Anwendung dieser Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hegt.
Besondere Umstände, die im Lichte der soeben angestellten Erwägungen den Antragstellern ungeachtet der ihnen offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Verordnungsprüfungsantrages einzuräumen vermögen, werden von den Antragstellern weder behauptet noch sind sie dem Verfassungsgerichtshof erkennbar.
Der Verordnungsprüfungsantrag war daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.
2.5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Straßenverwaltung, Widmung (einer Straße)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V149.1994Dokumentnummer
JFT_10048998_94V00149_00