TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 G304 2229880-2

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Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35

Spruch

G304 2229880-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Haftbeschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Nigeria, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, vom 22.04.2020 hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum vom 02.04.2020 bis 21.04.2020 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat gemäß § 35 VwGVG dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge „BF“) reiste am 02.03.2020 aus Italien nach Österreich ein, wurde von Exekutivkräften angehalten und wurde über ihn mit Bescheid der belangten Behörde vom selben Tag die Schubhaft verhängt. Am 25.03.2020 langte beim BVwG eine Schubhaftbeschwerde des BF gegen diesen Bescheid ein. Mit Erkenntnis vom 26.03.2020 wies das BVwG die Beschwerde des BF ab und sprach der belangten Behörde den beantragten Kostenersatz zu.

Am 22.04.2020 langte eine neuerliche Schubhaftbeschwerde des BF gegen den seiner Ansicht nach am 22.04.2020, 00:00 Uhr wirksamen neuen Schubhafttitel ein. Unter einem wurde die gegenständliche Haftbeschwerde hinsichtlich des Zeitraumes 02.04.2020 bis 21.04.2020 erhoben.

Mit Schreiben vom 03.09.2020 legte der BF die Kopie seines Lichtbildausweises über den italienischen Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno lavoro autonomo“), der bis 23.03.2021 Gültigkeit hat, vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsbürger von Nigeria.

Der BF verfügt über einen italienischen Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno lavoro autonomo“), der bis 23.03.2021 Gültigkeit hat.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen hinsichtlich des Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers in Italien gründen sich auf den im Verfahren in Kopie vorgelegten italienischen Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno lavoro autonomo“), an dessen Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Dieser wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 52 FPG lautet:

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2.       nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2.       dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3.       ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4.       ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1.       nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a.      nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3.       ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4.       der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

Der BF verfügt über einen Aufenthaltstitel in Italien. Er wurde im österreichischen Staatsgebiet aufgegriffen. Gemäß § 52 Abs 6 FPG hätte sich der BF nach seinem Aufgriff in das Hoheitsgebietes Italiens begeben müssen, da er über einen Aufenthaltstitel dieses Staates verfügt. Erst wenn der BF dieser Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wäre, wäre allenfalls eine Maßnahme zur Sicherung der Ausreise – etwa durch ein gelinderes Mittel oder die Anordnung von Schubhaft - des BF durch die österreichischen Behörden indiziert gewesen. Die belangte Behörde unterließ es jedoch, den BF aufzufordern sich unverzüglich nach Italien zu begeben, sondern nahm diesen umgehend fest und verhängte unmittelbar darauf die Schubhaft.

Der Haftbeschwerde war daher stattzugeben und die Anhaltung in Schubhaft von 02.04.2020 bis 21.04.2020 für rechtswidrig zu erklären.

Zu den Anträgen auf Kostenersatz

Der belangten Behörde gebührte als unterlegene Partei kein Kostenersatz, der Beschwerdeführer war auf Grund der Beschwerdestattgabe obsiegende Partei und hatte Anspruch auf Kostenersatz.

Der Beschwerdeführer beantragte den Ersatz von Aufwandsersatz in gesetzlicher Höhe. § 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit € 737,60. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer daher diese Kosten zu ersetzen.


Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder wich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlte es an einer Rechtsprechung; weiters war die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch lagen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufwandersatz Rechtswidrigkeit Schubhaft Schubhaftbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G304.2229880.2.01

Im RIS seit

22.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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